8326 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen

über die Petition betreffend „Klare Lebensmittelkennzeichnung in Österreich“ überreicht von Bundesrat Ferdinand Tiefnig (27/PET-BR/2009)

Bundesrat Ferdinand Tiefnig hat die gegenständliche Petition am 23. November 2009 gemäß § 25 GO-BR eingebracht. In dieser Petition wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Die Erwartungen der Verbraucher an die Beschaffenheit von Lebensmitteln haben sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Neben der Produktqualität sind auch Aspekte wie Herkunft der Rohstoffe und ethische Werte wie Umwelt- und Tiergerechtheit für die Kaufentscheidung relevant.

Diverse Umfragen belegen immer wieder, dass die Konsumenten verlässliche Informationen über ihre Lebensmittel wollen. Bei Lebensmitteln kommt der österreichischen Herkunft, der Qualität, der regionalen Produktion und der Frische der Lebensmittel eine zunehmende Bedeutung zu. Es zeigt sich, dass die Konsumenten großes Interesse an Transparenz, Vertrauen und Sicherheit bei Lebensmitteln haben.

Vielfach wird jedoch in der gegenwärtigen Praxis der Lebensmittelindustrie aus Kostengründen auf billige Ersatzstoffe mit der klaren Zielsetzung der Nachahmung der Eigenschaften echter Produkte gesetzt. Dabei werden Nahrungsmittel tierischer Herkunft meist durch andere, oft aus Palm- oder Sojaöl unter Zusatz von Pulvermischungen, Farb- und Geschmackstoffe ersetzt; ähnlich wird auch bei Milch-Speiseeis verfahren.

Dem Wunsch nach Information der Konsumenten wird die gültige Lebensmittelkennzeichnung allerdings nicht immer gerecht. Zudem sind Kennzeichnungen bei unverpackt abgegeben Waren und in der Gemeinschaftsverpflegung in gewerblichen und nicht gewerblichen gastronomischen Betrieben kaum geregelt.

Wir ersuchen daher den Bundesrat, alle erforderlichen Schritte und Maßnahmen zu setzen, damit die Kennzeichnung bei Lebensmitteln und die Herkunft der verwendeten Rohstoffe für die Konsumenten sichtbar, klar erkenntlich und nachvollziehbar sind.“

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen hat die gegenständliche Petition in seiner Sitzung am 09. März 2010 erstmals in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Ferdinand Tiefnig.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Ferdinand Tiefnig, Franz Perhab, Ewald Lindinger und Maria Mosbacher.

Auf Antrag der Bundesrätin Maria Mosbacher wurden die Verhandlungen zum Gegenstand mit Stimmeneinhelligkeit vertagt.

Am 01. Juni 2010 hat der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen die Verhandlungen wieder aufgenommen. In der Debatte ergriffen die Bundesräte Ferdinand Tiefnig, Maria Mosbacher, MMag. Barbara Eibinger und Ewald Lindinger sowie mit beratender Stimme Elisabeth Kerschbaum das Wort.

Der Ausschuss hat auf Antrag der Bundesräte Ferdinand Tiefnig und Maria Mosbacher mit Stimmeneinhelligkeit folgende Ausschussfeststellung beschlossen:

„Die schriftliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit lautet:

‚Das Kennzeichnungsrecht wurde durch die Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür idgF. europaweit harmonisiert. Diese Richtlinie wird durch die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993-LMKV idgF. umgesetzt.

Auf EU-Ebene wird das gesamte Lebensmittelkennzeichnungsrecht nun einer Revision unterzogen; so wurde am 30. Jänner 2008 von der Europäischen Kommission ein Vorschlag für eine Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, 2000/0028 (COD), vorgelegt, der derzeit auf Ratsebene intensivst diskutiert wird.

Das Ziel der oben genannten ‚Informationsverordnung‘ ist, dem Verlangen der Verbraucherinnen und Verbraucher nach mehr und ‚besserer‘ Information (klare, einfache, umfassende, standardisierte und zuverlässige Informationen) auf der Etikettierung nachzukommen. Österreich setzt sich auf Gemeinschaftsebene besonders für den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung ein. Dies ist ein zentrales Anliegen.

Zu den wichtigsten Punkten der Petition:

Ursprungs- und Herkunftskennzeichnung:

Der oben genannte Verordnungsentwurf der Kommission ermöglicht eine freiwillige Kennzeichnung des Ursprungslandes oder Herkunftsortes unter Einhaltung bestimmter Anforderungen (Beachtung des allgemeinen Irreführungsverbotes): wird das Ursprungsland oder der Herkunftsort des Lebensmittels ausgelobt und deckt sich dieser nicht mit demjenigen seiner primären Zutat(en), so ist das Ursprungsland oder der Herkunftsort dieser Zutat(en) verpflichtend anzugeben.

Österreich unterstützt die Forderung nach einer detaillierten Herkunftsangabe der wertbestimmenden Bestandteile eines Lebensmittels bei freiwilliger Auslobung der Herkunft des Lebensmittels. Überdies fordert Österreich in diesem Zusammenhang eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei unverarbeiteten Lebensmitteln und wird künftig auch die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel fordern.

Weiters enthält der Entwurf auch die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, Maßnahmen hinsichtlich der zwingenden Angabe des Ursprungslandes oder Herkunftsortes vorzusehen, wenn nachweislich eine Verbindung zwischen den Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder Herkunft besteht.

Gastronomiekennzeichnung:

In Zusammenhang mit den Diskussionen über Lebensmittelinformationen in Gastronomiebetrieben werden bereits Gespräche mit der Wirtschaftskammer geführt, um eine gemeinsame Vorgangsweise mit dem Ziel praxisgerechte Lösungen im Sinne des Konsumentenschutzes zu erreichen. In weiteren Gesprächen sollen die Möglichkeiten und eine machbare Umsetzung in der Praxis erörtert werden.

Lebensmittelimitate:

Hinsichtlich Maßnahmen gegen ‚Lebensmittelimitate‘, konkret Analogkäse und Schummelschinken, wurde bereits ein Schreiben an die Europäische Kommission gerichtet. Im Antwortschreiben der Kommission verweist diese hinsichtlich Käse auf die vertikalen Bestimmungen (Marktordnung), sowie in beiden Fällen auf die Bestimmungen der RL 2000/13/EG (Etikettierungsrichtlinie) und stellt zusammenfassend fest, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten somit alle Instrumente in der Hand haben, um zu vermeiden, dass Verbraucher vorsätzlich irregeführt werden.

Innerstaatlich wurden im Codexkapitel B 32 (Milch-und Milcherzeugnisse) bereits genaue Festlegungen zum Täuschungschutz bei Analogkäse getroffen. Die Österreichische Codexkommission setzt sich derzeit mit dem Thema Täuschungsschutz in intensiver Diskussion mit allen Beteiligten auseinander.

So wurde parallel zu den Verhandlungen zur oben erwähnten Informationsverordnung in Österreich eine Initiative gestartet, die einen verbesserten Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung zum Ziel hat. In diesen Tagen wird eine Arbeitsgruppe ‚Kennzeichnung, Irreführung, Herkunft‘ im Rahmen der Österreichischen Codexkommission einberufen, um hier neue Begriffsbestimmungen und Beurteilungsgrundsätze zu erarbeiten. Ziel ist es, vor allem Lebensmittelgutachter mit detaillierteren Ausführungen bei ihren Entscheidungen zu unterstützen und Unternehmungen hier eindeutige Leitlinien und somit bestmögliche Rechtssicherheit zu geben.

Allgemein wird die Kennzeichnung und die Aufmachung in Zusammenhang mit dem Täuschungsschutz im Rahmen der amtlichen Kontrolle routinemäßig und regelmäßig überprüft. Darüber hinaus wurde im ‚Mehrjährigen Integrierten Kontrollplan 2007 – 2010‘ die Kontrolle des Täuschungsschutzes als Schwerpunkt festgelegt.‘

Die schriftliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft lautet:

‚Es wird darauf hingewiesen, dass die gegenständliche Petition an den Bundesminister für Gesundheit (BMG) gerichtet ist.

Das BMLFUW spricht sich für nachvollziehbare und täuschungsfreie Regelungen zur Kennzeichnung der Herkunft von landwirtschaftlichen Rohstoffen aus. Hinsichtlich der legistischen Kompetenz darf auf die Zuständigkeit des BMG hingewiesen werden.

Auch auf EU-Ebene werden im Rahmen des Vorschlages für eine Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel die Regelungen für die Kennzeichnung der Herkunft der landwirtschaftlichen Rohstoffe neu festgelegt werden.

Das BMLFUW unterstützt die Initiative auf europäischer Ebene und spricht sich u.a. für die Möglichkeit von national geregelten verbindlichen Herkunftsangaben für bestimmte Lebensmittel aus. Bisherige Konsumentenerhebungen zeigen, dass das Interesse für die Herkunft eines Produktes umso höher ist, je höher der Anteil tierischer Zutaten und je weniger das Produkt verarbeitet ist. Auf die Federführung des BMG in dieser Angelegenheit wird hingewiesen.‘

Die schriftliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz lautet:

‚Die Zielsetzung der Petition nach einer klaren und transparenten Kennzeichnung unterstütze ich voll und ganz. Hinsichtlich der Herkunftskennzeichnung tritt das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nicht nur für die verpflichtende Kennzeichnung unverarbeiteter Lebensmittel ein, sondern fordert darüber hinaus auch eine Herkunftskennzeichnung der wertbestimmenden Bestandteile verarbeitender Lebensmittel.

Im Rahmen des zweijährig im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums erhobenen Konsumentenbarometers 2009 wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher ua über ihre Zufriedenheit betreffend die Kennzeichnung von Lebensmitteln befragt.

Das Ergebnis zeigte, dass beinahe ein Drittel der befragten Österreicherinnen und Österreicher mit der Lebensmittelkennzeichnung unzufrieden sind, wobei an oberster Stelle das Defizit einer Herkunftskennzeichnung rangiert.

Die Kennzeichnung des Herkunftslandes bei unverpackten Lebensmitteln ist drei Vierteln der Befragten sehr wichtig, bei verarbeiteten Lebensmitteln sind es 70 %.

Auch die Kennzeichnung von Speisen in der Gastronomie befinden die Österreicherinnen und Österreicher mehrheitlich als wichtig. Knapp die Hälfte der Befragten ist in Bezug auf die Schriftgröße bzw. die Kontrastgestaltung mit der Lesbarkeit unzufrieden.

2009 habe ich dieses Anliegen der Konsumentinnen und Konsumenten dem Gesundheitsminister vorgelegt und ihn ersucht, die Anliegen im Rahmen der Verhandlungen des Verordnungsvorschlags der Europäischen Kommission über die Information der Verbraucher über Lebensmittel zu berücksichtigen.

Ich weise allerdings darauf hin, dass die Gesetzgebung betreffend Lebensmittelkennzeichnung in die Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums fällt. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ist jedoch im Rahmen der Vorbereitung von innerstaatlichen und europäischen Gesetzgebungsakten in entsprechenden Gremien mitbefasst und bemüht, die Berücksichtigung der Verbraucherinteressen zu erwirken.

Hinsichtlich der Rechtsverfolgung weise ich darauf hin, dass das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bereits seit Jahren den Verein für Konsumenteninformation mit der Führung von UWG-Verbandsklagen zur Verfolgung irreführender Werbung im Lebensmittelbereich beauftragt.

Dabei werden Produktaufmachungen und -bewerbungen in konkreten Einzelfällen auf ihre Irreführungseignung geprüft. Die Art der Bewerbung eines Produkts kann über wesentliche Produktmerkmale wie zB Beschaffenheit, Menge oder Herkunft eines Produkts in die Irre führen. Ist die berechtigte Verbrauchererwartung – unabhängig von der korrekten Kennzeichnung – auf etwas anderes gerichtet als tatsächlich erworben werden kann, so kann von einer irreführenden Geschäftspraxis iS des UWG gesprochen werden (zB analoges Produkt anstelle von Käse auf der Pizza).

Als Anhaltspunkt für die berechtigte Verbrauchererwartung dient der Österreichische Lebensmittel-Codex, der den Stellenwert eines Sachverständigengutachtens hat.

Abschließend möchte ich betonen, dass ich als Konsumentenschutzminister auch freiwillige Initiativen unterstütze, welche die Transparenz und Verständlichkeit betreffend Lebensmitteletikettierung erhöhen und damit eine bewusste Kaufentscheidung des Verbrauchers überhaupt erst ermöglichen.‘

Die schriftliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend lautet:

‚Auf EU-Ebene wird das gesamte Lebensmittelkennzeichnungsrecht nun einer Revision unterzogen; so wurde am 30. Jänner 2008 von der Europäischen Kommission ein Vorschlag für eine Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, 2000/0028 (COD), vorgelegt, der derzeit auf Ratsebene intensiv diskutiert wird.

Das Ziel dieser ‚Informationsverordnung‘ ist dem Verlangen der Verbraucherinnen und Verbraucher nach mehr und ‚besserer‘ Information (klare, einfache, umfassende, standardisierte und zuverlässige Informationen) auf der Etikettierung nachzukommen.

Für Angelegenheiten des Verkehrs mit Lebensmitteln, diesbezügliche Kennzeichnungspflichten und legistische Maßnahmen ist ausschließlich das Bundesministerium für Gesundheit zuständig.

Dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend ist es aber im Rahmen seiner Zuständigkeit selbstverständlich ein großes Anliegen, dass der Schutz geografischer Herkunftsangaben über Produkte, die Verbrauchern angeboten werden, sichergestellt wird.

Dazu darf auf die entsprechenden Bestimmungen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verwiesen werden: Unzutreffende Bezugnahmen auf die geografische Herkunft einer Ware sind in Österreich seit jeher unzulässig, wenn sie einen nicht unerheblichen Teil der Abnehmer bei seiner Auswahlüberlegung in irgendeiner Weise beeinflussen können. Nach § 2 Abs. 1 Z 2 UWG sind irreführende Angaben über die wesentlichen Merkmale eines Produkts und somit eindeutig auch über deren geografische oder kommerzielle Herkunft unzulässig.

Bei Verstößen gegen das Irreführungsverbot nach § 2 UWG kann nach § 14 der Anspruch auf Unterlassung von den Mitbewerbern und Interessenverbänden, aber auch von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Wirtschaftskammer Österreich, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, vom Österreichischen Gewerkschaftsbund, von der Bundeswettbewerbsbehörde sowie vom Verein für Konsumenteninformation beim Handelsgericht geltend gemacht werden.‘“

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger gewählt.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Wien, 2010 06 01

                         MMag. Barbara Eibinger                                                        Maria Mosbacher

                                 Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende