8338 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Gesetz, das Telekommunikationsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Privatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Exklusivrechtegesetz geändert werden

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates wird unter anderem der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF präzisiert und dessen Finanzierung EU-konform gestaltet, eine unabhängige Medienbehörde eingerichtet, Web-TV und Video-Abrufdienste in das Privatfernsehgesetz integriert, gesetzliche Grundlagen für digitales terrestrisches Radio geschaffen und einige noch offene Punkte der EU-Mediendiensterichtlinie berücksichtigt. Auch das Recht auf Kurzberichterstattung über von einem Sender exklusiv ausgestrahlte Sport- und andere Übertragungen wurde adaptiert.

Die derzeit beim Bundeskanzleramt eingerichtete KommAustria wurde in eine unabhängige Regulierungsbehörde für den Rundfunkbereich umgewandelt und ihr gleichzeitig zusätzliche Aufgaben übertragen. So wird sie künftig etwa neben den bisherigen Regulierungsaufgaben auch für die Rechtsaufsicht über den ORF und die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Fernseh-Exklusivrechtegesetz zuständig sein. Auch die Vergabe der Mittel nach dem Presseförderungsgesetz und dem Publizistikförderungsgesetz werden in ihre Agenden fallen. Die fünf Mitglieder der KommAustria – ein Vorsitzender, ein Stellvertreter und drei weitere Mitglieder – werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung für die Dauer von sechs Jahren bestellt. Entscheidungen werden grundsätzlich in Dreier-Senaten erfolgen, in bestimmten Angelegenheiten sind aber auch Einzel-Entscheidungen vorgesehen. Zweite Instanz bleibt der Bundeskommunikationssenat.

Im ORF-Gesetz wurden die Bestimmungen über die Produktplatzierung (product placement) neu geregelt und der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF im Bereich der Online-Dienste und der Spartenprogramme neu formuliert. In diesem Zusammenhang wird der ORF etwa zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems verpflichtet. Außerdem erhält er den dezidierten gesetzlichen Auftrag, ein begleitendes Online-Angebot bereitzustellen und – nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit – ein eigenes Sport-Spartenprogramm und ein eigenes Informations- und Kultur-Spartenprogramm auszustrahlen. Anzeigenportale, Branchenverzeichnisse, Kontakt- und Tauschbörsen, Business-Networks, Erotikangebote, Glücksspiele, Wetten und viele weitere Online-Angebote bleiben dem ORF hingegen ausdrücklich untersagt.

Um unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist künftig ein Vorprüfungsverfahren für neue ORF-Angebote vorgesehen. Dabei soll der öffentlich-rechtliche "Mehrwert" der geplanten neuen Angebote, etwa neuer Spartenprogramme oder neuer Online-Dienste, unter die Lupe genommen werden. Zuständig für die so genannte "Auftragsvorprüfung" wird die Kommunikationsbehörde Austria sein, die Bundeswettbewerbsbehörde kann Stellungnahmen abgeben.

Es wird außerdem sichergestellt, dass der ORF Einnahmen aus Programmentgelten ausschließlich zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags heranzieht. Um eine gewisse Flexibilität zu gewährleisten, sind dabei in beschränktem Ausmaß Rücklagenbildungen möglich. Gleichzeitig wird die Kontrolle der wirtschaftlichen Gebarung des ORF verstärkt. Spezialbestimmungen, wie das Verbot des Erwerbs von Senderechten zu überhöhten Preisen, werden gewährleisten, dass dem öffentlich-rechtlichen Auftrag gewidmete Mittel nicht wettbewerbsverzerrend eingesetzt werden.

Die dem ORF entgehenden Programmentgelte durch Gebührenbefreiungen werden dem ORF in den nächsten vier Jahren zumindest teilweise abgegolten, und zwar in den Jahren 2010 und 2011 mit je 50 Mio. € und in den Jahren 2012 und 2013 mit je 30 Mio. €. Voraussetzung dafür sind allerdings die Fortführung des Film-Fernsehabkommens, der Fortbestand des Radiosymphonieorchesters (RSO), der kontinuierliche Ausbau des Anteils österreichspezifischer Fernsehfilme, -serien und -dokumentationen in Form von Eigen-, Ko- und Auftragsproduktionen am Gesamtprogramm, die verstärkte Ausstrahlung barrierefrei zugänglicher Sendungen sowie ein striktes Sparprogramm des ORF zur Reduzierung von Strukturkosten. Außerdem muss der ORF im Jahr 2011 – nach erfolgter "Auftragsvorprüfung" – das Informations- und Kulturspartenprogramm starten.

In das ORF-Gesetz aufgenommen wird auch eine Reihe von Verpflichtungen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Dazu zählt etwa die Ausarbeitung eines Gleichstellungsplans und der vorübergehende Vorrang von Frauen beim beruflichen Aufstieg und bei der Aus- und Weiterbildung. Außerdem wird eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter in Organen und Gremien des ORF eingemahnt.

Zusätzliche Mittel wird aber nicht nur der ORF erhalten, auch für Privatsender wurde eine Aufstockung der Fördermittel vorgesehen. So wurde die Dotierung des Fonds zur Förderung von privaten Rundfunk-Sendern bis 2013 stufenweise von 5 auf 15 Mio. € angehoben. Die Fördermittel für nichtkommerziellen Rundfunk steigen im gleichen Zeitraum schrittweise von einer auf drei Mio. €.

Weitere Punkte des Beschlusses des Nationalrates betreffen die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Vergabe und die Zulassung von Multiplex-Plattformen für digitalen terrestrischen Hörfunk und die Streichung der auf analoges Fernsehen abgestimmten Bestimmungen im Privatfernsehgesetz. Das Privatfernsehgesetz umfasst künftig außerdem auch andere audiovisuelle Mediendienste wie Web-TV und Abrufdienste (Video-on-Demand) und wurde in diesem Sinn in "Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz" umbenannt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 30. Juni 2010 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Martina Diesner-Wais.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Franz Perhab und Edgar Mayer sowie mit beratender Stimme Bundesrat Stefan Schennach.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Martina Diesner-Wais gewählt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2010 06 30

                          Martina Diesner-Wais                                                             Edgar Mayer

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzender