8667 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz - EBIG) er­lassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Bundesministeriengesetz 1986, das Strafgesetzbuch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Volks­begehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungs­gesetz 1989, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (EBIG-Einführungsgesetz)

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde ein neues Instrument der direkten Demokratie in der Europäischen Union, die Europäische Bürgerinitiative (EBI), eingeführt. Gemäß Art. 11 Abs. 4 des Vertrages über die Europäische Union können Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, „deren Anzahl mindestens eine Million beträgt“ und bei denen es sich um Staatsangehörige einer „erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten“ handeln muss, „die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.” In der am 16. Februar 2011 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative (Näheres siehe Begriffsbestimmung in Art. 2 § 1 Z 2 des Entwurfs) wurde bestimmt, dass sieben Staaten eine „erhebliche Anzahl“ im Sinne des Vertrags von Lissabon darstellen; in Österreich werden derzeit mindestens 14.250 Unterstützungsbeurkundungen benötigt, in den anderen Mitgliedstaaten sind – je nach Bevölkerungsgröße – mehr oder weniger Unterstützungsbeurkundungen erforderlich.

Ab dem 1. April 2012 wird es möglich sein, dass Personengruppen bei der Europäischen Kommission eine Europäische Bürgerinitiative registrieren lassen, nach Genehmigung durch die Kommission innerhalb eines Jahres europaweit Unterstützungsbekundungen sammeln und die Bürgerinitiative – bei Vorhandensein einer ausreichenden Zahl an Unterstützungsbekundungen aus ausreichend vielen Mitgliedstaaten – der Kommission vorlegen und in einer öffentlichen Anhörung vorstellen können. Die Regeln für das Sammeln von Unterstützungsbekundungen sowie für das damit im Zusammenhang stehende Prozedere sind in der Verordnung verankert. Bei dieser Verordnung handelt es sich um unmittelbar anzuwendendes Recht der Europäischen Union. Durch einschlägige Bestimmungen der Verordnung werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, für eine innerstaatliche Administrierung der Europäischen Bürgerinitiative Sorge zu tragen. Die innerstaatlichen rechtlichen Rahmenbedingungen werden hierbei bis zum 1. März 2012 in Geltung gesetzt.

Bei Erarbeitung des Gesetzestextes hat man sich von der Vorgabe der Kommission leiten lassen, nur jene Belange zu regeln, die einer innerstaatlichen Regelung bedürfen. Es galt zu vermeiden, Belange „duplizierend“ in der österreichischen Rechtsordnung zu verankern, die sich klar und deutlich bereits aus der Verordnung ergeben. Unter dieser Prämisse wurde der erwähnte Text wie folgt ausgestaltet:


-       Damit österreichische Behörden bei der Administrierung einer Europäischen Bürgerinitiative überhaupt tätig werden können, wurde eine Änderung des B-VG vorgesehen. Die Verankerung der Europäischen Bürgerinitiative in der österreichischen Bundesverfassung erscheint schon wegen Vorgaben der Verordnung für einen innerstaatlichen Rechtsschutz zwingend erforderlich. Mit dem vorgeschlagenen Art. 10 Abs. 1 Z 1a (neu) B-VG wird die Kompetenzgrundlage für die Regelung und Vollziehung Europäischer Bürgerinitiativen durch den Bund geschaffen. Mit einer Änderung des Art. 26a B-VG wird die Zuständigkeit der Wahlbehörden um die Mitwirkung an der Durchführung Europäischer Bürgerinitiativen erweitert. Das Ergebnis Europäischer Bürgerinitiativen kann beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 141 B-VG angefochten werden. Nähere Regelungen können bundesgesetzlich getroffen werden.

-       Mit einer Erweiterung des Bundesministeriengesetzes 1986 wird die Zuständigkeit der Bundesministerin für Inneres für die Durchführung der Europäischen Bürgerinitiative – analog zu allen anderen wahlrechtlichen Materien auf Bundesebene – in der Rechtsordnung verankert.

-       Um eine verordnungskonforme innerstaatliche Administrierung der Europäischen Bürgerinitiative sicherzustellen, wird auch das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 dahingehend erweitert, dass analog zu sämtlichen, innerstaatliche Wahlen regelnden Gesetzeskodifikationen auch das EBIG bei seiner Vollziehung vom AVG ausgenommen wird. Das Verfahren wird ausschließlich im Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz geregelt.

-       Mit zwei Kernbestimmungen wird im EBIG den in der Verordnung enthaltenen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten Rechnung getragen:

                - Überprüfung von Online-Sammelsystemen ;

                - Überprüfung und Bescheinigung von Unterstützungsbekundungen.

Beide Aufgaben werden mit dem EBIG – auch hier wird eine Analogie zu anderen bundesweiten Wahlereignissen getroffen – in die Verantwortung der Bundeswahlbehörde übertragen.

 

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 13. März 2012 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Franz Wenger.

An der Debatte beteiligten sich Bundesrat Franz Wenger und mit beratender Stimme Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Franz Wenger gewählt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2012 03 13

                                  Franz Wenger                                                                Georg Keuschnigg

                                   Berichterstatter                                                                       Vorsitzender