8731 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Finanz-Verfassungsgesetz 1948, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz, mit dem das Invalideneinstellungsgesetz 1969 geändert wird, das Bundessozialamtsgesetz, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Bundesgesetzblattgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012)

Es werden je ein Verwaltungsgericht erster Instanz in den Ländern sowie zwei Verwaltungsgerichte erster Instanz beim Bund – ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht – eingerichtet ("9+2-Modell"). Das Bundesverwaltungsgericht wird dabei organisatorisch am Asylgerichtshof angedockt und auch dessen Agenden werden übernommen. Im Gegenzug werden die Unabhängigen Verwaltungssenate der Länder, der Unabhängige Finanzsenat, das Bundesvergabeamt sowie zahlreiche sonstige weisungsfreie Sonderbehörden des Bundes und der Länder aufgelöst und der administrative Instanzenzug im Wesentlichen abgeschafft. Das heißt, Bescheide können künftig ausschließlich bei einem Verwaltungsgericht angefochten werden. Nur in Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Gemeinden betreffen, wird es noch Berufungsinstanzen im Bereich der Verwaltung geben.

Die Verwaltungsgerichte erster Instanz werden in der Regel in der Sache selbst entscheiden. Im Falle der Bekämpfung von Verwaltungsstrafen sind solche "meritorischen" Entscheidungen sogar ausnahmslos vorgesehen. Als zweite Instanz fungiert der Verwaltungsgerichtshof, er soll allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen angerufen werden können, etwa wenn eine uneinheitliche Rechtsprechung vorliegt oder der Rechtsfrage aus anderen Gründen eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch bei geringen Geldstrafen kann eine Revision beim VwGH ausgeschlossen werden.

Grundsätzlich sollen die Verwaltungsgerichte erster Instanz durch eine Einzelrichterin bzw. einen Einzelrichter entscheiden. In Ausnahmefällen können aber auch durch Bundes- oder Landesgesetz Senatszuständigkeiten festgelegt werden. Gleiches gilt für die Einbeziehung von fachkundigen LaienrichterInnen. Die Mitglieder eines Verwaltungsgerichts der Länder – einschließlich der Präsidentin bzw. des Präsidenten – werden von der Landesregierung, jene des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzgerichts vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt.

Darüber hinaus entfällt das Einspruchsrechts der Bundesregierung gegen Landesgesetze. Ausgenommen werden lediglich jene Gesetze, die Abgaben betreffen. Im Gegenzug müssen Länder künftig aktiv, innerhalb von acht Wochen, Einspruch erheben, wenn sie ein Bundesgesetz ablehnen, dessen Kundmachung ihrer Zustimmung bedarf. Das betrifft beispielsweise Gesetzesänderungen im Bereich des Vergaberechts. Zudem müssen in Hinkunft grundsätzlich nicht mehr alle authentischen Sprachfassungen eines Staatsvertrags kundgemacht werden. Im Hinblick auf die geplante Einrichtung eines Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl werden Kompetenzverschiebungen vorgenommen.

Dieser Beschluss des Nationalrates ist teilweise ein Fall des Artikel 44 Absatz 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 29. Mai 2012 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Franz Perhab.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde ebenfalls Bundesrat Franz Perhab gewählt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1.      gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2.      dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B‑VG die verfassungs-mäßige Zustimmung zu erteilen.

Wien, 2012 05 29

                                   Franz Perhab                                                                 Georg Keuschnigg

                                   Berichterstatter                                                                       Vorsitzender