8740 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen

über die Petition betreffend „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ überreicht von Bundesrätin Inge Posch-Gruska (31/PET-BR/2012)

Bundesrätin Inge Posch-Gruska hat die gegenständliche Petition am 2. Februar 2012 gemäß § 25 BR-GO eingebracht.

Mit dieser Petition tritt Bundesrätin Posch-Gruska für eine Gesetzesinitiative ein, mit welcher Klagen gegen Kinderlärm erschwert werden sollen. Kinderfreundlichkeit und Toleranz gegenüber Kindern muss ein öffentliches Anliegen sein, das von allen mitgetragen wird. Auch in Österreich muss es erschwert werden, mit dem Argument „die Kinder sind zu laut“ vor Gericht zu ziehen und damit die Errichtung von Kindergärten oder Spielplätzen zu verhindern.

 

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen hat die gegenständliche Petition in seiner Sitzung am 13. März 2012 erstmals in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Inge Posch-Gruska.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesrätin Inge Posch-Gruska und mit beratender Stimme Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum.

Auf Antrag der Bundesrätin Inge Posch-Gruska wurden die Verhandlungen zum Gegenstand zur Einholung der Stellungnahme des BMJ und des BMWFJ mit Stimmeneinhelligkeit vertagt.

 

Am 02. Mai 2012 hat der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Gemäß § 33 Abs. 1 GO-BR wurde einstimmig beschlossen, MMag. Cap und Dr. Marzi als informierte Vertreterinnen des Bundesministeriums für Justiz, Dr. Ewald Filler als informierten Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend und Dr. Anton Schmid als informierten Vertreter der Verbindungsstelle der Bundesländer als Auskunftspersonen zu laden.

In der Debatte ergriffen die Bundesräte Inge Posch-Gruska, Ana Blatnik, Mag. Bettina Rausch, Ferdinand Tiefnig, Stefan Schennach, Karl Petritz, Friedrich Hensler, Johanna Köberl und mit beratender Stimme Elisabeth Kerschbaum sowie Herr Dr. Anton Schmid, Herr Dr. Ewald Filler, Frau Dr. Theresia Marzi und Frau MMag. Verena Cap das Wort.

Auf Antrag des Bundesrates Friedrich Hensler wurden die Verhandlungen zum Gegenstand mit Stimmeneinhelligkeit vertagt.

 

Am 29. Mai 2012 hat der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen die Verhandlungen wieder aufgenommen.


Der Ausschuss hat auf Antrag der Bundesrätinnen Inge Posch-Gruska und Mag. Bettina Rausch mit Stimmeneinhelligkeit folgende Ausschussfeststellung beschlossen:

Die schriftliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz lautet:

Das Bundesministerium für Justiz nimmt zur Petition „Kinderlärm ist Zukunftsmusik" wie folgt Stellung:

Das Thema Lärmbelästigung durch Kinder wird von österreichischen Gerichten grundsätzlich nicht besonders häufig behandelt. Jene Urteile des Obersten Gerichtshofes (OGH), die zu diesem Thema vorliegen, zeigen jedoch, dass „von einem Kinderspielplatz ausgehender Lärm grundsätzlich nicht als Störung angesehen werden könne, die [etwa] die Brauchbarkeit einer Wohnung ... vermindere" (OGH, 4 Ob 53/08k). Auch der Verwaltungsgerichtshof stellte fest, dass von einem Kinderspielplatz ausgehende Lärmimmissionen in Wohnhausanlagen üblich und daher hinzunehmen seien (VwGH, 99/05/0006; 99/05/0048).

Bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 6/99k, wies der OGH darauf hin, dass der verständige Durchschnittsmensch auf eine kinder- und jugendfreundliche Umgebung Bedacht zu nehmen habe und dadurch höhere als sonst generell zulässige Grenzwerte für Lärm nicht als wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung empfinde.

Geräusche, die mit dem Aufziehen von Kindern regelmäßig verbunden sind und trotz Rücksichtnahme auf andere Personen nicht vermeidbar sind, sind vom überwiegenden Interesse an der Kindererziehung gedeckt und daher keine ungebührliche Lärmerregung. Ein nicht ungewöhnliches Herumlaufen von Kleinkindern und das in einem bestimmten Alter typische Schreien sind insbesondere während der Tageszeit von allen, selbst ungewöhnlich lärmempfindlichen Hausbewohnern hinzunehmen, wenn diese Geräusche nicht ungebührlich lange andauern (UVS Wien 03/P/34/2556/2004).

Zwar ist die Rechtsprechung zu Lärmimmissionen durch Kinder nicht sehr umfangreich, sie ist allerdings - wie die zitierten Entscheidungen zeigen - durchwegs einheitlich, und es lassen sich daraus eindeutige Leitlinien dahingehend ableiten, dass typischer von Kindern verursachter Lärm von Nachbarn hinzunehmen ist.

Aus diesem Grund besteht in Österreich kein Anlass dafür, diesen von der Judikatur ohnehin einhellig gelösten Fragenkreis einer zusätzlichen Klärung durch den Gesetzgeber zuzuführen.

 

Die schriftliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend lautet:

Anders als in Deutschland, wo Kinderlärm auf Grundlage des deutschen Bundes- Immissionsschutzgesetzes bis zu einer kürzlich erfolgten Novellierung als "schädliche Umwelteinwirkung" qualifiziert werden konnte, gibt es in Österreich schon jetzt eine gesicherte Rechtsprechung, wonach Kinderlärm nicht ungebührlich ist. Weder durch Instrumente des Privatrechts noch durch solche des Verwaltungs- rechts kann Kinderlärm im üblichen Ausmaß verhindert werden.

Die österreichische Rechtsprechung ist, was Kinderlärm betrifft, ausführlich und einheitlich. Der OGH geht bei seinen Entscheidungen, ähnlich wie auch höchste Entscheidungsinstanzen in den Ländern, grundsätzlich davon aus, dass Lärm nur dann als solcher tatbestandsmäßig ist, wenn er ungebührlich ist, Kinderlärm kann zwar subjektiv unterschiedlich bewertet und daher auch teilweise als störend empfunden werden, ist aber nach einhelliger Rechtsprechung nicht ungebührlich. Auch wird der Kinderlärm gemäß Rechtsprechung des OGH nicht als wertmindernd im Hinblick auf Immobilien betrachtet. Was Kinderspielplätze be- trifft, hat der OGH festgestellt, dass diese ortsüblich und daher zu dulden sind. Damit sind auch die Spielflächen von Kindergärten, die in den Gemeinden als solche gewidmet sind, rechtlich abgesichert. So ist das Recht des Kindes auf Spiel nachhaltig gesichert.

Neben der einheitlichen Rechtsprechung des OGH haben die Länder die Möglichkeit, zusätzliche Präzisierungen bezüglich des Kinderlärms in Landesgesetzen, etwa in der Bauordnung und in Sicherheitsgesetzen, vorzunehmen.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Bundesregierung zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft die Kinderrechte in einem eigenen Verfassungsgesetz, dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, verankert hat. Demnach hat jedes Kind Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit.

Eine bundesweite Gesetzespräzisierung ist daher aufgrund der einheitlichen Rechtsprechung sowie der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen derzeit nicht erforderlich.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes  zu empfehlen.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Christian Füller gewählt.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Mai 2012  den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Wien, 2012 05 29

                                Christian Füller                                                                     Johann Ertl

                                   Berichterstatter                                                                       Vorsitzender