Mitteilung gemäß Art. 23f Abs. 4 B-VG

an die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament betreffend das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG COM(2015) 80 final, Paket zur Energieunion/Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank/Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie (57441/EU XXV.GP)

 

Gemäß Art. 194 Abs. 2 AEUV dürfen die von der EU im Energiebereich zu setzenden Maßnahmen grundsätzlich nicht das Recht eines Mitgliedstaates berühren, die Bedingungen für die Nutzung seiner Energieressourcen, seine Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung zu bestimmen.

Der Bundesrat anerkennt grundsätzlich, dass im Energiebereich ein Tätigwerden der EU notwendig ist. In der vorliegenden Mitteilung führt die Kommission eine Vielzahl von Bereichen an, für die grundsätzlich transnationale Lösungen und Maßnahmen erforderlich sind.

Nach der Ansicht des Bundesrates stellt die Kommission in ihrer Grundtendenz allerdings bei den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Sicherstellung vor allem von fossilen und atomaren Energieströmen ab, unter anderem auf die Kernenergie und die Gewinnung von Öl und Gas aus nicht konventionellen Quellen. Die mit der Nutzung der Kernenergie sowie der Gewinnung von Öl und Gas aus nicht konventionellen Quellen verbundenen Probleme und Gefahren werden in der Mitteilung nicht thematisiert. Diese Unausgewogenheit wird vor allem vor dem Hintergrund der in Art. 194 Abs. 2 AEUV verankerten freien Wahlmöglichkeit der Mitgliedstaaten zwischen verschiedenen Energieressourcen kritisch gesehen. In der vorliegenden Mitteilung werden bestimmte Formen der Energiegewinnung bzw. der damit verbundenen Lagerung einseitig positiv dargestellt, dass diese als gleichsam alternativlose Mittel präsentiert werden. Insbesondere besteht nach Auffassung des Bundesrates die Gefahr, dass die von der Kommission angestrebte Energieunion die Förderung von erneuerbaren Energieträgern behindert. Eine solche nicht tendenzfreie Darstellung beeinträchtigt in letzter Konsequenz die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Energiequellen und Energieversorgung.

Die Dekarbonisierung darf auch nicht im Rahmen der Energieunion zu einer Aufwertung der Atomenergie führen, da diese weder eine nachhaltige noch sichere Form der Energiegewinnung ist.. Die Risiken und objektiven Nachteile der Kernenergie werden in der Mitteilung völlig ausgeblendet. Auch die Aussage, dass die EU dafür sorgen müsse, dass die höchsten Standards für die Entsorgung von Atomabfällen eingehalten werden, suggeriert, dass es eine wirkliche Entsorgung von Nuklearabfällen gäbe. In Wahrheit ist nach dem derzeitigen Stand der Technik lediglich eine Lagerung von Atommüll möglich, eine tatsächliche Beseitigung erfolgt nicht.

Der Mitteilung sind zudem eindeutige Hinweise zu entnehmen, dass die EU gedenkt, finanzielle Investitionen in die Atomenergie zu tätigen. Dies ist einerseits der Ankündigung zu entnehmen, dass die EU dafür sorgen wird, „ihre technologische Führungsposition im Nuklearbereich“ zu halten. Zudem kritisiert der Bundesrat, dass die Kommission zwar festhält, dass der Energiebinnenmarkt durch staatliche Interventionen nicht verzerrt werden dürfe, in diesem Zusammenhang aber nur die öffentliche Förderung erneuerbarer Energieformen problematisiert, während eine staatliche Förderung der Atomenergie offenbar bewusst nicht als Problem angesprochen wird. Der Bundesrat findet es auffällig, dass das Prinzip der Kostenwahrheit in diesem Dossier völlig ausgeklammert wird.

Ebenso wird die nicht sichere und nicht nachhaltige Technologie der CO2-Abtrennung und –Speicherung  (CCS) einseitig positiv dargestellt. Der Bundesrat lehnt diese nicht sicheren und nicht nachhaltigen Technologien ab.

Ähnliches gilt auch für die Gewinnung von Schiefergas („Fracking“), welche von der Kommission als eine Option bezeichnet wird.

Zur Umstellung auf eine Wirtschaft mit geringen CO2-Emissionen will die Kommission u.a. eine Führungsrolle bei den erneuerbaren Energien übernehmen. Trotz dieses vordergründigen Bekenntnisses fehlt der Mitteilung eine langfristige Vision für den Ausbau erneuerbarer Energien über das Jahr 2030 hinaus. Ebenso fehlt nach Auffassung des Bundesrates ein Verweis auf die beträchtlichen Potenziale zur Eigenversorgung der EU mit heimischen erneuerbaren Energien. Dies ist insbesondere problematisch, da, wie bereits ausgeführt, bei den fossilen und nuklearen Energieträgern weiterhin wesentliche externe Kosten ausgeklammert werden. Unbestritten ist aus Sicht des Bundesrates jedenfalls die herausragende Bedeutung von Energieeffizienzmaßnahmen für die Reduzierung der Importabhängigkeit und die kostengünstige Reduktion von CO2-Emissionen.

Die Mitteilung der Kommission ist nach Ansicht des Bundesrates weiters Ausdruck einer generellen Zentralisierungstendenz im Energiebereich; so wird vorgeschlagen zur vollständigen Integration des Energiebinnenmarkts die Befugnisse der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) bei der Wahrnehmung von Regulierungsfunktionen zu erweitern.

Der Bundesrat vertritt in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen die Meinung, dass durch die gegenständliche Mitteilung der Kommission „Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie“ der europäische Grundsatz, dass der jeweilige Energiemix Sache des Mitgliedsstaates ist, nicht beschnitten werden darf.

Aus Sicht des Bundesrates ist bei der weiteren Behandlung des vorliegenden Paketes stärker auf das Subsidiaritätsprinzip zu achten. Das vorliegende Paket trägt diesem nicht ausreichend Rechnung.

Des Weiteren wird auf die vorliegenden Stellungnahmen der Landtage der Bundesländer Oberösterreich und Vorarlberg verwiesen.