9553 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2014 (III-569-BR/2015 d.B.)

Das neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit

Mit 1. Jänner 2014 ist die „Jahrhundertreform“ der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit wirksam geworden. Verwaltungsinterne Instanzenzüge und mehr als hundert Sonderbehörden wurden beseitigt. In jedem Land wurde als erste verwaltungsgerichtliche Instanz ein Landesverwaltungsgericht eingerichtet, auf Bundesebene das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesfinanzgericht. Wer Adressat eines Bescheides oder einer Maßnahme einer Verwaltungsbehörde ist, kann sich mit Beschwerde unmittelbar an diese erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte wenden. Der Verwaltungsgerichtshof ist - wie seit seiner erstmaligen Errichtung 1876 – das Höchstgericht in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten. Er entscheidet nun über Rechtsmittel (Revisionen) gegen Entscheidungen der Landesverwaltungsgerichte, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzgerichts. Revisionen sind nur über Rechtsfragen zulässig, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Neuanfall und Erledigungen 2014, Verfahrensdauer

Im ersten Jahr des neuen Systems der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind etwa 3.900 neue Rechtssachen beim Verwaltungsgerichtshof angefallen. Davon hat der Verwaltungsgerichtshof ca. 2.500 Verfahren bereits abgeschlossen, zum Jahresende blieben daher weniger als 1.500 Verfahren aus dem neuen System offen. Aus dem „alten System“ waren beim Verwaltungsgerichtshof zu Jahresbeginn 2014 noch rund 4.600 Verfahren anhängig gewesen, von denen 2014 über 3.000 erledigt wurden. Zum Jahresende 2014 waren damit (aus dem alten und neuen System zusammen) etwa 3.000 Verfahren anhängig. Die Anzahl der zum Jahresende offenen Fälle ist von rund 4.600 zum 1.1.2014 auf rund 3.000 zum 1.1.2015 zurückgegangen. Die durchschnittliche Dauer der im Jahr 2014 abgeschlossenen Verfahren betrug 10,6 Monate.

Auswirkungen auf den Verfassungsgerichtshof

Nach einem Jahr der Beobachtung der umgesetzten Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit lässt sich bereits klar erkennen, dass der Arbeitsanfall im Verfassungsgerichtshof in Asylsachen nicht wieder auf das Niveau des Jahres 2007 (vor der Novelle) sinken, sondern – im Gegenteil – die Anzahl der im Jahr 2007 angefallenen Asylsachen um ein Vielfaches überschreiten wird. Im Jahr 2014 wurde im Vergleich zum Jahr 2007 fast die sechsfache Anzahl an Asylrechtssachen im Verfassungsgerichtshof anhängig (31. Dezember 2014: 1431 Fälle). Beschwerden in Asylrechtsangelegenheiten machten 2014 nach wie vor fast 50 % des Neuanfalles aus.

Gesetzesbeschwerde und Reform der Untersuchungsausschüsse

Mit der B-VG-Novelle BGBl. I 114/2013 wurde das System der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle mit Wirkung vom 1. Jänner 2015 in zweifacher Hinsicht weiterentwickelt: zum einen dadurch, dass allen ordentlichen Gerichten – auch solchen, die zur Entscheidung in erster Instanz zuständig sind – die Befugnis eingeräumt wurde, Gesetze wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, und zum anderen durch den Parteiantrag auf Normenkontrolle („Gesetzesbeschwerde“), der es den Parteien eines Verfahrens vor einem ordentlichen Gericht ermöglicht, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in diesem Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften unmittelbar an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Beide Maßnahmen werden als äußerst wichtiger Schritt zur weiteren Verbesserung des Rechtsschutzes in Österreich mit Nachdruck begrüßt.

Mit 1. Jänner 2015 ist auch die Reform der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Kraft getreten. In diesem Zusammenhang wurde dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit übertragen, insbesondere folgende Streitigkeiten zu entscheiden:

•       Streitigkeiten über den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

         samt Begründung

•       Streitigkeiten hinsichtlich von Beweismitteln (Akten, Zeugen etc.)

•       Streitigkeiten im Rahmen von Verletzungen von Persönlichkeitsrechten

•       Streitigkeiten zwischen dem Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister

         für Justiz bei parallelen Strafverfahren.

Die Bewältigung der Herausforderungen im Rahmen dieser neuen Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes lässt einen beträchtlichen Mehraufwand prognostizieren; zum einen deshalb, weil diese Verfahren – auch im Hinblick auf die vorgesehenen verfassungs- und einfachgesetzlichen Regelungen – ein hohes Maß an Komplexität in prozessualer und meritorischer Hinsicht erwarten lassen, und zum anderen wegen der hohen Anforderungen, die angesichts der Schutzwürdigkeit der berührten Interessen an die Behandlung physischer Akten und elektronischer Dokumente im Hinblick auf deren Geheimhaltung zu stellen sind. Dazu kommt, dass die Entscheidungen betreffend Untersuchungsausschüsse durchwegs in einem vierwöchigen „Eilverfahren“ herbeigeführt werden sollen.

 

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 29. März 2016 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Magnus Brunner, Stefan Schennach, Dr. Heidelinde Reiter und Gottfried Kneifel.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger gewählt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 29. März 2016 den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2014 (III-569-BR/2015 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

Wien, 2016 03 29

                            Mag. Klaus Fürlinger                                                           Gottfried Kneifel

                                   Berichterstatter                                                                       Vorsitzender