10729 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden

Im Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 („Aus Verantwortung für Österreich.“) hat die Bundesregierung neben vielen weiteren Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in die Exekutive auch Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus vorgesehen.

So soll eine umfassende Neuaufstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) das Vertrauen sowohl der Bevölkerung als auch der internationalen Partnerdienste wiederherstellen. Dies soll insbesondere durch eine klare strukturelle Trennung in eine Komponente für Nachrichtendienst und eine Komponente für Staatsschutz innerhalb eines reformierten BVT im Bundesministerium für Inneres mit den dafür notwendigen gesetzlichen Änderungen nach internationalen Vorbildern und klarer Aufgabendefinition erfolgen. Darüber hinaus sollen internationale Standards in allen Bereichen des Verfassungsschutzes umgesetzt werden. Dies umfasst insbesondere transparente Personalaufnahmeverfahren und die Überarbeitung der Ausbildung im Verfassungsschutz. Außerdem sollen die in der Vergangenheit aufgezeigten Sicherheitsmängel behoben und Maßnahmen zur Qualitätssicherung ergriffen werden, um die Sicherheit von Informationen wie auch Personal zu verbessern.

In Umsetzung der darüberhinausgehenden Ergebnisse des Projekts „BVT Neu“ und der im Regierungsprogramm vorgesehenen Punkte wurde nunmehr eine Änderung des PStSG und des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) ausgearbeitet.

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates sieht hinsichtlich der Änderungen des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes und des Sicherheitspolizeigesetzes insbesondere folgende Punkte vor:

           1. Gesetzliche Abbildung der zwei organisatorisch getrennten Organisationseinheiten „Nachrichtendienst“ und „Staatsschutz“ samt stringenter Zuweisung der bereits bestehenden Aufgaben an die jeweils zuständige Organisationseinheit

           2. Verankerung des Terminus „Verfassungsschutz“ als Überbegriff für die Aufgabenbereiche „Nachrichtendienst“ und „Staatsschutz“; in diesem Sinne werden auch der Titel des Gesetzes („Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz – SNG“) sowie die Namen der Verfassungsschutzbehörden angepasst

           3. Stärkung des Aufgabenbereichs „Nachrichtendienst“ durch ausdrückliche Erweiterung der nachrichtendienstlichen Aufgabe „Gewinnung und Analyse von Informationen“ auf das gesamte Tätigkeitsfeld des Verfassungsschutzes und verbesserte Möglichkeit der Informationseinholung aus dem Ausland sowie Schaffung der erforderlichen Rechtsgrundlage für eine den internationalen Vorgaben entsprechende Datenverarbeitungsmöglichkeit für den Aufgabenbereich „Nachrichtendienst“

           4. Einführung von Fallkonferenzen für den Aufgabenbereich „Staatsschutz“ nach dem Vorbild der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen zur Erarbeitung und Koordinierung von Maßnahmen in Bezug auf Personen, bei denen mit einem verfassungsgefährdenden Angriff zu rechnen ist

           5. Verbesserte interne Kontrolle der Tätigkeit des Verfassungsschutzes durch Verpflichtung zur Einführung von Qualitätssicherungssystemen

           6. Stärkung der unbeeinflussten Aufgabenwahrnehmung durch Verschärfung der Nebenbeschäftigungsregelungen und klare Entpolitisierung der Führung

           7. Stärkung der Sicherheit von Bediensteten und klassifizierten Informationen durch die Möglichkeit zur Durchsuchung von Personen, die Räumlichkeiten der Direktion betreten oder verlassen sowie durch Erweiterung der Möglichkeit von Legendierungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Aufgabenbereichs „Nachrichtendienst“

           8. Stärkung der parlamentarischen Kontrolle durch Erweiterung der Berichtspflichten der Verfassungsschutzbehörden an das Parlament und Schaffung einer unabhängigen und weisungsfreien Kontrollkommission zur strukturellen Kontrolle der Tätigkeit des Verfassungsschutzes

           9. Stärkung der Unabhängigkeit des Rechtsschutzbeauftragten durch Verlängerung der Bestelldauer und Ausschluss der Möglichkeit zur Wiederbestellung

Darüber hinaus sieht dieser Beschluss des Nationalrates hinsichtlich der Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung 1975 sowie des Tilgungsgesetzes 1972 folgende Änderungen vor:

           1. Anhebung der Strafdrohung des § 256 StGB

           2. Implementierung eines an § 112 StPO angelehnten Systems zum Schutz klassifizierter Informationen im Strafverfahren bei Sicherstellung in Behörden und öffentlichen Dienststellen

           3. Schaffung einer Rechtsgrundlage, damit die Sicherheitsbehörden zu bestimmten Zwecken auch eine unbeschränkte Auskunft aus dem Strafregister verarbeiten dürfen

Die Abgeordneten Karl Mahrer, Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Hannes Amesbauer, BA und Mag. Georg Bürstmayr haben im Ausschuss für innere Angelegenheiten des Nationalrates einen Abänderungsantrag eingebracht, der beschlossen und wie folgt begründet wurde:

„Nach einer intensiven Beratung aller Fraktionen zum Begutachtungsentwurf 104/ME und zur Regierungsvorlage 937 d.B. wurde übereingekommen, die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Österreich auszubauen und diese eng mit der neu geschaffenen Kontrollkommission Verfassungsschutz im Bundesministerium für Inneres zu verzahnen. Um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieser neuen Kontrollkommission herauszustreichen, soll außerdem einerseits vorgesehen werden, dass diese nach dem Konsensprinzip ihre Entscheidungen trifft, und andererseits, dass die Vorsitzführung unter den drei Kommissionsmitgliedern jährlich rotiert.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch auf den in der Regierungsvorlage 937d.B. enthaltenen Artikel 4 hinzuweisen. Um nach der seitens des OLG Wien als rechtswidrig eingestuften Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, bei der nachrichtendienstliche Informationen kompromittiert wurden, das internationale Vertrauen in die österreichischen Verfassungsschutzbehörden wiederherzustellen, soll ein besonderes Verfahren analog zu § 112 StPO vorgesehen werden. In Zukunft sollen klassifizierte nachrichtendienstliche Informationen im Falle des Widerspruchs eines Betroffenen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und zu hinterlegen sein; die Entscheidung, ob die beschlagnahmten Aufzeichnungen oder Datenträger verwertet werden dürfen, soll von einem Gericht getroffen werden, wobei einer Beschwerde gegen diese Entscheidung analog § 112 Abs. 3 StPO aufschiebende Wirkung zukommen soll.

In diesem Zusammenhang gilt es festzuhalten, dass dem Bundesministerium für Justiz für die kommenden drei Jahre jeweils zusätzlich € 10.000,- zur Verfügung gestellt werden, um die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen für die Verwahrung von klassifizierten nachrichten­dienstlichen Informationen treffen zu können.

Zu Z 1 (§ 2 Abs. 1):

Durch die geringfügig veränderte Formulierung soll die organisatorische Trennung der Direktion in die Bereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst noch deutlicher zum Ausdruck kommen.

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 3):

Um jeden Anschein einer Parteilichkeit hinsichtlich der Leitungsorgane der Direktion zu vermeiden, soll die „Abkühlungsphase“ von drei auf fünf Jahre verlängert werden.

Zu Z 3 (§ 2 Abs. 8):

Es handelt sich lediglich um eine legistische Klarstellung. Ergänzend ist festzuhalten, dass auch weiterhin in der Praxis eine Waffen- und Schießausbildung Voraussetzung für die Ermächtigung zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 2 Abs. 8 ist.

Zu Z 4 (§ 2b Abs. 1):

Es handelt sich lediglich um die Bereinigung eines redaktionellen Versehens.

Zu Z 5 (§ 2b Abs. 2):

Es wird klargestellt, dass für die Zurverfügungstellung einer Dienstwaffe die entsprechende Waffen- und Schießausbildung absolviert werden muss.

Zu Z 6 (§ 10 Abs. 3):

Es handelt sich lediglich um die Bereinigung eines redaktionellen Versehens. Durch die anlässlich der Begutachtungsergebnisse erfolgte Umstrukturierung des § 10 Abs. 1 und ausdrückliche Nennung der §§ 6a, 8a und 8b in § 10 Abs. 1 Z 3 bedarf es auch der entsprechenden Ergänzung des § 10 Abs. 3.

Zu Z 7 und Z 14 (§§ 17 Abs. 5 und 17d Abs. 4):

Derartige Bestimmungen sind aufgrund von Art. 30 Abs. 2 B-VG dem Geschäftsordnungs­gesetz des Nationalrates vorbehalten.

Zu Z 8 (§ 17a Abs. 1):

Durch Abs. 1 wird die unabhängige Kontrollkommission Verfassungsschutz implementiert, die durch den Zweck der Sicherstellung der gesetzmäßigen Aufgabenerfüllung der Organisationseinheiten gemäß § 1 Abs. 3 als weisungsfreies Organ zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Z 2 B-VG eingerichtet ist. Der Kontrollkommission obliegt die begleitende Kontrolle der Organisationseinheiten gemäß § 1 Abs. 3, um insbesondere systemische Mängel aufzuzeigen und bestehenden Optimierungs-bedarf der Organisation, etwa mit Blick auf Personal- oder Sachressourcen, zu erkennen.

Durch die Tätigkeit der Kommission darf es zu keinen Überschneidungen mit den gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichen von Rechtschutzeinrichtungen kommen. Der besondere Rechtsschutz kommt unverändert dem Rechtsschutzbeauftragten bzw. dem Rechtsschutzsenat (§ 14 Abs. 3) zu, welchen gemäß § 14 Abs. 1 die ständige operative Kontrolle der Rechtsmäßigkeit der Aufgabenerfüllung sowie der Datenverarbeitungen – auch im Wege einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde – obliegt. Durch die in § 16 verankerte Informationsregelung an den Betroffenen steht diesem überdies das gesamte Rechtsschutzinstrumentarium von der Beschwerde an die Datenschutzbehörde, über die Verwaltungsgerichte bis hin zur Anrufung der Höchstgerichte zur Verfügung.

Indem der Kontrollkommission systemische Kontrollaufgaben zukommen sollen, ist in übrigen, keinem gesonderten Rechtsschutz unterliegenden Angelegenheiten die unmittelbare Be- oder Aufarbeitung von noch nicht abgeschlossenen Einzelfällen auf operativer Ebene nicht von ihrem Aufgabenbereich umfasst. Konkrete Einzelfälle können aber – nach Abschluss der Ermittlungen – sehr wohl Anlass für ein Tätigwerden der Kommission im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung sein (vgl. etwa die mit Ministerratsbeschluss vom 12. November 2020 eingesetzte Untersuchungskommission zum Terroranschlag vom 2. November 2020).

Die Kontrollkommission kann entweder aus eigenem tätig werden oder über konkretes Ersuchen des Bundesministers für Inneres.

Zu Z 9 (§ 17a Abs. 2):

Zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle ist überdies vorgesehen, dass die Kommission auch auf Ersuchen des Ständigen Unterausschusses tätig wird. Wie diese für ein Ersuchen des Ständigen Unterausschusses erforderliche Beschlussfassung zustande kommt, ist im Geschäftsordnungsgesetz 1975 zu regeln.

Bei Ersuchen des Ständigen Unterausschusses hat die Kontrollkommission nach Möglichkeit binnen drei Monaten einen Bericht vorzulegen. Dadurch soll einerseits gewährleistet werden, dass einem Ersuchen des Ständigen Unterausschusses binnen angemessener Frist nachgekommen wird, andererseits soll der Kontrollkommission, insbesondere bei komplexen Ermittlungen, eine ausreichende zeitliche Flexibilität ermöglicht werden. So ist etwa der Fristwahrung genüge getan, wenn nach drei Monaten ein Erst- oder Zwischenbericht erstattet wird und sich die Kommission eine detaillierte Aufarbeitung bzw. Berichterstattung bis zu einem späteren Zeitpunkt vorbehält.

Zu Z 10, 11, 12 und 13 (§ 17a Abs. 4, 5 und Abs. 6 sowie § 17b Abs. 1):

Die Kontrollkommission soll aus drei Mitgliedern bestehen, von denen jeweils eines für die Dauer eines Jahres den Vorsitz ausübt und die sich jedes Jahr in der Vorsitzführung abwechseln. Dieses Rotationsprinzip soll die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Kontrollkommission hervorstreichen. Die Abberufung von Kommissionsmitgliedern kann bei Wegfall der Voraussetzungen gemäß § 17b Abs. 1 und 2, etwa bei Vorliegen eines Grundes gemäß §§ 2 oder 3 Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, als konträrer Akt ebenfalls nur durch Beschluss des Nationalrates in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfolgen.

Die Kontrollkommission entscheidet, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, einstimmig, wobei eine Stimmenthaltung nicht zulässig ist. Die Festlegung einer Geschäftsordnung erfolgt im Sinne des § 91a Abs. 2 SPG nach dem Vorbild des Rechtsschutzbeauftragten beim Bundesminister für Inneres.

Zu Z 15 (§ 17d Abs. 5):

Darüber hinaus hat die Kontrollkommission jährlich einen Bericht zu erstellen, mit dem die Öffentlichkeit, unter Einhaltung von gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten, über ihre Tätigkeit informiert wird.“

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 13. Juli 2021 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Silvester Gfrerer.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Dominik Reisinger, Heike Eder, BSc MBA und Wolfgang Beer.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Silvester Gfrerer gewählt.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2021 07 13

                               Silvester Gfrerer                                                                 Robert Seeber

                                   Berichterstatter                                                                        Vorsitzender