EU-Arbeitsprogramm 2010

 

 

 

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten

an das österreichische Parlament

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Überblick......................................................................................................................

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Allgemeine Angelegenheiten........................................................................................

3

Auswärtige Angelegenheiten........................................................................................

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Überblick

 

 

1.                  Am 1. Dezember 2009 ist der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. Er hat für die Europäische Union neue Regeln, neue Institutionen und neue Köpfe an der Spitze dieser Institutionen gebracht. Eine der Hauptaufgaben der EU im Jahr 2010 wird es sein, die Vorgaben des neuen Vertrags umzusetzen.

 

2.                  Die Vorzeichen stehen gut, dass 2010 für die EU vor allem auch zu einem „Westbalkan-Jahr“ wird. Kroatien ist auf klarem Kurs Richtung EU-Mitgliedschaft, und auch für die anderen Staaten der Region steht die Tür für weitere Annäherungsschritte an die EU offen. In einem gemeinsamen Impulspapier vom Jänner 2010 haben Österreich und Griechenland deshalb einen verstärkten politischen Fokus der EU auf die Balkanregion gefordert.

 

3.                  2010 wird sich die EU stärker als bisher mit dem Donau- und Schwarzmeerraum befassen – auch dies eine Entwicklung, die Österreich maßgeblich initiiert und mitgeprägt hat.

 

4.                  Die EU ist aber auch im weltweiten Maßstab gefordert: Sie muss insbesondere neue Formen der Zusammenarbeit und Partnerschaft mit neuen globalen Akteuren – China, Indien und Brasilien, um nur die wichtigsten zu nennen – finden, um globale Themen gemeinsam lösen zu können.

 

5.                  Dieser Vorschaubericht stellt die wichtigsten Themen dar, die im Jahr 2010 in den Ratsformationen „Allgemeine Angelegenheiten“ und „Auswärtige Angelegenhei­ten“ zu behandeln sind. Grundlage der Vorschau sind das Achtzehnmonateprogramm des Rates für den Zeitraum Jänner 2010 bis Juni 2011[1] sowie das – erst Ende März 2010 vorgelegte – Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010[2]. Diese Vorschau berücksichtigt die laufenden Entwicklungen bis zum 30. April 2010.

 


 

 

Allgemeine Angelegenheiten

 

 

Institutionen: Neuerungen durch den Vertrag von Lissabon

 

6.                  Das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon machte den Weg frei für die bedeutenden Personalentscheidungen, die der Vertrag vorsieht. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf die Ernennung von Herman van Rompuy zum Präsidenten des Europäischen Rates und von Catherine Ashton zur Hohen Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik.

 

7.                  Der Vertrag von Lissabon sieht auch die Schaffung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vor, der die Hohe Vertreterin in ihrer Tätigkeit unterstützt. Noch im Dezember 2009 hatte der Europäische Rat die Hohe Vertreterin damit beauftragt, einen Vorschlag über die Organisation und Arbeitsweise des EAD zu unterbreiten. Dieser Vorschlag wird derzeit intensiv diskutiert. Parallel dazu werden Änderungen des Personalstatuts sowie der Haushaltsordnung besprochen, die beide wegen der Schaffung des EAD einer Änderung bedürfen.

 

8.                  Die Delegationen der Kommission in Drittstaaten wurden per 1. Dezember 2009 zu Delegationen der EU umgewandelt, die in den EAD eingegliedert werden. Die konkrete Neugestaltung der EU-Vertretung in Drittstaaten, welche bisher von den Botschaften jenes Mitgliedstaates, das den rotierenden Ratsvorsitz ausübte, wahrgenommen worden war, wird im Laufe des Jahres 2010 eine wichtige Aufgabe sein. Besonders wird auf die Vorgangsweise am Sitz von Internationalen Organisationen zu achten sein, um größtmöglichen Einfluss der Union zu gewährleisten.

 

9.                  Eine weitere wichtige Änderung durch den Vertrag von Lissabon betrifft das Europäische Parlament: In Folge des Inkrafttretens des neuen Vertrags können einige zusätzliche Abgeordnete, davon zwei für Österreich, als Beobachter in das Europäische Parlament einziehen. Für die eigentliche Aufstockung des Parlaments soll ehest möglich ein Änderungsprotokoll beschlossen und ratifiziert werden. Laut Programm der spanischen Präsidentschaft sollte dies noch im ersten Halbjahr 2010 erfolgen.

 

10.               Auch die Umsetzungsarbeiten zu der durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen Europäischen Bürgerinitiative sollen noch unter spanischem Ratsvorsitz bis Ende des ersten Halbjahres 2010 abgeschlossen werden. Das Verfahren (z.B. hinsichtlich des Quorums) muss in einer Verordnung, die Europäisches Parlament und Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen, festgelegt werden.

 

EU-Erweiterung

 

11.               EU-Beitrittsverhandlungen sind ein auf Einstimmigkeit basierender, mehrstufiger Prozess, der folgende Hauptphasen umfasst:

 

(1)     Nach einem Beitrittsantrag beauftragt in der Regel der Rat die Europäische Kommission mit der Erstellung eines „Avis“. Diese Stellungnahme der Kommission informiert, inwieweit der Antrag stellende Staat die Beitrittskriterien von Kopenhagen erfüllt. Je nach Erfüllungsstand kann die Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen (unter Umständen versehen mit Bedingungen) oder – wie zuletzt im Falle Mazedoniens – zunächst nur die Verleihung des Kandidatenstatus empfehlen.

 

(2)     Der Rat beschließt, inwieweit er diesen Empfehlungen der Kommission folgt.

 

(3)     Im Falle eines Beschlusses über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen wird zunächst ein Verhandlungsrahmen festgelegt. Dabei werden Grundparameter bestimmt und der zu übernehmende Rechtsbestand, der „Acquis“, in (derzeit 35) Verhandlungskapitel eingeteilt.

 

(4)     Anschließend nimmt die Europäische Kommission das sogenannte „Screening“ vor. Hierbei stellt die Kommission den Soll- und den Ist-Stand in den einzelnen Verhandlungskapiteln einander gegenüber und legt dazu „Screening-Berichte“ vor – jeweils mit der Empfehlung, ob ein Kapitel eröffnet werden kann oder nicht. In letzterem Fall kann die Kommission auch „Benchmarks“ empfehlen: Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit das betreffende Kapitel eröffnet werden kann.

 

(5)     Die EU-Mitgliedstaaten entscheiden einstimmig über die Eröffnung eines Verhandlungskapitels bzw. über die Festlegung von „Benchmarks“. Im Fall der Eröffnung eines Verhandlungskapitels wird der Beitrittskandidaten aufgefordert, eine nationale Verhandlungsposition vorzulegen.

 

(6)     Auf deren Grundlage entwirft die Kommission die Verhandlungsposition der EU, welche normalerweise ebenfalls „Benchmarks“ für den Abschluss des Verhandlungskapitels enthält. Nach deren Verabschiedung durch die EU-Mitgliedstaaten wird dann das jeweilige Kapitel auf einer Beitrittskonferenz eröffnet, an der die 27 EU-Mitgliedstaaten, die Kommission und der Beitrittskandidat teilnehmen.

 

(7)     Zur provisorischen Schließung eines Verhandlungskapitels kommt es, wenn die Mitgliedstaaten auf Empfehlung der Kommission beschließen, dass die „Abschlussbenchmarks“ erfüllt sind.

 

12.               Dieses Verfahren muss für 33 der 35 Verhandlungskapitel durchlaufen werden. Die Einführung von „Eröffnungsbenchmarks“ und die fast durchgängige Anwendung von „Abschlussbenchmarks“, was eine strenge und kontinuierliche Überprüfung der Fortschritte bei der Übernahme des „Acquis“ erlaubt, ist eine Neuerung gegenüber der Erweiterungsrunde 2004.

 

Kroatien

 

13.               Der Screening-Prozess ist in allen 33 Kapiteln abgeschlossen, wobei 30 dieser Kapitel eröffnet und 18 davon provisorisch abgeschlossen werden konnten. (Es sind dies: Freier Warenverkehr, Freizügigkeit für Arbeitnehmer, Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr, Gesellschaftsrecht, Rechte am geistigen Eigentum, Finanzdienstleistung, Informationsgesellschaft und Medien, Energie, Wirtschaft und Währung, Statistik, Beschäftigung und Soziales, Unternehmen und Industrie, Transeuropäische Netze, Wissenschaft und Forschung, Bildung und Kultur, Verbraucher- und Gesundheitsschutz, Zollunion sowie Außenbeziehungen.) Kroatiens Plan, bis Ende 2009 alle Verhandlungskapitel zu öffnen, konnte nicht realisiert werden, da die Blockade der Beitrittsverhandlungen durch Slowenien erst im Herbst 2009, nach Beilegung des slowenisch-kroatischen Grenzstreits, aufgehoben werden konnte.

 

14.               Unter spanischem Vorsitz wurden bereits im Februar die Kapitel Fischerei und Umwelt eröffnet und das Kapitel Freier Warenverkehr im April provisorisch geschlossen. Es ist eine Beitrittskonferenz auf Ministerebene (im Juni) geplant. Noch im ersten Halbjahr könnten die verbleibenden 3 Kapitel eröffnet und 9 Kapitel provisorisch abgeschlossen werden.

 

15.               Im Fortschrittsbericht 2009 wurde von der Europäischen Kommission festgestellt, dass Kroatien insgesamt gute Fortschritte erzielt hat und ein Abschluss der Beitrittsverhandlungen im Laufe des nächsten Jahres, also 2010, möglich wäre, sofern alle noch bestehenden Defizite behoben werden. Ein rascher Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien liegt im österreichischen Interesse. Ob unter belgischem Vorsitz im zweiten Halbjahr 2010 die Verhandlungen tatsächlich finalisiert werden können, wird maßgeblich von den kroatischen Reformanstrengungen in den Bereichen Justizwesen, Korruptionsbekämpfung und Wettbewerb (Privatisierung der Schiffswerften) abhängen.

 

Mazedonien

 

16.               In ihrer Erweiterungsstrategie und im Fortschrittsbericht vom 14. Oktober 2009 empfahl die Europäische Kommission dem Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien, ohne jedoch ein Datum zu nennen.

 

17.               Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien bedarf der Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedsstaaten. Diese ist momentan vor allem aufgrund des griechisch-mazedonischen Namensstreits nicht gegeben: Griechenland befürchtet durch den Namen „Mazedonien“ eventuelle territoriale Ansprüche auf die angrenzende gleichnamige griechische Region. Gespräche unter Leitung von VN-Vermittler Matthew Nimetz laufen. Eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ohne vorherige Lösung des Namenskonflikts ist jedoch nicht realistisch. Seit 19. Dezember 2009 können die Bürger Mazedoniens visumfrei in die EU einreisen.


 

Die übrigen Länder des Westbalkans

 

18.               Die westlichen Balkanländer bleiben für Österreich auch 2010 eine außenpolitische Priorität. Die europäische Perspektive dieser Länder wird weiter entwickelt, denn sie ist für die fortgesetzte Stabilisierung und Entwicklung der Region Westbalkan unersetzlich.

 

19.               Im Herbst 2010 wird die Europäische Kommission erneut ein Maßnahmenpaket zur Erweiterung mit einem Strategiepapier und mit Berichten zu den Fortschritten Kroatiens und Mazedoniens mit Blick auf den EU-Beitritt sowie Albaniens, Bosnien und Herzegowinas, Kosovos, Montenegros und Serbiens im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess vorlegen.

 

20.               Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess stärkt die bilateralen, politischen und wirtschaftlichen Verbindungen der EU mit der Region und bereitet den Weg für weitere Reformen in den Ländern des Westbalkans. Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) sind bereits in Kraft mit Mazedonien (seit 1.4.2004), Kroatien (1.2.2005) und Albanien (1.4.2009). Das SAA mit Montenegro tritt am 1. Mai 2010 in Kraft. Abkommen mit Bosnien und Herzegowina sowie mit Serbien wurden bereits unterzeichnet, bis zu deren Inkrafttreten nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten gelten Interimsabkommen.

 

21.               Das Interimsabkommen mit Serbien, welches die den Handel betreffenden Bestimmungen des SAA umsetzt, trat am 1. Februar 2010 in Kraft. Der Prozess der Ratifizierung des SAA wird jedoch erst eingeleitet werden, wenn der Rat einstimmig die uneingeschränkte Zusammenarbeit des Landes mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien feststellt. Serbiens EU-Beitrittsantrag vom 22. Dezember 2009 wird erst an die Europäische Kommission zur Avis-Erstellung weitergeleitet werden, wenn darüber Konsens unter den EU-Mitgliedsstaaten besteht.

 

22.               Bezüglich Montenegros sind die Arbeiten zur Avis-Erstellung in vollem Gange und könnten im Herbst 2010 abgeschlossen sein. In diesem Fall könnte der Avis anstelle des Fortschrittsberichtes erfolgen.

 

23.               Das im April 2009 eingereichte Beitrittsgesuch Albaniens wurde im November 2009 an die Europäische Kommission zur Avis-Erstellung weitergeleitet. Ob auch hier der Avis anstelle des Fortschrittsberichtes im Herbst 2010 treten könnte, ist noch nicht absehbar.

 

24.               Eine weitestmögliche Einbeziehung Kosovos in den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess stößt auf Widerstand jener EU-Mitgliedsstaaten, die den Kosovo nicht anerkennen. Vermutlich wird das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo, welches für Mitte 2010 erwartet wird, für Bewegung sorgen.

 

25.               In Bosnien und Herzegowina stagniert momentan der Prozess der Annäherung an EU-Strukturen. Wichtige Aspekte (Verfassungs- und Justizreform etc.) als Voraussetzungen für weitere Entwicklungen konnten bisher nicht gelöst werden.

 

26.               Seit 19. Dezember 2009 ist die visafreie Einreise von Staatsangehörigen aus Mazedonien, Serbien und Montenegro in die EU mit biometrischen Pässen möglich. Auch Bosnien und Herzegowina sowie Albanien könnten im Lauf des Jahres 2010 die Voraussetzungen hierfür erfüllen. Die weitere Vorgangsweise betreffend den Kosovo ist in Diskussion. In individualisierten Roadmaps wird eine Vielzahl von zu erfüllenden technischen Voraussetzungen in den vier Bereichen Dokumentensicherheit, illegale Migration und Rückübernahme, öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie Außenbeziehungen und Grundrechte definiert.

 

27.               Unterstützung bei der Heranführung der Region an die EU wird auch durch den 2008 als Nachfolgeorganisation für den Stabilitätspakt für Südosteuropa gegründeten Regionalen Kooperationsrat geleistet, in dem auch die Europäische Kommission und viele EU-Mitgliedstaaten, darunter Österreich, mitarbeiten.


 

Island

 

28.               In ihrem Avis zu Island vom 24. Februar 2010 empfahl die Europäische Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Sie konstatierte, dass Island, aufgrund seiner Teilnahme am EWR und am Schengen-Raum, bereits sehr hohe Standards hinsichtlich der Erfüllung der Kopenhagener Beitrittskriterien vorweisen kann. Jedoch sind noch einige Reformanstrengungen, unter anderem bei der Bestellung der Richter und Staatsanwälte und der Umstrukturierung des Finanzsektors, dringend erforderlich. Als problematische Bereiche bei der Übernahme des Acquis identifizierte die Kommission die Kapitel Fischerei, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Umwelt, freier Kapitalverkehr und Finanzdienstleistungen.

 

29.               Die Bestätigung des Avis wird gegen Ende des spanischen Ratsvorsitzes, beim Europäischen Rat im Juni, erfolgen. Die Annahme des Verhandlungsrahmens durch den Rat, die Abhaltung der Eröffnungskonferenz sowie der Beginn des Screening-Prozesses sind unter belgischem Ratsvorsitz möglich.

 

Sonderfall Türkei

 

30.               Der Fortschrittsbericht 2009 der Europäischen Kommission hält fest, dass die Türkei, trotz einiger positiver Schritte bei regional- und energiepolitischen Fragen (Annäherung zu Armenien, Nabucco, Rolle im Südkaukasus, Kurdenfrage), mit ihren einzelnen Reformfortschritten auf der Stelle tritt. Es besteht nach wie vor eine Vielzahl an Defiziten, insbesondere bei Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, Bekämpfung von Folter und Misshandlung, Frauenrechten und Gleichbehandlung der Geschlechter.

 

31.               Der Verhandlungsprozess geht nur schleppend voran. Der Screening-Prozess ist in insgesamt 23 Kapiteln abgeschlossen, wobei 12 dieser Kapitel eröffnet sind und eines davon (Wissenschaft und Forschung) provisorisch abgeschlossen wurde. Zu 8 mit der Nordzypern-Problematik in Zusammenhang stehenden Kapiteln sind Verhandlungen aufgrund mangelnder Erfüllung der Verpflichtungen der Türkei aus dem Ankara-Protokoll seit dem Rat Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen im Dezember 2006 eingefroren. Zudem ist ein provisorischer Abschluss in keinem weiteren Kapitel mehr möglich. Die Europäische Kommission wird im Fortschrittsbericht 2010 den Stand der Dinge speziell auch in dieser Frage zu beurteilen haben.

 

32.               Der spanische Ratsvorsitz strebt eine Aufrechterhaltung des Verhandlungsprozesses mit konstantem Fortschritt an. Geplant ist die Vorbereitung der Eröffnung der technisch schwierigen Kapitel Öffentliches Auftragswesen, Wettbewerb, Lebensmittelsicherheit und Beschäftigung und Soziales, wobei die tatsächliche Eröffnung des Kapitels Lebensmittelsicherheit am wahrscheinlichsten ist. Dieses Ziel kann allerdings nur dann erreicht werden, wenn die Türkei rechtzeitig die Eröffnungsbenchmarks dafür erfüllen kann. Der belgische Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2010 plant ebenfalls, den Verhandlungsprozess mit der Türkei fortzusetzen.

 

Klimawandel, Artenvielfalt und nachhaltige Entwicklung

 

33.               Die Bekämpfung des Klimawandels, der Schutz der Artenvielfalt und die Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung sind strategische Prioritäten des spanischen und des belgischen Vorsitzes.

 

34.               Eine globale und umfassende rechtliche Übereinkunft zum Klimawandel im Rahmen der Vereinten Nationen bleibt notwendig, um das gemeinsame Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf unter 2º C zu begrenzen, zu erreichen. Die EU wird danach trachten, dem internationalen Verhandlungsprozess neue Dynamik zu verleihen, wobei auf der Grundlage der Vereinbarung von Kopenhagen und bisheriger Verhandlungsergebnisse schrittweise und rasch vorgegangen werden sollte. Die EU wird sich verstärkt um die Bildung von Allianzen und die Einbeziehung von Drittländern bemühen: Der Kampf gegen den Klimawandel wird bei allen regionalen und bilateralen Treffen angesprochen werden. Gleichzeitig sollen im Rahmen der Umsetzung der Vereinbarung von Kopenhagen schon 2010 insgesamt € 2,4 Milliarden als Anschubfinanzierung bereitgestellt werden. Damit werden nicht nur operativ Klimaschutz-Programme finanziert, sondern auch die Vertrauensbildung in den internationalen Prozess selbst gefördert.

 

35.               Das EU-Klima- und Energiepaket soll weiter umgesetzt werden, wobei die Abkoppelung des Ressourcenverbrauchs vom Wachstum einen Wettbewerbsvorteil bringen und Ressourcenabhängigkeit reduzieren sollte. Im Zusammenhang mit dem bedingten Angebot der EU, die CO2-Reduktionsziele auf –30% bis 2020 anzuheben, werden weiters die Vergleichbarkeit und die Angemessenheit der Reduktionsziele anderer Emissionsländern geprüft, eine Folgeabschätzung durchgeführt und das Verlagerungsrisiko bei energieintensiven Sektoren untersucht.

 

36.               Im Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt bietet sich 2010 die Möglichkeit, strategische Maßnahmen zur Abwendung der globalen Krise der Artenvielfalt zu ergreifen. Bis Ende des Jahres soll eine EU-Strategie für biologische Vielfalt für die Zeit nach 2010 ausgearbeitet werden, wobei der Verlust an Biodiversität und die Verschlechterung der Ökosystemleistungen in der EU bis 2020 zum Stillstand gebracht und die biologische Vielfalt sowie die Ökosystemleistungen so weit wie möglich wiederhergestellt werden sollen. Auf internationaler Ebene werden die hochrangige Tagung der VN-Generalversammlung über die biologische Vielfalt und die Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über biologische Vielfalt Gelegenheit bieten, die Förderung eines globalen, langfristigen ehrgeizigen Auftrages und die Verabschiedung von Einzelzielen zu mobilisieren.

 

37.               Auf globaler Ebene wird sich die EU in die anlaufenden Vorbereitungen zur VN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung im Jahre 2012 (Rio+20) einbringen sowie danach trachten, die Funktionstüchtigkeit der internationalen Strukturen zum Schutz und der Förderung der Umwelt zu stärken. Die laufende Umsetzung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung wird fortgesetzt, auch hinsichtlich der Schaffung von Synergien mit der Strategie 2020.

 

Energieaußenpolitik

 

38.               Durch den Vertrag von Lissabon hat sich die EU eine eigene Rechtsgrundlage für Energiepolitik (Artikel 194 AEUV) gegeben, die es ihr in Zukunft erleichtern wird, in Fragen der Energieaußenpolitik und -versorgungssicherheit mit einer Stimme zu sprechen.

 

39.               Dem südlichen Gaskorridor, dessen Rückgrat das Nabucco-Projekt ist, kommt hierbei besondere Bedeutung zu. Für 2010 werden entscheidende Weichenstellungen für die Projektumsetzung in Bezug auf die endgültige Investitionsentscheidung erwartet.

 

40.               Im Zusammenhang mit der Energieversorgungssicherheitspolitik kommt dem verstärkten Dialog zwischen Produzenten-, Konsumenten- und Transitstaaten, dem sich die EU in ihren Beziehungen mit Drittstaaten verschreibt, eine große Bedeutung zu.

 

41.               Wesentliche Maßnahmen der EU 2010 zielen auf die baldige Verabschiedung eines Energieaktionsplans 2011-2020 ab, der Priorität der Trio-Präsidentschaft ist. Er soll eine energiepolitische Strategie einschließlich einer Roadmap mit Blickrichtung 2050 zur Umsetzung der 2020-Ziele der Energie- und Klimapolitik der EU einschließen, und den Weg zu einer sicheren, nachhaltigen, energieeffizienten und kohlestoffarmen Wirtschaft öffnen.

 

42.               2010 soll ein Infrastrukturpaket der EU geschnürt werden, das die Beseitigung von Engpässen und Versorgungslücken gewährleisten soll. Dazu gehört der Ausbau der grenzüberschreitenden Leitungsinfrastruktur einschließlich der Ermöglichung der Flussumkehr, sowie der flächendeckenden Bereitstellung intelligenter Netze. Die neue EU-Energiepolitik soll einen Innovations- und Forschungsschub auslösen, der das Wirtschaftswachstum stimuliert und eine sehr bedeutende Zahl neuer Arbeitsplätze schafft.

 

43.               2010 wird auch ein Schlüsseljahr für die Vollendung des Energiebinnenmarkts auf dem Elektrizitäts- und Gassektor sein, wobei die Integration und Flüssigkeit der Märkte ebenfalls eine wesentliche Voraussetzung für die Energieversorgungssicherheit darstellt.

 


 

 

Auswärtige Angelegenheiten

 

 

Transatlantische Partnerschaft

 

44.               Die Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu Kanada stellen wichtige Eckpfeiler der europäischen Außenpolitik dar.

 

45.               De facto wird unter dem Begriff „Transatlantische Partnerschaft“ insbesondere das gegenseitige Geflecht wirtschaftlicher Abhängigkeit und globalpolitischer Zusammenarbeit der EU mit den USA subsumiert. Dieses Beziehungsgeflecht ist angesichts seines Ausmaßes, seiner Intensität und seiner Bedeutung in wirtschaftlicher und tagespolitischer Hinsicht mit keinem anderen gleichzusetzen und als strategische Partnerschaft zu bezeichnen.

 

46.               Gemeinsam stellen die EU und die USA zwar nur 10% der Weltbevölkerung, aber 60% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Der bilaterale EU-US-Handel umfasst 40% des Welthandels.

 

47.               Gleichzeitig geht diese Partnerschaft weit über die wirtschaftliche Dimension hinaus. Die enge Zusammenarbeit, basierend auf einem gemeinsamen Werteverständnis, hat das transatlantische Verhältnis in den vergangenen Jahrzehnten zum ausschlaggebenden Motor des globalen Wirtschaftswachstums und Wohlstandes, des internationalen politischen Geschehens und globaler Sicherheit werden lassen.

 

48.               Die Herausforderungen, die sich nun für die Transatlantische Partnerschaft – als zentrales Element des internationalen Systems – im Hinblick auf das Hervortreten neuer globaler Akteure stellen, liegen vorrangig darin, gemeinsam Prioritäten zu definieren und gemeinsame Vorgangsweisen zu erarbeiten.

 

49.               Seit dem Amtsantritt der Regierung Obama ist in diesem Sinne eine – auf beiden Seiten des Atlantiks erwünschte und forcierte – Revitalisierung und signifikante Intensivierung des EU-US-Dialoges und der politischen Zusammenarbeit auf einer breiten Palette gemeinsam-globaler Herausforderungen erfolgt. Dies kam beim ersten formellen EU-US Gipfel seit der Amtsübernahme Präsident Obamas im Herbst 2009 auch klar zum Ausdruck. 2010 wird der jährliche EU-US Gipfel voraussichtlich ebenfalls im Herbst stattfinden.

 

50.               Diese Erneuerung und Institutionalisierung der Zusammenarbeit wird 2010 unter spanischer und belgischer Ratspräsidentschaft weitergeführt und intensiviert werden. Besonderes Augenmerk wird auf die wesentlichen Bereiche multilateraler Zusammenarbeit gelegt werden: Klimawandel, Energie und Energiesicherheit, Wirtschafts- und Finanzkrise, Krisenmanagement, Entwicklungszusammenarbeit, Nonproliferation und Abrüstung.

 

51.               Angesichts der beiderseitigen Bemühungen um engere Koordination und Zusammenwirken zur Bewältigung und/oder Lösung einer Reihe aktueller oder potentieller Krisenherde werden die spanische und belgische Ratspräsidentschaft im Zusammenwirken mit der Hohen Vertreterin verstärkt auf täglicher Basis den politischen Dialog und allenfalls gemeinsames Vorgehen anstreben.

 

52.               Möglichkeiten für ein intensiveres Zusammenwirken im Bereich Frieden, Sicherheit und Justiz sowie im Bereich der Terrorismusbekämpfung werden ebenfalls weiterverfolgt werden.

 

53.               Die EU wird auf ein wirksames Einsetzen und eine wirksame Tätigkeit des beim EU-US-Gipfel 2009 errichteten Energierates hinwirken.

 

54.               Im Lichte der Finanz- und Wirtschaftskrise wird auch 2010 eine enge Koordination auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Vordergrund stehen. Um eine weitere Stärkung der transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft herbeizuführen, wird die Europäische Kommission gemeinsam mit der spanischen und belgischen Ratspräsidentschaft die Arbeit des 2007 gegründeten Transatlantischen Wirtschaftsrates (TEC) fortführen. Inhaltliche Schwerpunkte werden hierbei weiterhin primär in der Zusammenarbeit im regulativen Bereich, in der Beseitigung technischer Handelshemmnisse, in der Harmonisierung von Standards und in der Stärkung der institutionellen Aspekte des TEC sowie in der Umsetzung des 2009 beschlossenen Innovationsdialoges liegen.

 

55.               Im Februar 2008 teilten die USA den EU-Mitgliedstaaten mit, dass sie das US Visa Waiver Programm (VWP), das die Staatsangehörigen mancher, aber nicht aller EU-Mitgliedstaaten zur visafreien Einreise in die USA berechtigt, neu gestalten werden. Der Verbleib der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten im Programm und die Aufnahme neuer EU-Mitgliedstaaten wurde gemäß den Vorstellung der USA an einen verstärkten Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den USA gekoppelt („Prüm-like Abkommen“).

 

56.               Aus Sicht der EU und der EU-Mitgliedstaaten liegt ein wesentlicher Aspekt in diesem Zusammenhang in der Gewährleistung eines sachgerechten Datenschutzniveaus der auf Basis solcher Abkommen zur Verfügung gestellten Daten. Die bilateralen Gespräche sind somit in einem engen Zusammenhang mit den Verhandlungen auf EU-Ebene zu einem EU-US-Abkommen für den Austausch von Zahlungsverkehrsdaten zum Zweck der Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung (SWIFT) sowie einem EU-US-Rahmenabkommen zum Datenschutz zu sehen.

 

57.               Ein EU-US-Datenschutzrahmenabkommen könnte einen geeigneten Referenzrahmen für ein bilaterales „Prüm-like Abkommen“ zwischen Österreich und den USA schaffen. Österreich befürwortet daher den raschen Beginn von Verhandlungen auf EU-Ebene. Die Europäische Kommission führte von Jänner bis März 2010 öffentliche Konsultationen im Hinblick auf ein solches Abkommen, ein Bericht soll in Kürze vorliegen. Die Kommission hat angekündigt, noch vor der Sommerpause 2010 dem Rat eine Empfehlung zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit den USA über ein EU-US-Rahmenabkommen zum Datenschutz vorzulegen.

 

58.               Die problemlose und äußerst zufriedenstellende politische Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada (in den Bereichen Multilateralismus, Entwicklungspolitik, Krisenmanagement) wird weitergeführt und zusätzlich durch den Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen verstärkt werden. Die 2009 aufgenommenen Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) werden 2010 weitergeführt werden und sollen im Laufe des Jahres 2011 zu einem Abschluss gebracht werden.

 

EU-Strategie für den Donauraum

 

59.               Einer ursprünglich österreichisch-rumänischen Initiative folgend hatte der Europäische Rat im Juni 2009 die Europäische Kommission beauftragt, bis Ende 2010 eine EU-Strategie für den Donauraum zu erarbeiten. Im Zuge einer „Analyse- und Synthese-Phase“ während des spanischen Vorsitzes hat Österreich, ebenso wie die meisten anderen Donauraumstaaten, einen Beitrag ausgearbeitet und an die Europäische Kommission vorgelegt. Ziel ist eine gemeinsame Strategie zwecks koordinierter Vorgangsweise auf den Gebieten Transport und Energie, Umweltschutz, sozioökonomische Entwicklung.

 

60.               Diese erste Phase wird von einer Reihe von öffentlichen Veranstaltungen mit Stakeholdern im Donauraum unterstützt: Konferenzen in Ulm und Budapest folgte eine gemeinsame Konferenz in Wien und Bratislava (19.-21. April 2010), bei der bereits konkrete Projekte angesprochen wurden, z.B. ein österreichischer Vorschlag zum Thema nachhaltige und umweltfreundliche Transportinfrastruktur auf der Donau. Zwei weitere Konferenzen in Russe (Bulgarien) und Constanza (Rumänien) folgen.

 

61.               Danach soll bis Jahresende 2010 von der Europäischen Kommission in Abstimmung mit den Donauraumstaaten die Strategie sowie ein dazugehörender konkreter Aktionsplan formuliert werden. Ziel ist die Annahme der Strategie durch den Europäischen Rat im ersten Halbjahr 2011 während der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft.

 

Schwarzmeerregion

 

62.               Die „Schwarzmeersynergie“ soll einen flexiblen Rahmen für die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene bilden, welche auch die verschiedenen Beziehungen der einzelnen Länder der Region (Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau, Russland, Türkei und Ukraine) mit der Europäischen Union berücksichtigt. Prioritär werden konkrete Initiativen unter anderem in den Bereichen Transport, Energie, Umwelt, Migration und Kampf gegen organisierte Kriminalität im Rahmen von grenzüberschreitenden Programmen gefördert. Am 15./16. März 2010 fand in Brüssel eine Sitzung zur Umweltpartnerschaft statt. Auch den anderen Schwerpunktbereichen wird im Laufe des Jahres 2010 verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt werden.

 

Europäische Nachbarschaftspolitik I: Östliche Partnerschaft

 

63.               Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) soll die Entstehung neuer Trennlinien zwischen der erweiterten EU und ihren Nachbarn verhindern und Wohlstand, Stabilität und Sicherheit aller Beteiligten stärken. Sie richtet sich sowohl an die im Mittelmeerraum gelegenen südlichen Nachbarn als auch an Partnerstaaten in Osteuropa und im südlichen Kaukasus.

 

64.               Am 7. Mai 2009 fand in Prag unter tschechischer Ratspräsidentschaft der Gründungsgipfel der Östlichen Partnerschaft mit den Staats- und Regierungschefs der Östlichen Partnerstaaten (Belarus, Moldau, Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Georgien) statt. Die Partnerschaft umfasst neue Assoziationsabkommen mit den Partnerstaaten, eine engere Anbindung an die Union über vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen, einen neuen multilateralen Rahmen mit regelmäßigen Gipfeltreffen und thematischen Untergruppen, ein stärkeres Engagement der Union für ein umfassendes Programm zum Aufbau staatlicher Institutionen, Mobilitäts- und Sicherheitspakte mit klaren Zielen zur Verbesserung der inneren Sicherheit sowie Maßnahmen zur engeren Zusammenarbeit im Energiebereich. Die Europäische Kommission hat 2009 zwei Sitzungsrunden zu den multilateralen Plattformen abgehalten. Für 2010 sind zwei weitere Sitzungsrunden geplant.

 

65.               Die seit 2008 laufenden Verhandlungen mit der Ukraine sollen intensiviert werden, unter anderem soll am vertieften Freihandelsabkommen gearbeitet werden.

 

66.               Die Anfang 2010 begonnenen Verhandlungen über ein neues Abkommen, welches das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Moldau ersetzen wird, sollen im Laufe des Jahres weitergeführt werden.

 

67.               Die Beziehungen zu Armenien, Aserbaidschan und Georgien sollen durch die Ausarbeitung neuer Abkommen, welche vertiefte Freihandelsabkommen zum Kern haben, intensiviert werden. Nach der Fertigstellung der Verhandlungsmandate sollen parallel mit allen drei Staaten Verhandlungen aufgenommen werden.

 

68.               Die Östliche Partnerschaft stellt auch ein Angebot an Belarus dar, einen konstruktiven Dialog mit der Europäischen Union zu entwickeln und sich in Kooperationsforen einzubringen.

 

Russland

 

69.               Russland bleibt in vielerlei Hinsicht einer der wichtigsten strategischen Partner der EU. Die Verhandlungen über ein neues Abkommen, welches das bestehende Partnerschaft- und Kooperationsabkommen ersetzen soll, werden auch 2010 weitergeführt. Zudem bildet die Umsetzung der Wegskizzen für die „Vier gemeinsamen Räume“ (Wirtschaft, äußere Sicherheit, Freiheit, Sicherheit und Justiz, sowie Wissenschaft und Kultur) weiterhin eine Priorität in den Beziehungen mit Russland. Aufbauend auf den „Vier gemeinsamen Räumen“ wird zwischen der EU und Russland eine Modernisierungspartnerschaft angestrebt, welche beim EU-Russland Gipfel am 31. Mai 2010 in Rostov noch näher ausgearbeitet wird.

 

Europäische Nachbarschaftspolitik II: Union für den Mittelmeerraum

 

70.               Die Zusammenarbeit mit den südlichen Partnern im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) soll durch Assoziationsräte mit Ägypten, Algerien und voraussichtlich auch mit Israel, Libanon, Jordanien, Marokko und Tunesien vorangebracht werden. Gipfeltreffen wird es – neben jenem mit Marokko am 7. März 2010 in Granada – voraussichtlich mit Ägypten, eventuell auch mit Israel und der Palästinensischen Behörde geben.

 

71.               Die ENP-Aktionspläne mit Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko, Tunesien und der Palästinensischen Behörde werden weiter umgesetzt. Für den bis Ende Juni befristeten Aktionsplan EU-Israel könnte ein Nachfolgeinstrument geschaffen werden. Das paraphierte Assoziierungsabkommen mit Syrien könnte unterzeichnet werden. Die Verhandlungen mit Libyen über ein Rahmenabkommen zur Zusammenarbeit werden fortgeführt.

 

72.               Das im Jahr 2005 in Barcelona verabschiedete Fünfjahresprogramm zur Intensivierung der EU-Mittelmeer-Beziehungen im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich wird weiter umgesetzt. Beim kommenden Gipfel der Union für den Mittelmeerraum Anfang Juni in Barcelona, dem ein Außenministertreffen direkt vorangehen soll, wird voraussichtlich ein Zweijahresprogramm bis zum nächsten Gipfel 2012 beschlossen werden. Prioritär soll die Arbeit in sechs beim Gipfel in Paris im Juli 2008 beschlossenen Projektbereichen vorangetrieben werden: Säuberung des Mittelmeeres, See- und Landautobahnen, Zivilschutz, alternative Energien (Solarplan), höhere Bildung und Forschung (einschließlich an der 2008 in Piran/Slowenien eröffneten Euromed-Universität) sowie die Euromed Business Development Initiative.

 

73.               Ministertreffen soll es – neben dem bereits stattgefundenen zu Wasser Anfang April in Barcelona – zu folgenden Themen geben: Tourismus (geplant für Mai in Barcelona), Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (im Juni in Kairo), Umwelt (in Dubrovnik, wurde von April verschoben, neuer Termin steht noch nicht fest), Höhere Bildung und Forschung (in Brdo, wurde von April verschoben, neuer Termin steht noch nicht fest), Nahrungsmittelsicherheit, Wirtschaft und Finanzen (FEMIP), Beschäftigung, eventuell auch Justiz, Freiheit und Sicherheit. Für die zweite Jahreshälfte ist zudem die jährliche Konferenz der Außenminister vorgesehen.

 

Israel

 

74.               Die EU und Israel sind durch ein Assoziierungsabkommen aus 1995 (in Kraft seit 2000) verbunden. 2008 wurde eine Aufwertung der Beziehungen der EU zu Israel, jedoch unter Berücksichtigung der israelischen Politik im Rahmen des Nahostfriedensprozesses, beschlossen. Infolge des Gaza-Krieges Ende 2008 / Anfang 2009 wurde die Umsetzung dieses Beschlusses verschoben. Auch der Aktionsplan EU-Israel im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, der im Frühjahr 2009 auslief, wurde zwei Mal, zuletzt bis Juni 2010, verlängert. Erst wenn die EU genügend Bewegung in den israelischen Positionen im Nahostfriedensprozess feststellt, ist zu erwarten, dass die Aufwertung der Beziehungen umgesetzt und ein Nachfolgeinstrument für den ENP-Aktionsplan ausgearbeitet wird. Für 2010 ist auch ein Assoziationsrat EU-Israel geplant (ein erster Termin im März kam jedoch nicht zustande).


 

Nahost-Friedensprozess

 

75.               Für die mit dem Lissabon-Vertrag neu strukturierte europäische Außenpolitik und Außenvertretung bleibt die Suche nach einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten mehr denn je zentrales Anliegen. Seit dem Gaza-Krieg und dem Regierungswechsel in Israel nach den dortigen Neuwahlen ist es trotz intensiver Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, allen voran der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten, noch nicht gelungen, die Konfliktparteien zurück an den Verhandlungstisch zu führen.

 

76.               Im Lichte des Mangels an politischen Fortschritten leistet die EU weiterhin einen entscheidenden Beitrag zur humanitären Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung und zum Wiederaufbau der palästinensischen Wirtschaft als wichtigem Element eines erfolgversprechenden Friedensprozesses. Besonderes Augenmerk während der nächsten beiden Jahre gilt jedoch dem Aufbau effizienter öffentlicher Institutionen in den Palästinensischen Gebieten, um der vom Nahost-Quartett formulierten Perspektive einer Verhandlungslösung in diesem Zeitraum konkrete Fortschritte in Richtung eines funktionierenden palästinensischen Staatswesens gegenüberstellen zu können. Es gilt, die Grundlagen für die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung zu schaffen – Israel und Palästina in friedlicher Koexistenz und innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen.

 

77.               Ein nachhaltiger Frieden im Nahen Osten und regionale Stabilität erfordern auch Fortschritte in den Bemühungen um Friedenslösungen zwischen Israel und seinen syrischen und libanesischen Nachbarn. Die Europäische Union bemüht sich daher auch um die Wiederaufnahme der israelisch-syrischen Gespräche und sieht in der Friedensinitiative der Arabischen Liga – „Arab Peace Initiative“ – einen wichtigen Beitrag in Richtung eines friedlichen und stabilen Nahen Ostens.

 

Irak

 

78.               Das Ziel der EU und ihrer Mitgliedstaaten ist ein sicherer, stabiler und geeinter Irak, in dem Demokratie und Wohlstand herrschen und die Menschenrechte geachtet werden.

 

79.               Die EU unterstützt die innenpolitische Entwicklung im Irak durch eine Reihe von Initiativen zur nationalen Aussöhnung und durch die Prozesse der Verfassungsrevision, der Flüchtlingsrückkehr sowie der Kapazitätsbildung im Bereich des irakischen Parlaments. Ein wichtiger Schritt ist das neue Provinzwahlgesetz als Teil der Wahlrechtsreform. Es wurde am 25. September 2008 vom Parlament verabschiedet. Am 31. Januar 2009 fanden in  14 der 18 Provinzen Wahlen statt, aus denen Premierminister Malikis Koalition „Rechtsstaat“ als Sieger hervorgegangen ist. Die Provinzwahlen gelten als die ersten Wahlen seit 50 Jahren, die vollständig von Irakern organisiert und überwacht wurden. In Kirkuk und in den drei Provinzen der kurdischen Region wurden am 25. Juni 2009 Regionalparlaments- und Präsidentschaftswahlen abgehalten. Der amtierende Präsident Massoud Barzani, Führer der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), wurde mit rund 70% der Stimmen im Amt bestätigt. Am 7. März 2010 wurden die Parlamentswahlen im Irak abgehalten. Internationale Beobachter stuften die Wahlen als transparent und weitgehend frei von Wahlbetrug ein. Das noch inoffizielle Wahlergebnis sieht die Iraqiya Koalition von Iyad Allawi mit 91 Sitzen vor der „Rechtsstaat“-Allianz von Premier Nuri al-Maliki mit 89 Sitzen. Für die Stabilisierung der Sicherheitslage wäre eine rasche Regierungsbildung wünschenswert, welche jedoch vermutlich mehrere Monate beanspruchen wird. Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Irak über ein Handels- und Kooperationsabkommen wurden im November 2009 abgeschlossen.

 

80.               Die EU unterstützt irakische Behörden bei der notwendigen Verbesserung der Grundversorgung. Aufgrund der humanitären Krise im Irak stellte die Europäische Kommission bis einschließlich 2009 rund € 141 Millionen für Flüchtlingshilfe in und außerhalb des Irak zur Verfügung. Einen Schwerpunkt bilden auch die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und die Förderung der Menschenrechte, unter anderem durch die Fortführung der integrierten Rechtsstaatlichkeitsmission EUJUST LEX. Das Mandat der Ausbildungsmission wurde bis zum 30. Juni 2010 verlängert. Es wurden bis dato zahlreiche irakische höhere Beamte von Polizei-, Justiz- und Strafvollzugsbehörden in mehr als 110 Kursen, die in den EU-Mitgliedstaaten abgehalten wurden, geschult. Im Mai 2009 wurde ein EUJUST LEX-Seminar in Bagdad abgehalten, im Juni 2008 wurde mit einem Kurs an der Justizakademie Schwechat für leitende Beamte aus dem irakischen Strafvollzugssystem das erste Mal eine solche Veranstaltung in Österreich abgehalten.


 

Iran

 

81.               Das langfristige Ziel für die Beziehungen zwischen der EU und dem Iran ist ein auf Vertrauen und Zusammenarbeit beruhendes Verhältnis. Seit sechs Jahren verfolgt die internationale Staatengemeinschaft mit anhaltender Sorge die Entwicklungen um das iranische Nuklearprogramm. Zuletzt am 18. Februar 2010 hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) festgestellt, dass ihre Zweifel über eine mögliche militärische Dimension des iranischen Atomprogramms weiterhin nicht ausgeräumt werden konnten. In Verletzung der Resolutionen der IAEO sowie des Sicherheitsrates der VN hat der Iran seine Aktivitäten im Bereich Urananreicherung fortgeführt.

 

82.               Am 3. März 2008 verhängte der VN-Sicherheitsrat mit Resolution 1803 zum dritten Mal Sanktionen gegen den Iran unter Art. 41 der Satzung der VN. Resolution 1803 verlangt vom Iran die Einstellung jedweder Form von Urananreicherung und Abstand von nuklearen Forschungsarbeiten mit militärischer Dimension. Außerdem beinhaltet die Resolution eine Ausweitung von Einreiserestriktionen sowie ein Einreiseverbot für iranische Individuen in die EU, die im Zusammenhang mit nuklearer Proliferation stehen. Auch wird das Einfrieren von weiterem Vermögen verlangt und bei neuen Exportkrediten und finanziellen Transaktionen erhöhte Vorsicht gefordert. Am 27. September 2008 wurde im VN-Sicherheitsrat Resolution 1835 zum Iran einstimmig angenommen, welche die Umsetzung der Vorgängerresolutionen und der Vorgaben des IAEO-Gouverneurrates verlangt.

 

83.               Am 15. Oktober 2008 implementierte die EU durch einen gemeinsamen Standpunkt des Rates VN Sicherheitsratsresolution 1803, am 10. November nahm die Europäische Kommission beim Rat Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen den Gemeinsamen Standpunkt durch eine Verordnung (1110) formell an. In einigen Bereichen hat die EU die Resolutionen des VN Sicherheitsrates sogar ausgeweitet, etwa durch zusätzliche Maßnahmen gegen iranische Unternehmen, die in nukleare Proliferationsgeschäfte verwickelt sind.

 

84.               Am 1. Oktober 2009 wurde in Genf der Dialog über das iranische Nuklearprogramm zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des VN-Sicherheitsrates plus Deutschland mit dem Iran im sogenannten E3+3-Format, bestehend seit 2003, nach zehnmonatiger Unterbrechung fortgeführt. Dabei wurden mehrere vertrauensbildende Maßnahmen in Aussicht genommen, darunter die Inspektion der bis dahin vom Iran nicht deklarierten im Bau befindlichen iranischen Urananreicherungsanlage in Ghom durch die IAEO. Die Inspektion erfolgte am 25. Oktober 2009, ein Bericht der IAEO darüber am 16. November 2009. Des Weiteren wurde dem Iran vorgeschlagen, den Großteil seines niedrig angereicherten Urans in der Russischen Föderation weiter anreichern und anschließend in Frankreich zu Brennstoffelementen verarbeiten zu lassen, die dann zurück in den Iran geliefert und den Weiterbetrieb des Forschungsreaktors in Teheran für die Produktion von medizinischen Isotopen für die Krebsbehandlung sicherstellen würden. Dieses Angebot wurde in Verhandlungen bei der IAEO in Wien konkretisiert, vom Iran bislang aber nicht angenommen. Stattdessen kündigte der Iran Anfang Februar 2010 an, selbständig mit Anreicherungsarbeiten auf einen Anreicherungsgrad von ca. 20% zu beginnen. Auch verlautbarte Ali Akbar Salehi, Chef der iranischen Atomenergiebehörde, am 22. Februar 2010, dass der Iran mit der Errichtung von zwei weiteren Anreicherungsanlagen beginnen werde. Die E3+3 trafen zuletzt am 14. April 2010 in New York zusammen, um über eine weitere Verschärfung von Maßnahmen im VN Sicherheitsrat zu verhandeln.

 

85.               Die EU betrachtet für die Lösung des iranischen Nuklearprogramms den zweigleisigen Ansatz weiterhin als geeignete Vorgangsweise, d.h. das Führen diplomatischer Verhandlungen mit dem Iran parallel zu einer Sanktionsverschärfung bei Nichtkooperation.

 

Afghanistan

 

86.               Afghanistan wird weiterhin ein wichtiges Element der Außenpolitik der EU darstellen. Zentral wird die Umsetzung des im Oktober 2009 beschlossenen Aktionsplans sein.

 

87.               Die EU spielte eine wichtige Rolle bei der Londoner Afghanistan-Konferenz am 27./28. Jänner 2010 und wird sich auch aktiv im Rahmen der Kabuler Afghanistan-Konferenz (geplant Ende Mai/Juni 2010) einbringen.


 

Zentralasien

 

88.               Die beim Europäischen Rat im Juni 2007 angenommene EU-Zentralasien-Strategie bildet den Rahmen für die Politik der Union gegenüber den zentralasiatischen Republiken. Nach dem Forum von Paris im September 2008 fand am 15. September 2009 in Brüssel erneut eine vom schwedischen Vorsitz organisierte EU-Zentralasien-Außenministerkonferenz statt, an der auch Vertreter der EIB und EBRD teilnahmen. Der Meinungsaustausch umfasste regionale Sicherheitsfragen (Kooperation im Zusammenhang mit Afghanistan, Kampf gegen Drogen und Terrorismus sowie Infrastruktur für ISAF), die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie Energie, Wasser und Umwelt. Die spanische Präsidentschaft beabsichtigt, die Dynamik in den Beziehungen zwischen der EU und Zentralasien aufrecht zu erhalten. Kernthemen der Neuen Partnerschaft mit Zentralasien werden im Politischen Dialog zu strategischen Bereichen wie Sicherheit, Wasser und Energie behandelt.

 

89.               Österreich unterstützt die EU-Zentralasien-Strategie. Bei der Umsetzung der Strategie in ihren sieben Hauptbereichen (Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Demokratisierung; Erziehung; wirtschaftliche Entwicklung, Handel und Investitionen; Energie und Verkehr; Umwelt und Wasserfragen; gemeinsame Bedrohungen und Herausforderungen; interkultureller Dialog) ist es wichtig, dass Synergien mit bereits bestehenden Strukturen und Prozessen genutzt werden (OSZE, Internationale Finanzinstitutionen).

 

90.               Das Mandat des EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien, Pierre Morel, wurde bis zum 31. August 2010 verlängert.

 

91.               Im Jahr 2010 bietet sich durch die Übernahme des Vorsitzes in der OSZE durch Kasachstan und durch Usbekistan in der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) eine engere Zusammenarbeit der EU mit diesen Organisationen über regionale Fragen an.


 

Ost-, Südost- und Südasien

 

92.               Die EU wird 2010 besonders darauf abstellen, die guten Beziehungen zu Asien für eine intensive Zusammenarbeit zur Überwindung der Folgen der Weltwirtschaftskrise und zur Bewältigung der globalen Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Klimawandel und Energie zu nützen. Den strategischen Partnern China, Japan und Indien, mit denen die EU jährliche Gipfeltreffen im Troika-Format abhält, kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Die neue internationale Strategie zur Lösung des Afghanistan-Konfliktes, an deren Zustandekommen die EU großen Anteil hat, soll 2010 eine spürbare Verbesserung der seit Jahren stagnierenden Situation herbeiführen.

 

93.               Ende April 2010 findet in Tokio ein EU-Japan-Gipfel statt. Dieser soll sich in erster Linie mit dem Nachfolgeplan für den 2011 auslaufenden EU-Japan-Aktionsplan befassen, der z.B. in den Bereichen Klimawandel, Abrüstung oder menschliche Sicherheit mehr Dynamik in die EU-Japan-Beziehungen bringen soll. Weiters stellt sich die Frage nach einem künftigen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan.

 

94.               Mit China laufen die Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen weiter. Die EU zielt darauf hin, in China sowohl politisch als auch wirtschaftlich einen noch höheren Stellenwert als bisher zu erlangen. Sie bemüht sich, die Zusammenarbeit mit China auch in überregionalen Fragen (Iran, Nordkorea usw.) und bei der Lösung globaler Herausforderungen (z.B. Klimawandel) zu intensivieren. Die EU wird weiterhin die Menschenrechtslage und den Schutz und die Rechte der Minderheiten besonders aufmerksam verfolgen.

 

95.               Mit Südkorea hat die EU Verhandlungen über ein Rahmenabkommen sowie über ein Freihandelsabkommen erfolgreich abgeschlossen. Die Unterzeichnung dieser Abkommen ist für 2010 geplant.

 

96.               In Bezug auf die DVRK wird die EU aktiv engagiert bleiben und das Land zu einer Rückkehr zu den 2008 abgebrochenen Sechsparteiengesprächen auffordern. Die EU hat die 2009 durchgeführten Atom- und Raketentests scharf verurteilt und die Annahme von VN-Sicherheitsratsresolution 1874 begrüßt. Ihr vorrangiges Ziel bleibt es, die DVRK zur Aufgabe ihres Atomwaffenprogramms zu bewegen und dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel zu schaffen.

 

97.               Mit der Mongolei möchte die EU engere Beziehungen knüpfen. Anfang 2010 wurden daher Verhandlungen zu einem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen aufgenommen.

 

98.               Mit Australien hat die EU erst im Oktober 2008 ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen abgeschlossen, das eine gute Basis für die künftige Zusammenarbeit bildet. Für die 15 AKP-Staaten des Pazifikraums gibt es seit 2006 ein EU-Strategiepapier, das in erster Linie auf die Entwicklung der Region gerichtet ist.

 

99.               Die EU wird weiterhin aktiv am ASEM-Prozess teilnehmen. Am 4./5. Oktober 2010 werden beim 8. ASEM-Gipfel in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und 16 asiatischer Länder – sowie, erstmals, Russlands und Australiens – zusammentreffen.

 

100.           Die EU wird die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit weiterhin fördern, insbesondere im Verhältnis zu ASEAN. Im Vordergrund wird die Implementierung des EU-ASEAN-Aktionsplans stehen. Am 26./27. Mai 2010 wird das 18. EU-ASEAN-Außenministertreffen in Madrid stattfinden.

 

101.           Die EU wird weiterhin die Bemühungen der Vereinten Nationen im Hinblick auf Myanmar unterstützen. Mit Piero Fassino hat die EU einen eigenen Sondergesandten. Eine Troika-Mission ist in Aussicht genommen. Der Gemeinsame Standpunkt mit Sanktionsmaßnahmen wurde bis 30. April 2011 verlängert.

 

102.           Mit Indien ist in der 2. Jahreshälfte 2010 der 11. EU-Indien-Gipfel in Aussicht genommen. Er dient der Stärkung und Intensivierung der Strategischen Partnerschaft mit Indien.

 

103.           Die EU wird die Entwicklungen in Pakistan weiterhin genau verfolgen und das Land verstärkt unterstützen. Ein weiterer Ad-Hoc-Gipfel ist geplant. Der ursprüngliche Termin 21. April 2010 musste aufgrund der Sperre des europäischen Luftraumes verschoben werden.

 

Afrika

 

104.           Mit der Verabschiedung einer neuen Gemeinsamen Afrika-EU-Strategie in Lissabon 2007 wurde eine langfristige Partnerschaft begründet, die eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auf allen Ebenen zwischen der EU und Afrika anstrebt.

 

105.           Die Gemeinsame Strategie baut auf folgende Pfeiler auf: Friede und Sicherheit, Regierungsführung und Menschenrechte, Handel und regionale Integration sowie Schlüsselfragen nachhaltiger Entwicklung wie unter anderem Umweltschutz und Klimawandel, Migration, Landwirtschaft, Infrastruktur, Wasser, Energie und Gleichberechtigung der Geschlechter. Zur Umsetzung dieser Ziele sind im ersten Aktionsplan 2008-2010 „Partnerschaften“ mit konkreten Maßnahmen vorgesehen. 2010 wird eine Bewertung der Fortschritte stattfinden und die zweite Implementierungsphase (2011-2013) der Gemeinsamen Afrika-EU-Strategie erörtert werden.

 

106.           Im Rahmen des 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) wird das Instrument der Budgethilfen verstärkt angewandt und somit mehr Verantwortung den AKP-Staaten übertragen. Ferner stellt die thematische Konzentration der Finanzmittel eine weitere Erneuerung dar, wodurch unter anderem die Hebeleffekte durch die Programme erhöht werden sollen. Ebenso sollen bilaterale Beiträge von EU-Mitgliedstaaten und afrikanischen Staaten, interessierten Dritten und internationalen Organisationen sowie Investitionen des privaten Sektors ihren Beitrag zur Umsetzung der Gemeinsamen Strategie leisten.

 

107.           Die Zusammenarbeit im Bereich Energie wird durch die Afrika-EU-Energie-Partnerschaft (AEEP) vertieft. Zur Umsetzung der AEEP werden alle zwei Jahre hochrangige Treffen auf Ebene der politischen Entscheidungsträger stattfinden.

 

108.           In Hinblick auf die Millennium-Entwicklungsziele werden die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die Europäische Investitionsbank ihre Bemühungen in Richtung effizientere Leistung der Entwicklungshilfe weiter intensivieren.

 

109.           Die EU wird 2010 ihre Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union (AU) und den afrikanischen Regionalorganisationen weiter verstärken. Hiebei ist die Rolle der 2008 eröffneten EU-Vertretung bei der AU-Kommission in Addis Abeba zu nennen und auf den Afrika-EU-Gipfel Ende 2010 zu verweisen.

 

110.           Die EU wird die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD) weiter unterstützen und die Integration der afrikanischen Partnerstaaten in die Weltwirtschaft fördern. Die Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit westafrikanischen Staaten sollen 2010 weitergeführt und abgeschlossen werden.

 

111.           Im Bereich der Konfliktprävention unterstützt die EU weiterhin die AU und die afrikanischen Regionalorganisationen bei der Entwicklung der „African Peace and Security Architecture“ (APSA). Österreich ist in diesem Zusammenhang der Schutz von Zivilisten in Konfliktsituationen ein besonderes Anliegen. Gleichzeitig wird die EU anlassbezogen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik selbst initiativ werden.

 

Lateinamerika und Karibik

 

112.           Lateinamerika und die Karibik (LAK) werden als wichtige und der EU nahe stehende Partnerregionen eingestuft. Die EU als einer der größten ausländischen Investoren in der Region hält am Konzept des (sub)-regionalen Ansatzes auf der Basis von Assoziierungs- bzw. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen fest, um damit das Umfeld der Handelsbeziehungen und Investitionen zu verbessern. Zentrale politische Anliegen sieht die Union in der Erbringung eines Beitrags zur Stärkung der Stabilität, des Wohlstands und der sozialen Kohäsion in Lateinamerika und der Karibik sowie in der Schaffung eines gemeinsamen Raums der höheren Bildung und im Kampf gegen Drogen. Zur Förderung dieser Zielsetzungen wird 2010 weiter an der Fortsetzung des EU-LAK-Prozesses gearbeitet, in dessen Rahmen alle zwei Jahre ein Gipfeltreffen stattfindet.

 

113.           Das VI. Gipfeltreffen der EU mit den lateinamerikanischen und karibischen Staaten wird am 17./18. Mai 2010 zum Thema „Innovation und Technologie für nachhaltige Entwicklung und soziale Inklusion“ in Madrid stattfinden. Zu den beabsichtigten Ergebnissen dieser Konferenz zählen die Errichtung einer EU-LAK-Stiftung, der Abschluss eines Assoziierungsabkommens der EU mit Zentralamerika sowie der Abschluss von Mehrparteienabkommen der EU mit Peru und Kolumbien. Hauptaufgabe der EU-LAK-Stiftung soll insbesondere sein, als Motor der bi-regionalen Partnerschaft und als ständige Einrichtung zur Umsetzung der Gipfelbeschlüsse zu fungieren. Österreich als einer der bisherigen EU-LAK-Gipfelgastgeber (2006) unterstützt eine erfolgreiche Fortsetzung des EU-LAK-Prozesses.

 

114.           Am Rande des EU-LAK-Gipfels wird die EU separate Gipfeltreffen mit Mexiko, Chile, der karibischen Organisation CARIFORUM, dem MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay), der Andengemeinschaft (Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru) und mit den Staaten Zentralamerikas abhalten. Im Vordergrund werden dabei der Abschluss des Assoziierungsabkommens der EU mit Zentralamerika und der Mehrparteienabkommen mit Peru und Kolumbien stehen. Mit Mexiko soll ein Gemeinsamer Umsetzungsplan (Joint Executive Plan) zur Umsetzung der seit 2008 bestehenden Strategischen Partnerschaft beschlossen werden. Mit den Karibikstaaten wird eine Gemeinsame EU-Karibik-Strategie erarbeitet.

 

Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen (VN)

 

115.           Die Mitgliedsstaaten der EU sind heute nicht nur die bei weitem größten Beitragszahler zum VN-Haushalt, sondern spielen auch eine wichtige Rolle in der inhaltlichen Arbeit der Vereinten Nationen. Bei den wichtigsten Reformthemen der Vereinten Nationen (Überprüfung der Peacebuilding Commission und des Menschenrechtsrats, systemweite Kohärenz) und in den Bereichen Menschenrechte, Abrüstung und Nonproliferation sowie in der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission unerlässliche Unterstützer der Arbeit der Vereinten Nationen. Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon soll die EU mittelfristig kohärenter auftreten und dadurch im VN-Rahmen an Bedeutung gewinnen.

 

116.           Die EU ist ein wichtiger Partner der Vereinten Nationen in der Konfliktprävention, Mediation und Friedenssicherung. Die gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Krisenmanagement, deren Umsetzung kontinuierlich vorangetrieben wird, sieht eine enge Abstimmung zwischen EU und VN in diesen Bereichen vor. Mit der Entsendung von militärischem, polizeilichem und zivilem Personal (einschließlich der EU-Sonderbeauftragten) in Konfliktgebiete sowie mit Aktivitäten im Trainingsbereich leistet die EU konkrete Beiträge zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Darüber hinaus bringt sich die EU aktiv in die Reform der VN-Friedenssicherung ein.

 

117.           Insbesondere zeigen Erfahrungen bei der Durchführung von GSVP- und VN-Missionen in derselben Region (z.B. EUSEC bzw. EUPOL RD Congo / MONUC, EUFOR Tchad/RCA / MINURCAT oder UNMIK / EULEX Kosovo), dass eine effiziente und gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen EU und VN von großer Bedeutung im Hinblick auf eine erfolgreiche Umsetzung der Mandate des VN-Sicherheitsrats ist bzw. dass die EU eine wichtige Aufgabe beim Aufbau und bei der Unterstützung von VN-Operationen spielen kann. Österreich beteiligt sich regelmäßig an solchen Operationen und trägt damit zur Weiterentwicklung des VN-EU-Krisenmanagements bei.

 

Abrüstung und Nonproliferation

 

118.           Im Bereich der Nonproliferation setzt die EU ihre Bemühung auf Basis der 2003 vom Europäischen Rat beschlossenen Strategie gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen fort. Die EU gestaltet die NPT-Überprüfungskonferenz 2010 aktiv mit, um ein inhaltlich ausgewogenes Konferenzergebnis sowie ein Maßnahmenpaket für alle drei Säulen des NPT (Abrüstung, Nichtweiterverbreitung, verantwortungsbewusste Entwicklung der friedlichen Nutzung der Nuklearenergie durch jene Staaten, die Nuklearenergie einsetzen möchten) zu begünstigen.

 

119.           Die Prioritäten im Rahmen der Überprüfungskonferenz sind: die Stärkung und Universalisierung des NPT; die Umsetzung der NPT Resolution aus 1995 zum Mittleren Osten; die Erreichung konkreter Waffenkontroll- und Abrüstungsmaßnahmen sowie Inkrafttreten des CTBT und Verhandlung eines Fissile Material Cut-off Treaty (FMCT); die Stärkung des Nonproliferationsregimes; die gemeinsame Auslegung der NPT-Austrittsfolgen; die konsequente Umsetzung des NPT durch Reaktion auf Vertragsbrüche (z.B. Iran, DVRK); Verankerung des Konzeptes der verantwortungsbewussten Entwicklung friedlicher Nutzungen der Nuklearenergie unter den besten Bedingungen für Strahlenschutz, Materialsicherung und Nichtweiterverbreitung sowie des Konzepts der Multilateralisierung des Brennstoffzyklus.

 

120.           Die illegale Herstellung, der Transfer, die Lagerung und die unkontrollierte Weitergabe von Klein- und Leichtwaffen (KLW) werden von der EU als akutes Sicherheitsrisiko für die Weltbevölkerung gesehen. Die Umsetzung der Strategie der EU zu Klein- und Leichtwaffen wird auch im Jahr 2010 fortgesetzt werden. Wichtige Teilbereiche beinhalten die Umsetzung der Entscheidung des Rates zur Zerstörung von KLW in der Ukraine, die Einfügung von KLW-Elementen in Drittstaatenübereinkommen, eine EU-Initiative zur Verhinderung von KLW-Handel über Luftwege und der Dialog mit China zu diesem Thema.

 

121.           Die EU wird auch 2010 die Bemühungen für einen Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) nachdrücklich unterstützen. Nach Annahme einer diesbezüglichen Ratsentscheidung im Dezember 2008 unterstützte die EU eine Serie von Seminaren weltweit, die in Drittstaaten das Problembewusstsein für die negativen Auswirkungen eines verantwortungslosen Waffenhandels und die daraus resultierende Notwendigkeit der Schaffung allgemeingültiger Bewertungsmaßstäbe erhöhen und die Unterstützung dieses Prozesses durch Zivilgesellschaft und Regierungen fördern. Das letzte Seminar und die Abschlussveranstaltung dieser Seminarreihe fanden im Februar 2010 in Wien statt. Eine Ratsentscheidung über die Fortsetzung dieser Aktivitäten soll noch 2010 fallen. Im Rahmen der Vereinten Nationen wird die EU nach Annahme der diesbezüglichen VN-Resolution im Dezember 2008 aktiv ihre Position in die Tagungen der nunmehr eingerichteten Arbeitsgruppe einbringen.

 

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

 

122.           Zentraler Arbeitsgegenstand der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ist der Aufbau ziviler und militärischer Fähigkeiten der Union zur Verhütung bzw. Bewältigung von Krisen sowie, aufbauend auf diesen Kapazitäten, die Planung und Durchführung konkreter Krisenmanagement-Operationen.

 

123.           Auch im Bereich GSVP wird 2010 den Anforderungen, die sich aus dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ergeben, besondere Beachtung zu schenken sein. (Zum Europäischen Auswärtigen Dienst, der auch die für das Krisenmanagement der Union zuständigen Sekretariatseinheiten umfassen wird, siehe den Abschnitt „Institutionen: Neuerungen durch den Vertrag von Lissabon“).

 

124.           Konkreter Arbeitsbedarf in Umsetzung GSVP-relevanter Bestimmungen des Vertrags von Lissabon könnte sich 2010 vor allem in folgenden Punkten ergeben:

 

          Frage der Schaffung einer „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ) im Sinne von Artikel 42 Absatz 6 EUV.

 

          Novellierung der Gemeinsamen Aktion aus dem Jahr 2004 über die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) in Form einer Ratsentscheidung.

 

          Schaffung eines „Anschubfonds“ zur Finanzierung von Vorbereitungsaktivitäten u.a. auch für GSVP-Militäroperationen (Artikel 41 Absatz 3 EUV).

 

          Verabschiedung eines Ratsbeschlusses über die Einzelheiten der Anwendung der „Solidaritätsklausel“ des Artikel 222 VAEU, der die gegenseitige Unterstützung im Fall von Terrorangriffen bzw. Natur- oder vom Menschen verursachter Katastrophen regelt.

 

125.           Auf dem Gebiet der Entwicklung ziviler und militärischer Krisenmanagementkapazitäten der Union laufen die aktuellen Planziele („Civilian Headline Goal“, „Military Headline Goal“) 2010 aus, sodass festzulegen sein wird, in welchem Rahmen der Aufbau dieser Kapazitäten über 2010 hinaus fortgesetzt werden soll. Im Sinne eines umfassenden, zivile und militärische Aspekte stets gleichermaßen berücksichtigenden Krisenmanagement-Ansatzes wird hierbei vor allem auf eine möglichst enge Koordinierung ziviler und militärischer Fähigkeitsentwicklung zu achten sein.

 

126.           Im Lauf des Jahres 2010 wird über die Fortführung bzw. Beendigung folgender GSVP-Operationen zu entscheiden sein:

 

          Grenzüberwachungsmission EUBAM Rafah in den Palästinensergebieten (Ende des aktuellen Mandats am 24.5.2010),

          Polizeimission EUPOL Afghanistan (Ende des aktuellen Mandats am 31.5.2010),

          Sicherheitssektorreform-Mission EU SSR Guinea-Bissau (Ende des aktuellen Mandats am 31.5.2010),

          Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX Kosovo (Ende des aktuellen Mandats am 14.6.2010),

          Rechtsstaatlichkeitsmission EUJUST Lex zur Ausbildung irakischer Polizei- und Justizexperten (Ende des aktuellen Mandats am 30.6.2010),

          Polizeireformmission EUPOL RD Congo (Ende des aktuellen Mandats am 30.6.2010),

          EU-Beobachtermission EUMM Georgia in Georgien (Ende des aktuellen Mandats am 14.9.2010),

          Sicherheitssektorreform-Mission EUSEC RD Congo (Ende des aktuellen Mandats am 30.9.2010),

          Marineoperation zur Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika EUNAVFOR Atalanta (Ende des aktuellen Mandats am  12.12.2010),

          Polizeireform-Mission EUPOL COPPS in den Palästinensergebieten (Ende des aktuellen Mandats am 31.12.2010).

 

127.           In Zusammenhang mit der GSVP-Militäroperation zur Stabilisierung von Bosnien und Herzegowina, EUFOR Althea, wird 2010 im Lichte der weiteren innenpolitischen Entwicklung des Landes fortgesetzt zu überprüfen sein, ob bzw. wie lange und in welcher Stärke die Aufrechterhaltung einer EU-Militärpräsenz mit exekutivem Mandat noch erforderlich ist. Weiters werden die Vorbereitungen dafür weiterzuführen sein, die Operation im Falle eines Beschlusses über die Aufgabe ihrer exekutiven Funktionen unter deutlicher Reduzierung ihrer Personalstärke neu auszurichten, nämlich auf die Unterstützung der Modernisierung der bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte durch Beratungs- und Ausbildungstätigkeiten.

 

128.           Im Frühjahr 2010 ist darüber hinaus der Start einer neuen GSVP-Militäroperation abzusehen, nämlich der „EU Training Mission Somalia“ (EUTM Somalia), in deren Rahmen in Zusammenarbeit mit Uganda und anderen internationalen Akteuren 2.000 Soldaten der somalischen Streitkräfte ausgebildet werden sollen, um so die somalische Übergangsregierung zu stärken.

 

Entwicklungszusammenarbeit

 

129.           Die spanische EU Präsidentschaft konzentriert sich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auf drei Schwerpunkthemen:

 

          Millennium-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDG),

          entwicklungspolitische Zusagen der EU,

          Wirksamkeit der Hilfe (Aid Effectiveness).

 

130.           Bei den MDG steht die Vorbereitung einer gemeinsamen EU-Position für das hochrangige Treffen der Vereinten Nationen von 20. bis 22. September 2010 zum Thema MDG im Vordergrund. Weiters sollen Schlussfolgerungen zu Ernährungssicherheit und Gesundheit sowie ein Aktionsplan zur Geschlechtergleichstellung und Stärkung (Empowerment) von Frauen verabschiedet werden.

 

131.           Bei den entwicklungspolitischen Zusagen wird es vor allem um eine Überwachung der ODA-Zusagen, die Implementierung der „Aid for Trade“-Strategie und die Umsetzung der Accra Agenda for Action on Aid Effectiveness sowie des Arbeitsprogramms zu Politikkohärenz gehen. Zur Bedeutung der Fiskalpolitik für die Entwicklung sollen Schlussfolgerungen verabschiedet werden.

 

132.           Beim dritten Schwerpunkt betreffend Wirksamkeit der Hilfe will die EU sich auf die Überprüfung der Implementierung des 2009 verabschiedeten operativen Rahmens für Wirksamkeit der Hilfe konzentrieren. Weiters soll die Diskussion der noch nicht im operativen Rahmen enthaltenen Themen, wie Fragmentierung der Hilfe, länderübergreifende Arbeitsteilung, gegenseitige Rechenschaftspflicht und Süd-Süd-Kooperation, begonnen werden.

 

133.           Weitere Themen, deren Verfolg die spanische Präsidentschaft gewährleisten will, sind Klimawandel, EU-Entwicklungszusammenarbeit nach dem Vertrag von Lissabon, Fortsetzung der Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit AKP Staaten, Halbzeitüberprüfung der EU-Außeninstrumente, Kultur und Entwicklung und Dialog mit den USA zur Entwicklungspolitik.

 

134.           Neben weiterführender Behandlung der in vorangegangenen Ratspräsidentschaften begonnenen Themen, wie z.B. Wirksamkeit der Hilfe und Politikkohärenz, wird sich die belgische Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2010 auf die Vorbereitung des EU-Afrika-Gipfels (November 2010), der Klimakonferenz in Mexiko (Dezember 2010) und der Biodiversitätskonferenz (Oktober 2010) konzentrieren. Sie wird auch mit der Vorbereitung der vierten hochrangigen Konferenz zur Wirksamkeit der Hilfe im Jahr 2011 beginnen. Voraussichtlich sollen auch die Themen Budgethilfe und politischer Dialog sowie Finanztransaktionssteuer behandelt werden.

 

Menschenrechte

 

135.           Die Europäische Union strebt auch 2010 die umfassende Einbindung der Menschenrechte als Querschnittsmaterie in alle Arbeitsbereiche an. Der systematische Austausch zu Menschenrechtsthemen in geographischen und thematischen Ratsarbeitsgruppen soll ebenso fortgesetzt werden wie die Umsetzung von Maßnahmen zur Berücksichtigung und Förderung des Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik GSVP (Schwerpunkte: Demokratieförderung; aktive Einbindung von Frauen in Postkonfliktsituationen, Förderung von Kinderrechten).

 

136.           Die Umsetzung von Sicherheitsratsresolution 1894 (2009) zum Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten wird von Österreich auch im EU-Rahmen fortgesetzt. Auf Initiative Österreichs wird das Ratssekretariat ein Konzeptpapier entwickeln, wie der Schutz von Zivilisten besser in GSVP-Missionen integriert werden kann.

 

137.           Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird die Durchsetzung der Grundrechte in ganz Europa vorangebracht. So ist seit 1. Dezember 2009 die EU-Grundrechtecharta für alle EU-Institutionen und -Mitgliedstaaten rechtlich bindend. Weiters wurde der Weg für den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention geebnet, die legistischen Vorarbeiten sind bereits im Gang. Im Laufe des Jahres 2010 wird außerdem eine Mitteilung der Europäischen Kommission über die Grundrechtspolitik der Union vorgelegt werden.

 

138.           Der EU-Grundrechteagentur (GRA) mit Sitz in Wien, unter der Leitung von Direktor Morten Kjaerum, kommt eine zentrale Rolle im Grundrechtsschutz in der EU zu. Sie wird wie bisher EU-Institutionen und -Mitgliedstaaten bei der grundrechtskonformen Schaffung und Durchführung von Gemeinschaftsrecht unterstützen. Ferner wird die Agentur weiterhin durch die Erstellung von Studien wichtige, vergleichbare Daten und Analysen zu aktuellen menschenrechtlichen Herausforderungen in der EU liefern.

 

139.           Die Rolle der GRA bei der Prüfung der Grundrechtskonformität von Gesetzgebungsprojekten der EU wurde durch das „Stockholm Programm“, das im Dezember 2009 verabschiedete Mehrjahresprogramm der Europäischen Union für den Bereich Justiz und Inneres, gestärkt und soll auch dazu auszuarbeitenden Aktionsplan verankert werden. Darüber hinaus sind auch Maßnahmen zur Intensivierung des Dialogs mit der Bevölkerung betreffend Menschenrechtsthemen in Europa geplant. Österreich wird auch weiterhin für eine starke GRA eintreten.

 

140.           Die Verbesserung der Effizienz und Kohärenz der EU-Menschenrechtsdialoge mit Drittstaaten bildet auch 2010 einen Schwerpunkt der Menschenrechtsaußenpolitik der EU. So werden zwei der Hauptthemen des EU-China-Menschenrechtsdialogs die Meinungsfreiheit und die Todesstrafe sein. Ein wichtiges Anliegen der EU für die Konsultationen mit Russland ist die enge Einbindung der russischen Zivilgesellschaft. Die 2008 geschaffenen Dialoge mit der Afrikanischen Union und den zentralasiatischen Staaten sollen, ebenso wie die 2009 mit allen Staaten im Südkaukasus und mit fünf lateinamerikanischen Staaten aufgenommenen Menschenrechtsdialoge, ergebnisorientiert fortgesetzt werden. Die Zukunft des EU-Iran-Menschenrechtsdialogs hängt vom Willen des Iran zu einer Wiederaufnahme und zur Verbesserung der Menschenrechtssituation ab.

 

141.           Inhaltliche Schwerpunkte der EU-Menschenrechtsaußenpolitik ergeben sich aus den sechs Leitlinien des Rates zur Abschaffung der Todesstrafe und der Folter, zu Kinderrechten, zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sowie zu Menschenrechtsverteidigern. Im Rahmen des bewährten Systems der Arbeitsteilung zur Entlastung des Ratsvorsitzes bei der Umsetzung der Leitlinien durch die EU-Partner wird Österreich aktiv in Task Forces zu Frauenrechten und zu Kindern in bewaffneten Konflikten mitarbeiten. Österreich ist weiters Mitglied der EU-Task Force zur Umsetzung von Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit und beteiligt sich an EU-Aktivitäten aus Anlass des 10. Jahrestages der Annahme dieser wegweisenden Resolution im Herbst 2010.

 

142.           Die EU wird sich weiterhin für einen glaubwürdigen Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einsetzen, der rasch und effektiv auf Menschenrechtssituationen und -fragen weltweit reagiert. Eine Priorität der EU im Jahr 2010 wird die aktive Einbringung von Vorschlägen in Vorbereitungsarbeiten für die erste Überprüfung des Funktionierens des VN-Menschenrechtsrates sein, um eine Stärkung der Institution zu erreichen und so z.B. die Unabhängigkeit der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte sowie der VN-Sonderberichterstatter weiterhin zu garantieren. Ein wichtiges Anliegen der EU im Reformprozess wird die Frage des besseren Umgangs durch den Menschenrechtsrat mit konkreten Ländersituationen sein. Darüber hinaus wird sich die EU weiterhin aktiv um eine objektive, umfassende Menschenrechtsprüfung im Rahmen des „Universal Periodic Review“ bemühen.

 

Dialog der Religionen und Kulturen

 

143.           Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich der zunehmenden zivilisatorischen Vielfalt Europas seit Jahren angenommen. Globalisierung und Migration, die Erweiterung der EU und internationale Entwicklungen haben zu einer größeren Vielfalt an Sprachen und Glaubensbekenntnissen, an ethnischen und kulturellen Identitäten geführt.

 

144.           Der interkulturelle Dialog gewinnt daher eine immer wichtigere Bedeutung für die Förderung der europäischen Identität und Bürgerschaft. Ein ebenso wichtiges Instrument ist der Dialog der Kulturen auch in der internationalen Politik: hier kann er einen wesentlichen Beitrag zur Konfliktlösung, Versöhnung und nachhaltigem Frieden leisten.

 

145.           Die Europäische Union bemüht sich seit Jahren, den interkulturellen Dialog der Mitgliedstaaten untereinander und mit Drittländern zu fördern. Das Europäische Parlament und der Rat riefen daher das Jahr 2008 zum Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs aus, an dem sich Österreich mit zahlreichen Initiativen und Projekten aktiv beteiligte. Die österreichische Dialogtradition und österreichische Dialoginitiativen wurden dadurch bestärkt und unterstützt.

 

146.           Für die EU, ebenso wie für Österreich, bleiben Multikulturalität, Pluralismus und Dialog auch im Jahre 2010 zentrale Schwerpunkte. Österreich wird hier seine Prioritäten wie bisher u.a. auf die Förderung von Frauen und Jugend im Dialog wie auf den Bereich Medien legen.

 

 

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[1]     Achtzehnmonateprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes, Dokument 17696/09 vom 22. Dezember 2009.

 

 

[2]     Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2010, Dokument KOM (2010) 135 vom 31. März 2010.