EU-Arbeitsprogramm 2011

 

 

 

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten

an das österreichische Parlament

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Überblick......................................................................................................................

1

Allgemeine Angelegenheiten........................................................................................

2

Auswärtige Angelegenheiten........................................................................................

15

 

 


 

 

Überblick

 

 

1.                   Dieser Vorschaubericht stellt die wichtigsten Themen dar, die im Jahr 2011 in den Ratsformationen „Allgemeine Angelegenheiten“ und „Auswärtige Angelegenhei­ten“ zu behandeln sind.

 

2.                   Grundlage der Vorschau ist das Achtzehnmonateprogramm des Rates für den Zeitraum Jänner 2010 bis Juni 2011, Dokument 17696/09 vom 22. Dezember 2009, welches vom spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitz vorgelegt worden war. Das Programm der nachfolgenden Triopräsidentschaft Polen-Dänemark-Zypern liegt noch nicht vor. Ferner wurde das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2011, Dokument KOM (2011) 623 vom 27. Oktober 2010, als Basis herangezogen. Diese Vorschau berücksichtigt die laufenden Entwicklungen bis zum 31. Jänner 2011.

 


 

 

Allgemeine Angelegenheiten

 

 

Umsetzung des Vertrags von Lissabon

 

3.                   Zu den zentralen Vorhaben in Zusammenhang mit der Umsetzung des Vertrages von Lissabon zählt der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Der EAD hat mit 1. Dezember 2009 seine Tätigkeit aufgenommen und setzt sich aus Beamten des Generalsekretariats des Rates, der Europäischen Kommission sowie der diplomatischen Dienste der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Die Versetzung der Mitarbeiter des Generalsekretariats des Rates und der Europäischen Kommission wurde mit 1. Jänner 2011 wirksam. Bis 30. Juni 2013 soll ein Drittel des EAD-Personals aus Zeitbediensteten bestehen, die aus den nationalen diplomatischen Diensten rekrutiert werden.

 

4.                   Die Delegationen der Union in Drittstaaten haben bereits 2010 die EU-Vorsitzfunktion am Dienstort übernommen, die zuvor von den Botschaften des rotierenden Ratsvorsitzes wahrgenommen worden waren. An der Ausgestaltung der Rolle der Delegationen der Union bei Internationalen Organisationen wird noch gearbeitet. Für die VN-Generalversammlung strebt die EU eine Resolution an, die der Delegation der Union und hochrangigen Missionsvertretern eine Übernahme der Aufgaben ermöglicht, die bisher vom Vertreter des rotierenden Ratsvorsitzes wahrgenommen wurden.

 

5.                   Die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) fanden 2009 noch auf der Basis des Vertrags von Nizza statt, der maximal 736 EP-Sitze sowie mindestens fünf und höchstens 99 Sitze pro Mitgliedstaat vorsah. Der Vertrag von Lissabon gibt demgegenüber eine Obergrenze von maximal 751 Sitzen sowie mindestens sechs und höchstens 96 Sitze pro Mitgliedstaat vor. Für die Sitzverteilung unter den EU-Mitgliedstaaten gilt das Prinzip der degressiven Proportionalität. Als Übergangsmaßnahme zur Überleitung auf die Sitzverteilung gemäß dem Vertrag von Lissabon wurde nach einer eintägigen Regierungskonferenz von allen EU- Mitgliedstaaten am 23. Juni 2010 ein Protokoll unterzeichnet, das in der laufenden Funktionsperiode des EP eine Erhöhung auf 754 Sitze sowie die Zuteilung der zusätzlichen Sitze an die einzelnen EU-Mitgliedstaaten vorsieht. Auf Österreich entfallen demnach zwei zusätzliche Sitze. Das entsprechende Protokoll ist von allen EU-Mitgliedstaaten zu ratifizieren. Der österreichische Ministerrat hat am 16. November 2010 die Regierungsvorlage zum Änderungsprotokoll beschlossen und dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt.

 

6.                   Artikel 11 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) sieht erstmals ein europaweites direktdemokratisches Bürgerbeteiligungsinstrument in Form der Europäischen Bürgerinitiative vor. Die Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative wurde am 15. Dezember 2010 in erster Lesung vom Plenum des Europäischen Parlaments mit großer Mehrheit angenommen und könnte im Februar 2011 nach Prüfung der Letztfassung der Verordnung durch die Sprachjuristen vom Rat angenommen werden. Die in den Mitgliedstaaten erforderlichen legistischen und organisatorischen Anpassungen müssen innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung erfolgen.

 

7.                   Durch die Neuformulierung von Artikel 6 Absatz 2 EUV schuf der Vertrag von Lissabon die Verpflichtung der EU, der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beizutreten. Der Unionsbeitritt zur EMRK garantiert, dass Unionsrechtsakte künftig vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf deren Vereinbarkeit mit der EMRK überprüft werden können. Am 4. Juni 2010 erteilte der Rat der Europäischen Kommission ein Verhandlungsmandat, das die aus Sicht der Union erforderlichen Eckpunkte des Beitrittsabkommens, insbesondere inhaltliche Anforderungen, die im Protokoll Nr. 8 zum EUV und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) determiniert sind, umschreibt, um damit die Vorgabe des Artikels 6 EUV umzusetzen. Auf dieser Basis ist geplant, die Verhandlungen mit dem Europarat bis Mitte 2011 abzuschließen.

 

8.                  Rat und Europäisches Parlament haben sich im Dezember 2010 in erster Lesung auf die neue Komitologie-Verordnung zur Ausgestaltung der Kontrolle der Europäischen Kommission durch die Mitgliedstaaten bei der Annahme von Durchführungsmaßnahmen geeinigt. Das Inkrafttreten ist für 1. März 2011 vorgesehen. Ab dann werden für die Durchführung neu anzunehmender Rechtsakte die neuen Beratungs- und Prüfverfahren zur Anwendung kommen. Die Anpassung der Verfahren in bereits bestehenden Basisrechtsakten wird schrittweise in den nächsten Jahren vorgenommen werden. Zur Ausgestaltung der neuen Form der delegierten Rechtsakte wurde unter belgischer Präsidentschaft ein „Common Understanding“ zwischen Europäischer Kommission, Europäischem Parlament und Rat verhandelt, das ebenfalls in den kommenden Monaten formell angenommen werden soll.

 

Vertragsänderung in Zusammenhang mit der Finanzstabilität der Eurozone

 

9.                   In Zusammenhang mit der Einrichtung eines ständigen Mechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets hat der Europäische Rat am 16. Dezember 2010 Einigung über den Wortlaut des Entwurfs eines Beschlusses zur Änderung von Artikel 136 AEUV erzielt. Er beschloss, das vereinfachte Änderungsverfahren nach Artikel 48 Absatz 6 EUV unverzüglich einzuleiten. Die Anhörung der betroffenen Organe sollte rechtzeitig abgeschlossen werden, so dass der Beschluss im März 2011 förmlich angenommen werden kann. Die Verfahren der Zustimmung in den Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften (in Österreich gemäß Artikel 23i Absatz 4 B-VG sinngemäße Anwendung von Artikel 50 Absatz 4 B-VG) sollten bis Ende 2012 abgeschlossen werden können und die Änderung am 1. Januar 2013 in Kraft treten.

 

EU-Erweiterung

 

10.               EU-Beitrittsverhandlungen sind ein auf Einstimmigkeit basierender, mehrstufiger Prozess, der folgende Hauptphasen umfasst:

 

(1)     Nach einem Beitrittsantrag beauftragt in der Regel der Rat die Europäische Kommission mit der Erstellung eines „Avis“. Diese Stellungnahme der Kommission informiert, inwieweit der Antrag stellende Staat die Beitrittskriterien von Kopenhagen erfüllt. Je nach Erfüllungsstand kann die Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen (unter Umständen versehen mit Bedingungen) oder – wie im Falle Mazedoniens oder zuletzt Montenegros – zunächst nur die Verleihung des Kandidatenstatus empfehlen.

 

(2)     Der Rat beschließt, inwieweit er diesen Empfehlungen der Kommission folgt.

 

(3)     Im Falle eines Beschlusses über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen wird zunächst ein Verhandlungsrahmen festgelegt. Dabei werden Grundparameter bestimmt und der zu übernehmende Rechtsbestand, der „Acquis“, in (derzeit 35) Verhandlungskapitel eingeteilt.

 

(4)     Anschließend nimmt die Europäische Kommission das sogenannte „Screening“ vor. Hierbei stellt die Kommission den Soll- und den Ist-Stand in den einzelnen Verhandlungskapiteln einander gegenüber und legt dazu „Screening-Berichte“ vor – jeweils mit der Empfehlung, ob ein Kapitel eröffnet werden kann oder nicht. In letzterem Fall kann die Kommission auch „Benchmarks“ empfehlen: Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit das betreffende Kapitel eröffnet werden kann.

 

(5)     Die EU-Mitgliedstaaten entscheiden einstimmig über die Eröffnung eines Verhandlungskapitels bzw. über die Festlegung von „Benchmarks“. Im Fall der Eröffnung eines Verhandlungskapitels wird der Beitrittskandidaten aufgefordert, eine nationale Verhandlungsposition vorzulegen.

 

(6)     Auf deren Grundlage entwirft die Kommission die Verhandlungsposition der EU, welche normalerweise ebenfalls „Benchmarks“ für den Abschluss des Verhandlungskapitels enthält. Nach deren Verabschiedung durch die EU-Mitgliedstaaten wird dann das jeweilige Kapitel auf einer Beitrittskonferenz eröffnet, an der die 27 EU-Mitgliedstaaten, die Kommission und der Beitrittskandidat teilnehmen.

 

(7)     Zur provisorischen Schließung eines Verhandlungskapitels kommt es, wenn die Mitgliedstaaten auf Empfehlung der Kommission beschließen, dass die „Abschlussbenchmarks“ erfüllt sind.

 

11.               Dieses Verfahren muss für 33 der 35 Verhandlungskapitel durchlaufen werden. Die Einführung von „Eröffnungsbenchmarks“ und die fast durchgängige Anwendung von „Abschlussbenchmarks“, was eine strenge und kontinuierliche Überprüfung der Fortschritte bei der Übernahme des „Acquis“ erlaubt, ist eine Neuerung gegenüber der Erweiterungsrunde 2004.

 


Kroatien

 

12.               Der Screening-Prozess ist abgeschlossen. Nach Abschluss des bilateralen Abkommens zwischen Kroatien und Slowenien bezüglich der Beilegung ihres Grenzstreites konnten 2010 alle Kapitel, bis auf Kapitel 35 (Sonstiges) eröffnet werden. 28 Kapitel wurden auch schon provisorisch abgeschlossen.

 

13.               Noch abzuschließen sind sieben Kapitel: Kapitel 8 (Wettbewerb), Kapitel 11 (Landwirtschaft und ländliche Entwicklung), Kapitel 13 (Fischerei), Kapitel 22 (Regionalpolitik und strukturelle Instrumente), Kapitel 23 (Judikative und Grundrechte), Kapitel 33 (Finanz- und Haushaltsvorschriften), Kapitel 35 (Sonstiges).

 

14.               Im Fortschrittsbericht 2010 wurde von der Europäischen Kommission festgestellt, dass sich Kroatien in der Abschlussphase der Beitrittsverhandlungen befindet. Österreich unterstützt Kroatien weiterhin bei seinem Bestreben, die noch offen gebliebenen schwierigen Kapitel unter ungarischem Vorsitz in der ersten Jahreshälfte 2011 abzuschließen. Das wird maßgeblich von den kroatischen Reformanstrengungen in den Bereichen Wettbewerb sowie Judikative und Grundrechte abhängen. Ungarn peilt den Abschluss der Verhandlungen unter seinem Vorsitz an, allerdings bleibt dies angesichts der noch bestehenden Hürden, vor allem zu Kapitel 23 (Judikative und Grundrechte), unsicher.

 

Die übrigen Länder des Westbalkans

 

15.               Die westlichen Balkanländer bleiben für Österreich auch 2011 eine außenpolitische Priorität. Die europäische Perspektive dieser Länder muss weiter vorangetrieben werden, denn sie ist für die fortgesetzte Stabilisierung und Entwicklung der Region Westbalkan unersetzlich.

 

16.               Im November 2010  hat die Europäische Kommission erneut ein Maßnahmenpaket zur Erweiterung mit einem Strategiepapier und mit Berichten zu den Fortschritten Kroatiens und Mazedoniens mit Blick auf den EU-Beitritt sowie Albaniens, Bosnien und Herzegowinas, Kosovos, Montenegros und Serbiens im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess vorgelegt.

 

17.               Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess stärkt die bilateralen, politischen und wirtschaftlichen Verbindungen der EU mit der Region und bereitet den Weg für weitere Reformen in den Ländern des Westbalkans. Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) sind bereits in Kraft mit Mazedonien (seit 1.4.2004), Kroatien (1.2.2005) und Albanien (1.4.2009). Das SAA mit Montenegro trat am 1. Mai 2010 in Kraft. Abkommen mit Bosnien und Herzegowina sowie mit Serbien wurden bereits unterzeichnet, bis zu deren Inkrafttreten nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten gelten Interimsabkommen.

 

18.               In ihrer Erweiterungsstrategie und im Fortschrittsbericht vom 11. November 2010 empfahl die Europäische Kommission dem Rat wie schon 2009 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien, ohne jedoch ein Datum zu nennen. Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien bedarf der Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedstaaten. Diese ist nach wie vor aufgrund des griechisch-mazedonischen Namensstreits nicht gegeben: Griechenland befürchtet durch den Namen „Mazedonien“ eventuelle territoriale Ansprüche auf die angrenzende gleichnamige griechische Region. Gespräche unter Leitung von VN-Vermittler Matthew Nimetz blieben bis dato ohne Ergebnis. Eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ohne vorherige Lösung des Namenskonflikts wird gelegentlich ventiliert, ist jedoch nicht realistisch.

 

19.               Der Avis der Europäischen Kommission zu Montenegro vom 11. November 2010 empfahl mit Hinblick auf erreichte Fortschritte die Verleihung des Kandidatenstatus trotz gleichzeitiger nachdrücklicher Hinweise auf verbleibende Herausforderungen. Der Europäische Rat beschloss daraufhin am 16./17. Dezember 2010 die Verleihung des Kandidatenstatus; Beitrittsverhandlungen könnten jedoch erst nach substantiellen Verbesserungen in sieben Schlüsselbereichen beginnen. Wie schnell Montenegro dies gelingen wird, auch um mittel- und langfristig den Anforderungen des Acquis gerecht zu werden, ist derzeit nicht absehbar.

 

20.               Der Avis zu Albanien sah mit Hinweis auf massive Defizite vor allem im Bereich der politischen Kriterien von einer Verleihung des Kandidatenstatus ab. Beitrittsverhandlungen können erst nach substantiellen Verbesserungen in zwölf Schlüsselbereichen beginnen. In welchem Zeitraum das nach wie vor durch eine Parlamentsblockade gelähmte Land in der Lage ist, diesen Forderungen nachzukommen, ist unklar.

 

21.               Das Interimsabkommen mit Serbien, welches die den Handel betreffenden Bestimmungen des SAA umsetzt, trat am 1. Februar 2010 in Kraft. Der Prozess der Ratifizierung des SAA wurde im Juni 2010 eingeleitet, nachdem der Rat einstimmig die uneingeschränkte Zusammenarbeit des Landes mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien festgestellt hatte. Serbiens EU-Beitrittsantrag wurde – nach fast einjähriger Verzögerung – mit Beschluss des Rates vom 25. Oktober 2010 an die Kommission zur Avis-Erstellung weitergeleitet. Die Arbeiten am diesbezüglichen Fragenkatalog sollen auf serbischer Seite Ende Jänner 2011 abgeschlossen sein. Die Kommission könnte daher anstelle des diesjährigen Fortschrittsberichtes im Herbst 2011 bereits den Avis vorlegen. Serbiens Verhalten hinsichtlich des Kosovo wird zweifellos ein entscheidendes Kriterium sein.

 

22.               Eine weitestmögliche Einbeziehung Kosovos in den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess stößt auf Widerstand jener EU-Mitgliedstaaten, die den Kosovo nicht anerkennen. Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, welches die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo bestätigte, brachte 2010 immerhin die Anerkennung durch einige weitere Staaten und bewog Belgrad, Dialogbereitschaft zu signalisieren. Daher kann im Laufe des Jahres 2011 mit dem Beginn technischer Gespräche gerechnet werden.

 

23.               In Bosnien und Herzegowina stagniert momentan der Prozess der Annäherung an EU-Strukturen. Wichtige Aspekte (Verfassungs- und Justizreform etc.) als Voraussetzungen für weitere Entwicklungen konnten auch nach den Wahlen im Oktober 2010 nicht gelöst werden. Auf der Grundlage des Vertrags von Dayton zementieren sich Ethnien und Kantone immer mehr ein; ihre teils widerstreitenden, teils überlappenden Kompetenzen lähmen zunehmend das gesamte Staatsgebilde. Eine Schlüsselrolle, die für das Gelingen oder Misslingen dieses Staates maßgeblich sein wird, kommt der Republika Srpska unter ihrem Präsidenten Dodik zu: Zweifellos wird es auch 2011 eine besondere Herausforderung darstellen, die Republika Srpska zu einer kooperativen, auf das Vorankommen des Gesamtstaates abgestimmten Haltung zu bewegen.

 

24.               Seit 19. Dezember 2009 ist die visafreie Einreise von Staatsangehörigen aus Mazedonien, Serbien und Montenegro und seit 16. Dezember 2010 für jene aus Albanien und Bosnien und Herzegowina in die EU mit biometrischen Pässen möglich. Genau beobachtet werden eventuelle nachteilige Konsequenzen vor allem der letzten Visaliberalisierung. Sollte sich die Zahl der Asylwerber in EU-Mitgliedstaaten sprunghaft erhöhen, könnte mit einer temporären Suspendierung der Visaliberalisierung zu rechnen sein.

 

25.               Die diesbezügliche weitere Vorgangsweise betreffend Kosovo ist in Diskussion. In individualisierten „Roadmaps“ wird eine Vielzahl von zu erfüllenden technischen Voraussetzungen in den vier Bereichen Dokumentensicherheit, illegale Migration und Rückübernahme, öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie Außenbeziehungen und Grundrechte definiert. Bei fortschreitend positiver Entwicklung ist der Beginn eines Visadialogs angedacht.

 

Island

 

26.               In ihrem Avis zu Island vom 24. Februar 2010 empfahl die Europäische Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Sie konstatierte, dass Island aufgrund seiner Teilnahme am Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und am Schengen-Raum bereits sehr hohe Standards hinsichtlich der Erfüllung der Kopenhagener Beitrittskriterien vorweisen kann. Jedoch sind noch einige Reformanstrengungen, unter anderem bei der Bestellung der Richter und Staatsanwälte und der Umstrukturierung des Finanzsektors, erforderlich. Als problematische Bereiche bei der Übernahme des Acquis identifizierte die Kommission die Kapitel Fischerei, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Umwelt, freier Kapitalverkehr sowie Finanzdienstleistungen.

 

27.               Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen wurde vom Europäischen Rat am 17. Juni 2010 beschlossen, am 27. Juli 2010 fand die Eröffnungskonferenz der Verhandlungen statt. Der Screening-Prozess konnte im November 2010 eingeleitet werden. Erste Berichte sind im Frühjahr 2011 zu erwarten.

 

28.               Aufholbedarf herrscht laut Fortschrittsbericht 2010 der Europäischen Kommission auch bei der umfassenden Information der isländischen Bevölkerung über die EU-Mitgliedschaft und die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem EWR-Abkommen, die hinsichtlich des Fortschrittes der Beitrittsverhandlungen entscheidend sind. Im besonderen Interesse der Niederlande und Großbritanniens wurde die Einhaltung von für Island bestehende Verpflichtungen aus dem EWR-Abkommen in den Verhandlungsrahmen festgeschrieben. Hintergrund dieser Regelung ist die als Folge der Finanzkrise entstandene „Icesave-Problematik“. (Ausländische Anleger, vor allem aus Großbritannien und den Niederlanden, bekamen im Gegensatz zu Inländern keine Mindestentschädigung für die nach dem Zusammenbruch des Bankensystems verlorenen Einlagen.) Diese soll mit einer am 9. Dezember 2010 unterschriebenen trilateralen Vereinbarung gelöst werden.

 

29.               Österreich steht den Beitrittsbestrebungen Islands wohlwollend gegenüber. Ein beschleunigtes Verfahren („fast track procedure“) kann jedoch nicht unterstützt werden.

 

Sonderfall Türkei

 

30.               Der Fortschrittsbericht 2010 der Europäischen Kommission hält fest, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in eine anspruchsvolle Phase eingetreten sind. Besonders gewürdigt wird die im September 2010 verabschiedete Verfassungsreform. Nach wie vor besteht jedoch eine Vielzahl an Defiziten, insbesondere bei Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, Rechten der Gewerkschaften und Minderheitenrechten. Auch bei der „demokratischen Öffnung“, die insbesondere zur Verbesserung bei der Kurdenfrage führen sollte, sind weitere Anstrengungen notwendig.

 

31.               Der Verhandlungsprozess geht nur schleppend voran. Der Screening-Prozess ist in insgesamt 23 Kapiteln abgeschlossen. 13 dieser Kapitel sind eröffnet, eines davon (Wissenschaft und Forschung) provisorisch abgeschlossen. Zu 8 mit der Nordzypern-Problematik in Zusammenhang stehenden Kapiteln sind Verhandlungen aufgrund mangelnder Erfüllung der Verpflichtungen der Türkei aus dem Ankara-Protokoll seit Dezember 2006 eingefroren. Zudem ist ein provisorischer Abschluss in keinem weiteren Kapitel mehr möglich. Der Rat wird die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern auch weiterhin verfolgen und sieht dem nächsten Jahresbericht der Europäischen Kommission entgegen.

 

32.               Der ungarische Ratsvorsitz strebt eine Aufrechterhaltung des Verhandlungsprozesses mit konstantem Fortschritt an. Geplant ist die Eröffnung des Kapitels Wettbewerb. Dieses Ziel kann allerdings nur dann erreicht werden, wenn die Türkei die Eröffnungsbenchmarks rechtzeitig erfüllt.

 

33.               Österreich sieht die Türkei als einen wichtiger Partner der EU, doch sind ohne Intensivierung der Reformen keine Verhandlungsfortschritte und ohne Normalisierung der Beziehung zu Zypern keine Änderung des Status quo zu erwarten. Die Verhandlungen müssen vor dem Hintergrund der Aufnahmefähigkeit der EU ergebnisoffen bleiben. Es sollte eine maßgeschneiderte Lösung angestrebt werden; ein absoluter Verhandlungsstillstand wäre kontraproduktiv.

 

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) und Europäische Freihandelsassoziation (EFTA)

 

34.               Die Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern (Island, Norwegen, Schweiz und Liechtenstein) haben sich in den vergangenen Jahren stetig intensiviert. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die positiven Beziehungen fortsetzen und weiter vertiefen werden.

 

35.               Von den EWR- und EFTA-Staaten (Norwegen, Liechtenstein und Island) wurde die Übernahme des EU-Besitzstands in ihre nationalen Rechtsvorschriften stets korrekt und regelmäßig vorgenommen. Liechtenstein hat sich verpflichtet, im Zeitraum 2009-2014 weiter zur Verringerung der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte im EWR beizutragen und seinen diesbezüglichen Beitrag aufzustocken.

 

36.               Hinsichtlich der Schweiz, die nicht Mitglied des EWR ist, will die EU vom derzeitigen System der bilateralen Abkommen abgehen und eine neue Grundlage für die künftigen Beziehungen schaffen. Dabei wird erforderlich sein, für eine Reihe horizontaler Fragen (dynamische Übernahme des Acquis, Auslegung der Verpflichtungen, Streitbeilegung) Lösungen zu finden, die für beide Seiten annehmbar sind.

 

37.               Unter ungarischem Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2011 soll die EU eine Analyse der Möglichkeiten und Modalitäten einer allfälligen, in Etappen angelegten Integration des Fürstentums Andorra, des Fürstentums Monaco und der Republik San Marino in den Binnenmarkt vornehmen.

 


EU-Strategie für den Donauraum

 

38.               Einer ursprünglich österreichisch-rumänischen Initiative folgend hatte der Europäische Rat im Juni 2009 die Europäische Kommission beauftragt, bis Ende 2010 eine EU-Strategie für den Donauraum zu erarbeiten. Ziel ist eine gemeinsame Strategie zwecks koordinierter Vorgangsweise auf den Gebieten Transport und Energie, Umweltschutz und sozioökonomische Entwicklung. Die Anfangsphase wurde von einer Reihe von öffentlichen Veranstaltungen mit interessierten Organisationen, Institutionen und Firmen („Stakeholder“) im Donauraum begleitet. Österreich hat zwei Beiträge mit detaillierten Vorschlägen eingebracht – insbesondere zum Thema nachhaltige und umweltfreundliche Transportinfrastruktur auf der Donau –, die in die Strategie eingeflossen sind.

 

39.               Im Dezember 2010 präsentierte die Europäische Kommission eine in Abstimmung mit den Donauraumstaaten erstellte Mitteilung zur Strategie sowie einen konkreten Aktionsplan. Diese wurden an das Europäische Parlament und den Rat übermittelt. Die Strategie enthält vier Säulen mit insgesamt elf Prioritätsbereichen. Anfang Februar 2011 werden einzelne Prioritätsbereiche jeweils einem oder zwei Staaten zur Koordinierung übertragen.

Ziel ist die Annahme der Strategie durch den Europäischen Rat im ersten Halbjahr 2011 während der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft.

 

Energieaußenpolitik

 

40.               Energiesicherheit der Europäischen Union, beruhend auf den Eckpfeilern Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Vollendung des Binnenmarktes, wird ein Schwerpunktthema der ungarischen und polnischen Ratspräsidentschaften sein. Besondere Akzente werden auf verstärkte regionale Integration, Schließung von Lücken der Verbindungsleitungen (sogenannten Interkonnektoren), Ausbau und Überholung der Energieinfrastruktur, Diversifizierung der Bezugsquellen, Energieformen und Versorgungsrouten sowie verstärkte Koordinierung der Energieaußenpolitik gegenüber Drittstaaten und -regionen gelegt werden.

 

41.               Dem südlichen Gaskorridor, dessen Rückgrat das Nabucco-Projekt ist, kommt dabei besondere Bedeutung zu. Für 2011 werden dynamische Schritte betreffend Abschluss von Umweltverträglichkeitsprüfungen, privatrechtliche Verträge über Lieferungen und Transport sowie den endgültigen Baubeschluss erwartet.

 

42.               Wesentliche Maßnahmen der EU im Jahr 2011 werden die Verabschiedung des Energieaktionsplans 2011-2020, einer energiepolitischen Strategie zur Umsetzung der Ziele der „Europa 2020“-Strategie sowie eines Infrastrukturpakets für den Ausbau und die Überholung der Netzwerke sein. Dies soll die Fähigkeit der EU, Engpässe und Versorgungslücken zu vermeiden, entscheidend erhöhen. Die neue EU-Energiepolitik soll einen Innovations- und Forschungsschub auslösen, der das Wirtschaftswachstum stimuliert und eine bedeutende Zahl neuer Arbeitsplätze schafft.

 

43.               Weiters wird die EU an der Vorbereitung einer Wegskizze zu einer umfassenden Transformierung des Energiesystems hin zu einer nachhaltigen und kohlenstoffarmen Energiewirtschaft 2050 arbeiten. Es wird auch erste Überlegungen für die Finanzierung der weitreichenden energiepolitischen Vorhaben der Union geben. Für Österreich ist wichtig, dass keine Gemeinschaftsmittel für eine Förderung der Kernenergie, die aus österreichischer Sicht weder kohlenstofffrei noch nachhaltig oder sicher ist, eingesetzt werden.

 

44.               Auf EU-Ebene wird weiterhin mehr Kohärenz von Union und Mitgliedstaaten im energiepolitischen Auftreten nach außen angestrebt. Dazu gehört das Schließen strategischer Partnerschaften mit wichtigen Energieherkunfts-, -transit- und Konsumentenländern und -regionen, die Gemeinsamkeiten über weite Themenkreise, einschließlich solcher betreffend Regulierung und Marktzugang, umfassen sollen. Die Optimierung von Synergien mit multilateralen Energieforen und die Einbringung derselben in eine Strategie der internationalen Kooperation ist eine weitere Herausforderung, der sich die Europäische Union 2011 verstärkt stellen will.

 


Mehrjähriger Finanzrahmen ab 2014 und Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)

 

45.               Die jetzige EU-Budgetperiode läuft bis 2013. 2011 und 2012 werden im Zeichen der Modernisierung des EU-Budgets sowohl auf Einnahmen- als auch auf Ausgabenseite stehen.

 

46.               Die Europäische Kommission hat am 19. Oktober 2010 einen Bericht zur Überprüfung des EU-Haushalts veröffentlicht, weitere Diskussionsgrundlagen für die bevorstehenden Verhandlungen über den künftigen EU-Finanzrahmen ab 2014 sind der 5. Bericht der über die Zukunft der Struktur- und Kohäsionspolitik (9.11.2010) sowie die Mitteilung der Europäischen Kommission über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (18.11.2010). Letztere wird erstmals beim Landwirtschaftsrat im März 2011 erörtert; dabei sollen Schlussfolgerungen zur Zukunft der GAP angenommen werden. Intensive und umfassende Beratungen zum künftigen EU-Budget werden voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte unter polnischem Ratsvorsitz beginnen. Die Kommission könnte im Frühjahr eine Mitteilung zur Vorbereitung ihrer Legislativvorschläge für den künftigen Finanzrahmen veröffentlichen. Die konkreten Vorschläge (Finanzrahmen-Verordnung, sektorielle Verordnung, Eigenmittelbeschluss) werden voraussichtlich im Juni/Juli 2011 vorliegen.

 


 

 

Auswärtige Angelegenheiten

 

 

Europäische Nachbarschaftspolitik

 

47.               Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) soll die Entstehung neuer Trennlinien zwischen der erweiterten EU und ihren Nachbarn verhindern und Wohlstand, Stabilität und Sicherheit aller Beteiligten stärken. Sie richtet sich sowohl an die im Mittelmeerraum gelegenen südlichen Nachbarn als auch an Partnerstaaten in Osteuropa und im südlichen Kaukasus.

 

48.               Am 7. Mai 2009 fand in Prag unter tschechischer Ratspräsidentschaft der Gründungsgipfel der Östlichen Partnerschaft mit den Staats- und Regierungschefs der östlichen Partnerstaaten (Belarus, Moldau, Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Georgien) statt. Die Partnerschaft umfasst neue Assoziationsabkommen mit den Partnerstaaten, eine engere Anbindung an die Union über vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen, einen neuen multilateralen Rahmen mit regelmäßigen Gipfeltreffen und thematischen Untergruppen, stärkeres Engagement der Union für ein umfassendes Programm zum Aufbau staatlicher Institutionen, Mobilitäts- und Sicherheitspakte mit klaren Zielen zur Verbesserung der inneren Sicherheit sowie Maßnahmen zur engeren Zusammenarbeit im Energiebereich. Am 24./25. Mai 2011 wird der zweite Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Budapest stattfinden.

 

49.               Die seit 2008 laufenden Verhandlungen mit der Ukraine sollen intensiviert werden, insbesondere auch die Verhandlungen zu einem vertieften Freihandelsabkommen. Der im November 2010 angenommene Aktionsplan zur langfristigen Visaliberalisierung wird 2011 weiter umgesetzt werden.

 

50.               Die Anfang 2010 begonnenen Verhandlungen über ein neues Abkommen, welches das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Moldau ersetzen wird, sollen 2011 weitergeführt werden. Sobald Moldau die EU-Empfehlungen zur Vorbereitung eines Freihandelsabkommens umgesetzt hat, können die diesbezüglichen Verhandlungen ebenfalls aufgenommen werden. Ende 2010 wurde EU-intern ein Aktionsplan zur Visaliberalisierung akkordiert. Der Aktionsplan wird im Laufe des Jahres 2011 an Moldau übergeben werden.

 

51.               Im Juli 2010 haben Verhandlungen über Assoziationsabkommen mit Armenien, Aserbaidschan und Georgien begonnen, diese werden 2011 fortgeführt werden.

 

52.               Für die Union für den Mittelmeerraum (UfM) war 2010 ein zwiespältiges Jahr: Erfolge gab es beim Aufbau des Sekretariats in Barcelona, beim Dialog zwischen den Kulturen (Anna Lindh Stiftung in Alexandria) und auf Ebene der UfM-Parlamentarischen Versammlung; aber auf politischer Ebene führte der Nahostkonflikt zur zweimaligen Verschiebung des geplanten Gipfeltreffens. Im Jahr 2011 soll der Aufbau des UfM-Sekretariats in Barcelona, das von der Europäischen Kommission sowie von den UfM-Mitgliedstaaten durch freiwillige Budgetbeiträge finanziert wird, abgeschlossen werden. Ferner sollen die ersten konkreten UfM-Projekte in Angriff genommen werden. Weiters besteht die Hoffnung, dass sich so bald wie möglich die für die Abhaltung des UfM-Gipfeltreffens notwendigen politischen Rahmenbedingungen ergeben.

 

Beziehungen der EU zu strategischen Partnern

 

53.               Grundprinzip der Diskussion zu den strategischen Partnern der Europäischen Union ist die Wahrung der europäischen Interessen in einer globalen Welt durch wirksame Nutzung der durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen Instrumente.

 

54.               Der Europäische Rat wird – nach erstmaliger Diskussion im September 2010 – jährlich eine Bestandsaufnahme der Fortschritte in der Stärkung der Rolle der Union auf der internationalen Bühne vornehmen und erforderlichenfalls Ziele und allgemeine Leitlinien vorgeben. Auch vor wichtigen Gipfeltreffen mit einzelnen Partnerländern will der Europäische Rat Orientierungen geben. Dabei bedarf allerdings jeder strategische Partner eines eigenen Zugangs in der Stärkung der Beziehungen, wobei Außen- und Sicherheitsthemen mit sektoralen Politiken wie Handel, Energie, Klima, Migration zu verknüpfen sind. Ziel ist effektiver Multilateralismus und die Zusammenarbeit bei globalen Themen.

 

55.               Der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, und unter ihrer Leitung dem neugeschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Catherine Ashton hat bereits angekündigt, nach den USA, Russland und China 2011 die Beziehungen zu Indien, Brasilien und Südafrika evaluieren zu wollen.

 

Transatlantische Partnerschaft (USA, Kanada)

 

56.               Unter dem Begriff „Transatlantische Partnerschaft“ wird insbesondere das gegenseitige Geflecht wirtschaftlicher Abhängigkeit und globalpolitischer Zusammenarbeit der EU mit den USA subsumiert. Gemeinsam stellen die EU und die USA 10% der Weltbevölkerung, aber 60% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Der bilaterale EU-US-Handel umfasst 40% des Welthandels. Die Herausforderungen, die sich für die transatlantische Partnerschaft – als zentrales Element des internationalen Systems – im Hinblick auf das Hervortreten neuer globaler Akteure und transnationaler Bedrohungen stellen, liegen vorrangig darin, gemeinsam Prioritäten zu definieren und gemeinsame Vorgangsweisen zu erarbeiten.

 

57.               Seit dem Amtsantritt der Regierung Obama ist eine Revitalisierung und signifikante Intensivierung des EU-US-Dialoges und der politischen Zusammenarbeit auf einer breiten Palette gemeinsamer globaler Herausforderungen erfolgt. Diese Intensivierung und weitere Institutionalisierung der Zusammenarbeit wird 2011 weitergeführt werden. Besonderes Augenmerk wird auf die wesentlichen Bereiche multilateraler Zusammenarbeit – Klimawandel, Energie und Energiesicherheit, Wirtschafts- und Finanzkrise, Krisenmanagement, Entwicklungszusammenarbeit, Nonproliferation und Abrüstung – gelegt werden. Die Hohe Vertreterin Catherine Ashton wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Bemühungen um engere Koordination und Zusammenwirken zur Bewältigung und/oder Lösung von aktuellen oder potentiellen Krisenherden und Herausforderungen fortsetzen. Auch intensives Zusammenwirken in den Bereichen Frieden, Sicherheit und Justiz insbesondere hinsichtlich Terrorismusbekämpfung und Cyber Security wird weiterverfolgt werden.

 

58.               Im Lichte der Finanz- und Wirtschaftskrise wird auch 2011 eine enge Koordination auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Vordergrund stehen. Die Europäische Kommission wird gemeinsam mit den ungarischen und polnischen Ratspräsidentschaften die Arbeit des 2007 gegründeten Transatlantischen Wirtschaftsrates (Transatlantic Economic Council, TEC) fortführen.

 

59.               Im Februar 2008 teilten die USA den EU-Mitgliedstaaten mit, dass sie ihr Visa-Waiver-Programm (VWP), das die Staatsangehörigen mancher, aber nicht aller EU-Mitgliedstaaten zur visafreien Einreise in die USA berechtigt, neu gestalten werden. Der Verbleib der einzelnen EU-Mitgliedstaaten im Programm sowie die Aufnahme neuer EU-Mitgliedstaaten wurde gemäß den Vorstellung der USA an einen verstärkten Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den USA gekoppelt („Prüm-like Abkommen“). Zielsetzung eines verstärkten Datenaustausches ist die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Verbrechens. Aus Sicht der EU und der EU-Mitgliedstaaten ist die Gewährleistung eines sachgerechten Datenschutzniveaus für die auf Basis solcher Abkommen zur Verfügung gestellten Daten wesentlich. Die bilateralen Abkommen sind somit in engem Zusammenhang mit den geplanten Verhandlungen zu einem EU-US-Rahmenabkommen zum Datenschutz zu sehen. 2011 wird auch das EU-US-Abkommen zum Austausch von Fluggastdaten (Passenger Name Record, PNR) zu verhandeln sein.

 

60.               Die problemlose und äußerst zufriedenstellende politische Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada (in den Bereichen Multilateralismus, Entwicklungspolitik, Krisenmanagement) wird weitergeführt und zusätzlich durch den Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen verstärkt werden. Die 2009 aufgenommenen Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) sollen im Laufe des Jahres 2011 zu einem Abschluss gebracht, das Abkommen anlässlich des Gipfeltreffens EU-Kanada im Herbst unterzeichnet werden. Gleichzeitig ist man auf EU-Seite bestrebt, ein erneuertes Rahmenabkommen mit Kanada, das aus EU-Sicht untrennbar mit CETA verbunden ist, zu verhandeln.

 

EU-Russland

 

61.               Russland bleibt in vielerlei Hinsicht einer der wichtigsten strategischen Partner der EU. Die Verhandlungen über ein neues Abkommen, welches das bestehende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ersetzen soll, werden auch 2011 weitergeführt. Beim EU-Russland-Gipfel am 31. Mai 2010 in Rostov wurde eine Modernisierungspartnerschaft zur umfassenden Zusammenarbeit abgeschlossen. Die Umsetzung des dazu gehörigen Arbeitsprogramms wird ein Schwerpunkt für 2011 sein. Auch die Gespräche mit Russland über die notwendigen technischen Bedingungen für eine allfällige langfristige Visaliberalisierung werden 2011 fortgesetzt werden.

 

EU-China

 

62.               Mit China laufen die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen weiter. Die EU wird auch 2011 daran arbeiten, die seit 2003 bestehende Strategische Partnerschaft zu verbessern. Folgende Themen möchte die EU in diesem Rahmen verstärkt ansprechen: Förderung des bilateralen Handels und des Marktzugangs für Waren und Dienstleistungen, verbesserte Investitionsbedingungen, Schutz der geistigen Eigentumsrechte, Öffnung der Märkte für das öffentliche Beschaffungswesen, stärkere Disziplin im Bereich der Exportsubventionen sowie Dialog über Wechselkurspolitik. Die Zusammenarbeit mit China soll auch in überregionalen Fragen (z.B. Iran, Nordkorea) und bei der Lösung globaler Herausforderungen (z.B. Klimawandel) intensiviert werden. Die EU wird weiterhin die Menschenrechtslage und den Schutz und die Rechte der Minderheiten besonders aufmerksam verfolgen.

 

EU-Indien

 

63.               An der Vertiefung der seit 2004 bestehenden Strategischen Partnerschaft mit Indien wird die EU auch 2011 weiterarbeiten. Beim EU-Indien Gipfel 2010 wurde von beiden Seiten die Wichtigkeit eines Abschlusses der Verhandlungen über ein – ehrgeiziges und ausgewogenes – Freihandelsabkommens bis zum Frühjahr 2011 bekräftigt. Gemeinsame Kooperationsfelder sind auch der Kampf gegen Terrorismus, die Zusammenarbeit im Rahmen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und die Partnerschaft in den Bereichen Forschung und Innovation. Beide Seiten wollen ihr Engagement für die Stabilisierung Afghanistans fortsetzen. Anfang 2011 soll die Diskussion zu Indien im Rat Auswärtige Angelegenheiten weitergeführt werden. Der nächste EU-Indien Gipfel ist für das 2. Halbjahr 2011 vorgesehen.

 

EU-Japan

 

64.               2011 läuft der EU-Japan-Aktionsplan aus. Beim letzten Gipfeltreffen EU-Japan im April 2010 wurde eine hochrangige Arbeitsgruppe (mit Untergruppen) eingesetzt, um einen Nachfolgeplan zu erarbeiten, der mehr Dynamik in die Beziehungen EU-Japan bringen soll. Die Arbeitsgruppe wird im Frühjahr 2011 ihre Arbeit fortsetzen. Japan setzt sich verstärkt für die Verhandlung eines Freihandelsabkommen mit der EU ein. Dafür wären aber noch zahlreiche Vorbedingungen zu erfüllen.

 

EU-Brasilien

 

65.               Brasilien ist seit 2007 ein strategischer Partner der EU. Seit 2008 besteht auch ein konkreter Aktionsplan zur Implementierung dieser strategischen Partnerschaft, die durch die signifikant gewachsene politische Relevanz Brasiliens als globaler Akteur zunehmende Bedeutung erhält. Gipfeltreffen EU-Brasilien finden jährlich statt; zuletzt am 14. Juli 2010 in Brasilia (Hauptdiskussionsthemen: Klimawandel, Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die biregionalen Wirtschaftsbeziehungen EU-MERCOSUR). Der strategische Dialog zwischen der EU und Brasilien wird auch im Jahr 2011 weitergeführt werden.

 

Naher Osten

 

66.               Nachdem der Nahost-Friedensprozess im Laufe des Vorjahres praktisch völlig zum Erliegen gekommen ist, ist die internationale Gemeinschaft, und mit ihr die Europäische Union, in besonderem Maß gefordert, die Konfliktparteien zurück an den Verhandlungstisch zu führen. Dies betrifft die israelisch-palästinensischen Verhandlungen ebenso wie die ungelösten Konflikte Israels mit Syrien und mit dem Libanon.

 

67.               Die Europäische Union verfügt mit detaillierten Aussagen der Außenminister in ihren Ratssitzungen im Dezember 2009 und 2010 über einen präzisen politischen Rahmen, der geeignet sein sollte, das Vertrauen der Konfliktparteien in die Bereitschaft der EU, aktiv zu Lösungen beizutragen, zu bestärken. Die EU ist schon jetzt der wichtigste Handelspartner Israels und der wichtigste Partner der Palästinensischen Autonomiebehörde (Palestinian Authority, PA) bei ihren Anstrengungen um den Aufbau effizienter Institutionen für den zukünftigen Staat.

 

68.               Neben einer Wiederaufnahme der israelisch-palästinensischen Verhandlungen fehlt auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung derzeit auch eine Überwindung der tiefen inner-palästinensischen Spaltung. Auch hier ist die Europäische Union aufgerufen, an der Suche nach Auswegen aus einer unhaltbaren Situation mitzuwirken, ohne die im internationalen Nahost-Quartett festgelegten Grundsätze außer Acht zu lassen.

 

69.               Ein nachhaltiger Frieden im Nahen Osten und regionale Stabilität erfordern auch Fortschritte in den Bemühungen um Friedenslösungen zwischen Israel und seinen syrischen und libanesischen Nachbarn. Die Europäische Union bemüht sich daher auch um die Wiederaufnahme der israelisch-syrischen Gespräche und sieht in der Friedensinitiative der Arabischen Liga – „Arab Peace Initiative“ – einen wichtigen Beitrag in Richtung eines friedlichen und stabilen Nahen Ostens.

 

70.               Es ist zu erwarten, dass sich 2011 dank der fortschreitenden Stabilisierung des Irak die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der EU und Irak stark weiterentwickeln werden. Im Jänner 2010 wurde eine strategische EU-Energiepartnerschaft mit dem Irak besiegelt. Mit der Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen werden sich auch die politischen Beziehungen verdichten.

 

71.               Die EU unterstützt die innenpolitische Entwicklung im Irak durch eine Reihe von Initiativen zur nationalen Aussöhnung und durch die Prozesse der Verfassungsrevision, sowie der Kapazitätsbildung im Bereich des irakischen Parlaments.

 

72.               Aufgrund der humanitären Krise im Irak stellte die Europäische Kommission für Flüchtlingshilfe in und außerhalb des Irak seit 2003 bis einschließlich 2010 rund € 188 Millionen zur Verfügung. Einen weiteren Schwerpunkt bildet auch die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, unter anderem durch die Fortführung der integrierten Rechtsstaatlichkeitsmission EUJUST LEX. Im Jahr 2011 werden die Aktivitäten der Mission weitgehend in den Irak selbst verlegt werden.

 

73.               Die EU-Menschenrechtsagenda hat sich aufgrund der besorgniserregenden Entwicklungen der letzten Jahre zu einer Priorität entwickelt. Am 11. November 2010 wurde in Bagdad eine EU-Demarche gegen die Verhängung der Todesstrafe gegen den früheren Außenminister Tariq Aziz und vier Repräsentanten des früheren Regimes durchgeführt, in welcher die prinzipielle Ablehnung der Todesstrafe betont wurde. (Seit 2005 sind im Irak 1220 Personen zum Tode verurteilt und 230 exekutiert worden.) Religiöse Minderheiten im Irak leiden unter Diskriminierungen, und Gewaltakten. Die jüngsten Anschläge auf Christen im Irak vom 30. Oktober 2010 wurden, auf Initiative Österreichs und Italiens, zum Anlass genommen, dass die EU auch das Thema Religionsfreiheit in Zukunft prioritär behandelt.

 

Iran

 

74.               Seit sieben Jahren verfolgt die internationale Staatengemeinschaft die Entwicklungen um das iranische Nuklearprogramm mit anhaltender Sorge. Die Zweifel am ausschließlich zivilen und friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms konnten bisher nicht beseitigt werden. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) hat zuletzt am 23. November 2010 festgestellt, dass der Iran in Verletzung der Resolutionen der IAEO sowie des VN-Sicherheitsrates seine Aktivitäten im Bereich der Urananreicherung fortgeführt und den Bau des Schwerwasserreaktors in Arak und der bis 2009 geheim gehaltenen Urananreicherungsanlage in Fordow bei Qom fortgesetzt hat.

 

75.               Es ist zu erwarten, dass auch im Jahr 2011 die Bemühungen um eine diplomatische Lösung dieses Themas intensiv fortgeführt werden. Vorgangsweise der EU hierfür ist sowohl. das Führen diplomatischer Verhandlungen mit dem Iran als auch eine Sanktionsverschärfung bei Nichtkooperation. Daneben ist die EU auch regionalen Lösungsansätzen gegenüber offen, sofern diese zur Vertrauensbildung beitragen können und konkrete, nachvollziehbare Schritte beinhalten.

 

76.               Am 6. und 7. Dezember 2010 fanden nach 14-monatiger Unterbrechung in Genf Gespräche zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des VN-Sicherheitsrates plus Deutschland und der Hohen Vertreterin der EU mit dem Iran im sogenannten E3+3-Format statt. Die Gespräche blieben ohne konkrete Ergebnisse, die nächste Verhandlungsrunde ist für Ende Jänner 2011 in Istanbul geplant. Am 18. Dezember 2010 wurde überraschend Ali Akbar Salehi, ehemaliger Ständiger Vertreter Irans bei der IAEO und Direktor der iranischen Atomenergiebehörde zum neuen iranischen Außenminister ernannt.

 

77.               Durch Verordnung EU Nr. 961/2010 vom 25. Oktober 2010 und den Beschluss des Rates (2010/413/GASP) vom 26. Juli 2010 setzte die EU Sicherheitsratsresolution 1929 um und nahm weitergehende autonome Maßnahmen an. Diese Maßnahmen umfassen den Großteil der iranischen Banken, die Einrichtung eines Genehmigungs- bzw. Notifizierungsverfahrens sämtlicher Geldtransfers, das Verbot der Eröffnung neuer Zweigstellen und Vertretungen iranischer Banken in EU Mitgliedstaaten sowie ein Verbot der mittel- und langfristigen Finanzierung des Handels. Zusätzlich beschloss die EU auch Maßnahmen zur Sperre von EU-Flughäfen für Cargo-Flüge iranischer Fluggesellschaften mit Ausnahme gemischter Passagier/Cargoflüge, das Verbot von Investitionen bzw. des Verkaufs, Transfers oder Exports von Ausrüstung und Material in Schlüsseltechnologien der iranischen Öl- und Gasindustrien sowie das Verbot des Kaufs und Verkaufs von iranischen Anleihen und (Rück)Versicherungen.

 

78.               Seit den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 2009 haben sich die gravierenden Menschenrechtsprobleme im Iran verschärft: Hinrichtungen jugendlicher Straftäter, Verfolgung und Verhaftung von Menschenrechtsaktivisten/innen und in jüngster Zeit vor allem von Frauenrechtsaktivisten/innen und Anwälten/innen, Verfolgung von Minderheiten, insbesondere der Baha’i, Kurden und Sufis, sowie immanent drohende weitere Hinrichtungen und Todesurteile.

 

Afghanistan

 

79.               Afghanistan wird weiterhin ein wichtiges Element der Außenpolitik der EU darstellen. Zentral wird die progressive Übernahme der Verantwortung durch die afghanische Regierung sein. Die Umsetzung der Ergebnisse der Londoner Afghanistan-Konferenz vom 28. Jänner 2010 und der Kabuler Afghanistan-Konferenz vom 20. Juli 2010 werden im Vordergrund stehen.

 

Pakistan

 

80.               Die EU wird die Entwicklungen in Pakistan weiterhin genau verfolgen und das Land verstärkt unterstützen. Die prekäre innenpolitische Lage und die Bedeutung Pakistans für die Verbesserung der Situation in Afghanistan sind Grund genug, die Bemühungen der EU und den Dialog mit Pakistan - auf Basis des beim vorangegangenen Gipfel vereinbarten 5-Jahres Aktionsplanes - weiterzuführen.

 


Zentralasien

 

81.               Im Juni 2010 unterbreiteten der Rat und die Europäische Kommission dem Europäischen Rat den zweiten Fortschrittsbericht zur Umsetzung der im Juni 2007 angenommenen EU-Zentralasien-Strategie. Der Fortschrittsbericht kommt zu dem Schluss, dass sich die Beziehungen der EU zu Zentralasien positiv entwickelt hätten, aber auch in Hinkunft weiterhin gestärkt werden sollten.

 

82.               Bei der Umsetzung der EU-Zentralasien-Strategie in ihren sieben Hauptbereichen (Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Demokratisierung; Erziehung; wirtschaftliche Entwicklung, Handel und Investitionen; Energie und Verkehr; Umwelt und Wasserfragen; gemeinsame Bedrohungen und Herausforderungen; interkultureller Dialog) ist es wichtig, dass Synergien mit bereits bestehenden Strukturen und Prozessen genutzt werden (OSZE, Internationale Finanzinstitutionen).

 

Asien und Ozeanien

 

83.               Mit Südkorea konnten 2010 ein Rahmenabkommen und ein Freihandelsabkommen unterzeichnet werde. Diese sollen 2011 die ersten Früchte tragen.

 

84.               In Bezug auf die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) wird die EU aktiv engagiert bleiben und sich für Verhandlungen einsetzen, um zur Erzielung von Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel beizutragen. Die DVRK soll weiterhin zur Aufgabe ihres Atomwaffenprogramms bzw. zur Zulassung von Beobachtern der IAEO bewegt werden. Das Druckmittel von Sanktionen muss von der internationalen Gemeinschaft strikt eingehalten werden.

 

85.               Mit der Mongolei möchte die EU engere Beziehungen knüpfen. Die Verhandlungen zu einem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen laufen gut und werden 2011 fortgesetzt.

 

86.               Im November 2010 fanden in Birma/Myanmar Wahlen statt. Wenngleich die Wahlen nicht frei und fair waren, so ist die Tatsache, dass sie überhaupt stattgefunden haben, sowie die Freilassung der Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi ein gewisses Zeichen der Hoffnung. Für die EU ist das Schicksal der über 2.000 politischen Gefangenen nach wie vor ein zentrales Anliegen. Die EU wird weiterhin die Bemühungen der Vereinten Nationen unterstützen. Mit Piero Fassino hat die EU einen eigenen Sondergesandten. Der gegenwärtige Gemeinsame Standpunkt mit Sanktionsmaßnahmen läuft mit 30. April 2011 aus. Eine Diskussion über die Verlängerung – mit oder ohne Änderungen – steht bevor.

 

87.               Mit Australien hat die EU erst im Oktober 2008 ein Partnerschaftsabkommen abgeschlossen, das eine gute Basis für die Zusammenarbeit bildet. Australien hat sich jedoch Ende 2010 an die EU gewandt, um ein weitergehendes Rahmenabkommen zu verhandeln. Die EU wird sich in den nächsten Monaten mit diesem neuen Vorschlag befassen und dabei insbesondere auch die Handelsaspekte prüfen.

 

88.               Die EU wird weiterhin aktiv am ASEM-Prozess teilnehmen. 2010 fand eine bedeutende Erweiterung des ASEM (Asia Europe Meeting) um drei Länder – Russland, Australien und Neuseeland – statt. Auch 2011 werden künftige Erweiterungen ein Thema sein. Im Juni findet in Ungarn das nächste hochrangige ASEM-Treffen statt, nämlich jenes der Außenminister.

 

89.               Die EU wird die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit im Verhältnis zu ASEAN weiterhin fördern. Im Vordergrund wird dabei die Implementierung des EU-ASEAN Aktionsplans und der Beitritt der EU zum Treaty of Amity and Cooperation (TAC) stehen. In der 1. Jahreshälfte 2011 ist ein EU-ASEAN Treffen auf Hoher Beamtenebene, für den 14. Juli 2011 eine Ministerkonferenz mit der EU im Anschluss an das ASEAN Ministertreffen in Indonesien geplant.

 

Lateinamerika und Karibik

 

90.               Lateinamerika und die Karibik (LAK) wird als wichtige und der EU nahe stehende Partnerregion eingestuft. Der seit mehr als zehn Jahren institutionalisierte EU-LAK-Prozess ist ein wichtiger Motor der biregionalen Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika. Die EU als einer der größten ausländischen Investoren in der Region hält am Konzept des (sub-)regionalen Ansatzes auf der Basis von Assoziierungs- oder Wirtschaftspartnerschaftsabkommen fest, um damit die regionale Integration der LAK-Partner zu fördern und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Handelsbeziehungen und Investitionen zu verbessern. Zentrale politische Anliegen sieht die Union in der Erbringung eines Beitrags zur Stärkung der Stabilität, des Wohlstands und der sozialen Kohäsion in Lateinamerika und der Karibik sowie in der Schaffung eines gemeinsamen Raums der höheren Bildung und im Kampf gegen Drogen. Zur Förderung dieser Zielsetzungen wird 2011 weiter am EU-LAK-Prozess gearbeitet, in dessen Rahmen alle zwei Jahre ein Gipfeltreffen stattfindet.

 

91.               Die EU unterhält ein dichtes Netz an vertraglichen Beziehungen zum LAK-Raum: Assoziierungsabkommen mit Mexiko (2000) und Chile (2002) sowie Strategische Partnerschaften und Aktionsplan mit Brasilien (2007) und Mexiko (2008). Beim VI. Gipfeltreffen der EU-LAK am 17./18. Mai 2010 in Madrid konnten die Verhandlungen für ein Assoziierungsabkommens der EU mit Zentralamerika sowie für ein Mehrparteienabkommen der EU mit Peru und Kolumbien zum Abschluss gebracht werden. Weitere wichtige Ergebnisse dieses Gipfeltreffens, das unter dem Thema „Innovation und Technologie für nachhaltige Entwicklung und soziale Inklusion“ stattfand, waren die Gründung einer EU-LAK-Stiftung, die Wiederaufnahme der EU-MERCOSUR-Verhandlungen sowie die Errichtung von LAIF (Latin American Investment Facility). Österreich als einer der früheren EU-LAK-Gipfelgastgeber (2006) unterstützt eine erfolgreiche Fortsetzung des EU-LAK-Prozesses. Der nächste EU-LAK-Gipfel ist für 2012 in Chile geplant.

 

92.               Das erste Halbjahr 2011 wird weiterhin von jenen Themen geprägt bleiben, die anlässlich des EU-LAK Gipfels in Madrid initiiert wurden. Dies sind v.a. die Verhandlungen über ein EU-MERCOSUR-Assoziationsabkommen sowie die nächsten Schritte auf dem Weg zur Unterzeichnung des EU-Zentralamerika-Abkommens. Weitere wichtige Themen werden die Vorbereitung des Außenministertreffens EU-Rio-Gruppe (im zweiten Semester 2011) sowie die Erarbeitung einer EU-Karibik-Strategie mit den Karibikstaaten sein. Auf der Tagesordnung steht ferner die Überprüfung der Umsetzung des beim EU-LAK-Gipfel 2010 beschlossenen Aktionsplans für die EU-LAK-Beziehungen.

 


Afrika

 

93.               Mit der Verabschiedung einer neuen Gemeinsamen Strategie Afrika-EU in Lissabon 2007 wurde eine langfristige Partnerschaft begründet, die eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auf allen Ebenen zwischen der EU und Afrika anstrebt.

 

94.               Die Gemeinsame Strategie baut auf folgenden Pfeilern auf: Friede und Sicherheit, Regierungsführung und Menschenrechte, Handel und regionale Integration sowie Schlüsselfragen nachhaltiger Entwicklung wie u.a. Umweltschutz und Klimawandel, Migration, Landwirtschaft, Infrastruktur, Wasser, Energie und Gleichberechtigung der Geschlechter. Zur Umsetzung dieser Ziele waren im ersten Aktionsplan 2008-2010 acht „Partnerschaften“ mit konkreten Maßnahmen vorgesehen. Auf dem Dritten Gipfeltreffen Afrika-EU 2010 in Tripolis wurden eine Bewertung der Fortschritte sowie eine Straffung der Zielvorgaben vorgenommen und im Zweiten Aktionsplan 2011-2013 festgelegt.

 

95.               Im Bereich Energie erfolgt die Zusammenarbeit im Rahmen der Afrika-EU-Energie-Partnerschaft (AEEP). Aufbauend auf der ersten hochrangigen Ministerkonferenz im September 2010 in Wien und dem Dritten Gipfeltreffen Afrika-EU werden die gemeinsamen Ziele und Maßnahmen im erneuerbaren Energiebereich für weitere 100 Millionen Afrikaner bis 2020 vorangetrieben.

 

96.               In Hinblick auf die Millennium-Entwicklungsziele werden die Europäische Kommission, die EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Investitionsbank ihre Bemühungen um effizientere Leistung der Entwicklungshilfe weiter intensivieren.

 

97.               Die EU wird 2011 ihre Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union (AU) und den afrikanischen Regionalorganisationen weiter verstärken.

 

98.               Die EU wird die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD) weiter unterstützen und die Integration der afrikanischen Partnerstaaten in die Weltwirtschaft fördern. Die Verhandlungen über umfassende Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den afrikanischen Staaten sollen 2011 weitergeführt werden.

 

99.               Im Bereich der Konfliktprävention unterstützt die EU weiterhin die AU und die afrikanischen Regionalorganisationen bei der Entwicklung der „African Peace and Security Architecture“ (APSA). Österreich ist in diesem Zusammenhang der Schutz von Zivilisten in Konfliktsituationen ein besonderes Anliegen.

 

100.            Nach dem Referendum vom Jänner 2011 im Sudan wird sich die EU weiterhin im Nordsudan engagieren. Im Falle der Unabhängigkeit wird die EU den Südsudan beim Aufbau staatlicher Strukturen unterstützen.

 

101.            Offen bleibt weiterhin die Frage der Lösung des Streits über die Anerkennung des Ausgangs der Präsidentschaftswahlen in Côte d’Ivoire. Fraglich bleibt, ob der internationale Druck (Sanktionen) den Verlierer der Wahl, den bisherigen Präsidenten Laurent Gbagbo, dazu bewegen wird, sein Präsidentschaftsamt an den von der Internationalen Gemeinschaft als rechtmäßig anerkannten Gewinner Alassane Ouattara zu übergeben.

 

Entwicklungszusammenarbeit

 

102.            Die ungarische EU-Präsidentschaft wird sich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit im ersten Halbjahr 2011 auf folgende Schwerpunktthemen konzentrieren:

 

(1)        Vorbereitung einer gemeinsamen EU Position für folgende hochrangige internationale Konferenzen: die IV. Konferenz über die am wenigsten entwickelten Länder am 9.-13.5.2011 in Istanbul und die Konferenz über die Wirksamkeit der Hilfe (Follow-up der Paris Deklaration und der Accra Agenda for Action) am 29.11.-1.12.2011 in Busan.

(2)        Weiterführung der Diskussion über die künftige strategische Ausrichtung der EU Entwicklungspolitik (Grünbuch).

(3)        Budgethilfe (Grünbuch).

(4)        Gestaltung der EU-Außeninstrumente in der neuen Budgetperiode ab 2014.

(5)        Wasser.

 

103.            Inhaltlich wird man sich im kommenden Jahr auf die künftige strategische Ausrichtung der EU-Entwicklungspolitik konzentrieren. Das von der Europäischen Kommission im November 2010 vorgelegte Grünbuch „EU-Entwicklungspolitik zur Förderung eines breitenwirksamen Wachstums und einer nachhaltigen Entwicklung“ bildet die Grundlage für eine breit angelegte Diskussion, sowohl auf EU-Ebene als auch in Österreich. Aufbauend auf diesem Konsultationsprozess wird die Europäische Kommission im Herbst 2011 eine Mitteilung über die Ausrichtung der EU-Entwicklungspolitik ab 2014 (neue Programmierungs- und Budgetperiode) vorlegen. Ebenfalls auf Basis eines Grünbuchs soll eine gemeinsame EU-Position zum Thema Budgethilfe erarbeitet werden.

 

104.            Von der ungarischen Präsidentschaft wird Wasser als „neuer“ Schwerpunkt in die Diskussion eingebracht werden. Weitere Themen, die unter ungarischer Präsidentschaft behandelt werden sollen: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs), Halbzeitevaluierung der EU Außeninstrumente (European Development Fund, EDF und Development Co-operation Instrument, DCI), Arbeitsteilung, innovative Finanzierungsmechanismen, externes Mandat der Europäischen Investitionsbank, regionale Schwerpunkte (ev. Sudan, Horn von Afrika).

 

105.            Die polnische EU Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2011 wird sich neben der Weiterführung der Diskussion über die künftige Ausrichtung der EU-Entwicklungspolitik und der Finalisierung der EU-Position für Busan auf zwei Schwerpunkte, die Östliche Dimension und Zentralasien, konzentrieren.

 

Menschenrechte

 

106.            Die Europäische Union strebt auch 2011 die umfassende Einbindung der Menschenrechte als Querschnittsmaterie in alle Arbeitsbereiche an. Der systematische Austausch zu Menschenrechtsthemen in geographischen und thematischen Ratsarbeitsgruppen soll ebenso fortgesetzt werden wie die Umsetzung von Maßnahmen zur Berücksichtigung und Förderung des Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik GSVP (Schwerpunkte: Demokratieförderung; aktive Einbindung von Frauen in Postkonfliktsituationen, Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, Förderung von Kinderrechten). Die Umsetzung von Sicherheitsratsresolution 1894 (2009) zum Schutz von Zivilisten in bewaffnetet Konflikten wurde von Österreich auch im EU-Rahmen fortgesetzt. Auf Initiative Österreichs wurden im November 2010 Leitlinien durch den Rat Auswärtige Angelegenheiten angenommen, wie der Schutz von Zivilisten besser in GSVP-Missionen integriert werden kann.

 

107.            Die Verbesserung der Effizienz und Kohärenz der EU-Menschenrechtsdialoge mit Drittstaaten bildet auch 2011 einen Schwerpunkt der Menschenrechtsaußenpolitik der EU. Die Fortsetzung und Stärkung des EU-China-Menschenrechtsdialogs stellt eine der Prioritäten für 2011 dar. Hauptthemen dabei werden u.a. die Frage der Meinungsfreiheit, der Todesstrafe sowie das Ansprechen von Einzelfällen sein. 2011 wird auch eine Überprüfung der Konsultationen mit Russland stattfinden. Ein wichtiges Anliegen der EU für zukünftige Konsultationen ist die enge Einbindung der russischen Zivilgesellschaft. Die 2008 geschaffenen Dialoge mit der Afrikanischen Union und den zentralasiatischen Staaten sollen, ebenso wie die 2009 mit allen Staaten im Südkaukasus und mit fünf lateinamerikanischen Staaten aufgenommenen Menschenrechtsdialoge, ergebnisorientiert fortgesetzt werden. Die Zukunft des EU-Iran-Menschenrechtsdialogs hängt vom Willen des Iran zur Verbesserung der Menschenrechtssituation ab.

 

108.            Inhaltliche Schwerpunkte der EU-Menschenrechtsaußenpolitik ergeben sich aus den sechs Leitlinien des Rates zur Abschaffung der Todesstrafe und der Folter, zu Kinderrechten, zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sowie zu Menschenrechtsverteidigern/innen. Zur Umsetzung der Leitlinien wird sich Österreich weiter aktiv im Rahmen von eigens dafür eingerichteten Task Forces, unter anderem zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zur Umsetzung von VN-Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit, einsetzen. Auf Initiative Österreichs und Italien wird auch der Entwicklung und Umsetzung einer effektiven Strategie zu Religionsfreiheit und Schutz religiöser Minderheiten besonderes Augenmerk beigemessen werden.

 

109.            Die EU wird sich weiterhin für einen glaubwürdigen VN-Menschenrechtsrat einsetzen, der rasch und effektiv auf Menschenrechtssituationen und -fragen weltweit reagiert. Eine Priorität der EU im Jahr 2011 wird die aktive Einbringung von Vorschlägen in Vorbereitungsarbeiten für die erste Überprüfung des Funktionierens des VN-Menschenrechtsrates sein, um eine Stärkung der Institution zu erreichen und so auch die Unabhängigkeit der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte sowie der VN-Sonderberichterstatter weiterhin zu garantieren. Ein wichtiges Anliegen der EU im Reformprozess wird die Frage des besseren Umgangs mit konkreten Ländersituationen durch den Menschenrechtsrat sein. Darüber hinaus wird sich die EU weiterhin aktiv um eine objektive, umfassende Menschenrechtsprüfung im Rahmen des „Universal Periodic Review“ bemühen.

 

Dialog der Religionen und Kulturen

 

110.            Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich der zunehmenden zivilisatorischen Vielfalt Europas seit Jahren angenommen. Globalisierung und Migration, Erweiterung der EU und internationale Entwicklungen haben zu einer größeren Dynamik von Sprachen und Glaubensbekenntnissen, ethnischen und kulturellen Identitäten geführt.

 

111.            Der Dialog der Kulturen und Religionen gewinnt daher eine immer stärkere Bedeutung für die Förderung der europäischen Identität und Bürgerschaft. Ein ebenso wichtiges Instrument ist der Dialog der Kulturen und Religionen auch in der internationalen Politik: hier kann er einen wesentlichen Beitrag zur Konfliktlösung, Versöhnung und zum nachhaltigen Frieden leisten.

 

112.            Für die EU, ebenso wie für Österreich, bleiben Multikulturalität, Pluralismus und Dialog auch im Jahre 2011 zentrale Schwerpunkte. Österreich wird seine Schwerpunkte auf die Unterstützung von jungen Führungskräften und Multiplikatoren im Bereich des Dialogs der Kulturen und Religionen, auf die Förderung von Pluralismus und Grundfreiheiten, einschließlich der Religionsfreiheit, auf die erfolgreiche Integration und Partizipation von Migranten sowie die Förderung der Einbindung und des Beitrags von Frauen im Dialog und auf den Bereich Medien legen.

 

Schutz religiöser Minderheiten

 

113.            Religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, sind zunehmend Opfer von Intoleranz und Gewalt. Zahlreiche Gläubige wurden 2010 Opfer von schweren Anschlägen im Irak und Ägypten, die einhellig verurteilt worden sind. Auf Grund einer von Österreich gemeinsam mit Italien Ende 2010 gesetzten Initiative wird sich der Rat Auswärtige Angelegenheiten mit der weltweiten Situation der religiösen Minderheiten befassen. Es sollen die Grundlagen einer gemeinsamen europäischen Initiative für die Umsetzung und weitere Entwicklung einer effektiven EU-Strategie zu Religionsfreiheit und Schutz religiöser Minderheiten ausgearbeitet werden.

 

Zusammenarbeit EU-Vereinte Nationen

 

114.            Die Mitgliedstaaten der EU sind heute nicht nur die bei weitem größten Beitragszahler zum VN-Haushalt, sondern spielen auch eine wichtige Rolle in der inhaltlichen Arbeit der Vereinten Nationen. In den Bereichen Menschenrechte, Abrüstung und Nonproliferation, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sowie in der Fortführung von Reformthemen (etwa Überprüfung des Menschenrechtsrates) bzw. der Umsetzung von bereits beschlossenen VN-Reformen (z.B. Empfehlungen im Rahmen der Überprüfung der Peacebuilding Commission, systemweite Kohärenz) sind EU-Mitgliedstaaten unerlässliche Unterstützer der Arbeit der Vereinten Nationen.

 

115.            Die EU ist ein wichtiger Partner der Vereinten Nationen in der Konfliktprävention, Mediation, Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung. Die gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Krisenmanagement, deren Umsetzung kontinuierlich vorangetrieben wird, sieht eine enge Abstimmung zwischen EU und VN in diesen Bereichen vor. Mit der Entsendung von militärischem, polizeilichem und zivilem Personal (einschließlich der EU-Sonderbeauftragten) in Konfliktgebiete sowie mit Aktivitäten im Trainingsbereich leistet die EU konkrete Beiträge zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Darüber hinaus unterstützt die EU vollinhaltlich die vom VN-Sekretariat eingeleitete „New-Horizon“ Initiative zur Reform der Friedenserhaltenden Operationen der VN.

 

116.            Insbesondere zeigen Erfahrungen bei der Durchführung von GSVP- und VN-Missionen in derselben Region (z.B. EUSEC und EUPOL RD Congo / MONUC / MONUSCO, EUFOR Tchad/RCA / MINURCAT oder UNMIK / EULEX Kosovo), dass eine effiziente und gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen EU und VN von großer Bedeutung im Hinblick auf eine erfolgreiche Umsetzung der Mandate des VN-Sicherheitsrats ist bzw. dass die EU eine wichtige Aufgabe beim Aufbau und bei der Unterstützung von VN-Operationen spielen kann. Österreich beteiligt sich regelmäßig an solchen Operationen und trägt damit zur Weiterentwicklung des VN-EU-Krisenmanagements bei. Des Weiteren kommt der EU eine bedeutende Rolle in der Umsetzung von thematischen Resolutionen des VN-Sicherheitsrats, etwa zum Schutz der Zivilbevölkerung, insbesondere von Frauen und Kindern, in bewaffneten Konflikten zu.

 

117.            Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon soll die EU mittelfristig kohärenter auftreten und dadurch im VN-Rahmen an Bedeutung gewinnen. Durch die geänderte Außenvertretung ist nunmehr die EU-Delegation (anstelle der bisher zuständigen rotierenden Ratspräsidentschaft) für die Vertretung der EU in den VN zuständig. Um den Status der EU bei der VN-Generalversammlung (GV) zu klären und eine Beibehaltung der bisherigen Modalitäten sicherzustellen, ist die EU weiterhin um Annahme einer GV-Resolution zur Teilnahme der EU an den Arbeiten der GV bemüht, in welcher den Vertretern der EU (i.e. der EU-Delegation) gewisse prozedurale Rechte, u.a. Rederecht, Recht zu antworten und Dokumente zu verteilen, eingeräumt werden.

 

Abrüstung und Non-Proliferation

 

118.            Im Bereich der Non-Proliferation setzt die EU ihre Bemühungen auf Basis der 2003 vom Europäischen Rat beschlossenen Strategie gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen fort.

 

119.            Die EU gestaltete die NPT-(Non Proliferation Treaty)-Überprüfungskonferenz 2010 aktiv mit. Eine Follow-up-Maßnahme ist die Entscheidung des Rates, 2011 in Brüssel ein EU-Seminar zur Errichtung einer kernwaffenfreien Zone im Mittleren Osten abzuhalten. Dieses Seminar wird vom Europäischen Think Tank Consortium organisiert und soll einen konkreten Beitrag zur NPT-Konferenz 2012 zum Mittleren Osten bieten, für die Österreich den VN offiziell Konferenzunterstützung (Konferenzräumlichkeiten, Fazilitator-Büro) angeboten hat.

 

120.            Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), die vorbereitende Kommission für den Atomteststoppvertrag CTBTO, der Hager Kodex gegen die Verbreitung ballistischer Trägersysteme (HCOC) sowie die Umsetzung der VN-Sicherheitsratsresolution 1540 werden von der EU weiterhin durch neue gemeinsame Aktionen unterstützt werden.

 

121.            Die Reaktivierung der seit knapp dreißig Jahren existierenden VN-Abrüstungskonferenz (CD) hat für die EU Priorität. Primäres Ziel der EU ist der baldige Verhandlungsbeginn für einen Vertrag über ein Verbot der Produktion spaltbaren Materials für Kernwaffenzwecke (FMCT).

 

122.            Im Bereich der biologischen Waffen fordert die EU Verhandlungen über den Aufbau eines effektiven, rechtlich verbindlichen Verifikationsmechanismus und unterstreicht die Notwendigkeit von nationalen und international koordinierten Exportkontrollen. Die EU setzt Gemeinsame Aktionen zur Biologie- und Toxinwaffenkonvention (BTWK) und zur Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation in den Bereichen der biologischen Laborsicherheit um. Außerdem wird die BTWK-Überprüfungskonferenz 2011 vorbereitet.

 

123.            Die EU legt besonderes Augenmerk auf das Verifikationsregime der Chemiewaffenkonvention (CWC), eine neue Entscheidung des Rates zur Unterstützung der Organisation zum Verbot von chemischen Waffen (OPCW) wird ausgearbeitet. Besonderes Augenmerk erfordert die Tatsache, dass die zwei größten C-Waffenbesitzerstaaten Russland und USA 2010 offiziell erklärt haben, das laut CWC einmalig erstreckte Enddatum 29.4.2012 für die vollständige Vernichtung ihrer C-Waffenbestände nicht einhalten zu können.

 

124.            Im Bereich der Antipersonen-Minen wird die EU die Gemeinsame Aktion zur Unterstützung der Ottawa-Konvention umsetzen und die Implementierung des Artikels 4 der Konvention zur Zerstörung von Lagerbeständen verfolgen. Außerdem wird die 11. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention Ende November 2011 in Kambodscha vorbereitet.

 

125.            Die EU unterstützt die Konventionalwaffenkonvention (KWK) als essentiellen Teil des humanitären Völkerrechts und setzt die zweite Gemeinsame Aktion zur Unterstützung der KWK um. Thematisch werden die Treffen der Regierungsexperten der KWK zu Streumunition sowie Protokoll II und V vorbereitet und die Universalisierung des Protokolls V zu explosiven Kampfmittelrückständen vorangetrieben. Die EU fordert die Kompatibilität der KWK-Verhandlungen mit dem Oslo-Übereinkommen über Streumunition.

 

126.            Die Umsetzung der EU Strategie zu Klein- und Leichtwaffen wird auch 2011 fortgesetzt werden. Wichtige Teilbereiche sind die Entscheidung des Rates zur Zerstörung von Klein- und Leichtwaffen in der Ukraine, die Einfügung von Klein- und Leichtwaffen-Elementen in Drittstaatenübereinkommen und eine EU-Initiative zur Verhinderung von Klein- und Leichtwaffen-Handel über Luftwege.

 

127.            Die EU wird auch 2011 die Bemühungen für einen Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) mit Drittstaatskontakten und Öffentlichkeitsarbeit nachdrücklich unterstützen. Bis zur Staatenkonferenz 2012 soll eine Einigung erzielt werden.

 

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

 

128.            Auch 2011 wird im Bereich GSVP den Anforderungen, die sich aus dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ergeben, besondere Beachtung zu schenken sein. Konkreter Arbeitsbedarf in Umsetzung GSVP-relevanter Bestimmungen des Vertrages von Lissabon könnte sich 2011 in folgenden Punkten ergeben:

 

-               Novellierung der Gemeinsamen Aktion aus dem Jahr 2004 über die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) durch einen Ratsbeschluss.

-               Frage der Schaffung einer „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ) im Sinne von Artikel 42 Absatz 6 EUV.

-               Schaffung eines „Anschubfonds“ zur Finanzierung von Vorbereitungsaktivitäten u.a. auch für GSVP-Militäroperationen (Artikel 41 Absatz 3 EUV).

-               Verabschiedung eines Ratsbeschlusses über die Einzelheiten der Anwendung der „Solidaritätsklausel“ des Artikel 222 VAEU, der die gegenseitige Unterstützung im Fall von Terrorangriffen bzw. Natur- oder vom Menschen verursachter Katastrophen regelt.

 

129.            Im Laufe des Jahres 2011 wird über die Fortführung bzw. Beendigung folgender GSVP-Operationen zu entscheiden sein:

 

-               Grenzüberwachungsmission EUBAM Rafah in den Palästinensergebieten (Ende des aktuellen Mandats am 24.5.2011).

-               Polizeireformmission EUPOL RD Congo (Ende des aktuellen Mandats am 30.9.2011).

-               EU-Beobachtermission EUMM Georgia in Georgien (Ende des aktuellen Mandats am 14.9.2011).

-               Polizeireform-Mission EUPOL COPPS in den Palästinensergebieten (Ende des aktuellen Mandats am 31.12.2011).

-               Militärmission EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina (Ende des aktuellen Mandates 17.11.2011).

-               Polizeimission EUPM in Bosnien und Herzegowina (Ende des aktuellen Mandates am 31.12.2011).

-               Polizeimission EUPOL RD Congo (Ende des aktuellen Mandates am 31.12.2011).

-               Trainingsmission EUTM Somalia (Ende des aktuellen Mandates am 7.4.2011).

 

130.            Im ersten Halbjahr 2011 beteiligt sich Österreich erstmals an einer EU Battlegroup. Neben Österreich sind auch Einheiten aus den Niederlanden, Deutschland, Finnland und Litauen beteiligt. Bei den EU Battlegroups handelt es sich um Gruppierungen aus ca. 1.500 Soldaten, vorwiegend Infanterie mit Unterstützungselementen. Ihr wesentliches Merkmal liegt im hohen Grad der Einsatzbereitschaft: Erste Teile eines Einsatzverbands sollen fünf Tage nach einem entsprechenden Ratsbeschluss in den Einsatzraum verlegt werden können. Alle EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark und Malta beteiligen sich an diesen Einsatzverbänden. Seit Anfang 2007 sind jederzeit zwei solcher Verbände in Bereitschaft. Die in Bereitschaft stehenden Verbände lösen einander in einem halbjährlichen Rhythmus ab.

 

131.            In Zusammenhang mit der GSVP-Militäroperation zur Stabilisierung von Bosnien und Herzegowina, EUFOR Althea, wird 2011 im Lichte der weiteren innenpolitischen Entwicklung des Landes zu überprüfen sein, ob bzw. wie lange und in welcher Stärke die Aufrechterhaltung einer EU-Militärpräsenz mit exekutivem Mandat noch erforderlich ist. Weiters werden die Vorbereitungen dafür weiterzuführen sein, die Operation im Falle eines Beschlusses über die Aufgabe ihrer exekutiven Funktionen unter deutlicher Reduzierung ihrer Personalstärke neu auszurichten, nämlich auf die Unterstützung der Modernisierung der bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte durch Beratungs- und Ausbildungstätigkeiten.

 

132.            Ausgehend von den Erfahrungen auf dem Gebiet der zivilen und militärischen Krisenmanagementkapazitäten („Civilian Headline Goal 2010“, „Military Headline Goal 2010“) besteht auch weiterhin die Notwendigkeit, den Prozess der Fähigkeitsentwicklung sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich fortzusetzen. Der Kapazitätenplanungsprozess sollte in Zukunft jedoch eine stärkere Koordinierung der zivilen und militärischen Kapazitätenplanung mit sich bringen und einen umfassenden Ansatz bei der Fähigkeitsentwicklung verfolgen.