EU-JAHRESVORSCHAU 2019

 

 

BUNDESMINISTERIUM
FINANZEN

 

FEBRUAR 2019


 

Inhalt

LEGISLATIV- UND ARBEITSPROGRAMM DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION   3

ARBEITSPROGRAMM DES ECOFIN RATES   5

1. Überblick  5

2. Förderung von Wachstum und Beschäftigung   7

3. Verbesserung der makroökonomischen Stabilität  10

4. Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion   12

5. Errichtung der Banken- und Kapitalmarktunion   15

5.1. Bankenunion   15

5.2 Kapitalmarktunion   17

6. Vertiefung der Zusammenarbeit in Steuerfragen   20

6.1. Besteuerung der digitalen Wirtschaft  20

6.2. Einführung einer gemeinsamen Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage  21

6.3. Reform des Mehrwertsteuersystems  23

6.4. Sonstige Steuerthemen   24

7. Zukunft der EU-Finanzen   26

8. Tagungen des ECOFIN-Rates 2019   28

 


 

LEGISLATIV- UND ARBEITSPROGRAMM DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION

Das Jahr 2019 wird auf europäischer Ebene besonders im Lichte der Wahlen zum Europäischen Parlament, welche im Mai stattfinden, stehen. Vor diesem Hintergrund will sich die EK gemäß ihrem Arbeitsprogramm vor allem darauf konzentrieren, dass die bereits vorliegenden Vorschläge abgeschlossen werden. Darüber hinaus hat sie auch eine begrenzte Anzahl neuer Initiativen vorgelegt, die zusammen mit jenen, die bereits anlässlich der Rede des EK-Präsidenten zur Lage der Union im September 2018 präsentiert wurden, wesentlich für die Umsetzung der Prioritäten im Zeitraum 2014-2019 sind. Schließlich wird mit dem Arbeitsprogramm der Fahrplan zur Vorbereitung des Gipfels von Sibiu/ Rumänien am 9. Mai 2019 umgesetzt. Sechs Wochen nach dem (geplanten) Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und zwei Wochen vor den Wahlen zum EP werden die EU-Führungsspitzen zusammentreffen, um über eine neue strategische Agenda zu beraten, die die Richtung für die EU in den kommenden fünf Jahren vorgeben soll.

Auch auf Ebene des ECOFIN-Rates hat die Umsetzung bereits vorliegender Legislativvorschläge Priorität. Die wichtigsten Themenbereiche, die in die (Mit-)-Zuständigkeit des ECOFIN-Rates fallen, betreffen die Förderung von Beschäftigung, Investitionen und inklusivem Wachstum, die Umsetzung des EU-Semesters, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, die Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion sowie die Bekämpfung der Steuerumgehung und Steuervermeidung. Die Verhandlungen zum künftigen EU-Finanzrahmen, der formal in die Zuständigkeit des Rates für Äußere Angelegenheiten fällt, sind naturgemäß ebenfalls von zentralem Interesse für den ECOFIN-Rat.

Die Wirtschaftsentwicklung ist sowohl auf globaler Ebene als auch in Europa zuletzt sehr positiv verlaufen: Nach sechs Jahren durchgängigem Wachstum haben die Beschäftigungszahlen und Investitionen in der EU wieder das Vorkrisenniveau erreicht, und die Lage der öffentlichen Finanzen hat sich deutlich verbessert. Allerdings haben mittlerweile Risiken und Unsicherheiten zugenommen und es wird allgemein davon ausgegangen, dass sich das Wachstum heuer und im nächsten Jahr verlangsamen wird. Vor diesem Hintergrund fordert die EK die Mitgliedstaaten zur Durchführung weiterer Strukturreformen sowie - vor allem Mitgliedstaaten mit hohen Verschuldungsquoten - zum Aufbau von Fiskalpuffern auf, um damit die Anpassungsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften weiter zu stärken. Außerdem sieht die EK die Verhandlungen über den nächsten Mittelfristigen Finanzrahmen als Möglichkeit, das EU-Budget besser auf die künftigen Herausforderungen und Ziele der EU auszurichten und seine Wachstums- und Beschäftigungseffekte zu stärken. Ein wichtiges  Element ist in diesem Zusammenhang das Programm InvestEU, das als Nachfolgeprogramm zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) sowie zu 13 anderen Finanzinstrumenten konzipiert ist.

Ein wichtiges Thema bleibt weiterhin auch die Vollendung der Bankenunion. Durch die Reformen der letzten Jahre verfügt der Bankensektor wieder über die nötige Kapitalausstattung, um eine weitgehend reibungslose Kreditversorgung sicherzustellen und aktiv zu Wachstum und Beschäftigung beizutragen. Die Einigung über das so genannte Bankenpaket, das Änderungen sowohl beim Aufsichts- als auch beim Abwicklungsrecht umfasst, sowie über das Legislativpaket zur Vermeidung/ Beseitigung notleidender Kredite („NPL-Problematik“) werden zu einer weiteren Risikoreduktion im Bankensektor beitragen und die Finanzstabilität weiter erhöhen. Ziel der EK ist es daher, dass nun rasch auch die letzten noch offenen Fragen geklärt und beide Legislativpakete von Rat und EP formell angenommen werden. Außerdem strebt die EK weiterhin eine Einigung über den Vorschlag für eine gemeinsame europäische Einlagensicherung an, die von zahlreichen Mitgliedstaaten davon abhängig gemacht wird, dass vorweg weitere Fortschritte bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Risikominderung erzielt werden.

In Bezug auf die Errichtung der Kapitalmarktunion, durch die u.a. neue Finanzierungsquellen für Unternehmen erschlossen, Kosten bei der Kapitalbeschaffung gesenkt und das Angebot für Sparer/innen erweitert werden soll, sieht die EK den Fokus der nächsten Monate ebenfalls darin, dass die Verhandlungen über die diversen Legislativvorhaben vorangebracht und nach Möglichkeit auch abgeschlossen werden. Davon betroffen sind u.a. die Vorschläge zu Crowdfunding sowie zur KMU-Finanzierung oder auch die Vorschläge zu nachhaltiger Finanzierung (Stichwort: Taxonomie). Außerdem soll der Konsultationsprozess zu FinTech mit dem Ziel fortgesetzt werden, bestmögliche Lösungen im Umgang mit den Chancen und Risiken in Bezug auf Finanzinnovationen zu finden.

Ein wichtiges Anliegen der EK ist außerdem die weitere Vertiefung der WWU, wo sie insbesondere Fortschritte bei den im nächsten Mittelfristigen Finanzrahmen vorgeschlagenen Budgetinstrumenten (Europäische Stabilisierungsfunktion; Reformhilfeprogramm) sehen möchte. Aus Sicht der EK könnten die beiden Instrumente dazu beitragen, dass die makroökonomische Anpassungsfähigkeit gestärkt und die wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten verbessert wird. Schließlich sollen gemäß dem Arbeitsprogramm der EK auch die Arbeiten zur Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, inkl. der Verwendung des ESM als Backstop für den Einheitlichen Abwicklungsfonds vorangetrieben werden.

Im Bereich der Steuern drängt die EK darauf, die Anstrengungen im Hinblick auf die Vorschläge zur Einführung einer gemeinsamen (konsolidierten) Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage sowie zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft zu verstärken, damit alle Unternehmen unabhängig ihrer Größe einen fairen Anteil am Steueraufkommen leisten. Ebenso ist es nach Auffassung der EK an der Zeit, dass eine Einigung über die diversen Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer erzielt wird, und die Vorschriften  einfacher, transparenter und betrugssicherer gemacht werden.

Auf internationaler Ebene will die EK vor dem Hintergrund steigenden Spannungen und unvorhersehbarer Entwicklungen weiterhin konsequent für den Erhalt und die Stärkung  regelbasierter Handelsbeziehungen eintreten. Die Umsetzung der Nachbarschaftspolitik sowohl im Osten wie auch im Süden bleibt ebenfalls eine Priorität. Im Hinblick auf die EU-Erweiterung will sich die EK dafür einsetzen, dass den westlichen Balkanstaaten weiterhin eine glaubwürdige Beitrittsperspektive gegeben und regelmäßig über die Fortschritte berichtet wird.

ARBEITSPROGRAMM DES ECOFIN RATES

1. Überblick

Die Themen im ECOFIN-Rat (bzw. in der Euro-Gruppe) sind naturgemäß eng mit jenen im EK-Arbeitsprogramm abgestimmt. Vor diesem Hintergrund stehen die Vollendung der Bankenunion, die Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion, die Förderung von Wachstum und Beschäftigung sowie die Sicherstellung fairer und effizienter Steuersysteme auch im Mittelpunkt der rumänischen sowie der nachfolgenden finnischen Präsidentschaft.

Das vorrangige Ziel der rumänischen Präsidentschaft ist die Verbesserung von Konvergenz und Kohäsion in der EU, insbesondere durch die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, der Digitalisierung und des Unternehmertums. Im Hinblick auf die weitere Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion liegt der Schwerpunkt auf dem Vorschlag zur Schaffung des InvestEU Programms. Zudem sollen die Diskussionen zum EK-Vorschlag über die Errichtung des Reformhilfeprogramms unterstützt werden.

Bei der Vollendung der Bankenunion sollen die letzten technischen Details zum Bankenpaket zur weiteren Risikoverringerung finalisiert werden, nachdem die österreichische Präsidentschaft bereits eine Einigung mit dem EP über alle politischen Fragen erzielt hat. In Zusammenhang mit der Verringerung/ Beseitigung der NPL-Problematik strebt der Vorsitz eine Klärung der noch offenen Punkte bei der Richtlinie über Kreditdienstleister, Kreditkäufer und die Verwertung von Sicherheiten an. Ferner will die Präsidentschaft die Arbeiten an der Entwicklung einer Kapitalmarktunion vorantreiben.

Im Steuerbereich soll der Besteuerung der digitalen Wirtschaft besondere Aufmerksamkeit eingeräumt werden. Nachdem beim ECOFIN-Rat im Dezember vereinbart wurde, den Anwendungsbereich der Digitalsteuer auf Online-Werbeeinahmen zu beschränken, möchte der Vorsitz bis März hierzu eine Einigung erzielen. Zur Stärkung der Steuertransparenz sowie eines fairen Steuerwettbewerbs auch auf globaler Ebene soll zudem die EU-Liste nicht kooperativer Drittstaaten aktualisiert werden. Darüber hinaus möchte der Vorsitz die Arbeiten am EK-Vorschlag zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage vorantreiben. Im Bereich der indirekten Steuern sollen vor allem bei der Modernisierung der Mehrwertsteuer Fortschritte erzielt werden.

Nachdem bei den Verhandlungen über den künftigen Mehrjährigen Finanzrahmen unter österreichischer Präsidentschaft der Entwurf einer umfassenden Verhandlungsbox vorgelegt wurde, möchte die Präsidentschaft nun Detailverhandlungen führen, um eine Einigung (im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates) im Herbst 2019 zu ermöglichen.


 

2. Förderung von Wachstum und Beschäftigung

Hintergrund

In ihrer Herbstprognose (November 2018) geht die EK davon aus, dass die Wirtschaft der Euro-Zone 2018 mit 2,1 % und die der EU-27 mit 2,2 % bereits etwas schwächer wachsen wird als im Jahr davor. Für 2019 und 2020 geht die EK von einem weiteren Rückgang in der Euro-Zone auf 1,9 % bzw. 1,7 % und in der EU-27 auf 2,0 % bzw. 1,9 % aus. Wachstumstreiber bleiben weiterhin der Privatkonsum - in einigen Mitliedstaaten auch begünstigt durch expansive Fiskalmaßnahmen - sowie Investitionen. Die Arbeitslosigkeit wird 2019 in der Euro-Zone voraussichtlich auf 7,9 % und in den EU-27 auf 7,0 % sinken, wiewohl die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin signifikant bleiben. Unsicherheiten und Wachstumsrisiken sieht die EK sowohl im externen als auch im internen Umfeld (darunter: Verschärfung des Handelskonflikts USA/ China/ EU; EU-Austritt von UK, insbesondere bei einem No-Deal).

Aktueller Stand

Im Rahmen des Europäischen Semesters hat die EK im November letzten Jahres den Jahreswachstumsbericht 2019, den Frühwarnbericht zu möglichen makroökonomischen Ungleichgewichten sowie die Empfehlung zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone vorgelegt.

Im Jahreswachstumsbericht identifiziert die EK die wesentlichen wirtschaftspolitischen Herausforderungen für die kommenden zwölf Monate. Diese betreffen (einmal mehr) die Förderung von Investitionen, die Umsetzung von Strukturreformen sowie die Sicherstellung stabilitätsorientierter öffentlicher Finanzen. Öffentliche und private Investitionen sollten aus Sicht der EK Hand in Hand mit sorgfältig durchdachten Strukturreformen gehen und schwerpunktmäßig dem Aufbau und der Modernisierung strategischer Infrastrukturen, der Stärkung von Humankapital, Forschung und Entwicklung sowie der Verbesserung der Nachhaltigkeit und des Ressourceneinsatzes dienen. Bei den Strukturreformen sollte der Fokus insbesondere auf Produktivitäts- und Wachstumssteigerung, Aktivierung und soziale Inklusion sowie institutionelle Qualität und Rechtsstaatlichkeit liegen.

Außerdem verweist die EK im Bericht auf ihre Vorschläge zum nächsten mittelfristigen Finanzrahmen, der ebenfalls dazu beitragen wird, die Investitionstätigkeit in den Mitgliedstaaten zu unterstützen. Ein zentrales Element ist in diesem Zusammenhang das Programm InvestEU, mit dem die EK ein Nachfolgeprogramm zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen (und 13 weiteren Finanzinstrumenten) vorschlägt, das im Wege von Garantien aus dem EU-Budget zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 650 Mrd. Euro auslösen soll.

In Bezug auf die öffentlichen Finanzen weist die EK in ihrem Bericht darauf hin, dass viele Mitgliedstaaten ihren Schuldenstand verringert und ihre mittelfristigen Haushaltsziele erreicht oder sogar überschritten haben, mehrere Mitgliedstaaten aber weiterhin hohe Schuldenstände aufweisen. Vor allem diese Mitgliedstaaten sollten die derzeitige Konjunktur zum Aufbau von Fiskalpuffern und zur Verbesserung der Budgetstrukturen nutzen. Die EK weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt hin, durch den klare Regeln für eine verantwortungsvolle Budgetpolitik vorgegeben sind.

Der Frühwarnbericht ist der Ausgangspunkt für das Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (MIP). Laut EK hat es in den letzten Jahren bereits deutliche Fortschritte beim Abbau makroökonomischer Ungleichgewichte gegeben; in mehreren Mitgliedstaaten bestehen aber weiterhin erhebliche Risiken und Herausforderungen, etwa bei Schuldenquoten, Leistungsbilanzen, beim Potential- und Produktivitätswachstum sowie beim Abbau notleidender Kredite. Nachdem die EK bei 13 Mitgliedstaaten (BG, DE, FR, IE, IT, HR, NL, PT, SE, ES, CY, EL, RO) das Vorliegen von makroökonomischen Ungleichgewichten nicht ausschließen kann, werden für diese nun vertiefte Analysen (IDR) durchgeführt. Österreich ist nicht für eine IDR vorgesehen, wird aber neben Belgien, Dänemark, Luxemburg, Tschechien, dem Vereinigten Königreich und Ungarn erneut wegen Anzeichen für eine gewisse Überhitzung des Immobilienmarktes genannt.

Hinsichtlich der Grundzüge der Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone empfiehlt die EK, dass der Fokus auf folgenden Elementen liegen sollte: (1) Umsetzung von Maßnahmen zur Vertiefung des Binnenmarktes und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen; Abbau von Leistungsbilanzdefiziten durch Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität; (2) Förderung von Investitionen sowie Verbesserung der Qualität und Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen im Einklang mit den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes; Verringerung der öffentlichen Schulden und Aufbau von Fiskalpuffern; (3) Verringerung der Steuern auf Arbeitseinkommen sowie Förderung der Bildungssysteme; (4) Vollendung der Bankenunion und Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion; (5) Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion.

 

Im Anschluss an die inhaltliche Diskussion im Dezember hat der ECOFIN-Rat bei der Tagung im Jänner 2019 einerseits Schlussfolgerungen zum Jahreswachstumsbericht sowie zum Frühwarnbericht angenommen und anderseits auch die Empfehlungen an die Euro-Zone gebilligt. Gemäß den Schlussfolgerungen werden die Einschätzungen und Analysen der EK bezüglich Wirtschaftslage, Herausforderungen und Prioritäten weitgehend geteilt; auch wird der EK grundsätzlich zugestimmt, dass die Mitgliedstaaten ihre Reformanstrengungen noch weiter verstärken müssen, um das Wachstumspotential mit dem Ziel einer nachhaltigen Beseitigung von Ungleichgewichten zu steigern und das Risiko eines prozyklischen Schuldenabbaus in schlechten Zeiten zu verhindern.

Die Schlussfolgerungen zum Jahreswachstumsbericht dienen als Input für die Festlegung der Politikprioritäten für die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme sowie die nationalen Reformprogramme durch die Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat im März. Die Schlussfolgerungen zum Frühwarnbericht sind vor allem als Input für die EK bei der Durchführung der Tiefenanalysen im Rahmen der makroökonomischen Überwachung gedacht. Die Empfehlung zu den Grundzügen soll schließlich vom Europäischen Rat im März bestätigt und im Anschluss vom ECOFIN-Rat formell angenommen werden

Position des BMF

Aus Sicht des BMF hat sich die Einführung und Weiterentwicklung des Europäischen Semesters bewährt, weil damit die verschiedenen Verfahren und Instrumente im Rahmen der EU 2020 Strategie sowie der makoökonomischen Überwachung, darunter insbesondere der Stabilitäts- und Wachstumspakt, stärker zusammengeführt und die Voraussetzungen für eine kohärentere Wirtschafts- und Budgetpolitik verbessert worden sind. Positiv gesehen werden in diesem Zusammenhang auch die regelmäßigen thematischen Schwerpunktdebatten in der Euro-Gruppe, durch die das Verständnis für die Notwendigkeit von Wirtschaftsreformen gefördert wird. Das BMF unterstützt die im Jahreswachstumsbericht und in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik genannten Schwerpunktsetzungen bzw. den Ansatz, wonach im Hinblick auf eine nachhaltigere Wachstumsentwicklung in allen drei Bereichen (Investitionen, Strukturreformen, Budgetkonsolidierung) gleichzeitig Maßnahmen gesetzt werden müssen. In diesem Zusammenhang steht das BMF auch dem Vorschlag der EK zum Programm InvestEU grundsätzlich positiv gegenüber, mit dem u.a. eine Vereinfachung der EU-Finanzierungslandschaft und durch die Öffnung der Garantie auch für andere Implementierungspartner als die EIB ein gewisses Maß an Wettbewerb erzielt werden sollte. 

3. Verbesserung der makroökonomischen Stabilität

Hintergrund

Als Folge der Finanz- und Schuldenkrise wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen getroffen, um einerseits die Wirtschaft der Euro-Zone bzw. der EU wieder zu stabilisieren und andererseits die Krisenvorsorge auf eine solidere Basis zu stellen. Im Zuge des kurzfristigen Krisenmanagements wurden seit 2008 mit fünf Eurostaaten (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern) sowie drei Nicht-Eurostaaten (Ungarn, Lettland, Rumänien) Unterstützungsprogramme ausverhandelt und gemeinsam mit dem IWF sowie in Verbindung mit strengen Programmkonditionalitäten Finanzhilfen bereitgestellt. Ebenso haben in den letzten Jahren auch die anderen Mitgliedstaaten erhebliche Anstrengungen unternommen, um im Wege struktureller Reformen die makrofinanzielle Stabilität zu erhöhen und die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung zu verbessern. Im Rahmen der Krisenvorsorge wurde sowohl die wirtschaftspolitische Governance als auch die Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte grundlegenden Reformen unterzogen. Durch diese Maßnahmen konnten die makroökonomischen Ungleichgewichte deutlich verringert und die Glaubwürdigkeit der europäischen Wirtschafts- und Budgetpolitik sowie das Vertrauen in die gemeinsame Währung wieder weitgehend hergestellt werden.

Aktueller Stand

Gemäß der Herbstprognose der EK (November 2018) soll das nominelle Budgetdefizit 2019 und 2020 in der Euro-Zone bei 0,8 % bzw. 0,7 % des BIP liegen, und damit gegenüber 2018 geringfügig steigen. Gleichzeitig rechnet die EK mit einer weiteren Verringerung der öffentlichen Gesamtverschuldung auf knapp unter 85 % in diesem und knapp unter 83 % im nächsten Jahr.

Gemäß der von der EK durchgeführten Bewertung, die von der Euro-Gruppe bei der Tagung im Dezember weitgehend bestätigt worden ist, stehen bei zehn Mitgliedstaaten (CY, FI, DE, EL, IE, LT, LU, MT, NL und Österreich) die für 2019 erstellten Budgetpläne im Einklang mit den Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Drei Mitgliedstaaten (EE, LT, SK) haben Budgetpläne übermittelt, die laut EK weitgehend in Einklang mit dem SWP stehen, während bei fünf Mitgliedstaaten (BE, FR, PT, SI, ES) das Risiko besteht, dass die Vorgaben des SWP nicht erfüllt werden. Spanien, das sich als einziger Mitgliedstaat noch in einem Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits befindet, wurde unter der Annahme einer nachhaltigen Korrektur des übermäßigen Defizits bewertet.

Zu Italien hat die EK im Oktober 2018 eine besonders gravierende Abweichung gegenüber den im Juli 2018 beschlossenen länderspezifischen Empfehlungen festgestellt, und den Mitgliedstaat dazu aufgefordert, einen überarbeiteten Budgetplan vorzulegen. Nachdem Italien nach langwierigen Verhandlungen mit der EK gewisse Anpassungen am ursprünglichen Budgetplan vorgenommen hat, ist vorerst kein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits eingeleitet worden.

Mit Spanien, Portugal, Irland und Zypern konnten bis 2016 vier Unterstützungsprogramme in der Euro-Zone zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Diese Mitgliedstaaten unterliegen seitdem der so genannten Post-Programm-Überwachung, die so lange durchgeführt wird, bis mindestens 75 % der Finanzhilfe (EFSF, ESM, bilateral) zurückbezahlt wird. Bei sämtlichen bisher durchgeführten Prüfmissionen wurde festgestellt, dass sich die wirtschaftliche und finanzielle Situation dieser Mitgliedstaaten aufgrund der umgesetzten Strukturreformen mittlerweile nachhaltig verbessert hat und bei allen vier Mitgliedstaaten von einer gesicherten Rückzahlungskapazität der Schulden ausgegangen werden kann.

Bezüglich Griechenland hat sich die Euro-Gruppe Ende Juni 2018 auf den Abschluss des Programms sowie auf weitere schuldenerleichternde Maßnahmen (darunter: Wiederaufnahme der Überweisungen von SMP-/ ANFA-Gewinnen; Reprofiling der EFSF-Darlehen) geeinigt, die an die Einhaltung wirtschafts- und finanzpolitischer Vorgaben im Rahmen der Post-Programm Überwachung geknüpft sind. Diese Überwachung kommt in Form von vierteljährlichen Überprüfungen zur Anwendung


 

Position des BMF

Das BMF tritt dafür ein, dass die EU-Fiskalregeln von allen Mitgliedstaaten konsequent angewendet und die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor allem von Mitgliedstaaten mit hohen Verschuldungsquoten zur weiteren Budgetkonsolidierung genutzt werden. In Bezug auf Griechenland spricht sich das BMF dafür aus, dass - in Einklang mit der Erklärung der Euro-Gruppe aus 2018 - weitere schuldenerleichternde Maßnahmen nur umgesetzt werden, wenn die entsprechenden wirtschafts- und finanzpolitischen Vorgaben erfüllt sind. Auf internationaler Ebene, etwa im G-20 und IWF Kontext, muss die EU weiterhin ihre Interessen aktiv einbringen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu einer ausgewogenen und spannungsfreien Entwicklung der Weltwirtschaft beitragen.

4. Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion

Hintergrund

Im Mai 2017 hat die EK ein Reflexionspapier über die weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), inklusive einer Roadmap bis 2025, vorgelegt. Demnach sollen bis Ende 2019 vor allem Projekte umgesetzt werden, die bereits (seit längerem) in Diskussion sind (Stichwort: Vollendung der Bankenunion, Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus); bis 2025 werden im Reflexionspapier weitere Maßnahmen für eine „längerfristige Vision“ skizziert. Ende 2017 hat die EK ein Paket mit Legislativvorschlägen vorgelegt, das u.a. Änderungen des ESM (Stichwort: „Europäischer Währungsfonds“) sowie die Integration des ESM und des Fiskalpaktes in das Gemeinschaftsrecht, und eine Mitteilung über neue Instrumente im EU-Budget zur Unterstützung des wirtschaftlichen Reform- und Konvergenzprozesses umfasst. Im Mai 2018 hat die EK (in Zusammenhang mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027) Legislativvorschläge zur Konkretisierung der Instrumente im EU-Budget veröffentlicht. Demnach soll es künftig einerseits eine Europäische Investitionsstabilisierungsfazilität zur Unterstützung bei asymmetrischen Schocks und anderseits ein Programm zur Förderung von Strukturreformen geben. Im Dezember 2018 hat die EK schließlich eine Mitteilung und eine Empfehlung zur Stärkung der internationalen Rolle des Euro vorgelegt. Aus Sicht der EK könnte eine stärkere Verwendung der gemeinsamen Währung die Schockresilienz des Euro-Währungsgebiets verbessern, Wechselkursrisiken verringern und den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern.

Aktueller Stand

Die (weitere) Vertiefung der WWU war im abgelaufenen Jahr regelmäßig Gegenstand von Beratungen sowohl in der Euro-Gruppe (im inklusiven Format) als auch im ECOFIN-Rat; außerdem haben sich die Staats- und Regierungschefs auf Basis von Inputs der Finanzminister/innen mehrmals mit dem Thema befasst und Orientierung im Hinblick auf die weiteren Arbeiten gegeben. Beim Treffen der Euro-Gruppe im Dezember haben sich die Finanzminister/innen auf die Details bei der Weiterentwicklung des ESM, die weitere Vorgangsweise bei der Vollendung der Bankenunion sowie auf die Einführung eines Instruments zur Förderung der Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit geeinigt.

In Bezug auf die Weiterentwicklung des ESM wurde festgelegt, dass die gemeinsame Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds (in Form einer revolvierenden Kreditlinie) bereits vor 2024 in Kraft treten kann, sofern bei der Bewertung im Jahr 2020 ausreichende Fortschritte bei der Risikoverringerung (im Bankensektor) festgestellt werden. Im Hinblick auf die Erleichterung von Schuldenrestrukturierungen sollen ab 2022 „Single Limb Collective Action Clauses“ eingeführt werden. Ebenso wurde vereinbart, dass die Effizienz der vorsorglichen Instrumente des ESM verbessert und die Rolle des ESM bei der Krisenvorsorge und Krisenbewältigung gestärkt werden soll.

Zur Bankenunion hat die Euro-Gruppe die Einsetzung einer High Level Working Group vereinbart, die die Voraussetzungen für den Beginn politischer Verhandlungen zur Europäischen Einlagensicherung (EDIS) weiter prüfen soll. Außerdem hat die Euro-Gruppe die (unter österreichischer Präsidentschaft) erzielten Erfolge bei der Risikoreduzierung (Stichwort: Bankenpaket, aufsichtlicher NPL-Backstop) sowie die Arbeiten zur Verbesserung der Umsetzung von Maßnahmen gegen Geldwäsche ausdrücklich begrüßt und in Bezug auf die Kapitalmarktunion dazu aufgefordert, die noch offenen Legislativvorhaben im Frühjahr 2019 abzuschließen.

Im Hinblick auf die Einführung neuer Budgetinstrumente hat die Euro-Gruppe neben den bereits eingangs erwähnten Vorschlägen der EK auch den Vorschlag von Frankreich und Deutschland zur „Architektur eines Budgets für die Euro-Zone“ intensiv diskutiert. Gemäß diesem Vorschlag soll ein Instrument zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, Konvergenz und Stabilität für die Euro-Zone errichtet werden, das ausschließlich den Euro-Staaten zur Verfügung steht, Teil des EU-Budgets ist und das durch Beiträge außerhalb des Eigenmittelbeschlusses (z.B. durch eine Finanztransaktionssteuer) finanziert wird. Die Euro-Gruppe hat sich nach kontroversiellen Debatten darauf geeinigt, dass zunächst Ausgestaltung, Umsetzung und Zeitrahmen in Bezug auf ein Instrument für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz weiter geprüft werden soll.

Die Ergebnisse der Diskussion in der Euro-Gruppe wurden im Wege eines Berichts an die Staats- und Regierungschefs weitergeleitet, der die Finanzminister/innen mit der weiteren Umsetzung beauftragt hat. Demnach sollen die für die Verwendung des ESM als Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) erforderlichen Änderungen des ESM-Vertrages bis Juni vorbereitet werden. Die in Zusammenhang mit der Europäischen Einlagensicherung eingerichtete High-level Working Group soll bereits im April einen Zwischenbericht an die Euro-Gruppe und dann im Juni einen weiteren Bericht an die Staats- und Regierungschefs vorlegen. Schließlich sollen in den kommenden Monaten intensive Beratungen über die konkrete Ausgestaltung des Instrumentes für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit für das Euro-Währungsgebiet (sowie für Teilnehmer des Wechselkursmechanismus II auf freiwilliger Basis) im Kontext des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens geführt werden.

Position des BMF

Das BMF steht Überlegungen in Richtung einer weiteren Vertiefung der WWU grundsätzlich offen gegenüber, wiewohl der Fokus vor allem auf der Umsetzung des bereits bestehenden Regelwerks liegen sollte, darunter die konsequente Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, und weniger auf der Schaffung neuer Instrumente, Verfahren und Berichtspflichten. Vor diesem Hintergrund steht das BMF auch der Einführung neuer Budgetinstrumente skeptisch gegenüber - vor allem dann, wenn diese nicht mit verstärkten Konditionalitäten verknüpft werden. Die Reformen des ESM werden seitens des BMF grundsätzlich unterstützt; darunter insbesondere seine Nutzung als Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus sowie seine Stärkung bei der Ausgestaltung und Prüfung von Finanzhilfeprogrammen. In Bezug auf die Weiterentwicklung der Instrumente des ESM ist darauf zu achten, dass eine unverhältnismäßige Aufweichung der Konditionalität bei vorsorglichen Kreditlinien vermieden wird.

5. Errichtung der Banken- und Kapitalmarktunion

5.1. Bankenunion

Hintergrund

Vor dem Hintergrund der Finanz- und Schuldenkrise hat die EU innerhalb der letzten Jahre eine umfassende Reform bei der Regulierung und Aufsicht im Bankensektor durchgeführt, um die Stabilität der Finanz- und Kapitalmärkte zu stärken und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen dem Bankensektor und den öffentlichen Finanzen zu durchbrechen. Zentrale Elemente sind das Single Rule Book, das die Basis für die Bankenunion bildet und Bestimmungen u.a. über Eigenkapital- und Liquiditätserfordernisse, Offenlegungs- und Berichtspflichten sowie Aufsichtsstandards (CRD/CRR) umfasst, der Europäische Aufsichtsmechanismus, der u.a. die Europäische Aufsicht über bedeutende Banken (SSM) umfasst, einheitliche Regeln zur Bankensanierung und -abwicklung (BRRD/SRMR) mit einem Europäischen Abwicklungsfonds (SRF) sowie (als Ziel) die Errichtung einer Europäischen Einlagensicherung (EDIS).

Aktueller Stand

Zum Legislativpaket zur Änderung der CRD/CRR sowie der BRRD/SRMR („Risk Reduction Measures“) konnte unter österreichischer Präsidentschaft eine Einigung zwischen Rat und EP zu allen politisch relevanten Themen erzielt werden. Anfang 2019 sollen auch die letzten technischen Details abgeschlossen werden. Die Änderungen betreffen u.a. die Verbesserung des Rahmens für die Bankenabwicklung bzw. die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Bail-in Prozesses sowie die Einführung verbindlicher Vorgaben für Verschuldungsquote („Leverage Ratio“) und langfristige Liquiditätskennzahl („Net Stable Funding Ratio“). Die Umsetzung des Pakets wird zu einer weiteren Verbesserung der Finanzstabilität beitragen; außerdem wird mit der Einigung eine der Voraussetzungen für das frühzeitige Inkrafttreten der durch den ESM bereit gestellten Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds sowie für die Einführung einer Europäischen Einlagensicherung erfüllt.   

In Bezug auf die Vorschläge zur Verringerung/ Beseitigung von Non-Performing Loans konnte zu dem Teil des Pakets, der die Bildung von Risikorückstellungen betrifft, ebenfalls bereits unter österreichischer Präsidentschaft eine Einigung mit dem EP erzielt werden. Beim zweiten Teil des Pakets, das Maßnahmen zur Entwicklung von Sekundärmärkten sowie zur außergerichtlichen Sicherungsverwertung umfasst, sind noch einige Fragen offen, die nun unter rumänischer Präsidentschaft geklärt werden sollen. Auch das „NPL-Paket“ stellt einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Finanzstabilität dar, indem der Bankensektor dazu verpflichtet wird, in Zukunft Risikovorsorgen für NPLs zu bilden und die Verwertung von NPLs beschleunigt wird.

Ein offenes Thema bleibt weiterhin die Einführung einer Europäischen Einlagensicherung (EDIS), die eine Reihe von Mitgliedstaaten von weiteren Fortschritten bei der Risikoreduktion abhängig macht. Um Bewegung in die Verhandlungen zu bringen, hat die EK - abweichend von ihrem ursprünglichen Vorschlag - ein Modell in Diskussion gebracht, wonach den nationalen Einlagensicherungssystemen in einer ersten Phase lediglich Liquidität (in Form von Krediten) zur Verfügung gestellt würde. Erst in einer zweiten Phase würde dann eine ansteigende Übernahme von Verlusten, bis hin zur vollständigen Vergemeinschaftung, durch EDIS erfolgen. Der Beginn dieser Phase soll an die Erfüllung bestimmter Bedingungen verknüpft werden, über die zuletzt auch unter österreichischer Präsidentschaft intensiv beraten wurde, und die aus Sicht mehrerer Mitgliedstaaten neben den bereits skizzierten risikomindernden Maßnahmen auch regulatorische Änderungen bei der Behandlung von Sovereign Exposures in den Bankbilanzen umfassen sollten. Wie bereits unter Pkt. 4 erwähnt, soll nun eine High-level Working Group bis Juni eine Roadmap für den Beginn politischer Verhandlungen über die Einführung einer Europäischen  Einlagensicherung ausarbeiten.

Im Herbst 2018 hat die EK im Rahmen des Bankenpakets und als Ergänzung zum bereits seit Herbst 2017 vorliegenden Legislativ-Paket zur Stärkung der EU-Aufsichtsbehörden einen weiteren Legislativvorschlag vorgelegt, mit dem der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) umfassende Zuständigkeiten bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingeräumt werden. Hintergrund der Maßnahme sind mehrere konkrete Fälle von Geldwäsche bei Banken in der EU, die aufgezeigt haben, dass die an sich strengen Vorschriften von den Mitgliedstaaten nicht immer wirksam genug überwacht und umgesetzt werden. Über jenen Teil des Pakets, der die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche/ Terrorismusfinanzierung betrifft, konnte auf Ratsebene bereits unter österreichischer Präsidentschaft eine Einigung erzielt werden. Beim ECOFIN-Rat im Jänner hat die rumänische Präsidentschaft darüber informiert, dass sie über diesen Teil des Pakets nun auch die Verhandlungen mit dem EP beginnen möchte. Die Mitgliedstaaten haben die Präsidentschaft ersucht, gleichzeitig auch die Verhandlungen über die noch offenen Fragen zur Reform der Aufsichtsbehörden zu einem raschen Abschluss zu bringen.

Position des BMF

Das BMF tritt für die Beseitigung von Altlasten sowie für Maßnahmen zur Risikoverringerung ein, bevor weitere Elemente zur Risikoteilung bzw. Solidaritätsmechanismen beschlossen werden. Die Errichtung einer Europäischen Einlagesicherung wird als zentrales Element der Bankenunion grundsätzlich unterstützt, allerdings muss sichergestellt werden, dass Moral Hazard möglichst vermieden wird. Bezüglich der Europäischen Aufsichtsbehörden sind aus Sicht des BMF keine grundlegenden Änderungen erforderlich, nachdem das System gut funktioniert und wesentlich zur Konvergenz der Aufsichtspraktiken beigetragen hat. Schließlich tritt das BMF dafür ein, dass die Verhandlungen mit dem EP über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche/ Terrorismusfinanzierung aufgrund der besonderen Sensibilität und politischen Dringlichkeit rasch abgeschlossen werden.  

5.2 Kapitalmarktunion

Hintergrund

Mit dem bereits 2015 im ECOFIN-Rat präsentierten „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ hat die EK eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die zu einem besser funktionierenden europäischen Kapitalmarkt beitragen sollen. Insbesondere soll die Kapitalbeschaffung für Unternehmen erleichtert, Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten erweitert sowie die Integration des Finanzsystems gestärkt werden. Der Aktionsplan sieht sowohl kurz- als auch langfristige Maßnahmen vor. Neben Initiativen für ein einheitliches Rahmenwerk im Kapitalverkehr sieht der Aktionsplan auch flankierende Maßnahmen, etwa im Steuer- und Insolvenzrecht vor, um grenzüberschreitende Investitionen und Finanzierungen zu erleichtern.


 

Aktueller Stand

Über wichtige Maßnahmen des Aktionsplans, wie die Verordnung zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften über Verbriefungen, die Prospekt-Verordnung oder den Rechtsrahmen für Risikokapitalfonds und Fonds für soziales Unternehmertum konnte bereits eine Einigung erzielt werden. Zusätzlich wurden unter österreichischer Ratspräsidentschaft weitere Dossiers abgeschlossen, darunter der Vorschlag zur Schaffung eines europaweiten privaten Altersvorsorgeprodukts („PEPP“). Durch diese Initiative soll das Angebot bei Altersvorsorgeprodukten erweitert, der Wettbewerb am europäischen Markt gestärkt und dem Schutz der Sparer/innen durch Informations- und Vertriebsvorschriften Rechnung getragen werden.

Auch zu den Vorschlägen zu grenzüberschreitenden Zahlungen oder dem Vorschlag über zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister („EMIR-Refit“) konnte unter österreichischem Vorsitz ein Abschluss erreicht werden. Durch die Änderung der Verordnung in Bezug auf Entgelte bei grenzüberschreitenden Zahlungen wird der Grundsatz der Entgeltgleichheit bei Zahlungen in Euro auch auf Nicht-Eurostaaten ausgeweitet. Durch die Änderung bei „EMIR-Refit“ werden einfachere und verhältnismäßigere Vorschriften für außerbörslich gehandelte (OTC-) Derivate geschaffen, und damit Kosten für die Marktteilnehmer verringert.

Zum Vorschlag für eine Richtlinie über die Emission von gedeckten Schuldverschreibungen („Covered Bonds“) sowie zum Vorschlag zur Änderung der Verordnung für OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister („EMIR Supervision“) konnte unter österreichischer Präsidentschaft jeweils eine Einigung auf Ratsebene erzielt werden. Durch die Richtlinie wird ein „Qualitätslabel“ bzw. ein europäischer Rahmen mit gemeinsamen Standards geschaffen, durch den die Nutzung von Covered Bonds als Finanzierungsinstrument erleichtert werden soll. Durch EMIR Supervision wird die Aufsichtskonvergenz in Bezug auf zentrale Gegenparteien innerhalb der EU verstärkt und bei der Anerkennung von CCPs aus Drittstaaten künftig zwischen systemrelevanten und nicht systemrelevanten CCPs unterschieden.    

Ebenfalls substantielle Fortschritte wurden unter österreichischer Präsidentschaft zum Legislativpaket „Nachhaltige Finanzierung“ erzielt, mit allgemeinen Ausrichtungen sowohl zur Verordnung betreffend Offenlegungspflichten als auch zur Verordnung betreffend Referenzwerte. Zu allen erwähnten Dossiers wird von der rumänischen Präsidentschaft nun auch eine rasche Einigung mit dem EP angestrebt.

Im März 2018 wurde von der EK ein FinTech-Aktionsplan vorgelegt, der u.a. auf die Förderung innovativer Geschäfts- und Finanzierungsmodelle (darunter: Crowdfunding), die Überprüfung des Rechtsrahmens im Hinblick auf dessen Eignung für FinTech-Lösungen sowie auf die Sicherheit und Integrität des Finanzsektors abzielt. Zum Thema Crowdfunding hat die EK zudem einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, die das EU-weite Tätigwerden von Crowdfunding-Plattformen durch einheitliche Regelungen erleichtern und somit den Zugang zu Finanzmittel, insbesondere für Start-ups und KMU, verbessern soll. Ebenfalls thematisiert werden im Aktionsplan die Chancen und Risiken von Kryptoanlagen und Blockchain-Technologien. Das Thema war auch Gegenstand beim informellen ECOFIN im September 2018. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten sprach sich dabei für die Regulierung von Kryptoanlagen aus; gleichzeitig wurde aber betont, dass eine Überregulierung vermieden werden müsse, um das Potential innovativer Finanzinstrumente voll ausschöpfen zu können.

Position des BMF

Seitens des BMF wird die Errichtung der Kapitalmarktunion grundsätzlich unterstützt; allerdings werden kapitalmarktbasierte Instrumente die (traditionelle) Bankenfinanzierung nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen können. Zahlreiche Legislativvorhaben, über die bereits eine Einigung erzielt wurde oder die noch in Verhandlung sind, werden vom BMF sehr positiv bewertet, etwa EMIR-Refit und die damit verknüpfte Stärkung des Proportionalitätsgrundsatzes, oder auch EMIR-Supervision, wodurch strengere aufsichtsrechtliche Anforderungen für systemrelevante CCPs aus Drittstaaten eingeführt werden. In Bezug auf FinTechs unterstützt das BMF das Ziel eines gemeinsamen EU-Ansatzes, inkl. einer „technologieneutralen“ Regulierung.


 

6. Vertiefung der Zusammenarbeit in Steuerfragen

6.1. Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Hintergrund

Die digitale Wirtschaft ist eine der großen Herausforderungen für die Steuerpolitik, nachdem traditionelle Konzepte nicht mehr ausreichend sind, um eine wirksame Besteuerung von Unternehmen, die im Bereich der digitalen Wirtschaft tätig sind, sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund hat die EK im März 2018 zwei Legislativvorschläge vorgelegt, die zum einen die Einführung einer temporären Steuer auf digitale Umsätze (Digital Services Tax – DST) als kurzfristige und zum anderen die Einführung einer „signifikanten digitalen Präsenz“ als längerfristige Lösung vorsehen. Die kurzfristige Lösung soll für Umsätze gelten, die durch Aktivitäten erzielt werden, bei denen Nutzer einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung beitragen, d.h. Online-Werbeeinnahmen, Online-Plattformen sowie Datenverkäufe. Längerfristig sollen die Körperschaftsteuerregeln laut EK dahingehend geändert werden, dass es Mitgliedstaaten ermöglicht wird, Unternehmen auch aufgrund einer „digitalen Präsenz“, und nicht nur aufgrund einer physischen Präsenz zu besteuern. Die längerfristige Lösung soll in enger Abstimmung auf internationaler Ebene (OECD/ G20) ausgearbeitet werden.

Aktueller Stand

Der Vorschlag zur kurzfristigen Lösung war eine der Prioritäten des österreichischen Ratsvorsitzes und es konnten dabei auch substantielle Fortschritte erzielt werden. Allerdings haben bis zuletzt mehrere Mitgliedstaaten grundsätzliche Bedenken am Vorschlag geäußert. Beim ECOFIN-Rat im Dezember 2018 wurde von Deutschland und Frankreich ein Kompromiss präsentiert, der eine Einschränkung der DST auf Online-Werbeeinnahmen vorsieht. Das Thema soll nun unter rumänischem Vorsitz weiterbehandelt und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Zur längerfristigen Lösung finden derzeit Diskussionen auf OECD/ G20-Ebene Ebene statt. Beim G20 Treffen der Finanzminister in Buenos Aires im März 2018 wurde vereinbart, dass bis 2020 eine gemeinsame Lösung zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft ausgearbeitet werden soll.

Position des BMF

Um Druck in Richtung einer globalen Lösung aufzubauen und eine (weitere) Fragmentierung  des Binnenmarktes zu vermeiden, tritt das BMF für die Einführung einer kurzfristigen Steuer auf Basis digitaler Umsätze ein. Der Anwendungsbereich sollte dabei möglichst breit sein, damit es nicht möglich ist die Steuer durch Änderungen der Geschäftsmodelle zu umgehen. Zumindest sollte aber eine Einigung bezüglich Werbeleistungen angestrebt werden.

6.2. Einführung einer gemeinsamen Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage

Hintergrund

Die EK hat im Oktober 2016 neue Vorschläge zur Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) vorgelegt. Die Vorschläge, die den Vorschlag aus dem Jahr 2011 ersetzen, sehen nunmehr ein zweistufiges Verfahren vor: In einem 1. Schritt soll eine Einigung über die Definition der gemeinsamen Bemessungsgrundlage, und erst in einem 2. Schritt dann auch eine Einigung über die grenzüberschreitende Konsolidierung erzielt werden. Durch die Richtlinien sollen künftig alle Unternehmen, die Teil einer konsolidierten Gruppe mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mio. Euro sind, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage zwingend den einheitlichen Regeln unterliegen; für kleinere Unternehmen soll die Anwendung der Richtlinie optional erfolgen. Außerdem sieht der Vorschlag spezifische Regelungen einerseits für die Förderung von Forschung und Entwicklung (durch erhöhte Abzugsmöglichkeiten von F&E-Ausgaben) und andererseits für die Finanzierung durch Eigenkapital/ Beschaffung von Beteiligungskapital (durch einen „Freibetrag für Wachstum und Investitionen“) vor. Schließlich soll es bis zum Inkrafttreten der Konsolidierung unter „strengen Bedingungen“ die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Verlustausgleichs in Bezug auf Tochtergesellschaften und Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten geben.


 

Aktueller Stand

Die bisherigen Verhandlungen haben sich im Wesentlichen auf die erste der beiden Richtlinien bezogen. Anlässlich eines Meinungsaustauschs im ECOFIN-Rat wurde der EK-Ansatz von den meisten Mitgliedstaaten grundsätzlich positiv kommentiert, in zahlreichen Wortmeldungen aber ebenso betont, dass vor einer endgültigen Positionierung eine genaue Analyse der budgetären Auswirkungen erfolgen müsse. Die meisten Mitgliedstaaten haben dazu im Oktober letzten Jahres Informationen zur Verfügung gestellt; demnach wären die budgetären Auswirkungen für die meisten Mitgliedstaaten (darunter auch Österreich) bei einer Umstellung auf die gemeinsame Bemessungsgrundlage eher gering. Mehrere Mitgliedstaaten verlangen, dass man sich bei den Verhandlungen auf die Definition der Bemessungsgrundlage konzentrieren, und die Zuständigkeit für nicht-fiskalische Ziele, wie die Förderung von Forschung und Entwicklung, weiterhin bei den Mitgliedstaaten verbleiben sollte. Im Juni 2018 haben sich Deutschland und Frankreich im Rahmen der „Meseberg-Erklärung“ auf ein Modell verständigt, wonach alle KöSt-pflichtigen Unternehmen, unabhängig von Rechtsform und Größe, in die Gemeinsame Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage einbezogen werden sollen. Die rumänische Präsidentschaft hat angekündigt, dass sie das Thema prioritär behandeln möchte.

Position des BMF

Das BMF unterstützt den Vorschlag zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage; sie wäre ein wichtiges Element bei der Bekämpfung der Steuerumgehung und -vermeidung sowie zur Stärkung des Binnenmarktes. Auch das BMF ist der Auffassung, dass sich die Richtlinie auf die Kernelemente einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage beschränken sollte. Steuerliche Regelungen in Bezug auf Forschung und Entwicklung und/ oder Eigenfinanzierung/ Fremdfinanzierung sollten weiterhin in nationaler Zuständigkeit bleiben.


 

6.3. Reform des Mehrwertsteuersystems

Hintergrund

Die EK hat im April 2016 einen Aktionsplan für die Ausgestaltung eines einfacheren, robusteren und weniger betrugsanfälligen Mehrwertsteuersystems auf europäischer Ebene und in weiterer Folge im Oktober 2017 ein größeres Paket mit konkreten (Legislativ-)-vorschlägen vorgelegt. Dieses umfasst einerseits „Eckpunkte des endgültigen Systems“ sowie andererseits Sofortmaßnahmen („Quick Fixes“) zur Verbesserung/ Vereinfachung des derzeitigen Systems (betreffend Reihengeschäfte, Konsignationslager, MwSt-Identifikationsnummer). Im Dezember 2017 hat die EK außerdem Vorschläge zur „Modernisierung“ der Besteuerungsstruktur, mit mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Steuersätze, sowie zur Vereinfachung der Besteuerungsregeln für KMU und zur weiteren Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen veröffentlicht. Im Mai 2018 hat die EK schließlich einen Vorschlag zur Änderung der MwSt-Richtlinie in Bezug auf die Anwendung des endgültigen Systems vorgelegt.

Aktueller Stand

Zu mehreren Vorschlägen konnte mittlerweile bereits eine Einigung im Rat, darunter insbesondere auch während der österreichischen Präsidentschaft, erzielt werden. Wichtige Elemente sind in diesem Zusammenhang die oben erwähnten Sofortmaßnahmen, durch die praktische Probleme der Wirtschaft gelöst werden, oder auch die Änderung der Mehrwertsteuer-Richtlinie in Bezug auf die Steuersätze für elektronische Publikationen, durch die die steuerliche Schlechterstellung gegenüber physischen Publikationen beseitigt wird. Außerdem konnte während der österreichischen Präsidentschaft eine Einigung über die Anwendung eines temporären allgemeinen Reverse Charge Mechanismus erzielt und der Quick Reaction Mechanism zur Anwendung des sektoriellen Reverse Charge verlängert werden.

Ebenfalls signifikante Fortschritte konnten unter österreichischer Präsidentschaft zum Vorschlag zur Änderung der Sonderregelung für Kleinunternehmer erzielt werden, der u.a. darauf abzielt, dass die derzeit nur für Umsätze im Ansässigkeitsstaat angewendete (unechte) Befreiung künftig auf die gesamten Binnenmarktumsätze angewendet werden soll, sofern diese insgesamt 100 000 Euro nicht überschreiten. Darüber hinaus sollen für Umsätze bis 2 Mio. Euro vereinfachte MwSt-Pflichten zur Anwendung kommen. Der Vorschlag wird von den meisten Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich unterstützt; (erhebliche) Skepsis besteht seitens zahlreicher Mitgliedstaaten allerdings hinsichtlich der hohen Schwellenwerte. 

Ebenso kritisch gesehen wird der Vorschlag zur Flexibilisierung der Steuersätze, dem von vielen Mitgliedstaaten eher geringe Priorität eingeräumt wird. Nach den Vorstellungen der EK soll künftig in Bezug auf den ermäßigten Steuersatz ein sehr breiter Anwendungsbereich möglich sein; zudem soll es einen „superreduzierten“ Steuersatz zwischen 0 und 5 % geben. In einer „Negativliste“ sollen Güter und Dienstleistungen genannt werden, die weiterhin zwingend dem Normalsatz unterliegen, wie alkoholische Getränke, Glücksspiel und Tabak.

Skeptisch geäußert haben sich zahlreiche Mitgliedstaaten in einer ersten Reaktion schließlich auch zum Vorschlag im Hinblick auf den Übergang zum endgültigen Mehrwertsteuer-Regime, für den - abgesehen von den unterschiedlichen Positionen - allein aufgrund seines großen Umfangs (mit 170 Artikeländerungen) mit einem langen Verhandlungszeitraum zu rechnen ist.

Position des BMF

Das BMF unterstützt die Reform des Mehrwertsteuersystems, darunter insbesondere das Ziel einfacherer und weniger betrugsanfälliger Regeln. Ablehnend steht das BMF dem Vorschlag zur Flexibilisierung der Steuersätze gegenüber; dieser würde die Komplexität des Systems und die Befolgungskosten erhöhen und zu Marktverzerrungen führen.

6.4. Sonstige Steuerthemen

Hintergrund

Weiterhin auf der Tagesordnung bleibt auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Nachdem der Vorschlag der EK aufgrund unvereinbarer Positionen zwischen den an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten bereits seit längerem blockiert ist, wurde beim Treffen im Dezember letzten Jahres beschlossen, dass das Modell der französischen FTT (d.h. einer Aktienbesteuerung nach dem Emissionsprinzip) eingehender geprüft werden soll.

Anfang des Jahres hat die EK eine Mitteilung vorgelegt, in der sie eine schrittweise Abkehr des Einstimmigkeitsprinzips zur Diskussion stellt, um künftig Entscheidungen in Steuerfragen zu erleichtern. Grundlage dafür wäre die im Vertrag verankerte „Passerelle-Klausel“, wonach der Rat - nach Aktivierung der Klausel durch den Europäischen Rat und nach Zustimmung der nationalen Parlamente und des EP - für bestimmte Politikbereiche (darunter Steuern) das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (mit qualifizierter Mehrheit) anwenden kann.

In einem ersten Schritt (und bereits sehr kurzfristig) sollte laut EK die qualifizierte Mehrheit in Fragen der Verwaltungszusammenarbeit und Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerbetrug angewendet werden; längerfristig (EK Zeitrahmen bis 2025) sollte eine Ausweitung auf weitere Steuerbereiche wie die CCCTB oder den Mehrwertsteuerbereich erfolgen.

Aktueller Stand

In Bezug auf die FTT wird derzeit auf Expertenebene geprüft, ob und inwieweit das französische Modell auch als Lösung im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit (bzw. auf EU-Ebene) in Frage kommt. Die Mitteilung der EK zur Änderung der Abstimmungsmodalitäten in Steuerfragen wird anlässlich des ECOFIN-Rates im Februar den Finanzministern/innen präsentiert.

Position des BMF

Das BMF unterstützt die Einführung einer FTT auf möglichst breiter Grundlage und es muss sichergestellt sein, dass das Steueraufkommen in einem vertretbaren Verhältnis zum administrativen Aufwand steht. Bezüglich der Anwendung der qualifizierten Mehrheit in Steuerfragen befürwortet das BMF eine politische Diskussion.

7. Zukunft der EU-Finanzen

Hintergrund

Die EK hat im Mai 2018 den Vorschlag zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR Post 2021+) vorgelegt. Dieser ist Teil eines größeren Legislativpakets, das neben der Ausgabenseite auch Vorschläge zur Finanzierung (Eigenmittelbeschluss, begleitende Rechtsakte) sowie rund 70 Basisrechtsakte zu den einzelnen Gemeinschaftsprogrammen und die Ausführung des Budgets (Haushaltsordnung) umfasst.

Der Vorschlag sieht für 2021-27 Ausgaben (Verpflichtungsermächtigungen) in Höhe von 1.279 Mrd. Euro oder 1,11 % des BNE vor (verglichen mit 1,03 % 2014-2020). Laut EK steht der Vorschlag im Einklang mit neuen bzw. verstärkten Prioritäten und beinhaltet u.a. eine Fokussierung auf die Bereiche europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Migration und Außengrenzschutz, Förderung von Forschung, Innovation, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sowie Nutzung des Potentials im Zuge der Digitalisierung.

Im Hinblick auf die künftige Finanzierung schlägt die EK neben einer Erhöhung der Eigenmittelobergrenze das Auslaufen aller Rabatte und eine Reform der MwSt.-abhängigen Eigenmittel vor. Außerdem sind im EK-Vorschlag neue Eigenmittelquellen vorgesehen: Einnahmen auf Basis des Verbrauchs nicht wiederverwerteter Kunststoffabfälle; Anteile an der gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage; Anteile an den Einnahmen aus dem Emissionshandel (ETS).

Aktueller Stand

Bezüglich des Mehrjährigen Finanzrahmens konnten unter österreichischem Vorsitz substantielle Fortschritte erzielt und funktionierende Verhandlungsprozesse sichergestellt werden. Auf technischer Ebene wurde eine vollständige Verhandlungsbox mit Entscheidungsoptionen ausgearbeitet und diese zusammen mit einem Fortschrittsbericht beim RAA bzw. ER im Dezember 2019 präsentiert. Die Detailverhandlungen zu den Basisrechtsakten finden in den fachlich zuständigen Ratsarbeitsgruppen statt. Der vom ER im Dezember 2018 vereinbarte Zeitrahmen sieht eine Einigung über den nächsten Finanzrahmen bis Herbst 2019 vor. Ein wichtiger Erfolg der österreichischen Ratspräsidentschaft war auch der nach schwierigen Verhandlungen mit dem EP erzielte Abschluss des EU-Budgets 2019. Die Einigung sieht Zahlungsermächtigungen in Höhe von etwa 148 Mrd. Euro und Verpflichtungsermächtigungen von rund 165 Mrd. Euro vor. Schwerpunkte des Budgets für 2019 liegen beim Schutz der EU-Außengrenzen, bei Forschung und Innovation sowie beim Austauschprogramm „Erasmus+“.

Position des BMF

Aus Sicht des BMF muss Österreich als Nettozahler der Reform der EU-Finanzen bzw. der zugrundeliegenden EU-Politiken eine besonders hohe Priorität einräumen. Ziel der Verhandlungen muss sein, dass ein Anstieg des Budgetvolumens, gemessen am gemeinschaftlichen BNE, vermieden wird. Die von der EK vorgeschlagene Fokussierung der Ausgaben auf Bereiche mit besonders hohem EU-Mehrwert im Einklang mit neuen bzw. verstärkten Prioritäten wird vom BMF unterstützt. Um die Finanzierung dieser neuen Aufgaben sicherzustellen, sind Reformen in allen Bereichen, insbesondere bei den großen traditionellen Ausgabenblöcken sowie bei der Verwaltung erforderlich. In Bezug auf die Finanzierung des EU-Budgets tritt das BMF für eine Abschaffung der von der Mehrwertsteuer abhängigen Eigenmittel ein.


 

8. Tagungen des ECOFIN-Rates 2019

Im 1. Halbjahr (Vorsitz Rumänien):

                         22. Jänner (Brüssel)

                         12. Februar (Brüssel)

                         12. März (Brüssel)

                         5./ 6. April (Bukarest; informell)

                         17. Mai (Brüssel)

                         14. Juni (Luxemburg)

 

Im 2. Halbjahr (Vorsitz Finnland):

                         Noch nicht bekannt

Beilagen:

Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission

Arbeitsprogramm der rumänischen Präsidentschaft