IV-19 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des EU-Ausschusses
des Bundesrates

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Mittwoch, 18. Juni 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des EU-Ausschusses
des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

Mittwoch, 18. Juni 2008

 

 

 

Tagesordnung

 

 

  1. COM KOM (07) 725 endg.

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Begleitdokument zu der Mitteilung "Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts"

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen:

Europas neues Engagement

(25199/EU XXIII.GP)

 

 

 

  1. COM KOM (08) 25 endg./2

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umsturzvorrichtungen für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern (statische Prüfungen)

(kodifizierte Fassung)

(32097/EU XXIII.GP)

 

Mitbehandlung der Vorschläge für Richtlinien des Rates und des EP:

 

COM KOM (07) 192 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Anbau der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern

(kodifizierte Fassung)

(11740/EU XXIII.GP)

 

COM KOM (07) 236 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rückspiegel von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern

(kodifizierte Fassung)

(13046/EU XXIII.GP)

 

 

COM KOM (07) 310 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umsturzvorrichtungen für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern

(15088/EU XXIII.GP)

 

COM KOM (07) 319 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Abschleppeinrichtung und den Rückwärtsgang von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern

(kodifizierte Fassung)

(15420/EU XXIII.GP)

 

COM KOM (07) 462 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Funkentstörung (elektromagnetische Verträglichkeit) von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen

(18864/EU XXIII.GP)

 

COM KOM (07) 588 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Geräuschpegel in Ohrenhöhe der Fahrer von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern

(kodifizierte Fassung)

(21891/EU XXIII.GP)

 

COM KOM (07) 840 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bauteil-Typgenehmigung der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen für land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern

(kodifizierte Fassung)

(27609/EU XXIII.GP)

 

 

 

 


Der EU-Ausschuss des Bundesrats beschäftigte sich am 18. Juni mit einem wichtigen und sensiblen Thema, nämlich den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Diese Frage war ein wesentlicher Punkt in den Verhandlungen um den Vertrag von Lissabon, in dessen Protokoll Nr. 26 die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten im Bereich der nicht-wirtschaftlichen Daseinsfürsorge festgelegt ist. Auf die Dienstleistungen im allgemeinen Interesse bzw. Sozialdienstleistungen ist das Subsidiaritätsprinzip uneingeschränkt anzuwenden.

 

Hintergrund für die Diskussion war die Mitteilung der Kommission unter dem Titel "Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts" mit dem dazugehörigen Begleitdokument "Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen: Europas neues Engagement".

 

Darin wird betont, dass diese Dienstleistungen den Binnenmarkt- und Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags unterliegen und die Rechtsunsicherheit dabei in erster Linie auf mangelnde oder fehlerhafte Kenntnis des Gemeinschaftsrechts zurückzuführen ist.

 

Österreich steht dieser Initiative der Kommission sehr kritisch gegenüber. Vor allem wird die Auffassung der Kommission, wonach es sich bei der Rechtsunsicherheit um ein Informationsdefizit handelt, nicht geteilt. Primäres Ziel müsse es sein, Rechtssicherheit zu schaffen, die Besonderheiten der sozialen Dienstleistungen seien jedoch angemessen zu berücksichtigen und zu schützen, so die Position der Regierung.

 

 

 

Diese ablehnende Haltung wurde nicht nur von den Bundesrätinnen und Bundesräten geteilt, sondern auch von den Auskunftspersonen, die als Experten eingeladen worden waren. So hielt es Herbert Prucher, Landesamtsdirektor-Stellvertreter aus Salzburg, für besonders problematisch, dass in der gegenständlichen Mitteilung nicht zwischen wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Dienstleistung unterschieden wird. Auch fehlte ihm eine Unterscheidung zwischen Gesundheits- und Sozialdiensten. Als nicht akzeptabel bezeichnete er den Plan der Kommission, den Europäischen Gerichtshof im Nachhinein entscheiden zu lassen, ob die Träger von derartigen Dienstleistungen den europäischen Bestimmungen entsprechen.

 

Johannes Schmid vom Österreichischen Städtebund teilte diese Sorge ebenso wie Nicolaus Drimmel vom Österreichischen Gemeindebund. Die Gemeinden trügen die Hauptlast der Daseinsfürsorge, betonte er, und sie gewährleisteten damit eine sozial ausgleichende Komponente. Drimmel wies die Ausschussmitglieder auch darauf hin, dass die Kommunen durch die EU bei ihren Bemühungen, sich zusammen zu schließen und zusammen zu arbeiten, behindert würden. Dieser interkommunalen Kooperation stehe in erster Linie das europäische Vergaberecht entgegen. Drimmel bezeichnete dies als einen Eingriff in die nationale Organisationsfreiheit.

 

 

 

Die Bundesrätinnen und Bundesräte griffen diese Kritikpunke in einer Ausschussfeststellung auf, die einstimmig beschlossen wurde. Darin betonen sie unter anderem die Notwendigkeit, insbesondere Sozialdienstleistungen als nicht-wirtschaftliche Dienstleistungen zu definieren. Im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sei dem kommunalen Selbstbestimmungsrecht absolute Priorität vor allfälligen Liberalisierungsinitiativen der Kommission einzuräumen, lautet eine weitere Forderung. Daher seien besondere Ausnahmen von den gemeinschaftlichen Vergaberechtsregeln vorzusehen, um die interkommunale Zusammenarbeit bei der Finanzierung und Bereitstellung dieser Dienste zu ermöglichen und auch "in-house"-Vergaben praktikabel zu gestalten.

 

Allgemein beseitige die Mitteilung nicht die seit langem bestehende Rechtsunsicherheit, bekräftigen die Bundesrätinnen und Bundesräte. Dezidiert sprechen sie sich dagegen aus, die Entscheidungen, welche Organisationsform öffentlicher Sozialdienstleistungen EU-rechtlich zulässig ist und welche nicht, ausschließlich der ex post-Analyse durch den EuGH zu überlassen. Die Kodifizierung der Rechtssprechung des EuGH im Gesundheits- und Sozialbereich wird strikt abgelehnt. Die Mitglieder des Ausschusses halten abschließend fest, dass Sozialdienstleistungen stark subsidiär ausgestaltet sein sollen.

 

 

Der Vorsitzende des Ausschusses, Bundesrat Gottfried Kneifel (V), ergänzte, Österreich wolle nicht auf seine hohen Standards verzichten. Selbstverständlich sei man aber für einen intensiveren Erfahrungsaustausch innerhalb der Union, um eine Optimierung zu erreichen.

 

Bundesrat Erich Gumplmaier (S) äußerte den Verdacht, dass die EU-Kommission die so mühsam erarbeitete Dienstleistungsrichtlinie umgehen wolle. Die Gesundheitsvorsorge, der Pflegedienst und soziale Dienste seien allgemeine Aufgaben und dürften auf keinen Fall den Wettbewerbsregeln unterworfen werden. Dazu meinte der Experte aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, die Dienstleistungsrichtlinie sei sehr komplex. Gesundheit und Soziales seien von deren Anwendungsbereich ausgenommen, das habe Österreich damals durchgesetzt. Was sich nicht in einem Sekundärrechtsakt finde, werde der Entscheidung des EuGH unterworfen. Wie seine Kollegin aus dem Sozialministerium konnte er nicht abschätzen, ob die Mitteilung rechtlich verankert werden soll. Die Mitteilung lasse auch offen, durch welche Inhalte Rechtssicherheit erzeugt werden könnte.

 

Als einen "massiven Irrweg" bezeichnete Bundesrat Albrecht Konecny (S) die geplante fallspezifische Entscheidung durch den EuGH. Offensichtlich drücke sich die Kommission vor einer klaren Definition und Abgrenzung und wolle dies auf den Gerichtshof abschieben. Dies könne man nur als eine "interinstitutionelle Chuzpe" bezeichnen, bemerkte er. Man könne auch nicht akzeptieren, dass der EuGH möglicherweise zu einem Urteil kommt, das den nationalen Konsens untergräbt. Die öffentliche Hand müsse die Möglichkeit haben, unabhängig von der Rechtsform Dienste anzubieten. Es sei jedenfalls absurd, wenn die Kommission auf Informationsmängel hinweist, meinte Konecny.

 

Der Plan der Kommission, in erster Linie mit Informationsdefiziten umgehen zu wollen, wurde auch von der Expertin des Sozialministeriums kritisch hinterfragt. Sie begrüßte aber die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Rahmen des Ausschusses für Sozialschutz, die sich mit der Frage der Rechtsunsicherheit auseinander setzt. Noch in diesem Sommer soll ein Fragebogen ausgesendet werden, informierte sie die Ausschussmitglieder. Der EU-Kommission müsse bewusst sein, dass die Festsetzung von Qualitätskriterien Aufgabe der Nationalstaaten sei. Österreich wolle aber den Erfahrungsaustausch unterstützen, da über die Qualitätskriterien Zugangskriterien definiert werden können.

 

Die fehlenden Definitionen in der genannten Mitteilung wurden auch von Bundesrätin Eva Konrad (G), Bundesrat Günther Köberl (V) und Bundesrat Erwin Preiner (S) kritisiert. Preiner unterstrich insbesondere die Notwendigkeit der interkommunalen Zusammenarbeit. Herbert Prucher stimmte dem vollinhaltlich zu, indem er bekräftigte, man brauche klare Strukturen, vor allem vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung.

 

Auf die Fragen der Bundesräte Jürgen Weiss (V) und Andreas Schnider (V), inwieweit die Position Österreichs von anderen Ländern geteilt wird und ob es diesbezügliche kommunale und regionale Vernetzungen gibt, antwortete Nicolaus Drimmel, Deutschland und Frankreich wiesen ähnliche Interessenslagen auf. Es gebe auch Kontakte mit skandinavischen Ländern.

 

 

Beim zweiten Tagesordnungspunkt ging es um Vorschläge zu Richtlinien über technische Ausstattungen für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen. Ausschussvorsitzender Bundesrat Gottfried Kneifel (V) stellte dazu fest, man habe dieses Thema bewusst auf die Tagesordnung genommen, weil man als Mandatar und Mandatarin immer wieder auf die Regelungswut der EU-Kommission angesprochen werde. Der Ausschuss wollte daher die Richtlinienvorschläge zum Anlass nehmen, um in die Tiefe zu gehen und zu prüfen, ob die Vorschriften europäischer Regelungswut entspringen oder den Wünschen von Produzenten entsprechen, um im europäischen Wettbewerb bestehen zu können.

 

Dazu hielt der Vertreter des Verkehrsministeriums fest, die gegenständlichen Richtlinienentwürfe stellten lediglich eine Neukodifizierung des geltenden Rechts dar. Es gäbe keinerlei inhaltliche Änderungen. Alles sei bereits in nationales Recht umgesetzt worden. Aufgrund der mehrmaligen Änderungen der Richtlinien in Folge der technischen Weiterentwicklung habe man sich zu einer Neukodifizierung entschlossen, damit man es den Anwendern leichter mache. Inhaltlich gehe es um mehr Sicherheit und um eine einheitliche Wettbewerbssituation. Die Richtlinien basierten auf dem Wunsch der Hersteller nach einer gemeinsamen Vorgangsweise und nach gemeinsamen Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Mit diesen Feststellungen wurde auch eine Frage von Bundesrat Friedrich Hensler (V) beantwortet.

 

Auch wenn sich durch die Darstellung der Experten die Nebel um die Richtlinien gelichtet haben, wie Bundesrat Gottfried Kneifel (V) bemerkte, wurde auf seinen Vorschlag die Diskussion darüber einstimmig vertagt. Die Bundesrätinnen und Bundesräte wollen vor weiteren Beratungen Stellungnahmen der Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer einholen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgende Ausschussfeststellung wurde einstimmig angenommen:

 

 

 

 

Antrag

 

betreffend COM KOM (07) 725 endg. Mitteilung der EK, Begleitdokument zu der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen“ (25199/EU XXIII. GP)

 

 

Der EU-Ausschuss wolle beschließen:

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat die Mitteilung der Europäischen Kommission COM KOM (07)725 endg., Begleitdokument zu der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen“ (25199/EU XXIII. GP) am 18. Juni 2008 in öffentlicher Sitzung beraten und beschließt auf der Grundlage der gemeinsamen Stellungnahme der Bundesländer vom 15. Mai 2008 (VSt-5527/20) sowie der Informationen der Bundesregierung und des EU- und Internationalen Dienstes der Parlamentsdirektion folgende

 

 

 

Ausschussfeststellung:

 

 

I.

 

„Stellungnahme an die Europäische Kommission

 

Durch die Mitteilung der EK, Begleitdokument zu der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen“ COM KOM (07)725 endg. werden die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Der Ausschuss sieht sich aber zu folgenden Bemerkungen veranlasst:

 

1)      Überaus kritisch zu sehen ist der Umstand, dass die Kommission –entgegen dem langjährig von Österreich vertretenen Standpunkt – erneut darauf verzichtet hat, insbesondere Sozialdienstleistungen ausdrücklich als "nichtwirtschaftliche Dienstleistungen" zu definieren bzw. im Umkehrschluss (wenn auch nicht klar ausgesprochen) die Tendenz erkennen lässt, Sozialdienstleistungen als "Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ zu klassifizieren. Daraus resultiert grundsätzlich die volle Anwendbarkeit der Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags, trotz der angesprochenen eingeschränkten Notifizierungspflicht als Folge des Urteils Altmark.

 

2)      Im Bereich sowohl der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wie auch von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten insbesondere gem. Art. 14 (neue Nummerierung) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie die dem kommunalen Selbstbestimmungsrecht entsprechende wirtschaftlichen Wahlfreiheit absolute Priorität vor allfälligen Liberalisierungsinitiativen der Kommission einzuräumen.

Besondere Ausnahmen von den gemeinschaftlichen Vergaberechtsregeln und vom Binnenmarktregime müssen vorgesehen werden, um die interkommunale Zusammenarbeit bei Finanzierung und Bereitstellung dieser Dienste zu ermöglichen und auch „in-house“-Vergaben praktikabel zu gestalten.

 

3)      Insgesamt beseitigt die Mitteilung – entgegen den in sie gesetzten Hoffnungen – nicht die seit langem bestehende Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet der sozialen Dienstleistungen. Klare Regelungen, Definitionen und Abgrenzungen – vor allem zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen – fehlen auch weiterhin.

 

4)      Stattdessen wird betont, es müsse stets „auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt werden". Damit wird die Festlegung, welche Organisationsform öffentlicher Sozialdienstleistungen EU-rechtlich zulässig ist und welche nicht, im Ergebnis weiterhin so gut wie ausschließlich der ex post – Analyse durch den EuGH überlassen. Dies führt zu substanziellen und kaum zumutbaren Unsicherheiten bei der Planung, Bereitstellung und Finanzierung dieser Dienste.

 

5)      Unklar bzw. nicht frei von Widersprüchen ist insbesondere auch das Verhältnis der nunmehrigen Mitteilung zur im Dezember 2006 beschlossenen allgemeinen Dienstleistungsrichtlinie, welche bekanntlich Sozialdienstleistungen zum großen Teil ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen (und damit auch eine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln zum Ausdruck gebracht) hat. Ausgenommen sind soziale Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sozialwohnungen, der Kinderbetreuung sowie der Unterstützung von Familien und dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Personen, die vom Staat, durch von ihm beauftragte Dienstleistungserbringer oder durch von ihm als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen erbracht werden.

 

6)      Die Mitteilung enthält keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Gesundheits- und Sozialdienstleistungen. Insbesondere bleibt die Frage unbeantwortet, ob Dienstleistungen im Pflegebereich den Sozial- oder Gesundheitsdienstleistungen zuzuordnen sind. Diese Abgrenzungsproblematik bleibt im Kommissionsdokument unbeachtet.

 

7)      Die Kodifizierung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Gesundheits- und Sozialbereich wird abgelehnt. Es ist sicher zu stellen, dass in einem allfälligen EU-Rechtsakt Schutzbestimmungen für durch Gastpatienten überlastete Systeme verankert werden. Im Rahmen der Kostenerstattung sind dem Behandlungsmitgliedstaat die tatsächlich angefallenen Behandlungskosten zu ersetzen.

 

8)      Abschließend wird festgehalten, dass in der Mitteilung bedauerlicherweise nicht zum Ausdruck kommt, dass Sozialdienstleistungen stark subsidiär ausgestaltet sein sollen. Staatliche Intervention soll nur dort wo dies absolut erforderlich stattfinden und wenn dies der Fall ist, dann soll die Intervention von der den Bürgern jeweils am nächsten liegenden Ebene, die noch zur Aufgabenerfüllung in der Lage ist und mit den geringst möglichen Eingriffen in die Privatsphäre erfolgen. Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger sollen im größtmöglichen Umfang gewahrt bleiben und unterstützt werden. Überdies sind staatliche Leistungen dem Grunde nach Teil des europäischen Gesellschafts- und Sozialmodells, wie es etwa mit den der ökosozialen Marktwirtschaft entsprechenden Grundsätzen auch im Vertrag von Lissabon verankert wird."

 

 

 

II.

 

Der EU-Ausschuss übergibt dem Präsidenten des Bundesrates diese Ausschussfeststellung gem. § 34 Abs. 6 GO-BR zur Veröffentlichung als Kommuniqué.

 

 

III.

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates ersucht den Präsidenten des Bundesrates, dieses Kommuniqué einschließlich der angeschlossenen gemeinsamen Länderstellungnahme vom 15. Mai 2008 (VSt-5527/20) zu der Mitteilung der Europäischen Kommission COM KOM (07)725 endg., Begleitdokument zu der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen“ an die Europäische Kommission, an die österreichische Bundesregierung, an die COSAC bzw. IPEX sowie an das Europäische Parlament zu übermitteln.