Parlament Österreich

 

 

 

IV-30 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 20. Oktober 2009

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Dienstag, 20. Oktober 2009

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Tagesordnung

 

 

 

RAT 11300/09

Preparing the Stockholm Programme - Organisation of discussions in the Council

(14684/EU XXIV.GP)

 

und

 

KOM (09) 262 endg.

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat

Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger

(14104/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine teils sehr kritische Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission betreffend das so genannte "Stockholm-Programm" für den Zeitraum 2010 bis 2014 fasste heute der EU-Ausschuss des Bundesrats einstimmig. Der Bundesrat hatte in seiner Sitzung vom 21. Juli 2009 beschlossen, Stellungnahmen dazu vom Innenministerium, Städte- und Gemeindebund sowie Wirtschafts- und Bundesarbeitskammer einzuholen. Das "Stockholm-Programm" war auch Thema des EU-Unterausschusses des Nationalrats, der am selben Tag zusammentrat.

 

 

 

Das Stockholm-Programm soll dem "Haager-Programm" folgen, das in den Jahren 2005 bis 2009 die Grundlage für die Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz bot. Die in der Mitteilung "Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienst der Bürger" enthaltenen Vorschläge stellen eine Diskussionsgrundlage für den Rat Justiz und Inneres dar. Der konkrete Entwurf für das zukünftige "Stockholm-Programm“ wurde von der Kommission kürzlich übermittelt. Es soll noch im Dezember dieses Jahres beschlossen werden.

 

Als besondere Herausforderung sieht die Kommission den Kampf gegen die Cyberkriminalität und den Terrorismus an. Sie strebt aber auch eine weitere Intensivierung und Harmonisierung im Zusammenhang mit Migration und Asyl an. Die Bedenken Österreichs richten sich vor allem gegen eine Überreglementierung auf EU-Ebene mit Auswirkungen auf zentrale Kompetenzen der Mitgliedstaaten, wie dem Zugang zum Arbeitsmarkt, die Gewährung von Sozialleistungen, Freizügigkeit und Legalisierung. Die angestrebte Harmonisierung könnte auf eine problematische Erweiterung der Zulassungsmöglichkeiten von Drittstaatsangehörigen zum Arbeitsmarkt hinauslaufen, heißt es etwa in der Stellungnahme des Sozialministeriums.

 

 

Ehe der Bundesratsausschuss seine Ausschussfeststellung annahm, kamen Experten aus den Ressorts zu Wort. Ingrid Sonnleitner vom Justizministerium bezeichnete das Dokument der Kommission als ausgewogenes Papier, das positiv bewertet werden könne. Hervorzuheben sei dabei, dass die BürgerInnen in den Mittelpunkt gestellt werden. Erfreulich seien die Vorhaben zu den Themen Aus- und Weiterbildung, ebenso die Einschätzungen in Bezug auf die Menschenrechte. Als ausgewogen bezeichnete die Expertin weiters die Bereiche, die das Strafrecht betreffen.

 

Maria Ziniel vom Innenministerium verwies auf die Ausführungen der Bundesministerin zur grenzübergreifenden Kriminalität und thematisierte sodann Aspekte der Migration und des Menschenhandels, wo auf europäischer Ebene Handlungsbedarf bestehe. Weiters äußerte sie sich zum Themenkomplex Integration. Johann Brieger vom BMEIA beleuchtete das Programm der Kommission in seiner außenpolitischen Dimension und ging dabei vor allem auf den Aspekt der Menschenrechte ein. Ulrike Neufang vom Sozialministerium setzte sich mit Fragen des Arbeits- und Sozialrechts, mit Arbeitsmigration, hier insbesondere mit der zirkulären Migration, mit Aspekten der Existenzsicherung und mit diesbezüglichen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung europäischer und nationaler Kompetenzen auseinander.

 

Bundesrat Albrecht Konecny (S) bezeichnete die hier gewählte Vorgangsweise als positiv und beispielhaft. Im Gegensatz zu dem unglücklichen Beschluss in Sachen Glühbirnen habe die Union hier einen transparenten Weg gewählt und längerfristige Überlegungen angestellt, die entsprechend diskutiert werden könnten. So könne man die BürgerInnen für die Union gewinnen, unterstrich der Redner, der die Vorlage begrüßte, wenngleich man noch einige Punkte werde diskutieren müssen. Detailfragen kamen weiters von den BundesrätInnen Friedrich Hensler (V), Susanne Neuwirth (S) und Franz Eduard Kühnel (V).

 

In der einstimmig angenommenen Ausschussfeststellung hält der Bundesrat fest, dass er die politischen Prioritäten der Kommission ausdrücklich unterstützt. Mit den Grundsätzen der Subsidiarität allerdings unvereinbar erscheinen Überlegungen betreffend einheitlicher europäischer Regelungen im Zusammenhang mit der Migration und dem Zugang zum Arbeitsmarkt. Zudem, so halten die Bundesräte weiters fest, seien in einzelnen Punkten Bedenken aus grund- und datenschutzrechtlicher Sicht angebracht. Der Bundesrat geht jedoch davon aus, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung bei den Verhandlungen über das Dokument in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Länderkammer vorgehen und ihre Zustimmung von der Klärung der genannten Punkte abhängig machen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Folgender Antrag auf Ausschussfeststellung wurde einstimmig angenommen:

 

 

 

EU-Ausschuss des Bundesrates am 20. Oktober 2009

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

betreffend RAT 11300/09, Preparing the Stockholm Programme – Organisation of discussions in the Council (14684/EU XXIV. GP) und KOM (09) 262 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger“ (14104/EU XXIV.GP)

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:

 

 

I. Stellungnahme an die Europäische Kommission

 

Der bevollmächtigte EU-Ausschuss des Bundesrates hat das Vorhaben betreffend RAT 11300/09, Preparing the Stockholm Programme – Organisation of discussions in the Council (14684/EU XXIV. GP) am 20. Oktober 2009  und die Mitteilung der Kommission KOM (09) 262 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat betreffend „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger“ (15466/EU XXIV.GP bzw. 14104/EU XXIV.GP) am 21. Juli und am 20. Oktober 2009 in öffentlicher Sitzung beraten und kommt zu folgendem Ergebnis:

 

 

Die in der Mitteilung vorangestellten politischen Prioritäten der Kommission – insbesondere jene, die Europa als Garant der Grundrechte und Grundfreiheiten definieren –  werden ausdrücklich unterstützt. Mit den Grundsätzen der Subsidiarität unvereinbar erscheinen allerdings die Überlegungen betreffend EU einheitliche Regelungen im Zusammenhang mit Migration und  dem Zugang zum Arbeitsmarkt. Zudem sind bei einzelnen Punkten der Mitteilung Bedenken aus grundrechtlicher und datenschutzrechtlicher Sicht angebracht. Diesbezüglich wird grundsätzlich auf die einstimmig beschlossene Stellungnahme des Österreichischen Datenschutzrates verwiesen.

 

 

 

Zu den einzelnen Teilen des Vorhabens gibt der Ausschuss folgende Stellungnahme ab:

 

 

  1. Die politische Priorität "Europa als Garant der Grundrechte und Grundfreiheiten": wird unterstützt, insbesondere der von der Kommission gewählte Ansatz, die BürgerInnen in das Zentrum der Überlegungen zu stellen. In diesem Zusammenhang wird der Vorschlag zum Beitritt der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention begrüßt. Im Sinne dieses Ansatzes soll die Kommission aufgefordert werden, für die Gleichwertigkeit von Grundrechten und Grundfreiheiten einzutreten. Im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention muss darauf hingewirkt werden, dass sich die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jene des Europäischen Gerichtshofes nicht auseinander entwickeln bzw. zu einander in Konflikt geraten.

 

Das Recht auf Schutz der Privatsphäre muss in Anbetracht neuer Technologien, und des zunehmenden grenzüberschreitenden Datenaustausches gesichert bleiben. Das heißt, dass die von der Kommission angestrebte gegenseitige Nutzung verschiedenster Datenbanken und Register flankierend der Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus bedarf. Der automatische Austausch von Informationen verlangt Maßnahmen zur Verhinderung der Umgehung der jeweils vorgesehenen Zweckbindung. Die Einrichtung solcher Systeme des Datenaustausches muss daher von Individualrechtsschutzmechanismen auch auf europäischer Ebene begleitet werden, das bedeutet insbesondere auch ein möglichst einfacher Zugang zum Recht für den/die einzelne BürgerIn sowie die Sicherstellung ausreichender Kontrolleinrichtungen auf dem Gebiet des Datenschutzes, die mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet sind.

 

  1. Die Kommission ist in ihren Bestrebungen, den Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verstärkt fortzusetzen, zu unterstützen, einschließlich besonderer Formen von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Religion, des Alters, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung (z.B. Homophobie).

 

  1. Die Überlegungen der Kommission zur 2. Priorität (Erleichterung für die Bürger: Europa als Raum des Rechts und der justiziellen Zusammenarbeit) werden unterstützt, insbesondere die Erleichterungen des Zugangs zum Recht in allen Mitgliedsstaaten. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von justiziellen Entscheidungen sollte perspektivisch weiter ausgebaut werden, um die Rechtsdurchsetzung auch in einem anderen Mitgliedsstaat ohne zwischengeschaltetes Anerkennungsverfahren zu ermöglichen. Grundvoraussetzung dafür ist – wie die Kommission richtig erkannt hat – jedoch der Aufbau gegenseitigen Vertrauens und gemeinsamer Mindeststandards. Weiters sollte daran gearbeitet werden, die Zusammenarbeit der Behörden zu vereinfachen und zu fördern, auch im Bereich der Beweisverfahren (etwa im Zusammenhang mit der Durchsetzung von arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften im Bereich der Entsendung von ArbeitnehmerInnen). Bei all diesen Maßnahmen – insbesondere wenn sie Bereiche des Strafrechts betreffen – ist der vollständige Schutz der Grundrechte der BürgerInnen sicherzustellen und das Subsidiaritätsprinzip zu beachten.

 

  1. Grenzüberschreitende Bedrohungen, wie Terrorismus und organisierte Kriminalität sowie schwere Kriminalitätsformen stellen für die Europäische Union eine zentrale Herausforderung dar, wofür ohne Zweifel eine Strategie der inneren Sicherheit zu entwickeln ist, die im Rahmen der  Europäischen Grundrechte den Schutz der Bürger sicherstellt. (Ein Europa, das Schutz bietet).

 

  1. Die prioritäre Behandlung der 5 Schwerpunktthemen Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie, Cyberkriminalität, Wirtschaftskriminalität und Drogenbekämpfung unter dem Überbegriff „Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ im Rahmen der 3. Priorität („Schutz der Bürger – ein Europa, das Schutz bietet“) des Vorschlags der Kommission wird begrüßt. Darüber hinaus sollte auch dem deutlich wachsenden Problem der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität in Form von Eigentumsdelikten Priorität eingeräumt werden. Wesentlich wäre, die organisierte Begehung von Eigentumsdelikten (Banküberfälle, Einbrüche, Autodiebstähle, Betrug etc.) auch auf europäischer Ebene als schwerwiegende Kriminalitätsform zu definieren und zu bekämpfen. Dies würde den wachsenden Besorgnissen der Bevölkerung und damit dem Postulat des Bemühens um eine verstärkte  Bürgernähe der EU entsprechen.

 

Anerkannt werden muss die Notwendigkeit eines besseren Datenaustausches zwischen den EU-Polizeibehörden, insbesondere zur Terrorismusbekämpfung. Die bisher im Rahmen des Prümer Vertrags eingeführten Datenaustauschprogramme der Polizeibehörden wären zu evaluieren.

Gleiches gilt für die Beobachtung der Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Datenschutz in der 3. Säule, d.h. im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Wenn sich herausstellt, dass dessen Bestimmungen nicht ausreichen, um ein gleichmäßig hohes und den besonderen Bedürfnissen einer effektiven Bekämpfung organisierter und schwerer Kriminalität Rechnung tragendes Datenschutzniveau zu gewährleisten, sollten ergänzende Überlegungen in Richtung eines Gesamtkonzepts für den Datenschutz im grenzüberschreitenden Datenverkehr zur Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung vorgenommen werden.

 

Vertiefender Überlegung bedarf die effektive Bekämpfung und Verfolgung typisch grenzüberschreitender Straftaten, wozu auch Maßnahmen zählen, die verhindern sollen, dass sich Beschuldigte den Untersuchungen und der Strafverfolgung entziehen können. Eine „Europäische Beweisanordnung“ wäre nur vorstellbar, wenn gleichzeitig ein hohes Rechtsschutzniveau und effektiver Zugang zu nationalen Rechtsschutzmechanismen gewährleistet ist.

 

Beispielsweise im Zusammenhang mit dem europäischen Haftbefehl müssen auch geeignete und angemessene strafrechtliche Entschädigungsregelungen sichergestellt sein bzw. werden, sei es auf Ebene der Mitgliedsstaaten oder auf europäischer Ebene.

 

Zu diskutieren sind in diesem Zusammenhang insbesondere auch Maßnahmen zur Beschleunigung von Verfahren zur Reduktion von Untersuchungshaft unter gleichzeitiger Sicherstellung der Überprüfung von erteilten Auflagen u.dgl..

 

Zur besseren Sicherung der EU-Außengrenzen werden neue Kontrollen und Überwachungen (integriertes Grenzmanagement) vorgeschlagen. Die vorgesehene Trennung von Privat- und Geschäftsreisenden an den Grenzübergängen ist zu überdenken. Die Fragen von Zweckmäßigkeit und Kosten müssen jedenfalls geklärt werden.

 

Rechtsstaatlich zu begrüßen wäre die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für Kooperationsvereinbarungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den IT-Betreibern zur Bekämpfung der Cyberkriminalität, mit denen grenzübergreifende Ermittlungen und Untersuchungen erleichtert werden. Betont wird, dass die Kriterien für grundrechtsrelevante Eingriffe gesetzlich festgelegt sein müssen. Dadurch und durch einen geeigneten rechtlichen Rahmen für die Kooperationsvereinbarungen ist ein angemessener Rechtsschutz für den Einzelnen sicherzustellen.

 

  1. Es wird begrüßt, dass die Kommission in ihrer 4. Priorität „Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts – ein Europa der Solidarität“ feststellt, dass Einwanderung und Bedürfnisse des Arbeitsmarktes enger miteinander verknüpft werden müssen. Im künftigen „Stockholm Programm“ muss insbesonders den langfristigen Auswirkungen von Migration auf den Arbeitsmarkt und dabei auch der sozialen Lage von MigrantInnen entsprechende Aufmerksamkeit erteilt werden.

 

  1. Dem Befund der EK, dass die effiziente Steuerung der Migrationsströme zu den größten Herausforderungen, denen sich die Europäische Union zu stellen habe, gehört, wird zugestimmt. Österreich unterstreicht hier die hohe Verantwortung in Bezug auf den künftigen Integrationsbedarf, insbesondere Arbeitsplätze für den Familiennachzug, die Versorgung mit Infrastruktur und Wohnung, sowie der Zugang zu Dienstleistungen und zu Bildung. In die Überlegungen zum künftigen Stockholmer Programm ist der wichtige Konnex von Integration und Immigration mitzubedenken und entsprechend zu formulieren.

 

  1. Österreich tritt dafür ein, dass eine verantwortungsvolle Arbeitsmigrationspolitik das Ziel verfolgen muss, MigrantInnen in geeigneter Form gleich zu stellen und zu verhindern, dass sie für Lohn- und Sozialdumping instrumentalisiert werden.

 

  1. Die EK sieht bei den bilateralen Beziehungen der EU zu Drittstaaten eine Verschiebung der Schwerpunktsetzung von der Bekämpfung der illegalen Migration zur Regelung der legalen Migration vor. Hier werden insbesondere Maßnahmen der zirkulären Migration als adäquates Instrument angeführt. Das Konzept der EK zur zirkulären Migration (befristete Zulassung für einige Jahre mit obligatorischer Rückkehr und ohne Integration) wird von Österreich aufgrund seiner Erfahrungen abgelehnt. Abgesehen davon, dass eine freiwillige Rückkehr trotz zeitlicher Befristung der Zulassung nicht realisierbar ist, gilt es insbesondere zu bedenken, dass gerade befristet Beschäftigte Gefahr laufen, unter ihrer Qualifikation beschäftigt und Opfer von Lohn- und Sozialdumping zu werden, mit den entsprechenden Auswirkungen sowohl für sie selbst als auch für den Arbeitsmarkt insgesamt. Insgesamt besteht Österreich auf dem Prinzip der Freiwilligkeit bei der Teilnahme an Maßnahmen, insbesondere im Rahmen von Mobilitätspartnerschaftsabkommen.

 

  1. Der Befund der Kommission, dass die nationale Kompetenz der Mitgliedstaaten betreffend Zuwanderung und zur Zulassung Drittstaatsangehöriger auf ihren nationalen Arbeitsmarkt „voll und ganz zu achten“ sei, wird begrüßt. Diese Zuständigkeit darf aber auch nicht durch die Nebeneffekte von anderen Maßnahmen auf europäischer Ebene ausgehöhlt werden. Eine Kompetenzgrundlage der EU  für eine Erweiterung der Zulassungsmöglichkeiten von Drittstaatsangehörigen zum Arbeitsmarkt auf EU-Ebene ist aus Sicht  des Ausschusses mit Verweis auf das entsprechende Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates nicht gegeben. Tendenzen, die in diese skizzierte Richtung gehen, wie zum Beispiel aktuelle anstehende Auslegungen im Bereich der Entsendung von ArbeitnehmerInnen oder Überlegungen über einen einheitliche Rechtsstatus für legale Einwanderer aus Drittstaaten, der vergleichbar dem der Gemeinschaftsbürger ist, werden als problematisch eingeschätzt, da sie ebenfalls auf eine Erweiterung der Zulassungsmöglichkeiten in den einzelnen Mitgliedstaaten und letztlich auf eine Beschneidung der nationalen Kompetenzen betreffend Arbeitsmarktzugang von Drittstaatsangehörigen hinauslaufen.

 

  1. Jedenfalls sind bei Fragen, die den Arbeitsmarkt betreffen (Arbeitsrecht aber auch sonstige Arbeitsbedingungen und Gewährung von sozialen Rechten), die dafür zuständigen EU-Beschäftigungs- und SozialministerInnen sowie die nationalen Parlamente umfassend einzubinden und auch die Sozialpartner in die Diskussion darüber einzubeziehen.

 

  1. Zu den in der Mitteilung angesprochenen Fragen im Zusammenhang mit Asyl wird auf die bereits abgegebene Stellungnahme des Ausschusses vom 3. Februar.2009 zu den entsprechenden Legislativvorschlägen verwiesen.

 

  1. Generell gilt, dass bei der Umsetzung aller im zukünftigen „Stockholm Programm“ angedachten Maßnahmen das Europäische und die nationalen Parlamente umfassend eingebunden sein müssen, um die Legitimationsbasis von Maßnahmen in demokratiepolitisch wichtigen Bereichen im höchst möglichen Maß zu garantieren.

 

  1. Abschaffung des Exequaturverfahrens:

Die EU-weite Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen ist zweifellos ein Beispiel für die positive Entwicklung der letzten Jahre. Es wurden schon mehrfach Initiativen zur Abschaffung des Exequaturverfahrens ergriffen. Jedenfalls muss sichergestellt werden, dass die jeweiligen Rechtstraditionen und Rechtsgrundsätze der einzelnen Mitgliedstaaten hinreichend berücksichtigt werden. Als Beispiel hierfür sei die Thematik Strafschadenersatz angeführt. „Punitive damages“ werden vor allem in kontinentaleuropäischen Ländern als gegen den ordre public verstoßend angesehen. Trotz wiederholter gegenteiliger Beteuerungen werden auch von der Kommission derartig absolut abzulehnende Ansätze in deren Dokumenten immer wieder als einführenswert angeführt.

 

Auch der einzelne Bürger muss weiterhin die Möglichkeit eingeräumt erhalten, sich wirksam und effektiv gegen allfällige Missbräuche derartig erleichterter Vorgehensweisen schützen zu können.

 

Auffallend ist allerdings die Diskrepanz dieses Dokuments zu anderen von der Kommission publizierten. Hier wird betont, dass das Exequaturverfahren generell abgeschafft werden muss. Im Grünbuch zur Überprüfung der EuGVVO wird diese Frage demgegenüber offen gelassen.

 

  1. Streitsachen mit in Drittländern ansässigen Parteien

Die Erläuterungen zu diesem Punkt sind nicht sehr aussagekräftig, so dass wohl erst die weitere Diskussion wird aufzeigen können, inwieweit eine derartige Ausweitung der Zuständigkeiten der Europäischen Union zulässig und zweckmäßig sein könnte. Insbesondere wird es auch darauf ankommen, mit welchen Drittstaaten eine – wohl wechselseitige – Verbesserung des Schutzes in Streitsachen erreicht werden kann. Die unerlässliche Berücksichtigung der jeweiligen Rechtstraditionen und Rechtsgrundsätze der jeweiligen Mitgliedstaaten wird gerade bei Streitsachen mit Drittlandbezug eine besondere Bedeutung erhalten.

 

  1. Europa als Raum der justiziellen Zusammenarbeit

Aufgrund der bestehenden, grundrechtlich abgesicherten Rechtslage ist unionsweit keine Konstellation denkbar, in der eine (juristische oder natürliche) Person keine rechtliche Möglichkeit haben soll, ein Gericht anzurufen und zivilrechtliche Ansprüche („civil rights and obligations“) angemessen zu verfolgen. Beim Justizgewährungsanspruch handelt es sich um ein subjektives öffentliches Recht des Einzelnen gegen den Staat auf Entscheidung seines Privatrechtsstreits.

 

Es kann daher jedermann in der Europäischen Union darauf vertrauen, dass er umfassenden Rechtsschutz genießt und sein Recht im Bedarfsfall grundsätzlich auch durchsetzbar ist. Der Schutz der dem Bürger auch aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte ist daher in wirksamer Weise gewährleistet. Die Einführung zusätzlicher Verfahren, damit Rechte überall in der Union geltend gemacht werden können, ist insoweit abzulehnen, als sie die derzeit geltenden Grundsätze der gerichtlichen Zuständigkeitsregeln verletzen. Abzulehnen ist jede Form von „Gerichtstourismus“ u. dgl. („forum shopping“).

 

Die jeweiligen nationalen Vertragsrechte bilden zweifellos wesentliche Kerne der nationalen Gesetzeslage. Ein Eingriff in diese Materien hat daher unter Berücksichtigung vor allem des Subsidiaritätsprinzips und im Hinblick auf die Vertragsfreiheit – wenn überhaupt – nur behutsam zu erfolgen. So haben Eingriffe auf rein innerstaatliche Sachverhalte zu unterbleiben. Auffallend ist allerdings, dass die Europäische Union selbst mitunter die Möglichkeit der Schaffung eines einfachen Standards ablehnt, so z.B. hinsichtlich der Verankerung einer einheitlich geltenden Rücktrittsbelehrung im Rahmen des vorgestellten Entwurfs der Verbraucherrechterichtlinie.

 

  1. Die Einführung von Musterverträgen wird kritisch gesehen,  da diese dazu neigen rasch zu soft law u.ä.m. zu mutieren. Ganz abgesehen davon, dass schon aufgrund der verschiedensten Divergenzen in den jeweiligen nationalen zivilrechtlichen Vorschriften ein EU-einheitliches Muster sehr rasch an seine Grenzen stoßen könnte, schränkt eine derartige Vorgehensweise zumindest faktisch die Vertragsfreiheit wesentlich und nachhaltig ein.

 

Unklar ist, was unter „fakultative, rein europäische Regelung für Unternehmen“ gemeint ist. Insoweit damit eine Art z.B. europäisches Unternehmergesetzbuch verstanden wird, darf nicht übersehen werden, dass weite Bereiche des Rechts bei weitem nicht nur für Unternehmer gelten. Kann keine fugenlose Regelung im Hinblick auf die nicht in einer derartigen Regelung umfassten Materien garantiert werden, ist mehr mit Schwierigkeiten, denn mit Begünstigungen durch eine derartige Regelung zu rechnen – denn wirtschaftliches Handeln passiert nicht nur vollkommen losgelöst vom Alltag.

 

  1. bessere europäische Rechtsetzung

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die Kommission betont, wie wichtig die Qualität der Rechtsetzung ist, und mögliche Folgen der Vorschläge für die Bürger und ihre Grundrechte, die Wirtschaft oder die Umwelt schon bei ihrer Ausarbeitung bedacht werden müssen.

 

 

 

II.

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates geht davon aus, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres, die Bundesministerin für Justiz und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, bei den Verhandlungen und Abstimmungen betreffend die  vorliegenden Vorhaben in Übereinstimmung mit der vorstehenden Stellungnahme an die Europäische Kommission vorgehen werden und – soweit es konkrete Rechtsakte betrifft - ihre Zustimmung von der Erfüllung der oben genannten Punkte abhängig machen.

 

 

 

III. Kommuniqué

 

Der EU-Ausschuss übergibt dem Präsidenten des Bundesrates diese Ausschussfeststellung gem. § 34 Abs. 6 GO-BR zur Veröffentlichung als Kommuniqué.

 

Der EU-Ausschuss ersucht den Präsidenten des Bundesrates, dieses Kommuniqué an die Europäische Kommission, an den Rat, an die österreichische Bundesregierung, an den Ausschuss der Regionen, an die COSAC bzw. IPEX und an das Europäische Parlament zu übermitteln.