Parlament Österreich

 

 

 

IV-36 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 5. Oktober 2010

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Dienstag, 5. Oktober 2010

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Tagesordnung

 

 

 

1.    COM KOM (10) 365 endg.

Grünbuch

Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme

(34486/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

2.    COM KOM (10) 378 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen  für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung

(34893/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

3.    COM KOM (10) 379 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Ausübung einer saisonalen Beschäftigung

(34897/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grünbuch Pensionssysteme

 

 

Der erste Tagesordnungspunkt des EU-Ausschusses des Bundesrats vom 5. Oktober 2010 betraf das Grünbuch "Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme". Die Stimmen dazu waren zwar nicht euphorisch, man anerkannte aber das Bemühen der Kommission um Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Pensionssysteme. Allgemein wurde betont, dass sich die staatlichen Pensionen und das Umlagesystem in Österreich in der Krise bewährt haben und am besten in der Lage sind, nicht nur einen umfassenden Schutz sicherzustellen, sondern auch die Solidarität innerhalb der Gesellschaft zu gewährleisten.

 

Der Kommission geht es im Grünbuch darum auszuloten, wie die EU den Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Aufgabe, die Pensionssysteme zu sichern,  helfen kann, zumal auf EU-Ebene die nationalen Vorsorgesysteme durch zahlreiche Maßnahmen unterstützt werden, die von der strategischen Koordinierung bis hin zu Rechtsakten, etwa in Zusammenhang mit dem Funktionieren des Binnenmarkts, reichen. Die Kommission bezeichnet es als eine vorrangige Aufgabe, ein angemessenes und nachhaltiges Ruhestandseinkommen für die EU-BürgerInnen sicherzustellen. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten für Pensionen und die Rolle der Sozialpartner wird dabei nicht in Frage gestellt. Ein ideales, universelles Pensions-, bzw. Rentenmodell gibt es nicht, heißt es im Grünbuch.

 

Das Grünbuch behandelt vor allem folgende Themen: angemessene Einkommen im Ruhestand sichern und für langfristig nachhaltige Pensions- und Rentensysteme sorgen; ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeitslebens und des Ruhestands erreichen und Möglichkeiten schaffen, um länger im Arbeitsleben zu bleiben; Hindernisse für Menschen, die in verschiedenen EU-Ländern arbeiten, bei Pensions- und Rentenprodukten beseitigen; im Gefolge der Wirtschaftskrise Pensionen und Renten sowohl jetzt als auch langfristig besser absichern; für mehr Transparenz bei Pensionen und Renten sorgen, damit die Menschen fundierte Entscheidungen für ihr eigenes Ruhestandseinkommen treffen können.

 

 

Die Expertin des Sozialministeriums Ingrid Novotny erläuterte, dass die EU zwar bei den staatlichen Pensionssystemen keinerlei Kompetenzen hat, jedoch für kapitalgedeckte Systeme der zweiten und dritten Säule Rahmenbedingungen festlegen könne. Sie unterstrich, das Grünbuch sehe keine Erhöhung des Pensionsantrittsalters auf 70 Jahre vor, die Kommission trete aber für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben ein. Auch in Österreich lege man den Fokus auf die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, hielt sie fest.

 

Das Grünbuch wolle nur eine Diskussion anregen und bilde keine Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten, in ihren Pensionssystemen Änderungen vorzunehmen. Es gebe aber bereits seit 1971 Koordinationsregelungen zur sozialen Sicherheit, um Pensionszeiten, die in verschiedenen Ländern erworben wurden, zusammenzurechnen, erläuterte sie gegenüber Bundesrat Edgar Mayer (V/V).

 

Die Vizepräsidentin des Bundesrats Susanne Neuwirth (S/S) sowie Bundesrat Gerald Klug (S/St) vertraten mit allem Nachdruck ihre Auffassung, dass Österreich eines der besten Pensionssysteme besitze und, abgesehen von der Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, kein besonderer Reformbedarf vorhanden sei. Angesichts der hohen Zahl an Invaliditätspensionen sollten vor allem gesundheitspolitische Maßnahmen gesetzt werden, meinte Klug. Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) warf ein, es sei oft schwierig, länger zu arbeiten, da man im privaten Sektor bereits oft mit 40 zu alt für den Arbeitsmarkt ist.

 

Konzerninterne Entsendungen

 

 

Kritisch fiel die Stellungnahme zum EU-Richtlinienvorschlag betreffend die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen für nicht EU-BürgerInnen im Rahmen einer Entsendung von Arbeitskräften innerhalb internationaler Konzerne aus. Das Anliegen eines erleichterten konzerninternen Austauschs von Führungskräften wurde zwar nicht in Abrede gestellt, dennoch bedürfe der Entwurf noch einer Überarbeitung, meinten die BundesrätInnen. In einem von SPÖ und ÖVP und gegen die Stimme der FPÖ mehrheitlich angenommenen Antrag auf Ausschussfeststellung wird die Bundesregierung aufgefordert, in Konsultation mit den Sozialpartnern eine Einschätzung zu den möglichen Auswirkungen der geplanten Regelungen vorzunehmen. Außerdem soll geprüft werden, inwieweit diese mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sind.

 

 

 

Mit der geplanten Richtlinie für die Einreise von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung betrete man kein vollkommenes Neuland, erläuterte Ingrid Novotny vom Sozialministerium. Neben innerstaatlichen Regelungen gebe bereits im Rahmen der allgemeinen Handels- und Dienstleistungsabkommen sowie in Assoziierungsabkommen diesbezügliche Vorschriften. Es sei zu hinterfragen, wie nun diese neue Kategorie an Regelungen in das bestehende Netz eingebunden werden kann.

 

Laut vorliegendem Entwurf soll es ein einheitliches Antragsverfahren mit einer zuständigen Behörde ("One-Stop-Shop-Schnellverfahren") sowie eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ("Single Permit") mit bis zu dreijähriger Gültigkeit geben. Unter welchen Bedingungen Konzerne ihre Arbeitskräfte, die nicht aus der EU stammen, in ihren Niederlassungen innerhalb der EU flexibel einsetzen können, wird einheitlich definiert. Das Schema zielt auf Schlüsselpersonal, einschließlich ManagerInnen, SpezialistInnen und PraktikantInnen mit Hochschulabschluss ab.

 

Weitere Bestimmungen betreffen die Festlegung von Versagungsgründen und Zulassungskriterien wie ein "Fast-Track"-Verfahren mit einer Verfahrensfrist von höchstens 30 Tagen, eine verpflichtende Auslandsantragsstellung und ein arbeits- und sozialversicherungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot. Eine Arbeitsmarktprüfung soll grundsätzlich unzulässig sein.

 

 

Österreich hat laut Novotny einen allgemeinen Vorbehalt angemeldet, zumal es sich hier um arbeitsrechtliche Sachverhalte handelt und die Kompetenz der EU dafür in Zweifel gezogen wird. Vor allem müsse man darauf achten, dass die Tätigkeit von Leiharbeitsunternehmen nicht unter diese Richtlinie fällt, unterstrich die Expertin. Sie hielt auch effizientere Kontrollmechanismen hinsichtlich der lohn- und sozialrechtlichen Bedingungen für notwendig.

 

Auf die Fragen der Bundesräte Ewald Lindinger (S/O) und Edgar Mayer (V/V) meinte Ingrid Novotny, in Österreich müsse jede Entsendung gemeldet werden, und das sei auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten sicherzustellen. In welcher Größenordnung sich die Entsendungen bewegen werden, könne sie nicht genau sagen, die Zahlen werden sich aber sehr in Grenzen halten, bemerkte sie gegenüber der Vizepräsidentin des Bundesrats, Susanne Neuwirth (S/S), und dem Ausschussvorsitzenden Georg Keuschnigg (V/T). Man werde daher im Vorfeld eine genauere Quantifizierung vornehmen, versicherte sie. Der Befürchtung von Bundesrat Franz Perhab (V/St), wonach die Saisonbetriebe und KMU durch die Richtlinie benachteiligt würden, begegnete Novotny mit dem Hinweis, dass Unternehmen ohne internationale Verflechtungen nicht unter die gegenständlichen Bestimmungen fallen und sich die Richtlinie nur auf Führungskräfte beziehe, nicht aber auf SaisonarbeiterInnen und Hilfskräfte, die in den kleineren und mittleren Betrieben beschäftigt sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Richtlinienvorschlag zu SaisonarbeiterInnen

 

 

Die Pläne der EU zur Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für SaisonarbeiterInnen sind für den EU-Ausschuss des Bundesrats inakzeptabel. Mittels einer von SPÖ, ÖVP und FPÖ einhellig angenommenen Subsidiaritätsrüge präzisierten die Bundesrätinnen und Bundesräte in der Sitzung des EU-Ausschusses ihre Kritik an der geplanten Richtlinie und bestätigten damit die ablehnende Haltung des EU-Unterausschusses des Nationalrats vom 14. September 2010.

 

Der Vorschlag der EU widerspricht nach Meinung der BundesrätInnen dem Subsidiaritätsprinzip. Sie lehnen insbesondere das Konzept der zirkulären Migration ab und halten die vorgeschlagenen Regelungen in verschiedenen Aspekten nicht nur für praxisfern, sondern auch für verwaltungsaufwendig und bürokratisch. Die Beschäftigung von SaisonarbeiterInnen hänge zu sehr von den äußerst unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten ab, sodass eine EU-weite Regelung in den Augen des Ausschusses als nicht sinnvoll erachtet wird.

 

Die Vizepräsidentin des Bundesrats, Susanne Neuwirth (S/S), unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Lissabon-Vertrags. Es sei das erste Mal, dass der Bundesrat gemeinsam mit dem Nationalrat in dieser Form eine Rüge an die EU ausspricht, weil die EU mit der geplanten Richtlinie eindeutig ihre Kompetenzen überschreite, stellte sie fest. Neuwirth mahnte aber dazu, vorsichtig und sehr bewusst mit diesem Instrument umzugehen.

 

 

 

Geht es nach der EU-Kommission, soll es künftig einheitliche Regelungen für Saisonarbeit geben. In der geplanten Richtlinie wird durch einheitliche Kriterien umschrieben, was unter Saisonarbeit zu verstehen ist. Ferner werden die Zulassungsvoraussetzungen und Versagungsgründe gesetzlich fixiert. Es soll ein Verfahren für Zulassung und Arbeitsaufnahme und eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis mit dem Aufdruck "Saisonarbeiter" geben. Die maximale Aufenthaltsdauer soll 6 Monate im Kalenderjahr betragen. Der Vorschlag sieht auch eine erleichterte Wiedereinreise durch die Erteilung von "Multi-seasonal worker permits" (bis zu 3 Jahren) vor. Das Verfahren und die Zulassung soll nicht länger als 30 Tage dauern. Regelungen für eine angemessene Unterkunft und verhältnismäßige Kosten sowie in Bezug auf Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit und des Arbeitsrechts runden die Gesetzesinitiative der EU-Kommission ab. Die Festlegung von Zulassungsquoten für SaisonarbeiterInnen bleibt jedoch weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen.

 

 

 

Ingrid Novotny vom Sozialministerium wies darauf hin, dass die Saisonarbeit sehr stark von regionalen Gegebenheiten abhängt, weshalb eine EU-einheitliche Regelung sehr fragwürdig sei. Außerdem würde die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer von 6 Monaten einen massiven Eingriff in innerstaatliche Regelungen bedeuten, da ein und dieselbe Person in Österreich sowohl im Sommer als auch im Winter beschäftigt werden kann. Auch die Bewilligung für 3 Jahre sei abzulehnen, da der Arbeitsmarkt viel zu dynamisch ist, sagte Novotny. Das Sozialministerium halte überdies den Zeitpunkt für eine derartige Richtlinie für nicht optimal, zumal in einigen Monaten der Arbeitsmarkt für BürgerInnen aus den neuen EU-Staaten geöffnet werden soll.

 

Dietmar Hudsky vom Innenministerium schloss sich dieser Beurteilung an und meinte, eine mehrjährige Bewilligung sei abzulehnen. In Österreich funktioniere die Saisonnier-Regelung sehr gut und man müsse Missbrauch in aufenthaltsrechtlicher Sicht auf jeden Fall vermeiden.

 

Bundesrat Franz Perhab (V/St) bemerkte dazu, trotz bevorstehender Öffnung des Arbeitsmarktes erwarte man sich keinen Ansturm von Arbeitskräften. Er wies auch auf den Mangel von Arbeitskräften in manchen Bereichen hin und bekräftigte die Ablehnung der Sechsmonatsfrist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender begründeter Antrag auf Stellungnahme (Subsidiaritätsrüge) wurde von SPÖ, ÖVP und FPÖ einhellig angenommen:

 

 

 

 

EU-Ausschuss des Bundesrates am 5.10. 2010

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23g Abs. 1 B-VG

 

 

KOM (2010) 379 endg. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Ausübung einer saisonalen Beschäftigung (34897/EU XXIV. GP)

 

 

 

I.

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates kann gemäß Art 23k Abs. 3 B-VG in einer begründeten Stellungnahme gemäß Art 23g Abs. 1 B-VG bzw. Art 23f Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art 6 des Protokolls Nr. 2 (über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit) und mit Art 3 des Protokolls Nr. 1 (über die Rolle der nationalen Parlamente) eine begründete Stellungnahme zur Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip abgeben und insbesondere darlegen, warum der Entwurf eines Legislativvorhabens der Europäischen Union nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Diese Stellungnahme muss binnen acht Wochen nach Übermittlung des Entwurfs erfolgen.

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat das oben genannte Vorhaben am 5.10.2010 in öffentlicher Sitzung beraten und kommt zu folgendem Ergebnis:

 

 

 

Begründete Stellungnahme an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission

gemäß Art. 5 des Vertrages über die Europäische Union und gemäß Art. 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

 

 

 

A. Stellungnahme

 

Das gegenständliche Vorhaben ist mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.

 

 

 

B. Begründung

 

1.    Die Europäische Kommission hat am 13.07.2010 ihren Vorschlag für die gegenständliche Richtlinie vorgelegt. Der Vorschlag zielt darauf ab, das Verfahren zur Zulassung von Saisonarbeitskräften zu vereinheitlichen und Mindeststandards zu definieren, die bei der Beschäftigung von SaisonarbeitnehmerInnen nicht unterschritten werden dürfen. Dadurch soll der Ausbeutung der SaisonarbeitnehmerInnen entgegengewirkt, ihrem Abdriften in die Illegalität vorgebeugt, Sozialdumping und Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden.

 

2.    Die Europäische Kommission bringt in ihren Erwägungen zur Subsidiarität vier Gründe vor, warum die Mitgliedsstaaten diese grundsätzlich zu begrüßenden Ziele nicht ausreichend verwirklichen können. Allerdings kann keine dieser Erwägungen eine Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip begründen.

 

3.    Zunächst wird von der Europäischen Kommission vorgebracht, dass die Entscheidung eines einzelnen Mitgliedsstaates in Hinblick auf Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten zur europaweiten Verzerrung der Migrationsströme führen könnte. Dem ist zu entgegnen, dass die Mitgliedsstaaten gemäß Art 79 Abs 5 AEUV ausschließlich selbst über die Zahl der zuzulassenden Saisonarbeitskräfte entscheiden. Insofern besteht in der Frage des Zulassungsverfahrens kein grenzübergreifendes Problem, das nur durch harmonisierende Maßnahmen auf europäischer Ebene gelöst werden kann.

 

4.    Weiters bringt die Europäische Kommission vor, dass der Schengen-Raum eine solche Regelung erforderlich mache. Die Existenz des Schengen-Raums allein begründet jedoch bei Weitem keine Überforderung der Mitgliedsstaaten. Ansonsten ist dieses Argument ident mit jenem zur Verzerrung der Migrationsströme.

 

5.    Darüber hinaus mache es der Schutz vor Sozialdumping notwendig, einheitliche Mindeststandards auf europäischer Ebene zu definieren. Zwar ist der Schutz vor Sozialdumping ein wichtiges Ziel, das bei allen Maßnahmen der Europäischen Union verstärkt beachtet und gewahrt werden sollte. Jedoch fehlt auch hier im konkreten Fall eine grenzübergreifende Problemstellung. Jedem Mitgliedsstaat ist es derzeit freigestellt, SaisonarbeitnehmerInnen die gleichen Rechte wie inländischen ArbeitnehmerInnen zuzusprechen. Österreich hat dies getan und somit die Möglichkeit, Saisonarbeitskräfte für Lohn- und Sozialdumping zu instrumentalisieren, verhindert. Der derzeitige Vorschlag setzt die Mindestrechte von Saisonarbeitskräften jedoch so niedrig an, dass die Möglichkeiten zur Instrumentalisierung von Saisonarbeitskräften zum Lohn- und Sozialdumping unverändert bleiben. Dies ist auch im Zusammenhang mit der im Lichte der EuGH-Judikatur äußerst unklaren bzw. unbefriedigenden Bestimmung betreffend die Anwendung von Kollektivverträgen (argumento: "allgemeinverbindlich") zu sehen. Es muss daher sichergestellt sein, dass Kollektivverträge in den Mitgliedstaaten - auch wenn sie nicht im europarechtlichen Sinne als Rechts- und Verwaltungsvorschrift gelten - auf Saisonarbeitskräfte und im Zulassungsverfahren anwendbar sind. Denn nur dann könnte die völlige Gleichstellung von Saisonarbeitskräften mit inländischen Arbeitskräften weiterhin gewährleistet werden. Der derzeitige Vorschlag ist somit nicht geeignet, das angegebene Ziel zu erreichen.

 

6.    Schließlich bringt die Europäische Kommission vor, dass eine einheitliche Regelung ihre Bemühungen in der Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Mitgliedsstaaten erleichtern würde. Dies ist kein hinreichendes Argument für die Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip. Der erhoffte Effekt steht zudem offensichtlich in keinem akzeptablen Verhältnis zu den negativen Auswirkungen.

 

7.    In diesem Zusammenhang weist der Ausschuss darauf hin, dass der Nationalrat in seiner Stellungnahme zum Stockholm Programm bereits deutlich darauf hingewiesen hat, dass das Konzept der zirkulären Migration, das dem vorliegenden Vorschlag zu Grunde liegt, abzulehnen ist. Die Europäische Kommission wird dringend aufgefordert, den Erfahrungen mit der Anwendung dieses Konzepts sowie den wissenschaftlichen Ergebnissen der einschlägigen Forschung stärkere Beachtung zu schenken.

 

8.    Ohne im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung auf Details der vorgeschlagenen Regelung eingehen zu können wird festgehalten, dass der Vorschlag in verschiedenen Aspekten praxisfern (z.B. verschiedene (Rahmen-)Fristen, verwaltungsaufwändig, bürokratisch sowie hinsichtlich der Sanktionen für die Verletzung von Arbeits- oder Beschäftigungsvorschriften (z.B. illegale Beschäftigung)) teilweise ungenügend und teilweise unklar ist. Den einzelnen Mitgliedstaaten bleibt durch diesen Vorschlag jedenfalls zu wenig Raum, um die  nationalen oder regionalen wirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten ausreichend berücksichtigen zu können. Im Hinblick auf die äußerst unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten ist daher kein substanzieller europäischer Mehrwert zu erkennen oder zu erwarten.

 

9.    Die vorgeschlagene Regelung ist daher insgesamt nicht geeignet, zu einem besseren rechtlichen Rahmen betreffend die saisonale Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen beizutragen, sondern bewirkt primär einen hohen Verwaltungsaufwand und höhlt die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten aus, selbst über den Zugang von Drittstaatsangehörigen zum nationalen Arbeitsmarkt zu entscheiden.

 

10.  Der Richtlinienvorschlag verstößt auch in formeller Hinsicht gegen das Subsidiaritätsprinzip. Art 5 des Protokolls Nr. 2 bestimmt nämlich, dass ein legislativer Vorschlag detaillierte Angaben zu enthalten hat, die es ermöglichen zu beurteilen, ob die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Diese Angaben haben demnach  Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen sowie zu den Auswirkungen auf die von den Mitgliedsstaaten und gegebenenfalls auf regionaler Ebene zu erlassenden Rechtsvorschriften zu enthalten. Die Feststellungen betreffend den "europäischen Mehrwert" müssen auf quantitativen und qualitativen Kriterien beruhen. Die finanziellen Belastungen und der Verwaltungsaufwand für Regierungen, für  lokale und regionale Behörden, für WirtschaftsteilnehmerInnen und BürgerInnen sind so gering wie möglich zu halten und müssen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Alle diese Angaben fehlen im Richtlinienvorschlag (und im Arbeitsdokument) oder sind weitgehend substanzlos und nicht nachvollziehbar.

 

11.  Anzumerken ist schließlich, dass die im Richtlinienvorschlag gewählte Rechtsgrundlage des Art 79 Abs. 2 lit a und lit b AEUV unzureichend ist, weil diese Bestimmungen keine Grundlage  dafür enthalten, um europäische Regelungen im Sinne der vom Richtlinienvorschlag ausdrücklich beabsichtigten Einwirkungen auf die nationalen Arbeitsmärkte zu erlassen."

 

 

 

II.

Der EU-Ausschuss des Bundesrates geht davon aus, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung im Rat die Begründete Stellungnahme gem. Pkt. I  der österreichischen Position bei Beratung und Entscheidung im Rat zu Grunde legen wird.

 

 

 

III.

Der EU-Ausschuss übergibt dem Präsidenten des Bundesrates diese Ausschussfeststellung gem. § 34 Abs. 6 GO-BR zur Veröffentlichung als Kommuniqué.

 

 

IV.

Der EU-Ausschuss ersucht den Präsidenten des Bundesrates,

dieses Kommuniqué an den Nationalrat, an die österreichische Bundesregierung, an die Landtage, an die Verbindungsstelle der Bundesländer und an den Städte- und den Gemeindebund, sowie

die unter Punkt I. beschlossene Begründete Stellungnahme an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates, der Kommission, des Ausschusses der Regionen und an die COSAC bzw. IPEX zu übermitteln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag auf Ausschussfeststellung wurde mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP mehrheitlich angenommen:

 

 

 

 

EU-Ausschuss des Bundesrates am 5.10.2010

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrats :

 

 

Der Vorschlag KOM (2010) 378 endg. für eine Richtlinie über die Bedingungen  für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung (34893/EU, XXIV.GP) der von der Europäischen Kommission am 13.07.2010 vorgelegt wurde, zielt auf die Vereinheitlichung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen für Arbeitskräfte ab, die innerhalb eines transnationalen Konzerns für bestimmte Zeit (ein bis drei Jahre) in eine Niederlassung in einem Mitgliedsstaat entsendet werden. Umfasst sind Führungskräfte, Fachkräfte sowie Trainees, die nicht EU-BürgerInnen sind und die auch noch nicht in einem EU-Staat beschäftigt sind. Diesen Arbeitskräften soll im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens der Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Darüber hinaus wird festgelegt, welche Mindestvorschriften auf das Arbeitsverhältnis zwingend anzuwenden sind.

 

Der Richtlinienvorschlag verwendet auch unklare Begriffsbestimmungen, so dass die durch die Richtlinie zu erwartenden Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt ohne nähere Analyse nicht abgeschätzt werden können.

 

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden daher  ersucht, in Konsultation mit den Sozialpartnern eine Einschätzung zu den möglichen Auswirkungen des Richtlinienvorschlags über die Bedingungen  für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung auf den österreichischen Arbeitsmarkt vorzunehmen.

 

Außerdem wird ersucht zu prüfen, ob die vorgeschlagene Rechtsgrundlage des Richtlinienvorschlags hinreicht, um die in dem Vorschlag vorgesehenen Bestimmungen zu erlassen und inwieweit der Vorschlag mit dem Subsidiaritätsprinzip  vereinbar ist.