Parlament Österreich

 

 

 

IV-81 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 3. Dezember 2014

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Mittwoch, 3. Dezember 2014

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Tagesordnung

 

 

 

 

1.    NON 3171/14

Europäischer Rechnungshof/Kurzinformation zur Prüfung der EU - Vorstellung der Jahresberichte des Europäischen Rechnungshofs zum Haushaltsjahr 2013

(46543/EU XXV.GP)

 

2.    NON 3172/14

Europäischer Rechnungshof/Landwirtschaft und Kohäsion: Überblick über die EU-Ausgaben im Zeitraum 2007-2013

(46544/EU XXV.GP)

 

3.    NON 3173/14

Europäischer Rechnungshof/Jahresberichte zum Haushaltsjahr 2013

(46545/EU XXV.GP)

 

4.    RAT 12730/14 LIMITE

Debate on the functioning of the EU system - Activation of the Friends of Presidency Group and Terms of Reference

(36289/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die ersten drei Tagesordnungspunkte wurden unter einem verhandelt.

 

 

Als Auskunftspersonen waren im Ausschuss anwesend:

 

§  Dr. Karl-Heinz Tanner (Bundeskanzleramt)

§  Gesandte Mag. Yvonne Toncic-Sorinj (Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres

§  Mag. Rudolf Paul (Bundesministerium für Finanzen)

§  DI Markus Hopfner (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Europäischer Rechnungshof

 

 

Die Tätigkeit des Europäischen Rechnungshofs stand im Mittelpunkt des EU-Ausschusses des Bundesrats am 3. Dezember 2014. Eingeladen war der Vertreter Österreichs in diesem Kontrollorgan, Oskar Herics. Damit sorgte der Bundesrat nach der gestrigen Diskussion mit EU-Kommissar Johannes Hahn im Plenum abermals für eine Premiere, denn VertreterInnen des Europäischen Rechnungshofs waren noch nie im Österreichischen Parlament zu einer Ausschusssitzung eingeladen. Das Interesse eines regen Informationsaustauschs wurde im Laufe der Ausschusssitzung evident, sodass man sich vornahm, einen solchen Dialog jedes Jahr zu führen, um daraus auch praktische Anregungen an die Bürgerinnen und Bürger – etwa was die Antragstellung bei Förderungen betrifft - weitergeben zu können.

 

 

Wie Oskar Herics ausführte, genügt das EU-Finanzmanagement noch nicht den hohen Ansprüchen - weder auf EU-Ebene noch auf der Ebene der Mitgliedstaaten. So werde oft ein zu geringer Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit gelegt, sagte er im Hinblick auf den Jahresbericht 2013. Das Berichtswesen sei nicht auf den Aspekt der Ergebniserreichung ausgerichtet, der EU-Mehrwert habe nicht immer sichergestellt werden können. Man müsse aber auch zugeben, dass es derzeit an zuverlässigen Indikatoren mangle, um eine Messung vornehmen zu können, merkte er an. Jedenfalls seien für die neue Finanzperiode wesentliche Verbesserungen vorgesehen. In einigen Fällen hätten die Begünstigten ihre Tätigkeiten und Aktivitäten auch ohne EU-Förderung durchgeführt, berichtete Herics weiter.

 

Der EU-Kontrolleur überraschte die Ausschussmitglieder auch mit dem Hinweis, dass die Fehlerhäufigkeit in Österreich in Bezug auf Landwirtschafts- und Kohäsionspolitik während der Jahre 2009-2013 noch relativ hoch war. Insgesamt lag in der EU die, wie der Rechnungshof es ausdrückt, wahrscheinlichste Fehlerquote zwischen 2007 und 2013 konstant über der Wesentlichkeitsschwelle von 2%, im Bereich der Landwirtschaft bei 3,7% und im Bereich der Kohäsion bei 6%. Die geschätzte Fehlerquote für 2013 war mit 4,7% ebenfalls konstant über der Wesentlichkeitsschwelle. Die größte Fehlerquote liegt laut Schätzung des EU-Rechnungshofs im Bereich Regionalpolitik, Verkehr und Energie mit 6,9% und bei der Landwirtschaft in Bezug auf Marktstützung und Direktzahlungen bei 3,6%.

 

Als typische Fehler nannte er unter anderem zu hohe Angaben von Flächen oder von nicht vorhandenen Tieren, nicht anspruchsberechtigte AntragsstellerInnen, Mängel bei Kennzeichnung und Registrierung von Tieren, Verstöße gegen Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Verletzung staatlicher Beihilferegelungen. Er sieht daher einen Handlungsbedarf, vor allem bei den nationalen Verwaltungsstellen und bei den Kontrollsystemen. Das Landwirtschaftsministerium spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, Maßnahmen zu ergreifen, um die Verwaltung der Programme zu vereinfachen. Denn viele Fehler seien aufgrund der Komplexität der Gesamtarchitektur für die Verwaltung und Kontrolle aufgetreten, heißt es. Die Komplexität komme auch dadurch zustande, dass es sowohl EU-Vorschriften als auch nationale Vorschriften gibt, die nicht immer konform seien, gab Herics zu bedenken. Man müsse aber auch bei der Ausbildung innerhalb der Verwaltung ansetzen.

 

Heric wies jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass Fehler keinesfalls mit Betrug gleichzusetzen seien. Bei Betrug handle es sich um eine vorsätzliche Täuschungshandlung und bei Verdachtsmomenten würden die Fälle sofort an OLAF, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, gemeldet.

 

Was die Finanzkorrekturen im Bereich der geteilten Mittelverwaltung betrifft, die im Falle einer unzureichenden Erfüllung der Kontrollpflichten eines Mitgliedstaates verhängt werden, schneidet Österreich im europäischen Vergleich sehr gut ab, unterstrich Herics.

 

 

Mittels einer Powerpoint-Präsentation stellte Oskar Herics zunächst den Europäischen Rechnungshof vor. Dieser trage zur Verbesserung des EU-Finanzmanagements bei und fungiere zugleich als unabhängiger Hüter der finanziellen Interessen der UnionsbürgerInnen, erklärte er. Der Rechnungshof sei ein Kollegialorgan mit Sitz in Luxemburg. Er bestehe aus 28 Mitgliedern, wobei jedes Mitglied aus jeweils einem EU-Land kommt. Er verfüge über einen Personalstand von insgesamt rund 900 MitarbeiterInnen. Die Prüfbereiche sind auf 4 Kammern aufgeteilt. Er selbst ist für die Kammer II zuständig, in der strukturpolitische Maßnahmen, Verkehr und Energie angesiedelt sind.

 

Als wichtigste Produkte nannte Herics die Jahresberichte einschließlich der Zuverlässigkeitserklärung über die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge. Darüber hinaus werden besondere Jahresberichte zu den Agenturen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU verfasst. Sonderberichte gibt es zur Beurteilung der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit in ausgewählten Bereichen des EU-Haushaltsplans. Des Weiteren werden Landscape-Analysen zu ausgewählten Bereichen der EU-Politik erstellt, in denen die größeren Herausforderungen sowie die langfristigen Trends und Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Finanzkontrolle, analysiert werden. Auch gibt der Europäische Rechnungshof Stellungnahmen zu Rechtsvorschriften und Verordnungen mit finanziellen Auswirkungen ab. Erstmals in diesem Jahr veröffentlicht der Europäische Rechnungshof auch eine Auswertung auf der Ebene der Mitgliedstaaten.

 

Was die Arbeitsweise des Europäischen Rechnungshofs betrifft, so prüft dieser stichprobenartig und gibt aufgrund dessen Schätzungen ab. Die Stichproben erfordern laut Herics ein penibles Vorgehen. Stefan Schennach (S/W) merkte dazu an, in der Präsentation komme klar zum Ausdruck, dass das Geld der EU mit Argusaugen beobachtet werde. Das neue Denken sei aber noch nicht überall angekommen.

 

 

Über die Landwirtschaft entwickelte sich auch eine Diskussion, zumal es bei den landwirtschaftlichen Direktzahlungen immer wieder zu Fehlern kommt. Da von den Bundesrätinnen und Bundesräten die Probleme bei den Almfutterflächen angesprochen wurden, wies Herics darauf hin, dass der Europäische Rechnungshofs bereits im Jahr 2001 auf die spezifischen Mängel hingewiesen habe, jedoch eine entsprechende Reaktion lange Zeit nicht erfolgt sei. Auf den Vorwurf von Bundesrat Martin Preineder (V/N), die Bäuerinnen und Bauern litten an einer überbordenden Kontrolle, antwortete Herics, die Regeln seien für alle gleich, der Rechnungshof prüfe deren Einhaltung. Die Prüfung habe auch eine wesentliche Präventivwirkung. Er räumte aber ein, dass es notwendig wäre, die Bestimmungen zu vereinfachen.

 

An der angeregten Diskussion mit Oskar Herics beteiligten sich die BundesrätInnen Reinhard Todt (S/W), Martin Preineder (V/N), Christoph Längle (F/V), Werner Stadler (S/O), Monika Mühlwerth (F/W), Franz Perhab (V/St), Heidelinde Reiter (G/S), Stefan Schennach (S/W), Ana Blatnik (S/K) und Ferdinand Tiefnig (V/O).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stärkung der Subsidiarität

 

 

Innerhalb der EU hat auf Vorschlag des italienischen Ratsvorsitzes ein Prozess eingesetzt, der zum Ziel hat, die Funktionsweise der Union im Rahmen der bestehenden Verträge genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine eigens dafür eingesetzte Ratsarbeitsgruppe unter dem Namen "Freunde der Präsidentschaft" soll diesem Auftrag nachkommen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Insgesamt wurden drei Themenblöcke definiert. Sie betreffen die legislative Programmierung und bessere Rechtsetzung, weiters die Funktions- und Arbeitsweise des Rats und schließlich die Umsetzung und Nachbereitung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rats.

 

 

Wie die Vertreterin des Außenministeriums betonte, liegt der Mehrwert dieser Arbeitsgruppe darin, dass Themen und Anliegen auf die politische Ebene gehoben werden. Für den EU-Ausschuss ist interessant, dass die Arbeitsgruppe die bestehenden Instrumente zur Subsidiaritätsprüfung zwar als ausreichend erachtet, man jedoch die Auffassung vertritt, dass diese besser genützt werden sollten. Das gelte insbesondere für die Folgenabschätzung. Vor allem schlägt die Gruppe vor, die Kommission sollte substantiell geänderte Gesetzgebungsvorschläge nochmals vorlegen, um den nationalen Parlamenten die Möglichkeit zu geben, den voraussichtlichen Letztstand des Entwurfs nochmals einer Subsidiaritätsprüfung unterziehen zu können.

 

Außerdem wird angeregt, die Fristen für die Subsidiaritätsprüfung durch nationale Parlamente möglichst flexibel zu handhaben. Damit wird der Bundesrat in seinen Anliegen und in der von ihm immer wieder vorgebrachten Kritik bestätigt. Es wird aber auch darauf hingearbeitet, dass die Kommission auf Stellungnahmen der nationalen Parlamente rascher und qualitätsvoller reagiert.

 

Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) konnte dazu berichten, dass Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit auch zentrales Thema bei der letzten Sitzung der COSAC (Konferenz der Europaausschüsse) in Rom gewesen sei. Ebenso sei die große Anzahl der delegierten Rechtsakte kritisiert worden, wobei er selbst in diesem Zusammenhang das Wort "Unfug" in den Mund genommen habe. Zudem hätten die ParlamentarierInnen mehr Transparenz bei den Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Canada (CETA) eingefordert.

 

In der EU ist man sich offensichtlich auch der Gefahr der Überregulierung bewusst. In diesem Sinne strebt man eine bessere Folgenabschätzung und ex-post Evaluierung von Gesetzgebungsakten an. Außerdem dürfte auch die Kritik an den delegierten Rechtsakten, wodurch die Mitsprache der EU-Länder ausgehöhlt wird, angekommen sein. Der Bundesrat hat seine diesbezüglichen schweren Bedenken bereits oft in seinen Subsidiaritätsrügen und Mitteilungen festgehalten. Die Arbeitsgruppe fordert daher, die delegierten Rechtsakte einzudämmen und nur dort welche zu erlassen, wo dies auch dem Interesse der Mitgliedstaaten entspricht. Es soll auch eine verstärkte Rechenschaftspflicht der Kommission erfolgen, das heißt es geht in dieser Frage nicht nur um die Quantität sondern auch um die Qualität. Die Kommission hat die systematische Einbindung nationaler Experten bei der Ausarbeitung von delegierten Rechtsakten in Aussicht gestellt.

 

 

Stefan Schennach (S/W) kündigte an, dass man aufgrund der bisherigen Erfahrungen im EU-Ausschuss des Bundesrats ein Papier ausarbeiten werde, in dem man die nötigen Schritte zur demokratischen Weiterentwicklung im Rahmen des Lissabon-Vertrags und der Subsidiaritätsprüfung auflistet.

 

Weitere Vorschläge gehen dahin, die Zusammenarbeit zwischen Kommission und nationalen Parlamenten weiter zu verbessern, mehr Transparenz seitens der EU und ihrer Organe walten zu lassen und die Abstimmung der Jahresprogramme zwischen den Institutionen zu optimieren. So sollen die Mitgliedstaaten die vorgelegten Jahresprogramme nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern bereits im Vorfeld einen Entwurf dazu erhalten, um sich besser einbringen zu können.

 

Seitens der Arbeitsgruppe richtet man sich aber auch an die nationalen Parlamente selbst mit der Anregung, sich bereits in einem sehr frühen Stadium, bevor noch die Rechtsakte als Entwurf auf dem Tisch liegen, damit zu befassen und eigene Ideen und Ansichten vorzulegen.

 

Die Arbeit der letzten Sitzung der Gruppe am 1. Dezember widmete sich der Europäischen Bürgerinitiative, der künftigen Rolle von verstärkter Zusammenarbeit und der in den EU-Verträgen vorgesehenen Passerelle-Klauseln sowie der neuen Arbeitsweise der Kommission und bisher nicht in vollem Umfang genutzten Bestimmungen im Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

 

Die Tätigkeit der Arbeitsgruppe ist mit der italienischen Ratspräsidentschaft limitiert, Italien wird darüber einen Bericht vorlegen, mit dem sich der Rat für Allgemeine Angelegenheiten am 16. und 17. Dezember befassen wird. Die operative Umsetzung erfolgt im nächsten Jahr.