Parlament Österreich

 

 

 

IV-91 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 07. Oktober 2015

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Mittwoch, 07. Oktober 2015

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Tagesordnung

 

 

 

1.         COM(2015) 366 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zu einer Strategie der Europäischen Union für den Alpenraum

(73918/EU XXV.GP)

 

2.         COM(2015) 450 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist

(76141/EU XXV.GP)

 

3.         COM(2015) 452 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Erstellung einer gemeinsamen EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten für die Zwecke der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und zur Änderung der Richtlinie 2013/32/EU

(76137/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrats besprachen die Mitglieder zunächst eine Mitteilung der Europäischen Kommission zu einer neuen makroregionalen Strategie für den Alpenraum. Hauptthema der Ausschussdebatte waren allerdings Kommissionsvorschläge für Maßnahmen zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen unter den EU-Ländern inklusive einer einheitlichen Liste sicherer Herkunftsstaaten.

 

Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) berichtete eingangs über aktuelle

Entwicklungen:

 

 

Von Seiten der Europäischen Kommission sind seit der letzten Sitzung folgende Dokumente eingelangt:

 

§  Antwortschreiben der Kommission zur Mitteilung des Bundesrates vom 1.7.2015 zum Vorschlag für eine Verordnung hinsichtlich der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Verwendung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen.

 

§  Legislativpaket der Kommission im Rahmen des Aktionsplans für die Kapitalmarktunion, mit dem neue Impulse für hochwertige Verbriefungen und langfristige Infrastrukturinvestitionen gesetzt werden sollen.

 

 

Als Auskunftspersonen nahmen an der Sitzung teil

 

§  Dipl.Ing. Michael Roth (BKA)

§  Gesandter Dr. Michael Postl (BMEIA)

§  Mag. Ariane Holezek (BMI)

§  Mag. Gerald Dreveny (BMI)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alpenraum-Strategie

 

Regionen mehr verbinden – das ist seit jeher die Maxime im Bundesrat, wenn es um die Ankurbelung des Wachstums in der Europäischen Union geht. Bestätigung findet die Länderkammer jetzt in der diesen Juli von der Europäischen Kommission lancierten Alpenraum-Strategie. Dennoch wurden im EU-Ausschuss des Bundesrats Bedenken dazu laut: Die sensible Alpenregion dürfe nicht durch gedankenloses Wirtschaftswachstum beeinträchtigt werden. Auf die Vereinbarungen in der Alpenkonvention beriefen sich dabei die Bundesräte Stefan Schennach (S/W) und Marco Schreuder (G/W). Der Grünen-Bundesrat vermisst im Kommissionsplan das eindeutige Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer versuchte indes, zu beruhigen. Wachstum und nachhaltige Entwicklung müssten kein Widerspruch sein, erklärte der Vorarlberger ÖVP-Mandatar.

 

Die EUStrategie für den Alpenraum (EUSALP) ist die vierte makroregionale Strategie für engere Zusammenarbeit zwischen Regionen und Ländern. Als Zielsetzung von EUSALP gibt die Europäische Kommission an, die Alpen ökologisch verträglich und sozial gerecht als attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum, als Naturraum sowie als Tourismusregion zu sichern und weiterzuentwickeln. Kooperationen soll es in den Bereichen Forschung und Innovation, Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Mobilität, Tourismus, Umweltschutz und Verwaltung der Energieressourcen geben, geht aus einer Mitteilung der Kommission hervor. Sieben Länder würde die Alpenraum-Strategie umfassen: fünf Mitgliedstaaten (Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Slowenien) und zwei Drittstaaten (Liechtenstein und die Schweiz). Somit wären rund 80 Mio. Menschen in 48 Regionen von der engeren Zusammenarbeit auf regionaler, nationaler und EU-Ebene –der sogenannten multi-level governance – betroffen.

 

Anstoßen will die EU-Kommission vor allem Projekte zur Hebung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Beispielsweise durch Forschungsaktivitäten zu alpenbezogenen Produkten und Dienstleistungen. Gerade im Bereich des Tourismus braucht es aus Sicht der Kommission neue Ansätze für eine nachhaltige und saisonal besser verteilte Freizeitwirtschaft. Weiters zielt die Strategie auf Verbesserungen im Straßen- und Schienenverkehr ab und auf eine Ausweitung des Netzzugangs per Satellit in abgelegenen Gebieten. Angestrebt wird auch eine regionale Bündelung der Ressourcen zum Schutz der Umwelt und zur Förderung der Energieeffizienz im Alpenraum. Thema der Kommissionsmitteilung ist überdies die Bewältigung der Herausforderungen, die durch den Klimawandel entstehen, wie das vermehrte Auftreten von Naturkatastrophen oder Veränderungen bei den Wasserressourcen.

 

Generell bestehe die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit der alpinen Regionen besser zu koordinieren, bestätigten die Vertreter der zuständigen Regierungsstellen, Bundeskanzleramt (BKA) und Außenministerium (BMEIA), im Ausschuss den Kommissionsansatz. Dadurch stelle man die optimale Nutzung bestehender Fördermittel sicher und könne gemeinsam nach Lösungen für regional ähnlich gelagerte Probleme – etwa die Verbindung Alpenraum und Ballungszentren – suchen. Wiewohl im Kommissionsplan für die Alpenraum-Strategie auf Steuerungsebene ein "makroregionales Governance-Modell" vorgeschlagen wird, würden derartige EU-Strategien grundsätzlich keine neuen Finanzmittel oder Strukturen vorsehen, versicherte der BKA-Vertreter. Finanziert werden soll die Alpenraum-Strategie der Kommission zufolge vorrangig aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds, Synergien mit anderen EU-Töpfen wie Horizont 2020 sind möglich. Österreichs Überlegungen, mit einem "Sonderbeauftragten" der EUSALP-Organisation ein Gesicht zu verleihen, stoße bislang nicht bei allen beteiligten Länder auf Gegenliebe, informierte das Bundeskanzleramt.

 

Skeptisch zum Strategievorschlag der Kommission äußerte sich Bundesrat Marco Schreuder (G/W). Als Gefahr bei der vorgeschlagenen Alpenraum-Strategie sieht er den Fokus auf wirtschaftliches Wachstum, wodurch eine nachhaltige und ökologische Entwicklung womöglich behindert werde. Zudem seien Nichtregierungsorganisationen an der Steuerung der Maßnahmen nicht beteiligt, die Umsetzung vor Ort erfolge durch die Regionalbehörden, kritisierte er einen mangelhaften Zugang zur Zivilbevölkerung. Stefan Schennach (S/W) übte zwar weniger harsche Kritik, er riet aber eindringlich, die Zielvorgaben der Alpenschutzkonvention zum Schutz der sensiblen Alpenregionen als Grundlage für die EUSALP-Umsetzung zu nehmen.

 

Die Sorgen rund um Naturschutz und soziale Nachhaltigkeit würden bei den laufenden Verhandlungen zur Finalisierung der Strategie zur Sprache kommen, versicherte der BMEIA-Vertreter. Gerade hinsichtlich der Bedeutung der Alpen als Tourismusregion müsse man auf Nachhaltigkeit setzen. Folglich liege eine intelligenten Umsetzung der Strategie ganz im Interesse Österreichs. Mit EUSALP hofft man laut Bundeskanzleramt, grenzübergreifend einen Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Nutzung des Alpenraums und dem Schutz des sensiblen Ökosystems zu erreichen. Neben den alpinen Kerngebieten umfasst der Kommissionsplan auch das Alpenvorland sowie alpine Metropolen. Eingerichtet worden ist in Österreich bereits eine nationale Koordinierungsplattform für die EU-Alpenraum-Strategie, bestehend aus Mitgliedern der involvierten Bundesministerien, der Landesregierungen, der Sozialpartner sowie der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA. Die Expertise der Alpenkonvention, bei deren Konferenzen alle zwei Jahre MinisterInnen der Alpenstaaten zusammentreffen, soll hier ebenfalls einfließen, wobei die Informationsweitergabe zentrale Aufgabe der Plattform ist, etwa an relevante Nichtregierungsorganisationen, wird vom Außenministerium unterstrichen.

 

Völlig neu sind Anstrengungen zur vermehrten Kooperation der Alpenländer nicht, eine entsprechende internationale Arbeitsgruppe besteht dem Außenministerium zufolge bereits seit über 40 Jahren. Durch EUSAP will man nun den Dialog zwischen den Organisationen und Institutionen verstärken, insbesondere zwischen dem bestehenden EU-Alpenraumprogramm und Regierungsinitiativen einiger Alpenregionen. Die EU-Kommission beabsichtigt, die Koordination und Moderation der EUSALP zu übernehmen, zur Ausarbeitung der Organisationsstruktur wurde eine Steuerungsgruppe aus VertreterInnen der beteiligten Mitgliedsstaaten und Regionen eingerichtet. Für Österreich sind das Außenministerium, das Bundeskanzleramt und das Land Tirol in dieser Steuerungsgruppe vertreten. Die Schnittstellenorganisation zwischen makroregionalen Strategien wie EUSALP und der Umsetzung der Programme der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds soll im Rahmen der Österreichischen Raumordnungskonferenz, getragen von Bund, Ländern und Gemeinden, liegen.

 

Angeregt worden war die EU-Strategie für den Alpenraum von den Staats- und Regierungschefs der Union beim Europäischen Rat vom 19./10. Dezember 2013. Im Vorjahr starteten umfassende Onlinekonsultationen zur Strategie, bei denen Privatpersonen genauso wie Behörden und RegierungsvertreterInnen ihre Stellungnahmen abgeben konnten. Insgesamt seien 196 Schreiben im Rahmen dieser Bürgerbeteiligung ergangen, erfuhr Bundesrat Christoph Längle (F/V). Am 28 Juli 2015 schließlich wurde die Alpenraum-Strategie in Form einer Mitteilung und eines Aktionsplans als Entwurf auf den Weg gebracht, derzeit werden Schlussfolgerungen des Rats dazu vorbereitet. Falls der Europäische Rat die Strategie noch diesen Dezember billigt, so das Außenministerium, könnte sie Anfang 2016 starten. Wie bei allen makroregionalen Strategien würde man die Auswirkungen von EUSALP alle zwei bis drei Jahre evaluieren, ergänzte der BMEIA-Experte auf Nachfrage von Bundesrätin Ingrid Winkler (S/N).

 

 

 

 

 

EU-Flüchtlingspolitik

 

Ist das Dublin Übereinkommen völlig gescheitert? Angesichts der ungebrochen hohen Zahl an Flüchtlingen, die nach Europa kommen, gibt es in der Frage zur Abwicklung von Asylverfahren nicht nur auf europäischer Ebene große Meinungsunterschiede, sondern auch im EU-Ausschuss des Bundesrats. Während SPÖ und Grüne dort aus menschenrechtlichen Gründen dafür plädierten, die Durchführung eines Asylverfahrens keinesfalls länger vom Erstaufnahmestaat abhängig zu machen, mahnte die ÖVP zur Vorsicht. Mangels Alternative sei bis auf weiteres am Dublin-System festzuhalten, zumindest als Rahmen für die aktuellen Vorschläge der Europäischen Kommission zur gerechteren Verteilung Asylwerbender in der EU. Dezidiert gegen eine Abkehr von den geltenden Bestimmungen zur Durchführung von Asylverfahren wendet sich die FPÖ, für die in den jeweiligen Krisenregionen die letztendliche Verantwortung zur Bewältigung der Flüchtlingssituation liegt.

 

Grundlage der Debatte bildeten Pläne der EU-Kommission, bei Krisensituationen die Umsiedlung von Asylwerbenden innerhalb der Union zu erleichtern. Verknüpft mit diesem Notfallmechanismus ist der Kommissionsvorschlag für eine EU-weit einheitliche Liste sicherer Herkunftsstaaten, um raschere Rückführungen von Personen ohne Recht auf Asyl zu ermöglichen. Eingebettet sind diese Legislativvorschläge in die Migrationsagenda der EU, mit der die Europäische Kommission letzten Mai auf das Massensterben von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer reagiert hat. Damit sollen die Weichen für ein einheitliches EU-Asylsystem gestellt werden. Neben dem verstärkten Kampf gegen das Schlepperwesen, der Rettung von Menschenleben und der Sicherung der EU-Außengrenzen mit Registrierungszentren vulgo Hotspots zielt die EU-Migrationspolitik auf eine faire Aufteilung der AsylwerberInnen unter den EU-Mitgliedsstaaten ab. Zum umstrittenen Dublin-Mechanismus kündigt das Innenministerium an, die Kommission plane 2016 diese Verfahrensregelung durch eine neue zu ersetzen.

 

Der Verordnungsvorschlag zur Umsiedlung von Asylsuchenden innerhalb der Europäischen Union soll insbesondere Griechenland und Italien einen Teil der Flüchtlingsversorgung abnehmen, nachdem diese Staaten an der Mittelmeerküste seit Jahren mit einem starken Zustrom Schutzsuchender konfrontiert sind. Aufgrund der Flüchtlingsrouten über den Balkan denkt die Kommission auch "neue Maßnahmen zugunsten Ungarns" an. Konkret würde mit der Verordnung ein Verfahren eingeführt, das bestimmt, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz zuständig ist, wenn ein anderes EU-Land die Flüchtlingsbewegungen nicht mehr bewältigen kann. Auf diese Weise soll eine gerechtere Verteilung der AntragstellerInnen in der Union gewährleistet und das Funktionieren des Dublin-Systems auch in Krisenzeiten ermöglicht werden. Ziel ist, Asylsuchende künftig nach objektiven und nachprüfbaren Indikatoren im Unionsraum zu verteilen, wie es im Entwurf heißt. Frei wählbar wären für AsylwerberInnen ihre Zielstaaten dann nicht mehr.

 

Fraglich sei dabei allerdings, merkte bei der Ausschusssitzung ein Vertreter des Innenministeriums an, ob Flüchtlinge, die in einem EU-Mitgliedsstaat registriert sind, tatsächlich dort eine mögliche Zuweisung zu einem anderen Land abwarten beziehungsweise inwieweit sie ein anderes als das von ihnen angestrebte Land – in der Regel Deutschland oder Schweden – überhaupt akzeptieren. Hier brauche es klare Regeln, selbst wenn aus unterschiedlichen wirtschaftlichen Anreizen in den EU-Ländern eine völlig gleichwertige Verteilung der AsylwerberInnen nicht realistisch sei. Trotz dieser Bedenken wird das Vorgehen der Kommission seitens des Ministeriums begrüßt, nämlich als erster Schritt zur Angleichung der Asylstandards in den EU-Mitgliedsstaaten. Immerhin gebe das Unionsrecht derzeit gar keine Instrumente vor, mit denen die EU angemessen reagieren könne, wenn die Asylsysteme einzelner Mitgliedsstaaten extremen Situationen ausgesetzt sind. Auf Basis der angedachten Verordnung will die Kommission selbst mittels delegierter Rechtsakte den Umsiedlungsmechanismus aktivieren, wobei diese Bestimmungen höchstens für zwei Jahre gelten sollen. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer unterstrich, das Gesamtproblem sei mit dem präsentierten Verteilungskonzept nicht zu lösen. Dennoch erwarte er sich davon die dringend nötige Entlastung der von den Flüchtlingsbewegungen direkt betroffenen EU-Länder.

 

Entscheidende Faktoren bei einer Umsiedlung von Schutzsuchenden sind die Zahl der Anträge auf Asylstatus in einem Mitgliedstaat gemessen an seiner Bevölkerung und die Kapazitäten seines Asylsystems bzw. die Wirtschaftslage eines Landes. Auch inwieweit ein Staat sich bisher an "Solidaritätsinitiativen" der EU beteiligt bzw. davon profitiert hat, soll eine Rolle spielen, geht aus dem Kommissionsentwurf hervor. Sollte ein EU-Mitglied vorübergehend nicht in der Lage sein, sich ein Jahr lang ganz oder teilweise an der Umsiedlung von AsylwerberInnen zu beteiligen, müsste dieser einen finanziellen Beitrag zum EU-Haushalt in Höhe von 0,002 % seines Bruttoinlandsprodukts leisten. Im Falle einer teilweisen Beteiligung an der Umsiedlung würde dieser Betrag anteilig gekürzt. Das Geld soll der Kommission zufolge zweckgebunden an den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds gehen, um andere Mitgliedsstaaten bei der Bewältigung der Situation zu unterstützen. Betont wird in dem Verordnungsvorschlag allerdings, dass die angestrebte Notfallklausel zur Umsiedlung keine dauerhafte Lösung in der EU-Asylpolitik darstellt. Eine solche wolle die Kommission als Legislativvorschlag Anfang nächsten Jahres präsentieren, meinte eine weitere Expertin aus dem Innenministerium, die dem Ausschuss heute zur Verfügung stand.

 

Die LändervertreterInnen nutzten die Gelegenheit folglich, ihre Standpunkte zur Asylfrage gegenüber dem Ministerium zu verdeutlichen, was die Komplexität des Themas widerspiegelte. Namens der SPÖ forderten Stefan Schennach (S/W) und Ana Blatnik (S/K) vehement ein europäisches Asylsystem ein, das andere Möglichkeiten als die Dublin-Regelung zur Anerkennung von Schutzbedürftigen bietet. Welche Integrationschancen Personen in einem Land haben – beispielsweise bezüglich Sprache oder familiärer Kontakte – sei hier mitzubedenken. "Schengen retten, Dublin ist gescheitert", diesem Aufruf Schennachs wollte seitens der ÖVP Edgar Mayer (V/V) nicht bedenkenlos folgen. "Die EU braucht ein Regulativ für den Umsiedlungsmechanismus" erinnerte er. Mit kleinteiligen Änderungen wie den vorliegenden Kommissionvorschlägen sei das aktuelle Dublin-Übereinkommen nicht abzulösen, obwohl dies nötig wäre, beanstandete indes Grünen-Bundesrat Marco Schreuder (G/W).

 

Abgesehen davon wären Schreuder zufolge EU und Internationale Gemeinschaft gut beraten, durch legale Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge in die EU dem Schlepperwesen tatsächlich den Boden abzugraben. Er forderte zudem mehr Hilfe in den Flüchtlingscamps vor Ort und konnte sich die Einrichtung von EU-Büros in den Camps vorstellen. Direkt auf die Krisenregionen nahm auch FPÖ-Bundesrätin Monika Mühlwerth Bezug, jedoch mit einem anderen Fokus: Konflikte müssten sich im eigenen Land durch die dortige Bevölkerung lösen lassen, meinte sie, denn die EU könne nicht Flüchtlinge aus allen Krisenherden der Welt aufnehmen. Aus Sicht Mühlwerths wäre es eine "Bankrotterklärung" der EU, würde das Dublin-Prinzip gänzlich aufgehoben.

 

Für eine "ausnahmslose Registrierung an Hotspots" mit Schnellverfahren für Asylsuchende machte sich Gerhard Schödinger (V/N) stark: "Das Problem ist nur auf EU-Ebene zu lösen". Wie umfassend eine solche EU-Lösung sein kann, hinterfragten wiederum Ferdinand Tiefnig (V/O) und Eduard Köck (V/N). Ihre Einwände waren, dass Fälle einer Registrierungsverweigerung von Asylwerbenden nicht ausgeschlossen werden können und der angeregte Umsiedlungsmechanismus in mehreren Punkten zu unkonkret sei.

 

Mit der Registrierung von Flüchtlingen bei Hotspots an den EU-Außengrenzen soll unter anderem festgestellt werden, ob ein Asylwerbender tatsächlich Recht auf internationalen Schutz hat. Deswegen schlägt die Kommission zur Umsetzung der EU-Migrationsagenda eine einheitliche Liste sicherer Herkunftsstaaten vor, in die Personen ohne Anspruch auf Asyl unbedenklich zurückgeschickt werden können. Demnach sollen EU-weit die sechs Westbalkanstaaten sowie die Türkei in der Liste aufscheinen. Bislang griffen die Nationalstaaten auf ihre eigenen Listen zu sicheren Herkunftsstaaten zurück, die jedoch uneinheitlich sind und folglich zusammenhängende Verfahren durch alle Mitgliedsstaaten erschwert haben, wie die Europäische Kommission in ihrem Verordnungsentwurf hervorhebt. Eine gemeinsame Liste sicherer Herkunftsstaaten führe dagegen nicht nur zu einheitlicheren Verfahren, sondern wirke auch der Sekundärmigration von Asylsuchenden innerhalb der EU entgegen. Personen, die in einem Land keine Aussicht auf Asyl haben, würden damit auch in keinem anderen EU-Land Asylstatus inklusive Sozialleistungen erlangen können.

 

Die EU-Kommission weist aber darauf hin, dass ungeachtet der Aufnahme eines Landes in die einheitliche Liste sicherer Herkunftsstaaten weiterhin Anträge auf internationalen Schutz in jedem einzelnen Fall angemessen zu prüfen sind. Sollte es schwerwiegende Bedenken über die Sicherheitssituation einer Person in einem Staat auf der EU-Liste geben, hält die Kommission fest, könne dieser Antragstellerin oder diesem Antragsteller nicht einfach der Zutritt in den Unionsraum verwehrt werden. Grundsätzlich würden aber die Drittstaaten, deren Aufnahme in die gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten vorgeschlagen wird, in Bezug auf ihr Rechtssystem und der allgemeinen politischen Lage die menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Vorgaben erfüllen, heißt es im Kommissionsentwurf.

 

Österreich befürworte die einheitliche Liste sicherer Herkunftsländer und müsste in die nationale Liste lediglich die Türkei mitaufnehmen, so der Experte des Innenministeriums. Diesen Schritt sehen allerdings die Bundesräte Schennach (S/W) und Schreuder (G/W) sehr kritisch. Tatsächlich herrschten dort aufgrund des Konflikts mit der kurdischen Bevölkerung bürgerkriegsähnliche Zustände. Zudem habe die Türkei auch menschenrechtliche Verstöße wie Kinderarbeit nicht unterbunden, fügte Schennach an und folgerte, es sei nicht verwunderlich, dass die EU die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterschrieben hat, wenn sie gedenke, ein Land wie die Türkei als sicheren Ort einzustufen. Einen "Erpressungsversuch" der Türkei gegenüber der EU machte Bundesrätin Mühlwerth (F/W) aus. Da die Union in der Flüchtlingsfrage die Türkei brauche, verlange das Land, den innertürkischen Kurdenkonflikt unbeachtet austragen zu können, erboste die FPÖ-Mandatarin sich. Aus dem Innenministerium erfuhren die Ausschussmitglieder, de facto sei noch nicht abschließend geklärt, ob die Türkei tatsächlich auf der Liste bleibt. Neben den Gesprächen im Rat darüber werde auch das Europäische Parlament eine diesbezügliche Stellungnahme liefern.