Parlament Österreich

 

 

 

IV-92 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 18. November 2015

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Mittwoch, 18. November 2015

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Tagesordnung

 

 

1.    Wahl der/des 1. Schriftführerin/Schriftführers

 

2.    Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs zum Haushaltsjahr 2014

(83167/EU XXV.GP)

 

3.    COM(2015) 472 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften über die Verbriefung, zur Schaffung eines europäischen Rahmens für eine einfache, transparente und standardisierte Verbriefung und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EC, 2009/138/EC, 2011/61/EU und der Verordnungen (EU) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 648/2012

(78310/EU XXV.GP)

 

4.    COM(2015) 473 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen

(78313/EU XXV.GP)

 

5.    COM(2015) 601 final

Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit im Euro-Währungsgebiet

(81042/EU XXV.GP)

 

6.    Informelle Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU am 12.11.2015 - Einladungsschreiben

(83041/EU XXV.GP)

           

 

 

 

 

 

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats befasste sich in seiner Sitzung mit sehr unterschiedlichen Themen. Zunächst stand der

·         Jahresbericht 2014 des Europäischen Rechnungshofs auf dem Programm. Oskar Herics, österreichisches Mitglied im EU-Rechnungshof, berichtete den LändervertreterInnen darüber.

·         Im Anschluss daran befasste sich der Ausschuss mit Fragen des Kapitalmarkts (Verbriefung).

·         Die Empfehlung der Kommission, in den Mitgliedstaaten nationale Ausschüsse zur Wettbewerbsfähigkeit einzurichten, fiel im Ausschuss auf wenig Gegenliebe. Man überlegt sich, eine Mitteilung dazu zu formulieren.

·         Am Schluss diskutierten die Ausschussmitglieder über die aktuelle Flüchtlingsproblematik.

 

 

 

Ausschussobmann Edgar Mayer (V/V) berichtete eingangs, dass seit dem letzten Ausschuss folgendes Antwortschreiben der EU-Kommission auf Beschlüsse des EU-Ausschusses eingegangen:

 

·         Antwortschreiben der Europäischen Kommission zur Mitteilung des Bundesrates vom 22.7.2015 zur Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa

 

 

Als Auskunftspersonen waren diesmal eingeladen:

 

TOP 2

·         Mag. Oskar Herics (Europäischer Rechnungshof)

·         Mag. Margit Spindelegger (Europäischer Rechnungshof)

·         Mag. Thomas Obermayr (Europäischer Rechnungshof)

 

TOP 3 und 4

·         Mag. Roman Hameter (BM für Finanzen)

 

TOP 5

·         Mag. Julia Klameth (Bundeskanzleramt)

 

TOP 6

·         Dr. Edda Strohmayer (Bundeskanzleramt)

·         Mag. Gerald Dreveny (BM f. Inneres)

·         Dr. Maria Ziniel (BM f. Inneres)

 

 

 

 

Am Beginn der Sitzung wurde Bundesrat Ewald Lindinger (S/O) zum 1. Schriftführer des EU-Ausschusses einstimmig gewählt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jahresbericht 2014 des Europäischen Rechnungshofs

 

 

Die EU hat Probleme mit der rechtmäßigen Auszahlung ihrer Mittel, und davon ist auch Österreich nicht ausgenommen. Den meisten Fehlern liegen aber keine Betrugsabsichten zugrunde. So könnte man kurz den Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs zusammenfassen, den Oskar Herics, österreichisches Mitglied im EU-Rechnungshof, und seine MitarbeiterInnen Margit Spindelegger und Thomas Obermayr im EU-Ausschuss des Bundesrats den LändervertreterInnen präsentierten. Herics forderte in diesem Zusammenhang eine grundlegende Veränderung im Finanzmanagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten ein.

 

Wie der Europäische Rechnungshof feststellt, konnte er zwar die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der EU für 2014 bestätigen, die Zahlungen sind jedoch in wesentlichem Ausmaß mit Fehlern behaftet. Deshalb gab der Rechnungshof auch ein negatives Prüfungsurteil zu ihrer Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit ab. Herics berichtete, dass die geschätzte Fehlerquote für das Jahr 2014 4,4% beträgt und damit konstant über der Wesentlichkeitsschwelle von 2% liegt. Die höchsten Fehlerquoten seien bei den Regional- und Sozialfonds (5,7 %) und im Bereich Wachstum und Beschäftigung (5,6 %) festzustellen, woraus man schließen könne, dass es einen Zusammenhang zwischen Aufgabengebiet und Fehlerrisiko gibt.

 

Auch Österreich schneidet bei der diesbezüglichen Bewertung nicht gut ab. So lagen beispielsweise die Fehler bei Kohäsionszahlungen bei 64%, und damit belegt Österreich die drittletzte Stelle in der EU und hat sich sogar noch verschlechtert. Die durchschnittliche Fehlerquote in der EU beläuft sich in diesem Bereich auf 44%. Wesentlich besser stellt sich die Lage im Bereich Landwirtschaft dar, hier lag die heimische Fehlerquote bei 39%, im EU-Durchschnitt bei 47%. Der Europäische Rechnungshof hat im Vorjahr 18 Transaktionen nach Österreich geprüft, davon betrafen 10 ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds), 7 ESF (Europäischer Sozialfonds) und 1 EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), wobei sich 9 Transaktionen als fehlerhaft erwiesen. Österreich musste insgesamt im Bereich Struktur- und Kohäsionsfonds 2007-2013 18 Mio. € bzw. 1,5 % der erhaltenen EU-Zahlungen rücküberweisen und liegt damit an fünftletzter Stelle. Besonders schwere Mängel stellte der Europäische Rechnungshof bei der Verwaltung und Kontrolle des Programms "Beschäftigung Österreich 2007-2013" fest.

 

 

Herics informierte zudem, dass es einen erheblichen Rückstand bei der Ausschöpfung der Mittel aus dem mehrjährigen Europäischen Investitions- und Strukturfonds gibt. So seien aus dem Jahr 2014 erst 77 % von 403 Mrd. € ausbezahlt worden. Die Ausschöpfungsrate liegt im Einzelnen zwischen 50 % bis 92 %, in Österreich bei 84 %.

 

Er kritisierte auch, dass die Europa-2020-Strategie nicht mit den für die EU-Haushaltzyklen maßgeblichen Zeiträumen abgestimmt ist. Die Mitgliedstaaten würden die Verwirklichung der Ziele nicht ausreichend berücksichtigen, so der Europäische Rechnungsprüfer.

 

Nachdrücklich drängte Herics darauf, die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs ernst zu nehmen und stellte mit Bedauern fest, dass etwa die Probleme mit der Kohäsion zu keinen Konsequenzen in den Mitgliedstaaten führen. Es würden weder die Gründe für die Fehler analysiert, noch der Fokus auf Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit gelegt. In den einzelnen Ländern konzentriere man sich eher auf die Mittelabschöpfung und vernachlässige in den Berichten den Aspekt, ob die Ziele auch tatsächlich erreicht wurden. Die Risiken einer unrechtmäßigen Mittelvergabe zögen unangenehme Folgen nach sich, so Herics, etwa eine Finanzkorrektur, Vertragsverletzungsverfahren oder die Tatsache, dass EU-Pläne nicht eingehalten werden.

 

 

In der Diskussion beklagten vor allem Edgar Mayer (V/V) und Sonja Zwazl (V/N) die überbordende Bürokratie bei der Antragstellung. Zwazl fehlte insbesondere eine kompetente Stelle bei der Kommission, die bei anfallenden Fragen Auskunft geben könnte. Sie unterstrich zudem mit Nachdruck, dass bei aller Notwendigkeit öffentlicher europaweiter Ausschreibungen möglichst viele heimische Betriebe zum Zug kommen, damit die Wirtschaftskraft in der Region bleibt. Auf die besonderen bürokratischen Probleme in der Landwirtschaft machten Martin Preineder (V/N) und Ferdinand Tiefnig (V/O) aufmerksam. So gebe es beispielsweise bei der Flächenidentifizierung unterschiedliche Messsysteme, wodurch die Fehlerquote systemimmanent sei, sagte Preineder. Wenn Grundstücke von Firmen in Anspruch genommen werden, so sei auf einmal der Landwirt dafür verantwortlich, dass die Fläche herausgenommen wird, brachte Tiefnig ein weiteres Beispiel. Er wies auch darauf hin, dass nicht immer die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen dürfe, sondern man auch auf soziale Aspekte achten müsse. Eduard Köck (V/N) informierte, dass die Bauernvertretung der Kommission 67 Vorschläge zur Vereinfachung der Antragstellung gemacht habe, man werde diese auch dem EU-Rechnungshof zur Verfügung stellen.

 

Der Rechnungshof sei bemüht, die Vorschriften zu vereinfachen, es gebe auch bereits Pauschalierungsmöglichkeiten, reagierte Herics auf die Anregungen. Zugleich gab er aber zu bedenken, dass Vereinfachungen nicht zu einer Verfehlung der Wirkungen und Zielsetzungen führen dürfe. Auch gebe es bereits Toleranzen bei der Flächenvermessung, stellte er fest. Jedenfalls wäre es notwendig, durch Schulungsmaßnahmen die Fehlerquote zu senken, meinte er in Richtung Monika Mühlwerth (F/W), die sich darüber beklagt hatte, dass es viel Unkenntnis und zu wenig Kooperation gebe. Ihr zufolge müssten die Kontrollsysteme verbessert und die Vorschriften vereinfacht werden. Herics zufolge wäre es auch Aufgabe der Kommission, den einzelnen Ländern stärker zur Hand zu gehen, bekräftigte er gegenüber Stefan Schennach (S/W).

 

Der Europäische Rechnungshof ist eine unabhängige externe Prüfstelle, die 1977 eingerichtet wurde und ihren Sitz in Luxemburg hat. Als Kollegialorgan gehören ihm 28 Mitglieder – jeweils ein Mitglied aus jedem EU-Land – an. Er prüft die Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben der EU sowie ihrer Agenturen und dezentralen Einrichtungen nach den Maßstäben der Wirtschaftlichkeit. In diesem Zusammenhang hält es Herics für erforderlich, mehr Flexibilität im EU-Haushalt walten zu lassen, um auf aktuelle Ereignisse, wie etwa die Flüchtlingskrise, besser reagieren zu können. Der Europäische Rechnungshof kann auch die Europäische Zentralbank prüfen, jedoch nicht deren Kerntätigkeit. Jedenfalls könne er aber ein genaues Auge auf das neue Bankenaufsichtssystem der EU im Rahmen der Bankenunion werfen. Er prüft auch die Europäische Investitionsbank, wenn sie in Umsetzung von EU-Programmen eingebunden ist.

 

Nähere Informationen über den Europäischen Rechnungshof findet man unter: www.eca.europa.eu bzw. twitter.com/EUAuditorsECA

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verbriefungen

 

 

Um bessere Rahmenbedingungen für die Kreditvergaben im Interesse von mehr Wachstum und Beschäftigung ging es in der weiteren Diskussion des Ausschusses. Die EU will den Verbriefungsmarkt wiederbeleben und hat dazu zwei Entwürfe vorgelegt, die durch klare Regelungen mehr Transparenz und Sorgfaltspflicht bringen und damit das Vertrauen wieder stärken und das Risiko minimieren sollen.

 

Die Vorschläge wurden weitgehend positiv bewertet. Konkret sprachen sich Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W) für die Pläne aus. Man sollte nicht viel Zeit verlieren, wenn man den Juncker-Plan erfolgreich umsetzen will, sagte Schennach. Wie Sonja Zwazl (V/N) übte er Kritik an Basel III, wodurch der Kreditmarkt erheblich "verstopft" worden sei. Schennach verband damit auch die Hoffnung, dass die Rating-Agenturen etwas "ausgehebelt" werden könnten, indem man mit den geplanten Regelungen einen Ersatz für eine Europäische Rating-Agentur schafft. Sorgen äußerte jedoch Monika Mühlwerth (F/W), da sie die Gefahr weiter Bündelung risikoreicher Papiere sieht.

 

Verbriefung bezeichnet den Prozess der Bündelung und Übertragung des Kreditrisikos einer oder mehrerer Forderungen in Form von Wertpapieren. Der Vorschlag der EU-Kommission erfasst jene Verbriefungen, bei denen das mit den zugrundeliegenden Forderungen verbundene Kreditrisiko in Tranchen (mit unterschiedlichen Risikoprofilen) unterteilt wird. Der erste Vorschlag enthält sektorübergreifende Regelungen für Verbriefungen und führt eine neue Kategorie von Verbriefungen, sogenannte "STS-Verbriefungen" (simple, transparent and standardised securitisations), ein. Der zweite Vorschlag hat Änderungen der "Capital Requirements Regulation" (CRR) zum Inhalt, v.a. in Bezug auf Eigenmittelanforderungen der Banken für Verbriefungen. Die CRR, ist eine im Bankwesen geltende Verordnung der EU, die im Rahmen von Basel III Vorgaben zur angemessenen Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen festlegt.

 

Wie das Finanzministerium erläutert, soll das Risiko klar und einfach dargestellt werden, um es besser einschätzen zu können. Es sei auch die genaue Sorgfaltsprüfung gefordert. Der Entwurf sieht auch die einheitliche Regelung des verpflichtenden Risikoselbstbehalts und die verpflichtende Sorgfaltsprüfung für institutionelle Investoren einer Verbriefung vor – etwa die Analyse der Risikocharakteristika der Verbriefung. Zudem soll es Offenlegungspflichten geben, wie z.B. regelmäßige Information zur Entwicklung der verbrieften Forderungen. STS-Verbriefungen müssen im Interesse der Stärkung des Vertrauens der Anleger auch zahlreichen Kriterien entsprechen, dadurch soll es institutionellen Investoren erleichtert werden, die mit Verbriefungen verbundenen Risiken adäquat beurteilen zu können, ohne auf externe Dritte (Ratingagenturen, etc.) zurückgreifen zu müssen. Im Sinne einer risikoadäquaten aufsichtsrechtlichen Behandlung sollen für STS-Verbriefungen künftig geringere Eigenmittelanforderungen gelten. Abgesehen davon enthält der Vorschlag eine grundlegende Überarbeitung der Eigenmittelanforderungen der Banken für Verbriefungen. Auch die Banken sehen den Vorschlag positiv, erfuhren die Bundesrätinnen und Bundesräte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nationale Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit

 

 

Keine Zustimmung im EU-Ausschuss des Bundesrats fand die Empfehlung der EU-Kommission, nationale Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit einzurichten, und zwar in jenen Ländern, die den Euro als Währung haben. Ziel der Kommission ist es, mehr Konvergenz der einzelnen Volkswirtschaften und der Wettbewerbsfähigkeit herzustellen.

 

Ein klares und dezidiertes Nein dazu kam von Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W). Beide stellten eine diesbezügliche Mitteilung an die EU-Kommission in Aussicht. Sie gingen mit dieser Skepsis auch vollkommen mit dem Bundeskanzleramt konform. Dessen Vertreterin betonte im Ausschuss, Österreich könne keinen Mehrwert erkennen, denn es gebe genügend Institutionen, die Analysen bereit stellen.

 

Die genannten nationalen Ausschüsse sollen laut Plan der Kommission die Entwicklungen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit - darunter die Arbeitskosten, Produktivität und Innovationskapazität - überwachen, einschlägige Informationen für den Lohnbildungsprozess auf nationaler Ebene bereitstellen, politische Maßnahmen in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit überwachen sowie ex-post bewerten, ferner politische Herausforderungen bewerten und politische Empfehlungen zum Thema Wettbewerbsfähigkeit formulieren. Die Ausschüsse sollten einen jährlichen Bericht veröffentlichen sowie Kontakte zur Kommission und zu den Ausschüssen in den anderen Mitgliedstaaten pflegen. Sie sollten weisungsunabhängig bzw. funktionell eigenständig gegenüber den Behörden sein, die im betreffenden Mitgliedstaat für Fragen der Wettbewerbsfähigkeit zuständig sind.

 

Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass die Ausschüsse für die Wettbewerbsfähigkeit einschlägige Interessensträger konsultieren – genannt werden etwa die Sozialpartner – doch sollten sie nicht ausschließlich oder überwiegend die Ansichten bestimmter Gruppen von Interessensträgern vermitteln. Hier hakten besonders Stefan Schennach (S/W) und der Vertreter der Arbeiterkammer ein. In Österreich gibt es eine Tarifautonomie, sagte Schennach, und was die EU hier vorhabe, würde eine Zurückstufung der Sozialpartner als Auskunftsstelle bedeuten. Selbstverständlich brauche man einen makroökonomischen Dialog in Europa, meinte er, aber nicht auf solch einer Ebene. Auch die Arbeiterkammer befürchtet eine politische Einmischung der EU in die Autonomie der Sozialpartner, insbesondere bei der Lohnfindung. Die EU sollte sich nicht einseitig auf die Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren, sondern sich mit Wachstum und Beschäftigung befassen, forderte der AK-Vertreter. Ein Wettlauf der Löhne nach unten würde sich auch negativ auf die Kaufkraft auswirken, warnte er.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Flüchtlingskrise

 

 

Auch die aktuellen Migrationsströme beschäftigten heute den EU-Ausschuss des Bundesrats. Die Ergebnisse der informellen Tagung der Staats- und RegierungschefInnen vom 12. November 2015 boten die Grundlage für die Diskussion.

 

Um die andauernde Flüchtlingskrise zu bewältigen, streben die EU-Staaten eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Drittländern, einschließlich der Türkei an. Im Mittelpunkt der Beratungen des informellen Treffens standen daher auch die Beziehungen zur Türkei, zumal dieses Land als Schlüssel bei der Eindämmung der Flüchtlingsströme gesehen wird. Außerdem ging es um die Umsetzung der Beschlüsse zur Umsiedlung sowie um die Einrichtung von Registrierungszentren - sogenannten Hotspots - in Griechenland und Italien. Sie sollen der Identifizierung und Registrierung von Antragstellerinnen auf internationalen Schutz und von anderen MigrantInnen dienen und bis Ende November voll funktionsfähig sein. Sowohl bei der Errichtung von Hotspots, als auch bei der Umsiedlung geht relativ wenig voran, wurde seitens des Bundeskanzleramts kritisch vermerkt.

 

Hotspots und Registrierung helfen nicht, wenn keine Konsequenzen, wie etwa eine verpflichtende Aufteilung der Flüchtlinge, erfolgt, hieß es dazu aus dem Innenministerium. Derzeit werde die Infrastruktur aufgebaut und Experten seien vor Ort. Dennoch stoße man bei einem so riesigen Flüchtlingsansturm auch an Kapazitätsgrenzen. Auch Gerhard Schödinger (V/N) drängte auf ein Gesamtkonzept, das neben Hotspots auch die Sicherung der Außengrenzen und eine verpflichtende und faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU vorsieht. Wie Eduard Köck (V/N) äußerte er Unmut über die mangelnde Solidarität in Europa. Diejenigen Länder, die Netto-Empfänger sind, sollten nun in der Flüchtlingsfrage mehr Solidarität beweisen, forderten beide. "Wenn die EU eine Union sein will, muss man die Außengrenzen schützen und sichern", betonte Monika Mühlwerth (F/W). Wer kein Recht auf Asyl hat, den müsse man wieder abschieben können, und dabei hapere es noch, sagte sie.

 

Thema der informellen Tagung war zudem der Ausbau der Aufnahmekapazitäten und die erforderliche Abstellung zusätzlicher Experten für FRONTEX und EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen). Österreich beteiligt sich daran mit rund 100 Experten überproportional, wurde seitens des Bundeskanzleramts betont. Als unumgänglich betrachtet man eine wirksame Verstärkung der Kontrolle der Außengrenzen, um den derzeitigen Zustrom in geordnete Bahnen zu lenken und administrierbar zu machen. Die EU will laut Bundeskanzleramt im Dezember ein Grenzschutzpaket vorstellen.

 

Wie es in der Vorlage des Bundeskanzleramts heißt, ist Österreich zu konstruktiven Verhandlungen mit der Türkei über ein umfassendes Paket bereit, um den Flüchtlingsstrom nach Europa zu entschärfen und die Lebensbedingungen von Schutzsuchenden in der Türkei zu verbessern. Deshalb soll hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Türkei ein umfassendes Paket geschürt werden, darunter eine Unterstützung von 3 Mrd. €. Die EU will aus ihrem Budget 500.000 € zur Verfügung stellen, 1,5 Mrd. € sollen aus den Mitgliedstaaten kommen. Woher die weitere Milliarde kommen soll, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Die Vertreterin des Bundeskanzleramts unterstrich die Bedeutung der Türkei als wichtigen und strategischen Partner in der Frage der Bewältigung der Flüchtlingsströme und unterstrich die Sensibilität der Verhandlungen. Seitens der EU liege noch kein offizielles Verhandlungspapier vor, sagte sie.

 

Die von der EU in Aussicht gestellten 500.000 € sind nach Ansicht von Edgar Mayer (V/V) viel zu wenig. Er kann sich auch nicht vorstellen, dass die Mitgliedstaaten, die wie Österreich ohnehin um die Konsolidierung ihren Haushalt ringen, weitere Millionen aufbringen können. Dem hielt Stefan Schennach (S/W) entgegen, im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise habe man Milliarden locker machen können. Er halte einen solchen Treuhandfonds für wichtig. Hätte Europa schon früher Programme, wie etwa das World Food Programme, ausreichend unterstützt, müssten sich nicht so viele Menschen auf den Weg machen, so Schennach. Die Situation für die Flüchtlinge in der Türkei stelle sich menschenrechtlich problematisch dar, sie hätten nicht einmal einen Flüchtlingsstatus. Außerdem müsste man auch das Umfeld stärker berücksichtigen, wie etwa Jordanien und den Libanon.

 

Was die Verhandlungen mit der Türkei betrifft, so sind sich die Ausschussmitglieder der Sensibilität bewusst. Die Verhandlungen müssten mit Augenmaß geführt werden, sagte Schennach und Mühlwerth sprach von einem äußert schwierigen Verhandlungspartner. Grundsätzlich stellte sie fest, dass Europa seine Aufgaben selbst erledigen sollte, anstatt darauf zu hoffen, dass uns die Türkei "die Flüchtlinge vom Hals hält".