Parlament Österreich

 

 

 

IV-101 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 13. Juli 2016

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Mittwoch, 13. Juli 2016

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Tagesordnung

 

 

 

1.    COM(2016) 283 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden

(105209/EU XXV.GP)

 

2.    COM(2016) 289 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen gegen Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG

(105183/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats schickte gleich zwei Subsidiaritätsrügen nach Brüssel. Zum einen ging es um den Verordnungsvorschlag zur Zusammenarbeit der zuständigen nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten, mit dem Ziel, die Verbraucherschutzgesetze durchzusetzen; zum anderen um den Vorstoß der Kommission, ungerechtfertigtes "Geoblocking" zu unterbinden. Beide Materien standen bereits am 29. Juni auf der Tagesordnung des Ausschusses, wobei bereits damals schwerwiegende Bedenken gegenüber beiden Gesetzesentwürfen geäußert wurden.

 

 

 

 

Vor Eingang in die Tagesordnung berichtete Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) über aktuelle Entwicklungen:

 

Seit dem letzten Ausschuss sind folgende Vorschläge der Europäischen Kommission für Gesetzgebungsakte eingegangen:

 

·         Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige

 

·         Vorschlag für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer umfassende Qualifikationen voraussetzenden Beschäftigung.

 

 

 

Als ExpertInnen standen dem Ausschuss zur Verfügung:

 

·         MMag.a Erika Ummenberger-Zierler (BMWFW)

·         Sektionschef Hon.-Prof. Dr. Georg Kathrein (BMJ)

·         Sektionschefin Dr.in Maria Reiffenstein (BMASK)

·         Mag.a Iris Podbelsek (BMASK)

·         Mag. Reinhold Schranz (Europäisches Verbraucherzentrum

·         Dr. Roman Seelinger (WKÖ)

·         Mag. Huberta Maitz-Straßnig (WKÖ)

·         Dr. Artur Schuschnigg (WKÖ)

 

 

 

 

Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) berichtete auch über die letzte Sitzung der COSAC. Zentrale Themen waren das Brexit-Referendum in Großbritannien, und die Migration. Über die Sozialunion habe es eine intensive Debatte gegeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verbraucherschutz

 

 

Die Reaktion hinsichtlich der engeren behördlichen Zusammenarbeit in Sachen Verbraucherschutz (CPC-Verordnung) war bereits beim letzten Ausschuss "kritisch bis ablehnend", wobei die Bundesrätinnen und Bundesräte durchaus Verständnis für einen verbesserten Schutz der KonsumentInnen, insbesondere im Bereich des Internethandels, zeigten. Die EU-Kommission regt vor allem auch im Hinblick auf neue Herausforderungen im digitalen Bereich eine Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften an, welche die Grundlage zur Zusammenarbeit der nationalen Behörden bilden, um die Durchsetzung der Gesetze zum Verbraucherschutz innerhalb der EU zu überwachen. Nach 10-jähriger Erfahrung mit den geltenden Bestimmungen haben sich diverse Defizite und Schwerfälligkeiten herauskristallisiert, erläuterte die Expertin des Sozialministeriums. Vor allem fehle eine Rechtsgrundlage für gemeinsame Aktionen. Die Behörden sollen daher in Hinkunft weitergehende Mindestbefugnisse erhalten. Das betrifft Zugangsrechte zu Daten und Dokumenten, die auch durch Hausdurchsuchungen erzwungen werden können. Erlaubt sein soll ferner Mystery Shopping sowie die Sperre von Webseiten im Fall betrügerischer Praktiken. Die Behörden sollen zudem Sanktionen, einschließlich Geldbußen und Zwangsgelder, verhängen können.

 

Die Länderkammer stößt sich vor allem an diesen zusätzlichen Befugnissen. Diese greifen nach Ansicht der Mandatarinnen und Mandatare zu tief in nationales Recht, insbesondere in das Strafrecht, ein. Kritisch werden abermals die zahlreichen geplanten delegierten Rechtsakte kommentiert, die ein Mitspracherecht der nationalen Parlamente bei der näheren gesetzlichen Ausgestaltung unterminieren.

 

Dementsprechend hart fällt auch die Subsidiaritätsrüge (begründete Stellungnahme) aus, die der Ausschuss einhellig verabschiedete.

 

Darin stellen die Bundesrätinnen und Bundesräte außer Streit, dass die Verfolgung grenzüberschreitender Verstöße gegen die EU-Verbraucherschutzgesetze effektiver gestaltet werden muss und eine EU-weite Regelung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden in diesem Zusammenhang notwendig ist. Die geltende EU-Verordnung sei vor allem im Hinblick auf die digitale Wirtschaft und Entwicklung des grenzüberschreitenden Einzelhandels den aktuellen Anforderungen nicht gewachsen, hält es der EU-Ausschuss durchaus für angebracht, die geltenden Bestimmungen zu überarbeiten.

 

Massive Einwände gibt es jedoch gegen die – wie es im Antrag heißt - extensiv geplanten delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte und die "dadurch verursachte Kompetenzerosion zu Ungunsten von Mitgliedstaaten". Dies widerspreche diametral dem Subsidiaritätsprinzip genauso wie die ins Auge gefasste Bestimmung, wonach die Kommission die Umsetzung der nationalen Durchsetzungspläne überwacht. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) sprach in der Diskussion von einer "Unart" und SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach (S/W) berichtete, dass sich die COSAC (die Konferenz der Europaausschüsse) demnächst explizit mit der Frage der ausufernden delegierten Rechtsakte befassen werde. Österreich ist mit seiner kritischen Haltung dazu längst nicht mehr allein, bemerkte Schennach.

 

Der EU-Ausschuss sieht aber nicht nur das Subsidiaritätsprinzip verletzt, sondern auch die Verhältnismäßigkeit, und zwar im Hinblick auf die Ausübung der ausgedehnten Mindestbefugnisse der Behörden. Diese sollten laut Meinung der Bundesräte und Bundesrätinnen bereits im Verordnungstext prominenter verankert sein und nicht erst in den Durchführungsrechtsakten festgelegt werden. Dementsprechend sei zu klären und zu präzisieren, ob und in welchen Fällen insbesondere die Befugnisse der Entschädigung und der Gewinnabschöpfung zulässigerweise ergriffen werden können, heißt es in der begründeten Stellungnahme. Nach Auffassung des EU-Ausschusses sollten auch für einzelne weitreichende Mindestbefugnisse Parameter festgelegt werden, die den zuständigen Behörden sachliche Kriterien für die Auswahl und Anwendung der Sanktionen unter Wahrung der jeweiligen innerstaatlichen rechtlichen Rahmenbedingungen geben. Die schrankenlose Anwendbarkeit, wie sie der Verordnungsentwurf derzeit vorsieht, würde über das hinausgehen, was zur Erreichung der im Vorschlag angeführten Ziele erforderlich ist.

 

Die Subsidiaritätsrüge der Länderkammer wurde auch von den anwesenden ExpertInnen des Wirtschafts-, Sozial- und Justizministeriums sowie von der Wirtschaftskammer begrüßt, wobei die Vertreterin des Sozialressorts, das auch für den Konsumentenschutz zuständig ist, den Verordnungsentwurf der EU-Kommission grundsätzlich weniger negativ beurteilte und bei einigen "zu viel Sorge" ortete. Das Ziel der Verordnung sei die Abstellung von Verstößen und nicht die Entschädigungen, sagte sie. Auch gibt es ihr zufolge für die nationalen Behörden weitgehenden Spielraum bei der Ausgestaltung der Mindestbefugnisse, die Priorität bleibe auch nach dem vorliegenden Entwurf bei der Durchführung durch nationale Behörden. Grundsätzlich plädierte sie für eine Bereinigung des Verbraucherrechts, um besser gegen unlautere Praktiken großer Unternehmen vorgehen zu können. Das komme auch den Klein- und Mittelbetrieben zugute, sagte sie, da diese ja nicht so häufig grenzüberschreitend tätig seien.

 

Einig war man sich seitens der drei involvierten Ressorts aber in der Kritik an den zahlreich geplanten delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten. Die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums wandte sich gegen eine zu starke Einmischung der EU-Kommission, bisher hätten sich die Mindestbefugnisse auf Auskunftsrechte beschränkt, stellte sie fest. Sozial- und Justizministerium vertraten auch die Ansicht, dass die Priorität beim zivilrechtlichen Verbraucherrecht bleiben sollte und die stärkere Heranziehung des Strafrechts große Probleme nach sich zöge. Die Anlehnung an das Kartellrecht wurde daher auch vom zuständigen Sektionschef des Justizministeriums in Frage gestellt. Das habe mehr mit dem Strafrecht zu tun und gehöre eigentlich nicht mehr zum Verbraucherrecht, betonte er. Beim Strafrecht seien auch grundrechtliche Fragen tangiert, gaben er wie auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) zu bedenken. Das österreichische System habe sich bewährt, sagte der Sektionschef.

 

Auch die Wirtschaftskammer wiederholte ihre schwerwiegenden Sorgen. Die angedachten Mindestbefugnisse gehen weit über das Verbraucherrecht hinaus, unterstrich deren Vertreter, die Durchsetzung der Verbraucherrechte sei Kompetenz der Mitgliedstaaten. Mit den Neuerungen würde man tief ins Strafrecht und in das materielle Recht hineingehen, damit würde man mit "Kanonen auf Spatzen" schießen. Würde der Verordnungsvorschlag umgesetzt, dann könnte die EU-Kommission sogar eine ausländische Behörde bestimmen, Maßnahmen in Österreich zu ergreifen, warnte er. Mit all dem sei die Verhältnismäßigkeit keineswegs gewahrt.

 

Die Meinung der ExpertInnen spiegelte sich in den Wortmeldungen der Bundesrätinnen und Bundesräte wieder. Stefan Schennach (S/W) und Heidelinde Reiter (G/S) halten weitere Schritte zur Durchsetzung der Verbraucherrechte, vor allem im Online-Handel, für unumgänglich. Auch sei es wichtig, mit Drittstaaten Abkommen abschließen zu können, um die Möglichkeit zu erhalten, über die EU-Grenzen hinaus tätig werden zu können, sagte Schennach. Er zeigte aber Verständnis für die Bedenken hinsichtlich der "Mischkulanz" zwischen Zivilrecht und Strafrecht.

 

Sonja Zwazl (V/N) hingegen äußerte sich dezidiert negativ zu den EU-Plänen. Es gehe um gravierende Eingriffe in nationales Recht, stellte sie fest, Österreich könne diese Dinge selber regeln. Der Titel der Verordnung sei daher irreführend. Gerd Krusche (F/St) wiederum warnte vor einer "Amerikanisierung" des Systems. Auch VerbraucherInnen haben eine gewisse Eigenverantwortung, meinte er

 

 

Geoblocking

 

Ernste Bedenken hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips äußerten die Bundesrätinnen und Bundesräte gegen den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Vermeidung von ungerechtfertigtem Geoblocking, einer im Internet eingesetzten Technik zur regionalen Sperrung von Internetinhalten durch den Anbieter. Laut Vorschlag der Kommission soll künftig jeder Europäer und jede Europäerin in der EU digital überall zu gleichen Bedingungen kaufen können. Eine Diskriminierung von Kundinnen und Kunden, die Dienstleistungen oder Waren in einem anderen Mitgliedstaat online oder vor Ort erwerben wollen - sei es durch unterschiedliche Preise, Verkaufs- oder Zahlungsbedingungen – wäre demnach verboten.

 

Die ÖVP befürchtet vor allem, dass Unternehmen mit den angedachten Bestimmungen einem Kontrahierungszwang unterliegen, also der rechtlichen Verpflichtung zum Vertragsabschluss. Das widerspricht nach Aussage von Edgar Mayer (V/V) grundsätzlich der unternehmerischen Freiheit. Für die SPÖ ist das Kommissionsbestreben, Ungleichbehandlungen von VerbraucherInnen auszuräumen, eher nachvollziehbar; allerdings bestehe beim vermehrten online-Handel die Gefahr, dass der Einzelhandel zugrunde geht, gab Stefan Schennach (S/W) zu bedenken.

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats schickte daher einstimmig eine diesbezügliche Subsidiaritätsrüge nach Brüssel, in der SPÖ und ÖVP festhalten, der Verordnungsvorschlag greife in überschießender und unverhältnismäßiger Weise in Selbstbestimmungsrechte ein. Jedem Unternehmen stehe es frei, sein Verkaufsgebiet selbst zu bestimmen, zumal das von der Kommission herangezogene Diskriminierungsverbot aufgrund des Wohnorts oder der Nationalität nur für die Mitgliedsstaaten und ihre Organe gelte, nicht aber für Private. Abgesehen davon gebe es innerhalb der Europäischen Union kaum harmonisierte Regelungen zu Gewährleistungsrecht oder Informationspflichten. Bundesrat Martin Preineder (V/N) und sein Fraktionskollege Eduard Köck (V/N) konnten vor diesem Hintergrund den Gedanken, für gleiche Produkte den gleichen Preis in der ganzen EU vorzusehen, nicht nachvollziehen. Köck führte wie Ingrid Winkler (S/N) außerdem die unterschiedlichen Lieferbedingungen bei online-Bestellungen ins Treffen und Gerd Krusche ((F/St) sorgte sich über die Auswirkungen auf Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen, besonders auf solche mit exklusivem Gebietsschutz, sollte die Verordnung kommen.

 

Die bestehenden Probleme, Produkte grenzüberschreitend anzubieten, widersprächen dem Binnenmarkt an sich, meinte die Salzburger Grünen-Mandatarin Heidelinde Reiter. Vorangegangen waren dieser Feststellung zum einen Berichte eines Vertreters des Europäischen Verbraucherschutzes über Beschwerdefälle, die zumeist auf unterschiedlichen Preisen für gleiche Waren angeboten auf verschiedenstaatlichen Websites einer Firma beruhten. Zum anderen kam von der Wirtschaftskammer (WKO) die Warnung, der grenzüberschreitende Handel werde durch verstärkte Klagsmöglichkeiten gegen Unternehmen gemäß Verbraucherstaatsrecht behindert. Tatsächlich habe aber noch kein enttäuschter Kunde ein ausländisches Unternehmen geklagt, relativierte der Verbraucherschutzexperte; Kosten und Komplexität der Rechtsmaterie würden dies verhindern. Überhaupt gehe es im Legislativentwurf nicht um einen unionsweit einheitlichen Preis, sondern um die Berechtigung, unabhängig vom Wohnstaat das günstigste Angebot in Anspruch zu nehmen.

 

Dennoch – mit dem Verordnungsvorschlag der Kommission befinde man sich "in gefährlicher Nähe zum verordneten Preis", kritisierte der WKO-Sprecher. Ein derartiges Beharren auf einem Preis in der gesamten Union stehe den Prinzipien der Marktwirtschaft entgegen. Letztlich solle der Markt regeln, verwies er darauf, dass übervorteilte KonsumentInnen den Unternehmen von selbst abhandenkommen. Die Expertinnen von Sozialministerium (BMASK) und Wirtschaftsministerium (BMWFW) verdeutlichten im Ausschuss beide, nach wie vor bestehe viel Diskussionsbedarf in Bezug auf den Kommissionsentwurf. So sind dem BMASK zufolge online-Käufe, die nicht selbst abgeholt werden, nicht vom Verordnungsvorschlag erfasst. Aus dem BMWFW hieß es, der online-Handel gehe generell zu Lasten österreichischer Arbeitsplätze und des stationären Handels. Überdies bestünden Probleme bei der Steuerabwicklung und das hohe Transportaufkommen habe negative Umweltauswirkungen. Allerdings, betonte die Expertin, Vertragsfreiheit bedeute auch, dass Unternehmen sich ihre Vertragspartner, sprich KundInnen, aussuchen können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgende Anträge auf begründete Stellungnahme wurden vom Ausschuss einstimmig angenommen:

 

 

 

ANTRAG AUF BEGRÜNDETE STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG

 

 

der Bundesräte Edgar Mayer, Stefan Schennach, Monika Mühlwerth

Kolleginnen und Kollegen

 

COM (2016) 283 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (105209/EU XXV.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 13. Juli 2016.

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates kann gemäß §13a GO-BR in einer begründeten Stellungnahme gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG iVm Art. 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit darlegen, warum ein Entwurf eines Legislativvorhabens der Europäischen Union mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar ist. Diese Stellungnahme muss binnen acht Wochen nach Vorliegen des Entwurfes in allen Sprachfassungen erfolgen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

                        Antrag auf Begründete Stellungnahme gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:

 

 

A. Begründete Stellungnahme

 

Das gegenständliche Vorhaben ist in der derzeitigen Form in einigen Teilen mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.

 

 

B. Begründung

 

Der EU Ausschuss des Bundesrates geht mit der Kommission konform, dass die Verfolgung grenzüberschreitender Verstöße gegen die EU-Verbraucherschutzgesetze effektiver gestaltet werden muss. Die derzeitig geltende Verordnung ist insbesondere im Hinblick auf die digitale Wirtschaft und der Entwicklung des grenzüberschreitenden Einzelhandels den aktuellen Anforderungen nicht gewachsen, was eine Überarbeitung der Verordnung notwendig macht. Eine effektive grenzüberschreitende Kooperation der nationalen zuständigen Behörden ist von entscheidender Bedeutung, um Verstöße gegen die Regelungen zu verhindern. Zusätzlich sieht die Verordnung vor, durch internationale Abkommen  auch Lösungen für Verstöße durch Unternehmen, die außerhalb der EU ihren Sitz haben, herbeizuführen.

 

Der EU Ausschuss des Bundesrates möchte klarstellen, dass er die Notwendigkeit einer EU-weiten Regelung der Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden, die für die Durchführung der Verbraucherschutzgesetzgebung zuständig sind, nicht infrage stellt, sondern Einwände gegen die von der Kommission vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakte (Artikel  10, 11, 12 15, 20, 27) erhebt. Die extensive Einführung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten und die dadurch verursachte Kompetenzerosion zu Ungunsten von Mitgliedstaaten wird vom Bundesrat generell als kritisch erachtet und widerspricht diametral dem Subsidiaritätsprinzip. Der Ausschuss hat ferner in begründeten Einzelfällen Bedenken gegen den Vorschlag in Artikel 46, wonach die Kommission die Umsetzung der nationalen Durchsetzungspläne überwacht, was ebenfalls nicht mit dem Prinzip der Subsidiarität vereinbar ist.

 

Überdies ist der Ausschuss nach der Prüfung des Vorhabens übereingekommen, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Ausübung der einzelnen Mindestbefugnisse durch die zuständigen Behörden im Text der Verordnung prominenter verankert werden sollte. Dementsprechend muss geklärt und präzisiert werden, ob und in welchen Fällen insbesondere die Befugnisse der Entschädigung und der Gewinnabschöpfung zulässigerweise ergriffen werden können.

 

Nach Auffassung des EU Ausschusses des Bundesrates sollten  auch für einzelne weitreichende Mindestbefugnisse Parameter festgelegt werden, die den zuständigen Behörden sachliche Kriterien für die Auswahl und Anwendung der Sanktionen unter Wahrung der jeweiligen innerstaatlichen rechtlichen Rahmenbedingungen geben Die schrankenlose Anwendbarkeit der Mindestbefugnisse des Artikel 8, ohne diese zuvor in ein angemessenes Verhältnis zum Gewicht des betreffenden Verstoßes und dem angestrebten Erfolg zu bringen, würde  über das hinausgehen, was zur Erreichung der im Vorschlag angeführten Ziele erforderlich ist, und stünde daher auch mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Widerspruch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

          gemäß Art 23g Abs 1 B-VG

 

 

der Bundesräte Edgar Mayer, Stefan Schennach

 

betreffend COM (2016) 289 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen gegen Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarktes sowie zur Veränderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (105183/EU, XXV. GP)

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 13. Juli 2016.

 

 

 

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23g Abs 1 B-VG

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:

 

 

Stellungnahme

 

Das gegenständliche Vorhaben ist in der derzeitigen Form in einigen  wichtigen Teilen mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.

 

Begründung

 

Seitens der Kommission wird als allgemeines Ziel der Verordnung gegen Geoblocking angeführt, den Verbrauchern besseren Zugang zu Waren und Dienstleistungen im Binnenmarkt zu verschaffen. So begrüßenswert dieses Bestreben auch zu sein scheint, so zweifelhaft ist die Eignung der vorgeschlagenen Mittel zur Erreichung desselben. Der mit dem Verordnungsvorschlag bewirkte Kontrahierungszwang greift jedenfalls auf ungeeignete weil überschießende Weise und daher unnötig in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten ein und verletzt daher schon aus diesem Grund die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.

 

Der EU Ausschuss des Bundesrates merkt an, dass das Ziel des vorliegenden Entwurfes, mehr Rechtssicherheit darüber zu schaffen, welche Faktoren eine Ungleichbehandlung von KundInnen rechtfertigen können und welche nicht,   zwar ein unterstützenswertes Vorhaben ist, bezweifelt aber, dass dies mit dem Vorschlag erreicht würde. 

 

Beim ausdrücklichen Diskriminierungsverbot in mehreren verschiedenen Fällen ist  u.a. anzumerken, dass die Fallkonstellationen Bedingungen enthalten, die für die grenzüberschreitenden Einkaufsgewohnheiten von KonsumentInnen eher untypisch sind. Mit anderen Worten: der Standardfall eines Online- Versendungskaufs (bei dem die Warenzustellung vom Onlinehändler angeboten wird) liegt außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung und lässt sich – aus guten Gründen – auch nicht erfassen.

 

Durch das Ausrichten der Tätigkeiten auf einen anderen Mitgliedstaat, ergibt sich im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzung, dass der Unternehmer im Streitfall nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) vom Verbraucher in dessen Wohnsitzstaat geklagt werden kann bzw. den Verbraucher selbst in dessen Wohnsitzstaat klagen müsste.

 

Viele wichtige Bereiche, wie z.B. Regelungen über missbräuchliche Klauseln oder auch das Gewährleistungsrecht sind EU-weit durch Richtlinien zwar mindestharmonisiert vereinheitlicht, aber eben doch nicht gleich. Es besteht daher, um sich rechtskonform zu verhalten und nicht etwa mit kostspieligen Abmahnungen aus dem Ausland konfrontiert zu werden, die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme von fachkundiger Beratung in jedem einzelnen Mitgliedstaat zur Überprüfung und Anpassung von AGB, aber u.a. auch dahingehend, ob es in diesem Mitgliedstaat abweichende vorvertragliche Informationspflichten zu beachten gibt. Die Richtlinie über Verbraucherrechte hat bestimmte Aspekte vollharmonisiert geregelt, wie z.B. eine europaweit einheitliche Rücktrittsfrist von 14 Tagen bei Fernabsatzverträgen. Entgegen der häufig anzutreffenden Aussage, dass auch die vorvertraglichen Informationspflichten vollständig harmonisiert wären, besteht eine für die Unternehmen verlässliche und rechtsichere Vollharmonisierung in diesem Punkt aber nicht. Nach der Verbraucherrechte-RL gelten deren Informationspflichten zusätzlich zu den Informationspflichten nach der Dienstleistungs-RL und der E-Commerce-RL und den Mitgliedstaaten ist es auch möglich, zusätzliche Informationspflichten im Einklang mit jenen Richtlinien vorzusehen.

 

Auch wenn es grundsätzlich möglich wäre, mit Verbrauchern eine Rechtswahlvereinbarung zu schließen, schlagen die zwingenden Bestimmungen des Wohnsitzrechts des Verbrauchers nach Art 6 Abs 2 der ROM-I-Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in jenen Fällen durch, in denen der Unternehmer sein Angebot auf den betreffenden Mitgliedstaat ausrichtet. Hier liefert die Judikatur des EuGH bereits jetzt einige wesentliche Anhaltspunkte, wann ein Ausrichten gegeben ist.

 

 

Im Bewusstsein dieser – schon allein auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Verbraucherschutzes – überaus komplexen und unübersichtlichen rechtlichen Rahmenbedingungen wurde im Rahmen der Verhandlungen über die Verbraucherrechte-RL die vom Europäischen Parlament geforderte Aufnahme einer Bestimmung, wonach Fernabsatzhändler im Sinne eines Kontrahierungs- und Lieferzwangs verpflichtet werden sollten, an jeden Verbraucher in jedem Mitgliedstaat zu liefern, letztlich auch nicht in die Verbraucherrechte-Richtlinie aufgenommen. Stattdessen wurde den Unternehmen - als das gelindere Mittel - die Verpflichtung auferlegt, auf der Website darüber zu informieren, „ob“ es Lieferbeschränkungen gibt.

 

Mit dem vorliegenden Vorschlag soll nun Unternehmen zwar kein Zustellzwang, aber in drei ganz bestimmten,  Fällen ein Kontrahierungszwang auferlegt werden, u.a. dann, wenn der Unternehmer Waren verkauft und diese Waren nicht von ihm selbst in den Mitgliedstaat des Kunden zugestellt werden, sondern sich der Kunde die Abholung selbst organisiert oder organisieren lässt. Das Prinzip des Diskriminierungsverbots nach Art. 18 AEUV besagt, dass Mitgliedstaaten und ihre Organe nicht nach der Staatsangehörigkeit diskriminieren dürfen. Der gegenständliche Verordnungsentwurf übersieht unter Zitierung der Diskriminierungsverbote, dass es ein wesentlicher Unterschied ist, ob ein Mitgliedstaat selbst diskriminiert, zB. im Rahmen seiner Gesetze. Der AEUV beinhaltet daher kein Diskriminierungsverbot für Private. Ob es sich tatsächlich um einen Kontrahierungszwang handelt, geht zum jetzigen Zeitpunkt zwar nicht eindeutig aus dem Kommissionsvorschlag hervor.  Die Auferlegung eines Kontrahierungszwanges würde einen tiefgreifenden Eingriff in die Erwerbsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und den Grundsatz der Privatautonomie darstellen, ist nicht zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und verstößt zudem gegen das Subsidiaritätsprinzip.

 

Es gilt zu bedenken, dass die Auferlegung eines Vertragsabschlusszwanges generell einen sehr schwerwiegenden Eingriff in die Privatautonomie bzw. die Vertrags(abschluss)freiheit bedeutet, die einen grundlegenden Pfeiler nicht nur der österreichischen Zivilrechtsordnung und u.a. auch durch die in Art 16 GRC verankerte unternehmerische Freiheit geschützt wird. Zahlreiche zwingende Regelungen beschränken die Vertragsfreiheit im Verbraucherschutzbereich bereits in inhaltlicher Hinsicht. Das Prinzip der Abschlussfreiheit, wonach es im Belieben der Parteien steht, ob und mit wem sie kontrahieren wollen, ist – aus berechtigten und wohlüberlegten Gründen - bisher weitgehend unangetastet geblieben.

 

Es muss jedem bestehenden Unternehmen, jedem start-up oder KMU im Rahmen der Erwerbsfreiheit und der in der Grundrechtecharta verankerten unternehmerischen Freiheit freistehen, sein „Verkaufsgebiet“ selbst zu bestimmen, sich erst langsam und Schritt für Schritt bestimmte Regionen im eigenen Niederlassungsstaat und vielleicht auch anderen Mitgliedstaaten entsprechend seinen betriebswirtschaftlichen Überlegungen und Plänen zu erschließen, oder aber eben auch nicht. Diese Freiheit des Unternehmers, durch einen allgemeinen Kontrahierungszwang einzuschränken, ist grundsätzlich und - nicht zuletzt - auch deshalb nicht zu rechtfertigen und daher unverhältnismäßig, weil es schließlich auch das Wesen des Unternehmertums ausmacht, dass der Unternehmer selbst das betriebswirtschaftliche Risiko zu tragen hat.

 

Die Ausnahme in Art 5 Abs. 2 des Entwurfes erlaubt Zahlungsempfängern, für bestimmte Zahlungsvorgänge ein kostenorientiertes Entgelt zu verrechnen, und zwar für den Bereich des Zahlungsverkehrs, der nicht der wörtlich korrespondierenden Bestimmung der neuen Zahlungsdiensterichtlinie PSD II entspricht. Dadurch entsteht für österreichische KonsumentInnen eine Schutzlücke, weil in Österreich eine optionale und weitergehende Schutzbestimmung existiert, die besagt, dass die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig ist (§ 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG).

 

In Art 62 Abs 5 PSD II ist nämlich für die Mitgliedstaaten die national umzusetzende Option eines Verbots von Zusatzentgelten enthalten. Österreich hat von der auch schon in PSD I enthaltene Option in § 27 Abs 6 ZaDiG Gebrauch gemacht. Diese optionale Möglichkeit, Zusatzentgelte zu verbieten, wurde im vorliegenden Entwurf nicht berücksichtigt. Es ist daher die Bestimmung unbedingt dahingehend zu ergänzen, dass die Anordnung von Absatz 2 nur insoweit gilt, als die Mitgliedstaaten nicht von ihren optionalen Gestaltungsrechten in Art 52 Abs 3 der RL 2007/64/EG (bzw zukünftig Art 62 Abs 5 RL (EU) 2015/2366) Gebrauch gemacht haben.

 

Die Kommission geht von der Annahme aus, dass dann, wenn der Unternehmer keine Zustellung bzw. Lieferung an den Kunden, sondern Waren nur zur Selbstabholung anbietet,  für den Unternehmer keine Kosten und Risiken entstehen (würden). Diese Einschätzung dürfte wohl zu kurz greifen. Unternehmen befürchten funktionierende Logistiksysteme aufbauen bzw Vorkehrungen treffen zu müssen, um derartige Selbstabholungen zu bewerkstelligen, allfällige Gewährleistungsfälle und, da es sich auch bei Selbstabholung um Fernabsatzverträge handelt, auch die Rücktrittsfälle grenzüberschreitend abwickeln zu müssen. Wie aus den Stellungnahmen von Handelsvertretern hervorgeht, würde das Vorhaben kontraproduktiv sein, die Zahl der Anbieter aus dem Bereich der KMU verringern und eine weitere Konzentration auf wenige große Anbieter verstärken und somit den Online-Handel bremsen, statt wie von der EK geplant forcieren.