Parlament Österreich

 

 

 

IV-110 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 9.  Mai 2017

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Dienstag, 9. Mai 2017

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Tagesordnung

 

 

 

1.    COM(2016) 864 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt

(134140/EU XXV.GP)

 

2.    COM(2016) 861 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt

(134136/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Beginn der Sitzung informierte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) über aktuell eingelangte Dokumente:

 

Stellungnahmen der Länder

 

·         Gemeinsame Länderstellungnahme zum Verordnungsvorschlag über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation (COM(2017) 10 final);

 

·         Einheitliche Länderstellungnahme sowie eine Stellungnahme des Wiener Landtages zum Winterpaket zur Energieunion, im Detail zu den folgenden Vorschlägen:

®     Vorschlag für eine Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt, COM(2016)861 final;

®     Vorschlag für eine Richtlinie mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, COM(2016)864 final;

 

·         einheitliche Länderstellungnahme sowie Stellungnahme des Wiener Landtags zum Vorschlag zur Änderung der Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung), COM(2016) 767.

 

 

 

 

 

 

Dem Ausschuss standen folgende ExpertInnen zur Verfügung:

 

·         Sektionschef Dr. Michael Losch

·         Dr. Benedikt Ennser

 

·         Dorothea Herzele (Arbeiterkammer)

·         MMag. Verena Gartner (Wirtschaftskammer)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Energiebinnenmarkt (Winterpaket)

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats beschloss einstimmig gleich zwei Subsidiaritätsrügen. Sie betreffen die Vorschläge der EU hinsichtlich einer Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt und einer Richtlinie mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt. Auch die Bundesländer haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme dazu äußerst kritisch geäußert. Beide Gesetzentwürfe sind Teil des sogenannten "Winterpakets" der EU – ein Gesetzespaket aus vier Verordnungs- und vier Richtlinienvorschlägen, mit dem die Energieunion vervollständigt und der 2014 festgelegte Rahmen für die Klima- und Energiepolitik der EU bis 2030 sowie auch der Pariser Klimavertrag umgesetzt werden sollen. 

 

Für die Bundesrätinnen und Bundesräte widersprechen Detailbestimmungen beider Vorlagen dem Prinzip der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Vor allem lehnen sie es ab, nationale Entscheidungskompetenzen der EU zu übertragen und kritisieren die vorgesehene Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte, wie Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) ausführte.

 

Von vielen Seiten wurde die Notwendigkeit nationaler Steuerungsbefugnis bei der Energieversorgung unterstrichen. Die politische Kontrolle müsse auf nationalstaatlicher Ebene bleiben, meinte etwa Heidelinde Reiter (G/S). Energie habe etwas mit Versorgung zu tun, und die müsse man steuern können, sagte Stefan Schennach (S/W). Strom müsse in der öffentlichen Versorgung bleiben, hielt auch Monika Mühlwerth (F/W) fest. Es sei notwendig, in Zukunft Netze zu bauen, und diese hätten in nationalen Händen zu bleiben, betonte auch Ferdinand Tiefnig (V/O).

 

Skepsis wurde im Ausschuss auch in Bezug auf die Smart Meter und die geplanten dynamischen Tarife laut. Normale Haushalte könnten sich nicht immer aussuchen, wann man Geräte einschaltet, gaben Monika Mühlwerth (F/W) und Eduard Köck (V/N) zu bedenken. Der dynamische Strompreis dürfe nicht verpflichtend sein, meinten sie. Bedenken wurden auch seitens der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer geäußert. Die Arbeitnehmervertreterin verlangte einen zeitunabhängigen Tarif, der nicht variabel ist. Seitens der Wirtschaftskammer vertrat man die Ansicht, dass es dynamische Tarifstrukturen geben soll, jedoch nicht verpflichtend. Der im Wirtschaftsministerium zuständige Sektionschef meinte dazu, dynamische Tarife seien im Hinblick auf Warmwasser, Wärmepumpen oder E-Mobilität eine notwendige Weichenstellung, wo man leichter den Stromverbrauch zeitlich steuern könne. Keinesfalls soll dadurch ein Stress für Kleinhaushalte entstehen.

 

 

Der Verordnungsentwurf in Bezug auf den Elektrizitätsbinnenmarkt enthält neue Kernprinzipien für den EU-Markt und den Stromhandel, vor allem geht es um die Integration der Erzeugung erneuerbarer Energie. Wie man aus dem Wirtschaftsministerium erfuhr, gibt es dazu noch viel Diskussionsbedarf, sodass das Thema wahrscheinlich noch die österreichische Ratspräsidentschaft beschäftigen wird.

 

Das Privileg für Ökostrom soll eingeschränkt, der Einspeisevorrang soll abgeschafft werden. Prinzipiell soll der Einspeisevorrang nur noch für kleine Anlagen bis zu 500 kW gelten. In Mitgliedstaaten, in denen die gesamte installierte Kapazität 15% übersteigt, wird dieser Einspeisevorrang auf 250 kW heruntergesetzt. Diese Schwellenwerte sind aber noch in Diskussion, hieß es im Ausschuss dazu seitens des zuständigen Sektionschefs im Wirtschaftsministerium. Bereits bestehende Ökostrom-Kraftwerke sollen jedoch ihre Einspeisetarife behalten, auch Kleinanlagen - etwa Solarzellen auf Hausdächern - sollen weiterhin Vorrang genießen. Die Kommission will mit der Abschaffung des Einspeisevorrangs eine Subventionsspirale verhindern. Der Energiemarkt soll laut Kommission wettbewerbsorientiert, verbraucherzentriert, flexibel und nicht-diskriminierend gestaltet sein, das betrifft auch die Preisbildung.

 

Die Kommission will außerdem die Strukturen des Strommarkts modernisieren, weil voraussichtlich im Jahr 2030 die Hälfte des Stroms in der EU aus erneuerbaren Quellen kommt und dafür der Strommarkt der Union nach Meinung der Kommission nicht gerüstet ist, weil es an Leitungen mangelt. Vorgeschlagen wird daher die Einrichtung von Preiszonen, was Anreiz für den Leitungsbau und den Bau von Kraftwerken bilden soll. Die Festlegung von Strompreiszonen im Rahmen der sogenannten "Bidding Zone Review" soll weg von den Mitgliedstaaten in die Entscheidungskompetenz der Kommission fallen, was kritisch gesehen wird. Das sei eine politische Frage, meinte dazu der Experte des Wirtschaftsressorts, denn Ziel der EU sei es, diese Zonen kleiner zu gestalten. Das sei auch der Hintergrund dafür, dass Deutschland die Preiszone zu Österreich trennen will. 

 

Zudem ist geplant, regionale Betriebszentren (ROCs) mit einer einseitigen Anordnungsbefugnis einzurichten. Sie sollen grenzüberschreitend enger in Cluster kooperieren. Österreich nimmt dazu eine sehr kritische Haltung ein, weil das Management im Strombereich gut funktioniert und Sorge dahingehend besteht, dass ein jahrzehntelang gut funktionierendes System neu organisiert werden soll.

 

Außerdem ist die Einrichtung einer Europäischen Organisation (EU DSO Entity) als Repräsentations- und Arbeitsgremium für die Verteilnetzbetreiber vorgesehen. Zu deren Aufgabe soll unter anderem das Datenmanagement und der Datenschutz, die Erstellung von Netzkodizes und die Entwicklung der Steuerung der Nachfrage durch intelligente Technologie (Demand Response) zählen.

 

Umstritten ist laut Wirtschaftsministerium auch noch die Frage der Reservekraftwerke, sie sollten modern und sauber betrieben werden. Keinesfalls sollten damit Kohlekraftwerke am Leben erhalten werden, was der Politik einiger EU-Länder aber zuwiderläuft.

 

Zusätzlich dazu hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zu gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt vorgelegt. Er zielt auf die Stärkung der StromkundInnen und auf aktivere KonsumentInnen ab. Ihre Rechte sollen gestärkt werden, sie haben laut Vorlage die Möglichkeit, Strom zu speichern und zu verkaufen. Auch wird darin das Recht auf verbesserte Information und auf Smart Meter festgeschrieben. Durch Smart Meter gibt es differenzierte und dynamische Tarife und spezielle Tariflösungen. Lokale Energiebehörden sollen zudem autonome Gemeinschaftsnetze betreiben können. Ferner werden neue Aufgaben für Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber im Hinblick auf Speicher für Aufladestationen für E-Fahrzeuge geschaffen.

 

Mit Hilfe des "Winterpakets" will die EU beim Übergang zu einem umweltfreundlichen Energiesystem eine Vorreiterrolle übernehmen und den Strommarkt weiterentwickeln. Die EU-Kommission ist auch überzeugt davon, dass der Übergang zu sauberer erneuerbarer Energie der Wachstumssektor der Zukunft ist und damit zur Steigerung von Wachstum und Beschäftigung beiträgt. Dritte Stoßrichtung der rund 3.500 Seiten umfassenden Vorschläge des Gesamtpakets ist die stärkere Einbeziehung der KonsumentInnen und die Versorgungssicherheit mit leistbarer Energie.

 

Ziel der EU ist es, die Treibhausgasemissionen in Europa um mindestens 40% bis zum Jahr 2030 zu reduzieren. Der Anteil an erneuerbaren Energien im Verbrauch soll dann mindestens 27% betragen. Letztere ist eine europaweite Marke, die nicht auf die Mitgliedstaaten heruntergebrochen wird. Diese legen ihre eigenen Ziele fest. Priorität legt die Kommission auf die Energieeffizienz. Sie soll bis zum Jahr 2030 um 30% gegenüber 1990 steigen, statt wie bisher geplant um 27%. Erreichen will dies die Union vor allem durch Maßnahmen im Bereich der Gebäude, etwa bei der Wärmedämmung und durch mehr Effizienz bei technischen Anlagen. Die Einfuhr von Öl und Gas soll dadurch reduziert werden.

 

 

Besonders stoßen sich die Bundesrätinnen und Bundesräte in ihren Subsidiaritätsrügen daran, dass nationale Entscheidungsbefugnisse auf die Agentur der EU für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) und - im Zusammenhang mit den sogenannten Bidding Zones – auf die EU-Kommission übertragen werden sollen, zumal diesbezügliche Entscheidungen aufgrund der größeren Sachnähe und besseren regionalen Kenntnissen auf nationaler bzw. regionaler Ebene besser durchgeführt werden können. Außerdem handle es sich dabei oftmals um Ermessensentscheidungen, die nach Rechtsprechung des EuGH nicht an eine Agentur ausgelagert werden dürfen.

 

Auch zweifeln die Ausschussmitglieder den organisatorischen Mehrwert der Regionalen Betriebszentren zusätzlich zu den bereits etablierten Servicegesellschaften der Übertragungsnetzbetreiber sowie der Koordinierung über den Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) an. Die Verschiebung von nationalen Entscheidungskompetenzen zu einem überregionalen, autonomen Organisationsgremium sei eine klare Einschränkung nationaler Entscheidungsbefugnisse, heißt es in der Subsidiaritätsrüge unmissverständlich. Besonders kritisch wird dabei die für die Regionalen Betriebszentren vorgesehene quasi-behördliche Anordnungsbefugnis mit rechtlicher Bindungswirkung bewertet, für die noch dazu jegliche Regelung zum Rechtsschutz fehle. Auch befürchten die LändervertreterInnen, dass mit der Einrichtung dieser Zentren Doppelstrukturen geschaffen werden, was insgesamt zu Ineffizienzen führen werde. Sie lehnen daher das vorgeschlagene Organisationsprinzip grundsätzlich ab. Nicht akzeptiert wird zudem eine regionale Bemessung von Regelreserven durch die EU, da damit nationale Entscheidungskompetenzen eingeschränkt würden.

 

Der EU-Ausschuss begrüßt grundsätzlich die Stärkung der StromkundInnen sowie die Möglichkeit für VerbraucherInnen, selbst Strom zu erzeugen, zu speichern und zu vermarkten. Positiv wird auch die Möglichkeit gesehen, dass lokale Energiegemeinschaften autonome Gemeinschaftsnetze betreiben können. Die Entwicklungen müssten jedoch einem klaren und diskriminierungsfreien rechtlichen Regelwerk unterliegen, heißt es dazu in der Subsidiaritätsrüge.

 

 

Kritische Anmerkungen kamen auch von der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer. Für die Arbeiterkammer stellen das Winterpaket, insbesondere die heute diskutierten Gesetzesentwürfe, einen der stärksten Eingriffe in den Strombinnenmarkt dar. Skepsis gibt es unter anderem gegen die lokalen Energiegemeinschaften, da der Strommarkt weiterhin der solidarischen Finanzierung unterliegen sollte. Die Regelungen für die Entflechtungsvorschriften sind für die Arbeitnehmervertretung zu unklar, man will das Ganze weiterhin in der öffentlichen Hand sehen. Ebenso wird die Kompetenzverschiebung in einigen Bereichen in Richtung EU abgelehnt.

 

Die Wirtschaftskammer wiederum wendet sich gegen jegliche künstliche Eingriffe in den Markt und begrüßt die Abschaffung des Einspeisevorrangs für Ökostrom. Die Wirtschaftsvertreterin sprach sich für neue Geschäftsmodelle aus, bewertete zugleich aber die Regionalen Betriebszentren kritisch. Es sei zu hinterfragen, wer dann in der Krise zuständig sein soll.

 

Trotz ihrer kritischen Sicht zeigte sich Monika Mühlwerth (F/W) insofern zufrieden, dass die EU auf erneuerbare Energie setzt. Ihr Fraktionskollege Christoph Längle (F/V) äußerte sich jedoch kritisch zur noch ungelösten Entsorgung der Batterien in Hinblick auf die E-Mobilität.

 

Kein gutes Haar an den Vorlagen ließ Heidelinde Reiter (G/S) von den Grünen. Das Paket ist ihrer Ansicht nach zu wenig ambitioniert, um tatsächlich die Ziele des Pariser Klimaabkommens auch erreichen zu können. Die Situation für die erneuerbaren Energien werden ihrer Ansicht nach nicht besser, bestehende Anlagen wie Biomasse und Biogas müssen abgeschaltet werden – ein Rückschritt, der sie entsetzt, wie sie betonte. Diese Sorge teilte auch Ferdinand Tiefnig (V/O) mit ihr. Der geplante Kapazitätsmechanismus werde dazu führen, dass gut funktionierende Anlagen abgedreht werden, befürchtet Reiter.

 

So negativ wollte der Sektionschef des Wirtschaftsministeriums das Paket nicht sehen. Als wesentlich bezeichnete er es, dass der Energiemix in nationaler Kompetenz bleibt.

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats hat bereits einige Einzelvorschläge des Winterpakets beraten und dazu kritische Stellungnahmen abgegeben. Stefan Schennach (S/W) hielt dazu fest, dass die Kommission auf die vom Bundesrat geäußerten Bedenken und Kritik zunehmend eingehe. Es sei erfreulich, dass nun auch vermehrt EU-Ausschüsse anderer Parlamente dem Beispiel des EU-Ausschusses der Länderkammer folgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgende zwei Anträge auf Begründete Stellungnahme wurden einstimmig angenommen:

 

 

 

ANTRAG AUF BEGRÜNDETE STELLUNGNAHME

gemäß Art 23g Abs. 1 B-VG

 

 

der Bundesräte Edgar Mayer und Stefan Schennach

Kolleginnen und Kollegen

betreffend

 

COM (2016) 861 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 09. Mai 2017

 

 

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates kann gemäß §13a GO-BR in einer Begründeten Stellungnahme gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG iVm Art. 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit darlegen, warum ein Entwurf eines Legislativvorhabens der Europäischen Union mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar ist. Diese Stellungnahme muss binnen acht Wochen nach Vorliegen des Entwurfes in allen Sprachfassungen erfolgen.

 

 

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Begründete Stellungnahme gemäß Art 23g Abs. 1 B-VG

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:

 

 

A. Begründete Stellungnahme

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.

 

 

B. Begründung

 

Im Bereich der EU-Energiepolitik gibt es eine große Priorität, das ist das so genannte „Energieunionspaket“ der Europäischen Kommission. Die Europäische Kommission hat dieses Paket Ende 2016/Anfang 2017 vorgelegt. Es beinhaltet ein Maßnahmenbündel, das die Bereiche Energieeffizienz, den Ausbau und die Integration der erneuerbaren Energien, das Ökodesign, die Sicherheit der Stromversorgung, die Steuerung der Energieunion (Governance), Regeln für den Energiemarkt, die aktive Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Energiepreise umfasst. Das Paket wurde auch beim Treffen der Energieminister am 27. Februar 2017 in Brüssel behandelt. Die Vorschläge sind in ihrer Gesamtheit zu sehen, der Bundesrat hat die Vorlagen nach ihrem Einlangen über mehrere Sitzungstermine hinweg behandelt. Die gegenständliche Begründete Stellungnahme bezieht sich auf den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt.

 

Gemäß Art. 13 Abs. 3 des VO-Vorschlags muss eine Überprüfung der Gebotszonen durchgeführt werden. Während bisher die an der Überprüfung einer Gebotszonenkonfiguration beteiligten Übertragungsnetzbetreiber die dabei zugrunde zu legenden Methoden entwickeln, auf deren Basis die Änderung der Gebotszonenkonfiguration durchführen und durch die beteiligten MS bzw. die nationalen Regulierungsbehörden genehmigen lassen (vgl. Art. 32 Abs. 4 VO 2015/1222/EU - CACM-VO), soll die Entscheidung über die Genehmigung der verwendeten Methoden und geprüften alternativen Gebotszonenkonfigurationen (Art. 13 Abs. 3 des VO-Vorschlags) auf die Agentur ACER bzw. der Beschluss über Änderung oder Beibehaltung der Gebotszonenkonfiguration (Art. 13 Abs. 4) von den Mitgliedstaaten auf die Europäische Kommission übertragen werden.

 

Dieser Kompetenzzuwachs insbesondere von ACER - aber auch von der Europäischen Kommission - ist aus Subsidiaritätssicht kritisch, zumal die Gebotszonenkonfiguration aufgrund der größeren Sachnähe zu den technischen Gegebenheiten und besseren regionalen Kenntnissen im Sinn des derzeitigen Verfahrens auf nationaler bzw. regionaler Ebene besser durchgeführt werden kann. Überdies stellen die Genehmigung von Methoden und Annahmen sowie die Auswahl von zu überprüfenden Szenarien für alternative Konfigurationen in erheblichem Ausmaß Ermessensentscheidungen dar, die nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH nicht an eine Agentur ausgelagert werden dürfen. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip kann die EU nur dann tätig werden, wenn sie in der Lage ist, effizienter zu handeln als die MS selbst. Die angeführten Kompetenzen, die gemäß Art. 13 Abs. 3 und 4 auf die Agentur ACER bzw. die EK übergehen sollen, sind aufgrund der größeren Sachnähe und der besseren Kenntnisse wohl besser national bzw. regional angesiedelt.

 

Artikel 2 Ziffer 39 der Richtlinie definiert den Begriff der regionalen Betriebszentren (ROC). Die Artikel 31-44 der Verordnung enthalten weitere Detailregelungen zu ROC. Der organisatorische Mehrwert der ROCs zusätzlich zu den bereits etablierten Servicegesellschaften der Übertragungsnetzbetreiber sowie der Koordinierung über den Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) wurde von der EU-Kommission nicht ausreichend erläutert. Außerdem erachtet der Bundesrat die Verschiebung von nationalen Entscheidungskompetenzen zu einem überregionalen, autonomen Organisationsgremium als klare Einschränkung nationaler Entscheidungsbefugnisse. Als besonders kritisch ist dabei die für ROCs vorgesehene quasi-behördliche Anordnungsbefugnis mit rechtlicher Bindungswirkung zu bewerten, etwa was die Dimensionierung der Reservekapazität betrifft, für die noch dazu jegliche Regelung zum Rechtsschutz fehlt. Auch wird befürchtet, dass mit der Einrichtung der ROCs Doppelstrukturen geschaffen werden, die im Ergebnis zu Schwierigkeiten im Entscheidungsfindungsprozess und damit insgesamt zu Ineffizienzen führen werden. Das vorgeschlagene Organisationsprinzip wird daher seitens des Bundesrates grundsätzlich abgelehnt. Im Zusammenhang damit wird in Artikel 5 der Verordnung die regionale Dimensionierung der Regelreserven geregelt und dass die ROCs dabei die Übertragungsnetzbetreiber unterstützen sollen. Eine regionale Bemessung von Regelreserven wird ebenso grundsätzlich abgelehnt, da damit nationale Entscheidungskompetenzen eingeschränkt werden. Diese Art der Kompetenzausübung ist mit dem Prinzip der Subsidiarität nicht in Einklang zu bringen.

 

Zudem ist die in Art 63 des VO-Vorschlags vorgesehene Übertragung der Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf die EK vehement abzulehnen. Diese Befugnis darf nach den Verträgen der Europäischen Union nur unter strengen Voraussetzungen auf die EK übertragen werden. Die Erlassung delegierter Rechtsakte muss daher absolute Ausnahme bleiben.

 

ANTRAG AUF BEGRÜNDETE STELLUNGNAHME

gemäß Art 23g Abs. 1 B-VG

 

 

der Bundesräte Edgar Mayer und Stefan Schennach

Kolleginnen und Kollegen

betreffend

 

COM (2016) 864 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung) (134140/EU, XXV. GP)

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 09. Mai 2017

 

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates kann gemäß §13a GO-BR in einer Begründeten Stellungnahme gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG iVm Art. 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit darlegen, warum ein Entwurf eines Legislativvorhabens der Europäischen Union mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar ist. Diese Stellungnahme muss binnen acht Wochen nach Vorliegen des Entwurfes in allen Sprachfassungen erfolgen.

 

 

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Begründete Stellungnahme gemäß Art 23g Abs. 1 B-VG

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:

 

 

A. Begründete Stellungnahme

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.

 

 

B. Begründung

 

Im Bereich der EU-Energiepolitik gibt es eine große Priorität, das ist das so genannte „Energieunionspaket“ der Europäischen Kommission. Die Europäische Kommission hat dieses Paket Ende 2016/Anfang 2017 vorgelegt. Es beinhaltet ein Maßnahmenbündel, das die Bereiche Energieeffizienz, den Ausbau und die Integration der erneuerbaren Energien, das Ökodesign, die Sicherheit der Stromversorgung, die Steuerung der Energieunion (Governance), Regeln für den Energiemarkt, die aktive Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Energiepreise umfasst. Das Paket wurde auch beim Treffen der Energieminister am 27. Februar 2017 in Brüssel behandelt. Die Vorschläge sind in ihrer Gesamtheit zu sehen, der Bundesrat hat die Vorlagen nach ihrem Einlangen über mehrere Sitzungstermine hinweg behandelt. Die gegenständliche Begründete Stellungnahme bezieht sich auf den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt.

 

Das Ziel dieser Vorlage ist die Stärkung des Stromkunden durch die Schaffung eines verbraucherzentrierten Strombinnenmarktes. Es sollen gute Möglichkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität geschaffen werden, auch lokale Energiegemeinschaften sollen autonome Gemeinschaftsnetze betreiben können. Vor allem auf die Schaffung der Möglichkeit für Verbraucher, selbst Strom zu erzeugen, zu speichern und zu vermarkten wird hingewiesen. Aus der Sicht des Bundesrates ist dies grundsätzlich positiv zu bewerten. Diese Entwicklungen müssen jedoch einem klaren und diskriminierungsfreien rechtlichen Regelwerk unterliegen und in Abstimmung mit dem Ausbau einer adäquaten Netzinfrastruktur erfolgen.

 

In Artikel 11 des Vorschlags wird ein Anspruch der Endkunden geschaffen, dynamische Stromtarife in ihren Verträgen zu erhalten, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in diesem Bereich eine Deckung dieser Bestimmung durch Art. 194 AEUV notwendig ist, eine fundierte Klärung der Rechtsbasis ist hier für alle Beteiligte wichtig.

Artikel 2 Ziffer 39 der Richtlinie definiert den Begriff der regionalen Betriebszentren (ROC).

 

Die Artikel 31-44 der Verordnung enthalten weitere Detailregelungen zu ROC. Der organisatorische Mehrwert der ROCs zusätzlich zu den bereits etablierten Servicegesellschaften der Übertragungsnetzbetreiber sowie der Koordinierung über den Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) wurde von der EU-Kommission nicht ausreichend erläutert. Außerdem erachtet der Bundesrat die Verschiebung von nationalen Entscheidungskompetenzen zu einem überregionalen, autonomen Organisationsgremium als klare Einschränkung nationaler Entscheidungsbefugnisse. Als besonders kritisch ist dabei die für ROCs vorgesehene quasi-behördliche Anordnungsbefugnis mit rechtlicher Bindungswirkung zu bewerten, etwa was die Dimensionierung der Reservekapazität betrifft, für die noch dazu jegliche Regelung zum Rechtsschutz fehlt. Auch wird befürchtet, dass mit der Einrichtung der ROCs Doppelstrukturen geschaffen werden, die im Ergebnis zu Schwierigkeiten im Entscheidungsfindungsprozess und damit insgesamt zu Ineffizienzen führen werden. Das vorgeschlagene Organisationsprinzip wird daher seitens des Bundesrates grundsätzlich abgelehnt. Der Bundesrat weist auf Art. 40 der Vorlage hin, in dem die Aufgaben für die Übertragungsnetzbetreiber definiert werden. Durch die notwendigen Entflechtungsanforderungen zwischen den Netzbetreibern für den Fall der Delegation von Aufgaben wird der Entscheidungsspielraum für Kooperationen in unnotwendiger Weise eingeschränkt. Diese Bestimmung ist daher unverhältnismäßig.

 

Betreffend der Benennung des Artikel 43 der Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass der Bundesrat jegliche Einschränkung der aktuell rechtlich möglichen Entflechtungsmodelle ablehnt. Dies soll auch im Zusammenhang mit Artikel 52 des gegenständlichen Entwurfes der Richtlinie nochmalig verstärkt werden.

 

Zudem erneuert der Bundesrat die bereits mehrfach kritisch hinterfragte Praxis der Erlassung der delegierten Rechtsakte.