Parlament Österreich

 

 

 

IV-112 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 21.  Juni 2017

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Mittwoch, 21. Juni 2017

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Tagesordnung

 

 

 

 

1.    Wahl des/der 1. Schriftführers/in

 

2.    COM(2017) 250 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Einführung einer Säule sozialer Rechte

(141176/EU XXV.GP)

 

3.    COM(2017) 251 final

Vorschlag für eine interinstitutionelle Proklamation zur europäischen Säule sozialer Rechte

(141180/EU XXV.GP)

 

4.    COM(2017) 253 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates

(141173/EU XXV.GP)

 

Hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2 bis 4 wird auf die Stellungnahme des Vorarlberger Landtags vom 31. Mai 2017 hingewiesen.

 

5.    COM(2017) 208 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in Bezug auf die Clearingpflicht, die Aussetzung der Clearingpflicht, die Meldepflichten, die Risikominderungstechniken für nicht durch eine zentrale Gegenpartei geclearte OTC-Derivatekontrakte, die Registrierung und Beaufsichtigung von Transaktionsregistern und die Anforderungen an Transaktionsregister

(144494/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

6.    COM(2017) 257 final

Rechtstreue-Paket/Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Bedingungen und des Verfahrens für Auskunftsersuchen der Kommission an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen in Bezug auf den Binnenmarkt und damit verbundene Bereiche

(144175/EU XXV.GP)

 

 

 

 

Die Tagesordnungspunkte 2 - 4 wurden unter einem verhandelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) berichtete anfangs kurz über jüngst eingelangte Dokumente:

 

Stellungnahmen der Länder:

 

·         Stellungnahme des Vorarlberger Landtags zum Paket der Europäischen Kommission zur Säule sozialer Rechte

 

·         Vorschlag (noch ohne Zustimmung der Länder) für eine einheitliche Länderstellungnahme zum Paket der Europäischen Kommission zur Säule sozialer Rechte

 

Vorschläge der Kommission für Gesetzgebungsakte:

 

·         Maßnahmenpaket der Kommission "Europa in Bewegung"

 

·         Maßnahmenpaket der Kommission zur Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes.

 

Antwortschreiben der EU-Kommission auf Beschlüsse des Bundesrates:

 

·         Antwortschreiben der Europäischen Kommission zur Mitteilung des Bundesrates vom 15. März 2017 zu COM(2016) 862 und 863 final (Energieunion).

 

 

In diesem Zusammenhang kritisierte Bundesrat Stefan Schennach (S/W) die Kommission scharf. Die Antwort zur Mitteilung des Ausschusses im Hinblick auf die Energieregulierungsbehörde sei "harter Tobak", zeigte er sich "entsetzt" darüber. Die Kommission nehme lediglich die Bedenken des Bundesrats zur Kenntnis, gleichzeitig begrenze man die Befugnisse der Regierungen und setze erneuerbare Energie mit Atomstrom gleich. Das widerspreche komplett dessen, was der Bundesrat in der Mitteilung formuliert habe, so Schennach. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) betonte, in der COSAC sei immer wieder die Art und Weise, wie die Kommission mit Einwänden nationaler Parlamente umgeht, kritisch angesprochen worden. Die Mitteilung sei in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern erarbeitet worden. Mayer schlug vor, den zuständigen Beamten des Ministeriums in den Ausschuss einzuladen, um die Ausschussmitglieder über den Stand der Dinge zu informieren.

 

 

 

Als Auskunftspersonen waren im Ausschuss anwesend:

 

·         Mag. Ulrike Neufang (Bundesministerium f. Arbeit Soziales und Konsumentenschutz)

·         Mag. Verena Schriebl  (Bundesministerium f. Arbeit Soziales und Konsumentenschutz)

·         Dr. Susanne Piffl (Bundesministerium f. Arbeit Soziales und Konsumentenschutz)

·         Mag. Elfriede Pfeffer (Bundesministerium f. Arbeit Soziales und Konsumentenschutz)

·         Mag. Paul Pitnik (Bundesministerium für Finanzen)

·         Mag. Martin Semberger (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft)

 

·         Mag. Nikolai Soukup (Arbeiterkammer Österreich)

·         Dr. Frank Ey (Arbeiterkammer Österreich)

·         Mag. Tamara Achleitner (Wirtschaftskammer Österreich)

 

Die Vizepräsidentin des Bundesrats Ingrid Winkler wurde am Beginn der Sitzung einstimmig zur 1. Schriftführerin des EU-Ausschusses gewählt.

 

 

 

Säule sozialer Rechte

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

 

 

Soziale Themen standen am Beginn des EU-Ausschusses des Bundesrats. So regt die EU-Kommission an, eine Säule sozialer Rechte einzuführen und hat dazu zwei Dokumente - eine Mitteilung als Empfehlung sowie einen gleichlautenden Vorschlag für eine interinstitutionelle Proklamation des Parlaments, des Rates und der Kommission - vorgelegt. Die Schaffung einer integrativeren und faireren Union stelle für sie eine zentrale Priorität dar, unterstreicht die Kommission. Damit im Zusammenhang steht auch der Richtlinienentwurf zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige.

 

Die Vorschläge wurden weitgehend begrüßt - teilweise uneingeschränkt als ein Schritt in Richtung Sozialunion, teilweise aber auch verhaltener. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Säule sozialer Rechte gibt es nicht, wie Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) feststellte. Auch wenn die Länder Kritik daran üben, dass sich die EU in nationalstaatliche Kompetenzen einmischt, hätten sie doch festgestellt, dass die Pläne mit dem Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vereinbar seien. Stefan Schennach (S/W) kann die Vorschläge seitens der SPÖ uneingeschränkt unterschreiben, wie er sagte, und wies in diesem Zusammenhang auf den Artikel 9 des Lissabon-Vertrags hin, der die EU zur Durchführung sozialer Ziele verpflichtet. Heidelinder Reiter (G/S) begrüßte ebenfalls den Vorstoß, meinte aber, dass die Detailregelungen etwa zum Vaterschaftsurlaub weit weg von jenen großen sozialen Verwerfungen seien, mit denen die EU konfrontiert ist. Kritisch äußerte sich Hans-Jörg Jenewein (F/W), der die Frage nach der Finanzierung in den Raum stellte. Auch seitens der ÖVP brachte Eduard Köck (V/N) finanzielle Bedenken ein.

 

Die Expertin des Sozialministeriums wies im Ausschuss darauf hin, dass die Vorlage allgemeine Prinzipien zum Inhalt habe und weder an den Kompetenzen der Mitgliedstaaten noch an der Autonomie der Sozialpartner gerüttelt werde. Die Säule sozialer Rechte habe einen empfehlenden Charakter und stelle keine rechtlich verbindliche Vorgabe dar.    

 

 

Die europäische Säule sozialer Rechte umfasst drei Hauptkategorien: Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz und soziale Inklusion. Konkret werden 20 zentrale Grundsätze und Rechte zur Unterstützung gut funktionierender und fairer Arbeitsmärkte und Sozialsysteme festgelegt. Diese betreffen: allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen, Gleichstellung der Geschlechter, Chancengleichheit, aktive Unterstützung für Beschäftigung, sichere und anpassungsfähige Beschäftigung, Löhne und Gehälter, Informationen über Beschäftigungsbedingungen und Kündigungsschutz, sozialer Dialog und Einbeziehung der Beschäftigten, Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, gesundes, sicheres und geeignetes Arbeitsumfeld und Datenschutz; ferner die Betreuung und Unterstützung von Kindern, Sozialschutz, Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Mindesteinkommen, Alterseinkünfte und Ruhegehälter, Gesundheitsversorgung, Inklusion von Menschen mit Behinderungen, Langzeitpflege, Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose sowie Zugang zu essenziellen Dienstleistungen.

 

Die Säule ist als Leitfaden für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in Europa angelegt, deren Umsetzung stellt einen dynamischen Prozess dar, betont die Kommission. Der Vorschlag richtet sich in erster Linie an den Euro-Raum, steht aber allen EU-Mitgliedstaaten offen.

 

Wie die EU-Kommission weiter anmerkt, soll die Säule neue und wirksamere Rechte für Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Mit den Vorschlägen wolle man heutigen und künftigen Realitäten gerecht werden, wird in den Dokumenten der Kommission betont. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass trotz jüngster Verbesserungen der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Europa die Folgen der Krise des vergangenen Jahrzehnts weiter deutlich spürbar bleiben und von Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit bis zu Armutsrisiken in weiten Teilen Europas reichen. Gleichzeitig seien alle Mitgliedstaaten mit den schnellen Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt konfrontiert.

 

Mit dieser Initiative werden wesentliche - bereits im Primärrecht bzw. in der EU-Grundrechtecharta sowie in der Europäischen Sozialcharta verankerte - soziale Rechte zusammengefasst und um aktuelle bestehende Initiativen der EU ergänzt. Die Kommission schließt aber im Sinne der Wirksamkeit einiger in der Säule festgehaltener Grundsätze und Rechte weitere gesetzgeberische Initiativen nicht aus, gegebenenfalls werde bestehendes Unionsrecht aktualisiert, ergänzt und besser durchgesetzt.

 

Die Verwirklichung der in der europäischen Säule sozialer Rechte festgeschriebenen Grundsätze und Rechte liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Mitgliedstaaten, EU-Institutionen, Sozialpartnern und sonstigen Akteuren. Die europäischen Institutionen würden ihren Beitrag dazu leisten. Geplant ist, wie die Kommission in einer Pressemitteilung vom 26. April dieses Jahres festhält, die Einrichtung eines sozialpolitischen Scoreboards, mit dem Tendenzen und Leistungen der EU-Länder in zwölf Bereichen erfasst werden, um die Fortschritte der gesamten EU in Richtung des angestrebten sozialen "AAA-Ratings" zu bewerten. Diese Analyse soll in das Europäische Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik einfließen. Im November ist ein Sozialgipfel zum Thema faire Arbeitsplätze und Wachstum in Göteborg geplant.

 

 

Uneingeschränkt unterstützt wird der Vorschlag seitens der SPÖ. Stefan Schennach (S/W) wies auf die Notwendigkeit hin, dass die EU einen Schritt in Richtung Sozialunion macht und erinnerte an zahlreiche soziale Problembereiche, denen sich die EU stellen müsse. Das seien die prekären Arbeitsverhältnisse, Lohndumping, die Kluft zwischen Einkommen und Vermögen und die Digitalisierung. Dem schloss sich seine Fraktionskollegin Ingrid Winkler (S/N) vollinhaltlich an. Es gehe derzeit schlicht und einfach um die essenzielle Frage, ob die EU eine Gemeinschaft der BürgerInnen oder eine Wirtschaftsunion sein will, sagte sie. Wird die soziale Komponente vernachlässigt, dann werde es keine Akzeptanz der EU geben, so Winkler.

 

Für die Grünen stellt die Säule sozialer Rechte einen ersten zögerlichen Schritt in Richtung Sozialunion dar, was zu begrüßen sei, stellte Heidelinde Reiter (G/S) fest. Ihr zufolge ist es notwendig, den Fokus auf die Sozialunion zu legen, auch angesichts der tiefgreifenden sozialen Verwerfungen, die es innerhalb der EU gibt. Sie hält es aber im Hinblick auf das Armutsgefälle für wenig sinnvoll, seitens der EU Detailregelungen vorzuschreiben. Dass die Armut in Europa eines der gravierendendsten Probleme darstellt, unterstrich auch Stefan Schennach (S/W). Er machte aber darauf aufmerksam, dass die EU zur Armutsbekämpfung viele Instrumente habe. 

 

Vorsichtig positiv äußerten sich die Vertreter der ÖVP. Grundsätzlich seien das Zielsetzungen und Regelungen, die sich alle wünschen, meinte Eduard Köck (V/N), das Ganze müsse nur bezahlt werden. Man müsse auch aufpassen, dass die Schere zwischen UnternehmerInnen, die Arbeitsplätze schaffen, und den Rechten der ArbeitnehmerInnen nicht allzu weit auseinanderklaffe. Denn dann werde es bald niemanden mehr geben, der Arbeitsplätze schafft, so Köck. Die Frage der Finanzierung stellte auch sein Fraktionskollege Ferdinand Tiefnig (V/O).

 

Ins gleiche Horn stieß Hans-Jörg Jenewein (F/W), für den der Umbau in eine Sozialunion mit deren Finanzierung verbunden ist. Er hält daher die Vorlage für weit überschießend und meinte, dass man damit in eine Umverteilungsdebatte gerate. Umverteilung könne es aber nur geben, wenn etwas erwirtschaftet wird, sagte er.

 

Unterstützt wurde der Vorstoß der EU auch seitens des im Ausschuss anwesenden Vertreters der Arbeiterkammer, da diese in den Inhalten und Prinzipien eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte und der sozialen Sicherheit sieht. Die Arbeitnehmervertretung drängt auf einen grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschafts- und Fiskalpolitik und darauf, ein soziales Europa zu stärken. Weniger glücklich sind sie mit den Forderungen der EU nach Arbeitszeitflexibilisierung, da diese ihrer Ansicht nach in keiner Weise zu einer Stärkung der Arbeitsnehmerrechte führt.

 

 

Mit der Säule sozialer Rechte ist der Richtlinienentwurf zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige zu sehen. Er zielt vor allem darauf ab, der Unterrepräsentation von Frauen im Berufsleben zu begegnen und ihre berufliche Laufbahn zu unterstützen – etwa durch einen besseren Zugang zu Urlaubsregelungen und flexiblen Arbeitsregelungen. Auch sollte eine verstärkte Inanspruchnahme von Urlaub aus familiären Gründen und flexible Arbeitsregelungen durch Männer forciert werden. Damit soll dem Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern hinsichtlich der Chancen auf dem Arbeitsmarkt und der Behandlung am Arbeitsplatz zum Durchbruch verholfen werden.

 

Das Sozialministerium begrüßt grundsätzlich die Maßnahmen und hebt positiv hervor, dass neben der Kinderbetreuung auch einheitliche Mindeststandards für ArbeitnehmerInnen im Pflegebereich geschaffen werden sollen. Dennoch gibt es seitens des Ressorts einige Anmerkungen zu den Vorschlägen.

 

Konkret soll nach Vorstellung der EU-Kommission der Vater anlässlich der Geburt eines Kindes einen Anspruch auf mindestens 10 Arbeitstage Vaterschaftsurlaub haben, wobei es einen solchen Anspruch in der Privatwirtschaft derzeit in Österreich nicht gibt.

 

Eine weitere Forderung betrifft einen individuellen nicht übertragbaren Anspruch auf Elternurlaub von mindestens 4 Monaten. Dieser soll bis zum 12. Geburtstag des Kindes konsumiert werden können. Das Sozialministerium sieht diesen Ansatz kritisch, zumal die Rechtslage in Österreich einen Anspruch auf Elternurlaub bis zum 2. Lebensjahr des Kindes vorsieht. Nimmt ein Elternteil allerdings den gesamten Elternurlaub in Anspruch, dann hat der zweite Elternteil keinen Anspruch darauf. Der Anspruch auf Pflegeurlaub pro Jahr soll nach der EU-Kommission mindestens 5 Arbeitstage betragen, was der österreichischen Regelung entsprechen würde. Die finanzielle Abgeltung in all den genannten Fällen soll in Höhe des Krankengeldes erfolgen.

 

Auch gibt es in Österreich – wie von der EU-Kommission ins Auge gefasst - bereits eine Arbeitsfreistellung im Falle höherer Gewalt aus dringenden familiären Gründen, bei Erkrankung oder Unfall in Form der Pflegekarenz bzw. Sterbebegleitung von nahen Angehörigen und Begleitung schwersterkrankter Kinder.

 

Schließlich schlägt die Kommission vor, ArbeitnehmerInnen mit Kindern bis mindestens 12 Jahren sowie pflegenden Angehörigen das Recht auf flexible Arbeitsregelungen für Betreuungs- und Pflegezwecke einzuräumen. Dazu merkt das Sozialministerium an, dass bereits derzeit die Möglichkeit besteht, Elternurlaub in Form einer Elternteilzeit bis zum 7. Lebensjahr des Kindes zu konsumieren. Auch im Pflegebereich können ArbeitnehmerInnen in Österreich derzeit Pflegeteilzeit zur Pflege bzw. Betreuung naher Angehöriger vereinbaren bzw. Sterbebegleitung in flexibler Form in Anspruch nehmen. Österreich präferiert hinsichtlich einer weiteren Ausdehnung grundsätzlich andere flexible Arbeitsregelungen, wie z.B. Telearbeit.

 

Hintergrund für die EU-Initiative ist, dass die Kommission eine unzulängliche Politik im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ortet. 2015 betrug laut vorliegendem Dokument innerhalb der EU die Beschäftigungsquote für Frauen (20-64 Jahre) 64,3% gegenüber einer Beschäftigungsquote für Männer von 75,9%. Der geschlechtsspezifische Unterschied bei der Beschäftigung ist bei Eltern und Personen mit sonstigen Betreuungs- und Pflegepflichten am stärksten ausgeprägt. Die Beschäftigungsquote für Frauen mit einem Kind unter 6 Jahren lag 2015 im Durchschnitt um fast 9% unter der für Frauen ohne Kleinkinder, in einigen Ländern betrug diese Differenz sogar mehr als 30%. Frauen übernehmen auch viel häufiger als Männer die Rolle einer informellen Pflegeperson für ältere oder pflegebedürftige Angehörige. Bei Frauen ist zudem die Wahrscheinlichkeit, dass sie wegen Betreuungs- und Pflegepflichten einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, weitaus größer. Dies trägt wesentlich zu einem geschlechtsspezifischen Lohngefälle bei (in einigen Mitgliedstaaten beträgt es bis zu 28%), das sich im Laufe des Arbeitslebens zu einem geschlechtsspezifischen Rentengefälle akkumuliert (im Durchschnitt 40% in der EU), weshalb Frauen vor allem im Alter stärker von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind.

 

Die Debatte im Ausschuss kreiste vor allem um den Vaterschaftsurlaub, wobei Ana Blatnik (S/K) dafür einen Rechtsanspruch einforderte. Das Recht auf Chancengleichheit in Erziehung, Pflege und Arbeitswelt habe Priorität, sagte Blatnik, Erziehungsarbeit sei auch Vatersache. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben müsse für Mutter und Vater gleichermaßen möglich sein. In ihrer Forderung erhielt sie volle Unterstützung durch Stefan Schennach (S/W), der betonte, in Österreich sei im Hinblick auf den Vaterschaftsurlaub keineswegs alles paletti. Die Sorge von Edgar Mayer (V/V), die Vorschläge der EU könnten in das historisch gewachsene System in Österreich eingreifen, widerlegte die Vertreterin des Sozialressorts mit den Hinweis, dass die EU ein sehr flexibles System vorlegt, wodurch das heimische System nicht in Frage gestellt werde. Auch seien in diesem Bereich die Vorschriften in Europa äußerst heterogen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

EMIR-Verordnung – Derivate-Handel

 

 

Mit Vorschlägen zur Stabilität der Finanzmärkte setzte sich der EU-Ausschuss des Bundesrats in seinem zweiten Teil auseinander. So soll die sogenannte EMIR-Verordnung aus dem Jahr 2012 nach einer Überprüfung aktualisiert werden. Geplant sind Vereinfachungen, ohne jedoch die Stabilität zu gefährden. Die Verordnung zielt darauf ab, Mängel hinsichtlich der Funktionsweise des Marktes für außerbörslich gehandelte Derivate (OTC-Derivate) zu beseitigen und diesen Markt transparenter zu gestalten. Die Vorlage wurde von den Bundesrätinnen und Bundesräten grundsätzlich begrüßt.

 

 

Die EMIR-Verordnung basiert auf einer Übereinkunft der G20 aus 2009, sich auf weitreichende Maßnahmen zur Erhöhung der Stabilität des OTC-Derivatemarktes zu verpflichten, einschließlich der Vorgabe, dass alle standardisierten OTC-Derivatekontrakte durch zentrale Gegenparteien (CCPs) gecleart und OTC-Derivatekontrakte an Transaktionsregister gemeldet werden müssen. Dieser Rahmen funktioniert insgesamt gut, stellt nun die Kommission nach einer Überprüfung der Bestimmungen im Jahr 2015 fest, dennoch ortet sie Anpassungsbedarf im Hinblick auf die praktische Anwendung. Vor allem hat die Bewertung ergeben, dass die EMIR-Verordnung in einigen ihrer Zielbereiche unangemessene Kosten und Belastungen und übermäßig komplexe Anforderungen bewirkt und das Ziel einer größeren Finanzstabilität effizienter erreicht werden könnte.

 

Primäres Ziel des vorliegenden Vorschlags ist daher der Abbau von Verwaltungsbelastungen und -kosten sowohl für Marktteilnehmer – insbesondere KMU - als auch deren Aufsichtsbehörden im Sinne der Proportionalität, ohne dabei die Finanzstabilität in der EU zu gefährden. Gleichzeitig soll aber auch die Transparenz von OTC-Derivatepositionen und –risiken erhöht werden. Der Gesetzesentwurf sieht daher unter anderem eine Ausnahme von der Pflicht zum Clearing von OTC-Derivaten über eine zentrale Gegenpartei für kleine finanzielle Gegenparteien sowie die Verlängerung der Ausnahme von der Clearingpflicht für Altersversorgungssysteme vor. Für nichtfinanzielle Gegenparteien soll die Clearingpflicht nur noch für jene OTC-Derivate-Klassen gelten, bei denen der Clearingschwellenwert überstiegen wurde, und nicht automatisch für alle OTC-Derivate-Klassen. Gruppeninterne Geschäfte unter Beteiligung von nichtfinanziellen Gegenparteien sollen von der Meldepflicht befreit werden. Bei börsengehandelten Derivategeschäften (exchange-traded derivatives transactions - ETDs) ist eine einseitige Meldung durch die zentralen Gegenparteien vorgesehen. Die diesbezüglichen Meldepflichten für finanzielle oder nichtfinanzielle Gegenparteien entfallen. Die Verpflichtung zur Meldung historischer Daten (Backloading) soll gestrichen werden. Dadurch werden Kosten und Aufwand der Gegenparteien deutlich verringert und das potenziell unüberwindbare Hindernis, Daten melden zu müssen, die möglicherweise gar nicht zur Verfügung stehen, beseitigt. Darüber hinaus will die EU die Meldevorschriften und -verfahren weiter harmonisieren. Die Transaktionsregister werden verpflichtet, die Qualität der Daten zu gewährleisten. Dies werde zur Transparenz der OTC-Derivatemärkte beitragen, die Aufgabe der zuständigen Behörden zur Überwachung von Systemrisiken werde damit vereinfacht, heißt es in der Information des Finanzministeriums, das die geplanten Maßnahmen als wichtig begrüßt.

 

Dem schlossen sich auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W) an. Es sei positiv, dass die Kommission aufgrund einer Überprüfung einsieht, wo sie überzogen hat, und nun Vereinfachungen vornimmt, meinte Schennach. Damit komme es zu einer Verbesserung der Verhältnismäßigkeit. Ebenso unterstützte er die Nachschärfungen im Hinblick auf die Transparenz. Mayer zeigte sich über Verwaltungsvereinfachungen erfreut und lobte den Mut, sich vernünftig mit der Materie auseinanderzusetzen. Das seien aber leider nur Einzelfälle, schränkte er gleichzeitig ein.

 

Nicht ganz so positiv sah dies Hans-Jörg Jenewein (F/W). Für ihn stellt es keinen großen Erfolg dar, wenn die Regelungen für Termingeschäfte gelockert werden. Seiner Ansicht nach sollte die EU in diesem Bereich viel strenger vorgehen, um den "Perversionen" auf den Finanzmärkten Einhalt zu gebieten. Die Risiken für die Änderungen seien sehr genau geprüft worden, bemerkte der Vertreter des Finanzministeriums gegenüber Jenewein und stellte zudem fest, Derivate seien nicht grundsätzlich böse und stellen einen nicht unwichtigen Bestandteil in der Realwirtschaft dar.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Direkte Auskunftsrechte der EU gegenüber Unternehmen

 

 

Auf weniger Gegenliebe stieß ein weiterer Verordnungsvorschlag, der im Rahmen des so genannten Rechtstreue-Pakets vorgelegt wurde. Demnach soll die Kommission in die Lage versetzt werden, die Binnenmarktvorschriften besser zu überwachen und durchzusetzen. Sie legt daher Bedingungen und Verfahren für Auskunftsersuchen an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen fest, um, wie sie in dem Dokument festhält, mithilfe sehr gezielter Auskunftsersuchen von ausgewählten Marktteilnehmern aktuelle, umfassende und verlässliche quantitative und qualitative Informationen einzuholen.

 

Man kam daher überein, diese Materie nochmals auf die Tagesordnung des nächsten Ausschusses zu setzen. Um die Durchsetzung der Vorschriften für den Binnenmarkt besser gewährleisten zu können, drängt die Kommission nämlich darauf, gezielte, aktuelle, umfassende und verlässliche Informationen (etwa zur Kostenstruktur, zur Preispolitik oder zum verkauften Produktvolumen) direkt von ausgewählten Marktteilnehmern einholen zu können. Die Kommission unterstreicht, dass dies nur als ultima ratio eingesetzt werde, sollten alle anderen Maßnahmen zur Einholung wesentlicher Auskünfte fehlschlagen. Vergleichbare Instrumente gibt es im Wettbewerbsrecht oder bei staatlichen Beihilfen.

 

Ausnahmen soll es für Kleinstunternehmen geben – Unternehmen, die weniger als zehn MitarbeiterInnen haben und einen Jahresumsatz von maximal 2 Mio. erzielen bzw. deren Jahresbilanzsumme maximal 2 Mio. € beträgt. Kleine und mittlere Betriebe (KMU) könnten von Anfragen betroffen sein, das Wirtschaftsministerium hält dies jedoch eher für unwahrscheinlich, zumal die Kommission hier strikt an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebunden sei.

 

In der Diskussion über den Vorschlag überwog die Skepsis. Die Bundesrätinnen und Bundesräte teilten damit die eher negative Sicht des Wirtschaftsressorts. Vor allem stößt man sich daran, dass die Kommission Informationen direkt von Unternehmen einholen könnte, ohne dass die Mitgliedstaaten in das Auskunftsverfahren voll eingebunden wären. Damit würde die primärrechtlich festgelegte Zuständigkeit zwischen der Union und ihren Mitgliedsländern übergangen, heißt es in der Information des Ministeriums, auch wäre im Sinne des Subsidiaritätsprinzips eine geeignete Miteinbeziehung der Mitgliedstaaten sicherzustellen. Auch befürchtet man einen zusätzlichen Verwaltungs- und Bürokratieaufwand. Positiv gesehen wird die Tatsache, dass Kleinstunternehmen von der Verordnung ausgenommen sein sollen und auch die KMU im Idealfall nicht vom Auskunftsersuchen umfasst wären.

 

Dieser Sicht schlossen sich auch die VertreterInnen der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer an. Seitens der Wirtschaft wurde darauf hingewiesen, dass die Durchsetzung der binnenmarktrelevanten Bestimmungen den Mitgliedstaaten obliege und man daher Bedenken in Bezug auf das Subsidiaritätsprinzip hege. Ähnlich sieht das die Vertretung der ArbeitnehmerInnen, wobei aber deren Experte anmerkte, dass es in der globalisierten Welt schwierig sei, an Informationen heranzukommen und auch immer wieder Probleme mit sogenannten schwarzen Schafen aufträten.

 

Im Gegensatz zu Ausschussvorsitzendem Edgar Mayer (V/V), der ebenfalls kritisch zu der Vorlage Stellung bezog, merkte Stefan Schennach (S/W) positiv an, dass die Kommission dieses Instrument nur als letztes Mittel einsetzen wolle. Außerdem betreffen die Bestimmung nur jene Bereiche, für die die EU zuständig ist, nämlich Verkehr, Umwelt, Energie, Binnenmarkt, Landwirtschaft und Fischerei. Schennach glaubt außerdem, dass die Pläne der EU auch zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes führen können. Unternehmen aus Drittstaaten sind von den Maßnahmen nicht betroffen, stellte der Vertreter des Wirtschaftsministeriums gegenüber Wolfgang Beer (S/W) fest. Für Hans-Jörg Jenewein (F/W) fehlen zur endgültigen Beurteilung noch grundsätzliche Informationen.