Parlament Österreich

 

 

 

IV-116 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 21.  November 2017

 


Beratungen des EU-Ausschusses

des Bundesrates

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

 

 

 

Dienstag, 21. November 2017

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Tagesordnung

 

 

 

1.    COM(2017) 2025 final

Weißbuch zur Zukunft Europas/ Die EU der 27 im Jahr 2025 – Überlegungen und Szenarien

(135252/EU XXV.GP)

 

Hingewiesen wird auf eine Stellungnahme des Niederösterreichischen Landtags betreffend das Weißbuch zur Zukunft Europas.

 

 

2.    COM(2017) 637 final

Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

(160378/EU XXV.GP)

 

 

3.    COM(2017) 472 final

Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Australien   

(154020/EU XXV.GP)

 

Hingewiesen wird auf eine einheitliche Länderstellungnahme betreffend die derzeit in Verhandlung stehenden und zukünftigen EU-Freihandels- und Investitionsabkommen.

 

 

4.    COM(2017) 469 final

Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland

(154022/EU XXV.GP)

 

Hingewiesen wird auf eine einheitliche Länderstellungnahme betreffend die derzeit in Verhandlung stehenden und zukünftigen EU-Freihandels- und Investitionsabkommen.

 

 

Die Tagesordnungspunkte 3 und 4 wurden unter einem verhandelt

 

 

 

Am Beginn der Sitzung informierte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (ÖVP/V)  über jüngst eingelangte Dokumente:

 

 

Stellungnahmen der Länder

 

·         einheitliche Länderstellungnahme betreffend die derzeit in Verhandlung stehenden und zukünftigen EU-Freihandels- und Investitionsabkommen

 

·         Stellungnahme des Niederösterreichischen Landtags zum Weißbuch zur Zukunft Europas.

 

 

Vorschläge der Kommission für Gesetzgebungsakte

 

·         Teile des Legislativpakets der Kommission für saubere Mobilität

 

·         Vorschlag zur Änderung der "Gasrichtlinie" über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt.

 

 

 

 

 

 

Den Ausschussmitgliedern standen folgende ExpertInnen zur Verfügung:

 

 

·         Mag. Johannes Högl (Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres)

·         Leitender Staatsanwalt Dr. Johannes Stabentheiner (Bundesministerium für Justiz)

·         Mag. Verena Cap (Bundesministerium für Justiz)

·         Mag.a Irene Pavek (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft)

·         Dr.in Gabriele Habermayer (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft)

·         Mag.a Doris Traxl-Reiner (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft)

 

·         Mag.a Huberta Maitz-Straßnig (Wirtschaftskammer)

·         Mag.a Claudia Stowasser (Wirtschaftskammer)

·         Mag. Valentin Wedl (Arbeiterkammer))

·         Mag. Johann Zimmermann (Landwirtschaftskammer)

           

           

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weißbuch zur Zukunft Europas

 

 

Zahlreiche Herausforderungen wie die Globalisierung bis hin zu den Auswirkungen neuer Technologien auf Gesellschaft und Arbeitsplätze sowie außenpolitische Krisenherde, Sicherheitsfragen, nicht zuletzt aber auch die zunehmende EU-Skepsis und der Brexit – das alles hat die EU-Kommission dazu veranlasst, ein Weißbuch zur Zukunft Europas zu erstellen. Präsentiert wurde es am 1. März 2017. Das Weißbuch beschreibt jene Faktoren, die den Wandel im nächsten Jahrzehnt prägen, und skizziert fünf Zukunftsszenarien, wie sich Europa bis 2025 entwickeln könnte. Der EU-Ausschuss des Bundesrats hat dazu eine Mitteilung an die EU-Institutionen mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen verabschiedet.

 

 

Die fünf Szenarien für die EU bis 2025:

 

Szenario Nr. eins wird im Weißbuch mit der Überschrift "Fortsetzen" zusammengefasst, womit gemeint ist, die Politik weiter zu verfolgen wie bisher.

 

Die zweite Möglichkeit sieht die Kommission darin, sich ausschließlich auf das Funktionieren des Binnenmarkts zu konzentrieren.

 

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Möglichkeit einer stärkeren Zusammenarbeit jener, die dies wollen, also quasi einer "Koalition der Willigen". Das kann Bereiche wie Verteidigung, Innere Sicherheit, Steuern und Soziales umfassen.

 

"Weniger, dafür effizienter" ist Szenario Nr. vier, wobei man sich auf ausgewählte Politikbereiche wie etwa Sicherheitspolitik oder Terrorismusbekämpfung konzentriert. Das soll ein rascheres und entschiedeneres Handeln ermöglichen.

 

Schließlich kann sich die Kommission auch "Viel mehr gemeinsam machen" vorstellen. Das bedeutet eine Ausweitung der Kompetenzen, Ressourcen und Entscheidungen der EU auf sämtliche Arbeitsbereiche – etwa auch auf Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung und Verteidigung. Damit einhergehen soll auch, dass Entscheidungen schneller getroffen und umgesetzt werden.

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats hat dazu eine Mitteilung an die EU Kommission, den Rat und das EU Parlament mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen beschlossen. Die FPÖ konnte sich damit nicht identifizieren und verweigerte daher die Zustimmung.

 

In der Mitteilung unterstreichen die LändervertrerInnen ihr Bekenntnis zu einem Europa des Friedens und der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie sehen es als dringend geboten, die Handlungsfähigkeit der EU ins Zentrum zu rücken und fordern in diesem Zusammenhang eine Verstärkung des Subsidiaritätsprinzips. "Wir setzen uns darum für eine stärkere Beachtung der Subsidiarität vor der Vorlage eines neuen Rechtsakts ein", heißt es wörtlich in der Mitteilung.

 

Angesichts der Paradise Papers plädiert der Ausschuss vor allem dafür, dass Steuern dort bezahlt werden, wo sie erwirtschaftet werden. Das gelte insbesondere für multinationale Konzerne.

 

Besonderen Wert legt der Ausschuss auch auf die soziale Komponente der EU. Damit Europa nicht scheitert, müsse es die Menschen schützen, indem es eine Perspektive auf Wohlstand gibt. Neben der Wettbewerbsfähigkeit und funktionierenden Märkten sei darauf zu achten, dass niemand zurückbleibt. Der Bundesrat unterstützt explizit die Forderungen von Kommissionspräsident Juncker zur sozialen Absicherung der Bürgerinnen und Bürger in der EU.

 

Diese Aspekte unterstrich auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (ÖVP/V). Mayer merkte an, dass sich der EU-Ausschuss immer wieder schwerpunktmäßig mit diesen Fragen auseinandersetzt und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Enquete der Länderkammer vom 7. November. Zudem wies er auf die Vorarbeiten zur Erklärung der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten aus Deutschland, Österreich und Südtirol zum Weißbuch anlässlich der zweiten Europakonferenz Ende November hin. Der Ausschussvorsitzende kritisierte einmal mehr die steigende Zahl der delegierten Rechtsakte und zeigte sich erfreut über die Einrichtung einer Task Force zur Subsidiarität.

 

Auch seitens des Außenministeriums hält man die Dynamik aufgrund des Weißbuchs für positiv, denn jetzt sei die Zeit für wichtige Weichenstellungen. Österreich werde sich während seiner Ratspräsidentschaft intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Für die österreichische Bundesregierung sei es wichtig, wie der Vertreter des Außenressorts betonte, sich nicht hinter einer Institutionendebatte zu verstecken, vielmehr habe ein pragmatischer Lösungsansatz zu aktuellen Themen, wie Migration und Sicherung der Außengrenzen, oberste Priorität. Die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips stehe ebenfalls im Interesse heimischer EU-Politik wie auch die Weiterführung einer verstärkten Zusammenarbeit und die Vertiefung der Eurozone. Einmal mehr wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, dem Westbalkan eine europäische Perspektive zu bieten.

 

Der Brexit sei ein Weckruf gewesen, hieß es im Ausschuss aus dem Außenministerium. Europa müsse sich die Frage stellen, wie es in Zukunft außen- und wirtschaftspolitisch stringenter vorgehen kann.

 

 

Als bestimmende Faktoren, die die Zukunft Europas prägen, nennt das Weißbuch unter anderem die Tatsache, dass das Gewicht Europas - obwohl es der größte Binnenmarkt mit der am zweithäufigsten weltweit genutzten Währung, die führende Handelsmacht und der größte Geber von Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe ist – in dem Maße abnimmt, in dem andere Teile der Welt wachsen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Dazu kommen Konflikte an den Außengrenzen der Union, Krieg und Terror im Nahen Osten und in Afrika sowie eine zunehmende Militarisierung in allen Teilen der Welt, die die zunehmenden weltweiten Spannungen deutlich macht. Obwohl die Welt immer vernetzter wird, gebe es Tendenzen zum Isolationismus und zu Zweifel an der Zukunft des internationalen Handels und des Multilateralismus.

 

Als eine zentrale Frage macht die Kommission soziale Ungleichheit sowie die öffentliche und private Verschuldung fest. Es bestehe die Gefahr, dass es der heutigen Jugend zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg schlechter gehen könnte als ihren Eltern. Europa könne es sich aber nicht leisten, die am besten ausgebildete Altersgruppe, die es je hatte, zu verlieren und zuzulassen, dass Ungleichheit ihre Zukunftschancen ruiniert. Zudem sieht es die Kommission als eine Notwendigkeit an, die sozialen Sicherungssysteme, die sie als die fortschrittlichsten bezeichnet, gründlich zu modernisieren, um bezahlbar zu bleiben und mit der demografischen Entwicklung und der beruflichen Realität Schritt halten zu können.

 

Auch die Digitalisierung stellt eine enorme Herausforderung dar. Bereits jetzt seien die Trennlinien zwischen ArbeitnehmerInnen und Selbständigen, Waren und Dienstleistungen, KonsumentInnen und ProduzentInnen verwischt. Die beruflichen Umwälzungen sind weitreichend. Daher müsse man, um negative Auswirkungen zu mindern, in der Ausbildung und in den Systemen für ein lebenslanges Lernen umdenken. Die Veränderungen in der Arbeitswelt erfordern auch neue soziale Rechte.

 

Gleichzeitig hat sich die EU im Rahmen einer verantwortungsvollen Klimapolitik zu einer ehrgeizigen Dekarbonisierung der Wirtschaft und zur Verringerung schädlicher Emissionen verpflichtet. Das bedeute, innovative Lösungen auf die einheimischen und internationalen Märkte zu bringen.

 

 

Martin Preineder (ÖVP/N) merkte dazu an, die EU habe bisher viele Aufgaben gut erfüllt, vieles sei aber nicht gut gelaufen und dafür sei der Brexit ein klares Zeichen. Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU könne aber auch zeigen, was man damit verliert. In der EU sei vor allem eine raschere Entscheidungs – und Kompromissfähigkeit gefragt, sagte Preineder, der sich auch seinerseits für die Subsidiarität stark machte. Er ist aber dafür, Großkonzerne mehr in die Verantwortung zu nehmen und meinte, in der Frage der Sicherheit und des Grenzschutzes müsse man von der EU mehr erwarten.

 

In der Diskussion unterstrich vor allem die SPÖ die Notwendigkeit einer sozialen Komponente innerhalb der EU. Auch aus dem Außenministerium hieß es, die soziale Säule sei ein wichtiger Schritt, die Kompetenzen müssen jedoch klar sein. In Göteborg habe man 20 Grundsätze festgelegt, die treibende Kraft dahinter sei Kommissionspräsident Juncker gewesen. Sie seien jedoch unverbindlich, jetzt gehe es um die Umsetzung.

 

Die EU sei nicht nur eine Sicherheitsgemeinschaft, eine Verteidigungsunion und ein Grenzwächterstaat, meinte Stefan Schennach (SPÖ/W). Vielmehr gehe es um einen Kontinent der Innovation aber auch der sozialen Verantwortung. In diesem Sinne begrüßte Schennach die Erklärung vom Gipfel in Göteborg. Bisher fehle nämlich eine europäische Arbeitspolitik und Steuerpolitik, Sozialdumping sei ein Problem. Die Komponente Mensch muss viel mehr vorkommen, ergänzte seine Fraktionskollegin Ingrid Winkler (SPÖ/N), und das müsse auch spürbar werden, damit Europa Akzeptanz bei den BürgerInnen findet.

 

In diesem Sinne argumentierte auch der Vertreter der Arbeiterkammer, der von einer Schieflage zwischen sozialen Rechten und wirtschaftlichen Freiheiten sprach. Er forderte daher, dass soziale Grundrechte gleich gewichtet werden. Notwendig sei es, eine Nivellierung nach unten und die Aushebelung von Standards zu verhindern. Um die steuerpolitische Handlungsfähigkeit zu erhöhen und die Steuerpolitik fairer zu gestalten, plädierte er für ein Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip. Ihm zufolge muss das EU-Budget in Richtung soziale Ziele weiter entwickelt und die goldene Investitionsregel zur antizyklischen Wirtschaftspolitik eingeführt werden. Die Wirtschaftspolitik dürfe sich nicht nur nach dem Export ausrichten, sagte er, sondern auch auf die Binnenmarktnachfrage. Eine Kompetenzübertragung an die EU erfordere vor allem auch ein starkes EU-Parlament.

 

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) warnte in seiner Stellungnahme zudem davor, die EU dort, wo sie Souveränität hat, durch nationalstaatliche Alleingänge zu behindern. Er sprach sich auch gegen ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten aus, denn dieses habe man schon in Bezug auf die Eurozone und Schengen. Eine weitere Abkoppelung würde Europa schwächen, zeigte er sich überzeugt. Notwendig sei es, die Geschwindigkeit der Entscheidungen zu steigern und den Schengenraum zu schützen.

 

Auch die ÖVP Mandatare halten es für notwendig, die soziale Komponente der EU zu stärken. Für Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) ist es aber unerlässlich, sich intensiv mit dem Internethandel zu beschäftigen und sich über die Digitalisierung und Automatisierung Gedanken zu machen. Das könne nicht alleinige Aufgabe der Mitgliedstaaten sein, sagte er. Auch die Zügelung des Kapitals und die Einführung der Finanztransaktionssteuer sollte Thema sein, meinte Eduard Köck (ÖVP/N). Er ist auch dafür, soziale Transferleistungen an die Lebenshaltungskosten anzupassen.

 

Selbstverständlich darf man Menschen nicht zurücklassen, reagierte Monika Mühlwerth (FPÖ/W) auf die Forderungen nach einer sozialen Union, die FPÖ habe damit aber ihre Probleme. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an Griechenland, wo es den Menschen trotz Milliardenhilfe noch immer nicht besser gehe. Die Staaten müssten selbst wieder auf die Beine kommen.

 

Helfen können nur eine Politik, die die Menschen auch verstehen, das heißt, weg von Dingen wie Allergenverordnung oder die Höchstleistung von Staubsaugern. Für die Sicherung der Außengrenzen sei jedoch die EU zuständig.

 

Kritisch äußerte sich Mühlwerth auch zu einer etwaigen EU-Mitgliedschaft der Westbalkanstaaten. Selbstverständlich sei dies ein wichtiges Thema und vor allem Österreich sollte sich hier engagieren. Angesichts der Probleme in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Wirtschaft hält Mühlwerth eine diesbezügliche Erweiterung für den Bestand der EU gefährlich. Die EU müsse so reformiert werden, dass sich die BürgerInnen zugehörig fühlen, sagte sie.

 

Für Heidelinde Reiter (Grüne/S) kann diese Zugehörigkeit durch eine stärkere Bürgerbeteiligung erzielt werden. Die bisherige Debatte ist ihrer Meinung nach viel zu abgehoben. Reiter plädierte für mehr Pragmatismus beim Ausarbeiten von Lösungen und meinte, es sei oft sehr schwierig, den Widerspruch zwischen Subsidiarität einerseits und Vertiefung andererseits aufzulösen.

 

Dazu meinte der Vertreter des Außenministeriums, es sei vorgesehen, die Europäische Bürgerinitiative noch bürgernäher zu gestalten. Man werde daher die bisherigen Bestimmungen überarbeiten mit dem Ziel, es zu erleichtern, eine Initiative zu starten und Unterschriften zu leisten. Außerdem will man die Bürgerkonvente ausweiten.

 

 

Das Weißbuch stellt den Beginn der Diskussion dar. Den Bürgerinnen und Bürgern Europas soll man laut Juncker jedenfalls zur Europawahl im Juni 2019 einen Plan, eine Vision und einen Weg vorstellen können. Mit dem Weißbuch wird eine Debatte darüber angestoßen, welchen Weg die EU einschlagen soll. Sie soll aber auch helfen, sich auf das Wesentliche zu besinnen, heißt es in der Einleitung des Dokuments.

 

Zusätzlich zum Weißbuch zur Zukunft Europas hat die EU-Kommission im ersten Halbjahr 2017 fünf thematische Reflexionspapiere vorgelegt: "Soziale Dimension der EU", "Globalisierung meistern", "Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion", "Zukunft der europäischen Verteidigung" und "Zukunft der EU-Finanzen".

 

Am 13. September skizzierte Kommissionspräsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union ein auf drei Prinzipien  - Freiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit - basierendes sechstes Szenario, und zwar eine Mischung aus den Szenarien vier und fünf. Er forderte dabei die Konvergenz der EU-Staaten als gemeinsames Ziel mit dem Ziel einer "stärkeren, geeinteren und demokratischeren EU". Nicht eingegangen ist der Kommissionspräsident dabei auf ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

 

Am 25. März verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der EU 27 die Römer Erklärung zur Zukunft der EU. Darin wird der Zusammenhalt und die Geschlossenheit der 27 bekräftigt und zentrale Ziele für Europa wurden definiert: "sicher und geschützt, wohlhabend und nachhaltig, sozial und stärker auf der globalen Bühne". Ratspräsident Tusk wurde schließlich beauftragt, die Diskussion und jüngsten Reflexionen und Ideen zur Zukunft Europas in ein konkretes Arbeitsprogramm zu übersetzen.

 

Tusk hat zudem am Rande des Europäischen Rats vom 20.Oktober eine sogenannte "Leader's Agenda" vorgeschlagen, die bis zum Ende der Funktionsperiode des Europäischen Parlaments und der Kommission 13 Gipfeltreffen – darunter eines im September 2018 in Wien zum Thema Sicherheit – vorsieht. Zur Beschleunigung gemeinsamer Entscheidungen sollen von den Mitgliedstaaten in Form von "Decision notes" Problembereiche aufgezeigt werden und damit ernsthafte politische Diskussionen ermöglichen. Gibt es keine Einigung, dann könnte die Frage auch in Form einer vertieften Zusammenarbeit gelöst werden.

 

Auch das Europäische Parlament (EP) hat am 16. Februar 2017 drei ambitionierte Entschließungen zur Zukunft der EU angenommen. So soll nach Meinung der ParlamentarierInnen unter anderem der Ministerrat in eine wirkliche zweite Gesetzgebungskammer umgewandelt werden. Das EP spricht sich auch dafür aus, dass die Beschlüsse vollständig mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden, um wichtige Gesetze nicht blockieren zu können. Außerdem soll ein EU-Finanzminister installiert werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Harmonisierung des Warenhandels

 

 

Äußerst kritisch bewerteten die Bundesrätinnen und Bundesräte im EU-Ausschuss der Länderkammer den Vorschlag der EU, den Anwendungsbereich des ursprünglichen Entwurfs zur Harmonisierung der Bestimmungen zum Online-Handel auf den klassischen Warenhandel auszudehnen. Die Kommission reagiere damit auf interinstitutionelle Gespräche und berücksichtige die Erkenntnisse der Eignungsprüfung und der Folgenabschätzung, die vom Europäischen Parlament durchgeführt worden sei, argumentiert man seitens der EU. Mit den Worten "Unfug" (Stefan Schennach – SPÖ/W) und "unverhältnismäßig" (Edgar Mayer – ÖVP/V) kommentierten die Bundesräte den Vorstoß. Man kam daher auch überein, die Materie nochmals auf die Tagesordnung des nächsten EU-Ausschusses zu setzen und eine Subsidiaritätsrüge auszuarbeiten.

 

 

Mit der genannten "Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels" beabsichtigt die EU im Wesentlichen, ein neues Gewährleistungsregime für den Warenkauf einzuführen. Das würde den Großkonzernen zugutekommen, die Klein- und Mittelbetriebe würde das überfordern, so die allgemeine Befürchtung. Zudem mache der Online-Handel derzeit nur 8,6% des gesamten Handels aus. Die EU versuche, ein europäisches Zivilgesetzbuch zu implementieren, hieß es aus dem Justizministerium. Der weitreichende Ausbau des Konsumentenschutzes werde mittelfristig Auswirkungen auf die Preise haben, befürchtet man. In der EU verfüge man derzeit über ein europäisches Regime, das eine zweijährige Gewährleistungsfrist vorsieht, und die habe sich als sehr tauglich erwiesen.

 

Nach Meinung der Kommission wiederum sollen dadurch KonsumentInnen europaweit in den Genuss eines hohen Verbraucherschutzniveaus kommen. Gleichzeitig soll es Unternehmen leichter gemacht werden, Waren grenzüberschreitend zu verkaufen. Damit würde ein vollharmonisiertes Instrument geschaffen, was dazu führt, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in innerstaatliches Recht auch nicht zugunsten der KonsumentInnen von den Regelungen der Richtlinie abweichen können. Vorgesehen ist eine Beweislastumkehr von zwei Jahren (bisher sechs Monate), die Möglichkeit der Wandlung auch bei geringfügigen Mängeln und ein Recht der KonsumentInnen auf Zurückbehaltung des Kaufpreises bei Vorliegen von Mängeln.

 

Wie der Vertreter des Justizministeriums erläuterte, wollte die EU ursprünglich mit zwei Richtlinien aus dem Jahr 2015 zur digitalen Agenda zivilrechtliche Fragen zur Bereitstellung digitaler Inhalte einerseits und zum Online-Handel sowie zum Fernabsatz andererseits ein gemeinsames europäisches Kaufrecht schaffen, was jedoch am Widerstand einzelner Mitgliedstaaten gescheitert ist.

 

Die Infragestellung von zwei unterschiedlichen Formen des Gewährleistungsrechts – einerseits für den Online-Handel und andererseits für den klassischen Warenhandel – sei zwar grundsätzlich berechtigt, der richtige Weg wäre aber gewesen, den ursprünglichen Entwurf gänzlich zurückzuziehen und einen neuen Vorschlag vorzulegen, erklärte der Experte. Die Kommission habe aber den vollharmonisierten Vorschlag für den Online-Handel genommen und den Anwendungsbereich auf jedes Geschäft ausgedehnt. Dem stehe das Justizministerium äußerst kritisch gegenüber, da die Folgenabschätzung für diese weitreichende Ausweitung fehle sowie die Erfordernisse nicht berücksichtigt würden, die der Handel mit sich bringt. So sei vor allem auch die Verlängerung der Beweislastumkehr von sechs Monate auf zwei Jahre zu hinterfragen. Die Gewährleistungsfrist von zwei Jahren bleibe ohnehin unangetastet, hielt er fest. In die gleiche Kerbe schlugen die VertreterInnen des Wirtschaftsministeriums und der Wirtschaftskammer.

 

Der Bundesrat hat den ursprünglichen Richtlinienentwurf in Bezug auf den Online-Handel bereits im März 2016 diskutiert  und dazu auch eine Mitteilung nach Brüssel geschickt. "Das Gewährleistungsrecht ist im UnternehmerInnen-VerbraucherInnen-Bereich durch die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie ohnehin bereits mindestharmonisiert, sodass der von dieser Richtlinie inhaltlich abweichende Vorschlag für ein spezifisches Gewährleistungsregulativ zu einer unnötigen und sehr bedenklichen Rechtsfragmentierung führen würde", argumentierten bereits damals die LändervertreterInnen. Außerdem bestanden und bestehen große Vorbehalte gegenüber dem Vollharmonisierungsansatz. Man gab damals auch zu bedenken, dass die Verhandlungen zur Verbraucherrechte-Richtlinie deutlich gemacht haben, dass die Vorschriften über die Gewährleistung aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten und Institutionen nicht sinnvoll vollharmonisiert werden konnten. In diesem Sinne haben die Bundesrätinnen und Bundesräte davor gewarnt, dass die Kommission beabsichtigt, den Richtlinienentwurf auch auf den klassischen stationären Einzelhandel auszudehnen.

 

Die Wortmeldungen im Ausschuss heute bekräftigten diese Kritik. Hinter dieser Vorgangsweise müsse etwas dahinterstecken, fasste Bernhard Rösch (FPÖ/W) seine Skepsis zusammen. Es könne nicht alles unter den Online-Handel subsumiert werden, meinte Edgar Mayer (ÖVP/V), sein Fraktionskollege Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) befürchtete Nachteile für die KonsumentInnen. Auch Stefan Schennach (SPÖ/W) stellte fest, die Gewährleistung des Online-Handels könne man nicht 1:1 über den klassischen Warenhandel stülpen. Das Prinzip der Beweislastumkehr ist aber für ihn nicht verhandelbar, über die Dauer könne man reden. Wolfgang Beer (SPÖ/W) ortete ebenfalls noch viel Diskussionsbedarf, er pochte aber auf einen gut funktionierenden Konsumentenschutz. Der Konsument müsse sich darauf verlassen können, ordentliche Produkte zu bekommen, sagte er.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufnahme von Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrats hat auch Bedenken gegenüber den von der Kommission geplanten Verhandlungsstart für Freihandelsabkommen mit Neuseeland und Australien. Er fordert in einer Stellungnahme an die Regierung gewisse Mindestanforderungen für die inhaltliche Ausgestaltung von zukünftigen EU-Freihandels- und Investitionsabkommen. Neben der Beibehaltung von heimischen Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltstandards pocht er etwa auf sogenannte gemischte Abkommen und die Implementierung des Vorsorgeprinzips als fixe Punkte des EU-Verhandlungsmandats gegenüber Australien und Neuseeland. Von Vornherein abgelehnt werden müssten außerdem private Schiedsgerichte oder internationale Investitionsgerichte. Für die Stellungnahme stimmten SPÖ und Grüne, sie hatten zum Zeitpunkt der Abstimmung eine Mehrheit im Ausschuss.

 

Absolut ausgenommen vom Freihandel müsse außerdem die Daseinsvorsorge und der öffentliche Dienst werden. Nach Meinung von SPÖ-Bundesrat Michael Lindner würde das von der Kommission vorgelegte Verhandlungsmandat danach aussehen, als hätte die Europäische Union nur wenig aus CETA und TTIP gelernt. Die Forderungen an die Bundesregierung basieren auf einer erst im Oktober veröffentlichten einheitlichen Stellungnahme aller Bundesländer. Ein von der ÖVP eingebrachter Vertagungsantrag, der weitere Überlegungen und Informationen ermöglichen soll, wie Martin Preineder (ÖVP/N) meinte, wurde vom EU-Ausschuss nicht ausreichend unterstützt.

 

Grundsätzlich sollen mit den geplanten Abkommen die Märkte für Waren, Dienstleistungen und Investitionen zwischen der EU und Neuseeland bzw. Australien weitestgehend geöffnet werden. Passieren soll das durch den Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen, etwa für ausländische Direktinvestitionen. Einfuhrzölle sollen innerhalb von sieben Jahren gänzlich Geschichte sein. Ausnahmen sollen nur für sensible Waren wie Landwirtschaftserzeugnisse gelten. Gewahrt werden sollen dabei gleichzeitig aber Sozial- und Umweltschutzniveaus, wie die Kommission in ihrem Mandatsvorschlag anmerkt. So ist neben einem Nachhaltigkeitskapitel beispielweise geplant, Bestimmungen in die Abkommen aufzunehmen, wonach Umweltschutz-, Arbeitsrechts oder Gesundheitsstandards nicht gesenkt werden dürfen. Vorteile sollen die Abkommen insbesondere für KMU bringen. Mit dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen will die EU mit anderen Drittstaaten gleichziehen, die aufgrund von bereits bestehenden Abkommen mit Australien und Neuseeland einen Vorsprung haben, heißt es weiter im Kommissionspapier.

 

Seitens des Wirtschaftsministeriums werden die Pläne für Verhandlungen zum freien Handel zwischen der EU und den beiden Ländern unterstützt. Der Mandatsvorschlag basiere auf dem handelspolitischen Konzept der EU, gesplittet sind beide Abkommen in je ein Abkommen für EU-Kompetenzen (EU-only-Abkommen) sowie ein separates Investitionsschutzabkommen. Zum Investitionsschutz liege noch kein Mandatsvorschlag vor, beide Teile der Abkommen sollen aber parallel verhandelt und zum Abschluss gebracht werden, geht es nach Informationen von aus dem Wirtschaftsressort. Laut Daten des Ministeriums handelt es sich sowohl bei Australien als auch bei Neuseeland um schnell wachsende Industriestaaten, in Australien ist die Europäische Union größter ausländischer Direktinvestor. Das Interesse beider Länder für einen freien Handel mit der EU sei groß, Neuseeland könne sich etwa das CETA-Modell 1:1 vorstellen. Mit einem Verhandlungsstart wird momentan im kommenden Frühjahr gerechnet.

 

Für den Verhandlungsstart der Abkommen warb außerdem die Vertreterin der Wirtschaftskammer. Österreich und Europa würden neue Exportmärkte brauchen, da es in einigen Ländern Protektionismustendenzen gebe.

 

Hinsichtlich möglicher Auswirkungen für die EU rechnet die Kommission mit einem Anstieg des realen BIP um zirka 0,02 %. Aus Sicht der Arbeiterkammer, die sich in einer umfassenden Stellungnahme dezidiert gegen Abkommen nach bisherigen EU-Verhandlungsmustern ausspricht, ist das wenig. Es handle sich lediglich um einen kumulierten Effekt, außerdem würden Phänomene wie die Langzeitarbeitslosigkeit in den Berechnungen ausgeklammert, kritisierte die Expertin. Die Arbeiterkammer fordert "scharfe und klare Bedingungen" wenn es u.a. um das Vorsorgeprinzip, nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen oder heimische Standards im Sozial-, Gesundheits- und Umweltbereich geht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag auf Mitteilung wurde mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen angenommen:

 

 

 

ANTRAG AUF MITTEILUNG

 

 

An die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament

der Bundesräte Edgar Mayer, Stefan Schennach

 

betreffend

 

COM (2017) 2025 Weißbuch zur Zukunft Europas Die EU der 27 im Jahr 2025 – Überlegungen und Szenarien

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 21. November 2017

 

 

Der Präsident des Bundesrates wird ersucht, folgende Mitteilung gemäß § 13b Abs. 9 GO-BR an die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat zu übermitteln.

 

 

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:

 

 

Antrag auf Mitteilung an die Europäische Kommission, den Rat der EU und das Europäische Parlament gemäß Art. 23f Abs. 4 B-VG

 

 

Am 1. März 2017 veröffentlichte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das „Weißbuch zur Zukunft Europas“, um damit auch den Diskussionsprozess innerhalb der Mitgliedstaaten zu forcieren und entsprechende Weichenstellungen treffen zu können. Darin wurden fünf Szenarien vorgeschlagen: 1. Weiter wie bisher, 2. Schwerpunkt Binnenmarkt, 3. Wer mehr will, tut mehr, 4. Weniger, aber effizienter, 5. Viel mehr gemeinsames Handeln.

 

Die Mitgliedstaaten, aber vor allem auch die Parlamente der Mitgliedstaaten, sind dazu aufgerufen, auf der Basis dieses Weißbuchs die Zukunft Europas zu erörtern. Dieser Aufforderung kommt der EU-Ausschuss des Bundesrates im Rahmen seiner Mitwirkungsbefugnisse sehr gerne nach. Es wird festgehalten, dass das Hauptziel bei einer Neuausrichtung der Europäischen Union sein muss, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gegenüber den kommenden Herausforderungen zu verbessern. Selbstverständlich basiert das Bekenntnis des Bundesrates zu einer Weiterentwicklung der Europäischen Union vor allem darauf, dass auf die wichtigsten Werte unserer Demokratie aufgebaut wird. Wir bekennen uns zu einem Europa des Friedens und der Menschenrechte, der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

 

Ein erstes Ziel muss es sein, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union ins Zentrum zu rücken. Die vergangenen Ereignisse – gerade im Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre – haben uns vor Augen geführt, dass wir alle gemeinsam früh genug Zeichen erkennen und effizienter werden müssen, aber auch, dass Einheit unter den Mitgliedstaaten unerlässlich ist, um die Union handlungsfähig zu machen.

 

Damit die EU wieder effizienter wird, braucht es eine Verstärkung des Subsidiaritätsprinzips hin zu einem Europa der Subsidiarität. In vielen Bereichen der Union benötigt es dennoch eine viel stärkere Souveränität, eine stärkere europäische Gemeinschaft, die nicht durch nationale Alleingänge unterlaufen werden kann.

 

Die Regionen, Städte und Gemeinden können im Bereich Europa einiges beitragen und sind vor allem in der Lage, die oft angesprochene Bürgernähe zu gewährleisten. Es ist die lokale Ebene, die das Fundament der Europäischen Union darstellt und diese Ebene müssen wir pflegen und beachten. Dennoch ist nicht alles in der kleinsten Einheit zu lösen. Wir müssen realistisch sein und dort, wo es sinnvoll ist, differenzieren: In den großen Fragen, wie beispielsweise der Außen, Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder dem Außengrenzschutz, muss die EU stärker werden. Hingegen sollen die Fragen, die am besten und effizientesten in der kleinsten Einheit behandelt werden können, auch dort behandelt werden.  Wir setzen uns darum für eine stärkere Beachtung der Subsidiarität vor der Vorlage eines neuen Rechtsaktes ein. Der klare, europäische und auch wirtschaftliche Mehrwert der Vorlage muss vor Vorlage von Seiten der Europäischen Kommission klar erkennbar sein.

 

Angesichts der Paradise Papers und ähnlicher Erkenntnisse und Enthüllungen, die bislang  gewonnen wurden, plädiert der EU Ausschuss des Bundesrates vor allem dafür, dass Steuern dort bezahlt werden, wo sie erwirtschaftet werden. Das gilt insbesondere für multinationale Konzerne. Zahlreiche weitere Maßnahmen müssen zudem getroffen werden.

 

Damit Europa nicht scheitert, muss es die Menschen schützen, indem es eine Perspektive auf Wohlstand gibt. Es ist wichtig, dass neben der Wettbewerbsfähigkeit und neben den funktionierenden Märkten darauf geachtet wird, dass niemand zurückbleibt. Der Bundesrat unterstützt die Forderungen von Kommissionspräsident Juncker zur sozialen Absicherung der EU Bürgerinnen und Bürger in Europa.

 

Abschließend ist es dem Bundesrat ein Anliegen, folgende Anmerkungen aus der Praxis zu machen: Mittlerweile sind viele Praxisjahre verstrichen, in denen zahlreiche Vorlagen vor dem Hintergrund der Subsidiarität geprüft wurden. Wichtig ist fest zu halten, dass die Frist von insgesamt nur 8 Wochen für eine Prüfung von Seiten der Kammern der Mitgliedstaaten sehr kurz ist und darum angeregt wird, diese Frist auf 12 Wochen zu verlängern. In vielen Stellungnahmen von Seiten des Bundesrates wurde zudem die große Anzahl an delegierten Rechtsakten kritisch angemerkt. Zwar sind diese rechtens, jedoch ist die Anzahl von delegierten Rechtsakten stetig im Zunehmen und es steht zu befürchten, dass der Europäischen Kommission faktische Gesetzgebungsakte eingeräumt werden, die im Zuständigkeitsbereich der Gesetzgebung von Rat/Kommission und weiterer Folge Europäischem Parlament bleiben sollten. Zudem sollte der Dialog zwischen der Europäischen Kommission und den Kammern der Mitgliedstaaten intensiviert werden. Vielfach wird auf Mitteilungen bzw. Anmerkungen im Rahmen der Subsidiarität einige Monate später von Seiten der Kommission reagiert. Die Reaktionen sind formal korrekt, aber dem Bundesrat fehlt vor allem der lebendige, politische Austausch über bestimmte Vorlagen. Gerade im Rahmen der COSAC ergeben sich Möglichkeiten des aktiven politischen Diskurses mit verschiedenen Mitgliedern der Europäischen Kommission, diese sollten mehr genützt werden.

 

Der Bundesrat hält fest, dass es viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt: Bei der Verkehrspolitik, beim Verbraucherschutz, im Bereich der Forschung und Innovation, in der Kohäsionspolitik, in der Handelspolitik und selbstverständlich im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

 

Der österreichische Bundesrat hat sich zuletzt im Rahmen einer EU-Enquete des Bundesrates am 07. November eingebracht und wird dies auch weiterhin aktiv auf formellem und auch auf informellem Weg tun, denn europäisches Engagement ist nicht nur eine Bringschuld der Europäischen Union. Abschließend weist der Bundesrat auf die Vorarbeiten zur Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente und des Südtiroler Landtags unter Beteiligung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens anlässlich der 2. Europakonferenz am 26. und 27. November 2017 in Brüssel zum Weißbuch der Zukunft Europas sowie auf die Stellungnahmen der Landtage von Oberösterreich und Niederösterreich hin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag auf Stellungnahme wurde mit den Stimmen von SPÖ und Grünen mehrheitlich angenommen:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e B-VG

des EU-Ausschusses des Bundesrates

 

 

der Bundesräte Schennach, Genossinnen und Genossen

 

eingebracht zu TOP 3 in der Sitzung des Bundesrates vom 21.11.2017

 

 

betreffend COM(2017) 472 final Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Australien (154020/EU XXV.GP)

 

betreffend COM(2017) 469 final Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland (154022/EU XXV.GP)

 

 

Der EU-Ausschusses des Bundesrates wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft wird aufgefordert, die einheitliche Länderstellungnahme vom 31.10.2017 betreffend zukünftige EU-Freihandels- und Investitionsabkommen einzuhalten, sowie sich dafür einzusetzen, dass es sich bei den zukünftigen EU-Freihandels- und Investitionsabkommen um gemischte Abkommen handelt. Dies bedeutet insbesondere:

 

·         Die in der EU und auf nationaler Ebene geltenden Normen des Arbeitsrechts sowie   die gesetzlichen Standards für Produktsicherheit, Daten-, Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz auf ihren hohen Standards zu sichern und keinerlei Einschränkung der regulatorischen Möglichkeiten der gesetzgebenden Körperschaften zu akzeptieren. 

 

·         Das Vorsorgeprinzip, das legislative Schutzmaßnahmen bereits im potentiellen Gefahrenbereich gewährleistet, im Vertragstext ausdrücklich zu verankern.

 

·         Private Schiedsgerichte oder internationale Investitionsgerichte bei Freihandels-   und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochentwickelten Rechtssystemen abzulehnen.

 

·         Die Länder fordern eine generelle Verankerung des Positivlistenansatzes sowohl bei den vertraglichen Marktzugangsbestimmungen als auch bei Bestimmungen betreffend Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung zu verankern.

 

·         Sicherzustellen, dass Bestimmungen zur regulatorischen Zusammenarbeit weder Rechtsetzungsbefugnisse noch Beschränkungen oder Änderungen von in demokratischen Entscheidungsprozessen beschlossenen Regelungen beinhalten.  

 

·         eine umfassende und rechtssichere Ausnahme für alle Leistungen der Daseinsvorsorge vom Anwendungsbereich sämtlicher Freihandels- und Investitionsabkommen und somit auch von sämtlichen Bestimmungen des Investitionsschutzes als Voraussetzung einer Zustimmung festzulegen.

 

·         Sich mit Nachdruck gegen eine Verankerung neuer Liberalisierungsansätze wie Stillstands- und Sperrklinkenklauseln sowie gegen jede Einschränkung der Finanzierung der Daseinsvorsorge durch Investitions- und Freihandelsabkommen auszusprechen.“

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben wäre durch ein Bundesverfassungsgesetz umzusetzen, das nach Art. 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bedürfen würde.