beratungen des
EU-Ausschusses des Bundesrates

iV-136 der Beilagen zu den
stenografischen protokollen des Bundesrates


Auszugsweise Darstellung

Dienstag, 10. März 2020

 

 


Beratungen des EU-Ausschusses des Bundesrates

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 10. März 2020

 

 

Tagesordnung

1.

WK 8483/19 Consolidated texts of the trade part of the EU-Mercosur Association Agreement

(71896/EU XXVI.GP)

2.

COM(2020) 65 final

Weißbuch/Zur Künstlichen Intelligenz - ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen

(12682/EU XXVII.GP)

 

 

 


 

 

Am Beginn der Sitzung berichtete Ausschussvorsitzender Christian Buchmann über jünst eingelangte Dokumente:

·         Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ sowie zu „Eine europäische Datenstrategie“

·         Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank und die Euro-Gruppe/2020 zu „Europäisches Semester: Bewertung der Fortschritte bei den Strukturreformen, Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und Ergebnisse der eingehenden Überprüfung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011“

 

Den Ausschussmitgliedern standen folgende ExpertInnen zur Verfügung:

·         Frau Mag.a Cynthia Eva Zimmermann (BMDW)

·         Frau Mag.a Doris Traxl-Reiner (BMDW)

·         Frau MMag.a Dr.in Suzanne Pichl (BMDW)

·         Herr Mag. Wolfgang Ebner (BMDW)

·         Frau Henrike Schaum, MSc (AK)

·         Frau Mag.a Éva Dessewffy (AK)

·         Herr Christian Berger (AK)

·         Frau Mag.a Claudia Stowasser (WKÖ)

·         Herr Dipl.Ing. Thomas Feßl (WKÖ)

·         Frau Mag.a Angela Pfister (ÖGB)

·         Herr Dipl.-Ing. Nikolaus Morawitz (LKO)

 

 

 

 

Mercosur-Abkommen

Die Verhandlungen über das umfassende Assoziierungsabkommen der EU mit den vier Gründungsmitgliedern der südamerikanischen Freihandelszone Mercosur - Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay – begannen im Jahr 2000, wurden allerdings 2004 suspendiert und erst 2010 wieder aufgenommen. Ab 2016 gewannen die Verhandlungen an Dynamik, im Juni 2019 erfolgte eine grundsätzliche Einigung über den Handelsteil des Abkommens. Es soll einen Zugang zu dem Wirtschaftsraum mit 260 Mio. VerbraucherInnen und einen Wettbewerbsvorteil für die EU eröffnen. Angestrebt wird damit außerdem der Abbau der Zölle und Handelshemmnisse sowie ein verbesserter Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen. Erwartet werden ebenso Vorteile für kleine und mittlere Unternehmen aufgrund vereinfachter Handelsregeln und größeres Potential bei Dienstleistungsexporten, informierte eine Expertin des Ministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Bei den handelspolitischen Aspekten soll auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit Bedacht genommen werden.

Die WKÖ sieht in dem Abkommen eine Chance, die EU-Standards zu sichern und breiter zu etablieren. Die Landwirtschaftskammer, die Arbeiterkammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund stehen dem Vorhaben hingehen sehr kritisch gegenüber. Laut des Vertreters der Landwirtschaftskammer wären dadurch Verschlechterungen in allen Bereichen und für die EU-LandwirtInnen Wettbewerbsnachteile aufgrund der Produktionsstandards zu erwarten. Entschlossen gegen das Mercosur-Abkommen trat eine Vertreterin der AK auf, indem sie vor der Hinabsetzung der sozialen Standards sowie fehlenden Konsumentenschutz- und Klimaschutzmaßnamen warnte. Die massive Verschlechterung der Arbeitsstandards in Brasilen etwa sei alarmierend, meinte sie. Ähnliche Argumente lieferte eine ÖGB-Expertin, die von schweren Menschenrechtsverletzungen gegenüber ArbeitnehmerInnen in der Region sowie von einem "Desaster für die Umwelt" sprach, weil das Abkommen dafür keine Sanktionen kenne.

Der Abkommenstext muss nach der derzeit laufenden juristischen Prüfung dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament zur Genehmigung vorgelegt werden, seitens Österreich ist die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zuständig. Vom EU-Unterausschuss des Nationalrats wurde die dabei zu vertretende Position bereits vorgegeben. Österreich hat gemäß zweier Beschlüsse auf Stellungnahme in den EU-Gremien gegen den Abschluss des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten aufzutreten.

Die Länderkammer des Parlaments festigte dies ebenfalls mit zwei Anträgen auf Stellungnahme, die mit den Stimmen der SPÖ- und FPÖ-BundesrätInnen angenommen wurden. Gemäß FPÖ-Antrag werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung aufgefordert, auf europäischer Ebene alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern. Der SPÖ-Antrag sieht konkret vor, dass die Ablehnung des Abkommens bei allen Abstimmungen in EU-Gremien zum Ausdruck gebracht werden soll.

Die BundesrätInnen von ÖVP und Grünen wollten erreichen, dass sich die Bundesregierung gegen das Mercosur-Abkommen in der bisherigen Form ausspricht, um die Gespräche zumindest weiterzuführen, scheiterten mit dem gemeinsamen Antrag allerdings aufgrund der fehlenden Stimmenmehrheit.

Aufgrund der langen Laufzeit der Verhandlungen gelte es, die politischen Veränderungen beim Abkommen der EU mit den Mercosur-Staaten zu berücksichtigen, meinte Bundesrat Martin Preineder (ÖVP/N). Die von den InteressensvertreterInnen vorgebrachten Argumente bezüglich Standards und Klimaschutz, aber auch Lebensmittelsicherheit sollten ihm zufolge in die weitere Diskussion des Vorhabens miteinbezogen werden. Sonja Zwazl (ÖVP/N) sprach sich ebenfalls dafür aus, die Gespräche weiterzuführen, um ein Bewusstsein für die Einführung entsprechender Standards in den Ländern dafür zu schaffen. Dabei werde man von den EU-Standards ohnehin keinen Millimeter abweichen, so die Bundesrätin.

Marco Schreuder (Grüne/W) führte eine grundsätzliche Frage ins treffen und suchte die Debatte darüber, welche Weltwirtschaft man künftig führen wolle. Im Grunde sei man sich einig über die Ablehnung des Abkommens in der vorliegenden Form, sagte der Grüne Bundesrat, jedoch wäre es wichtig, weiterhin Gesprächsbereitschaft zu signalisieren um die Möglichkeit zu schaffen, Rechtsgrundsätze zu verhandeln.

Obwohl sich Monika Mühlwerth (FPÖ/W) grundsätzlich für gute Freihandelsabkommen und den Abbau von Zöllen aussprach, sei das Mercosur-Vorhaben in Hinblick auf die heimische Landwirtschaft sowie bezüglich Klimaschutz nicht zu begrüßen. Umweltstandards fänden überhaupt keine Berücksichtigung, kritisierte die Bundesrätin. Kollege Stefan Steiner (FPÖ/T) betonte, dass seine Hoffnung bei der Landwirtschaftskammer liege, sich für die Interessen der Bäuerinnen und Bauern vehement einzusetzen, die es wegen des EU-Mercosur-Vertrags nach seiner Ansicht nach künftig noch schwerer haben werden, bestehen zu bleiben.

Als "schändlich und schlecht" bezeichnete Stefan Schennach (SPÖ/W) das zur Diskussion stehende Assoziierungsabkommen. Angesichts des brennenden Amazonas, der fehlenden Sanktionen beim Klima, der sozialrechtlichen Probleme in den Mercosur-Staaten sowie des illegalen Einsatzes von chemischen Mitteln in der Landwirtschaft sprach er sich entschieden dagegen aus. Elisabeth Grossmann (SPÖ/St) meinte, die betroffenen Länder hätten zunächst Vorleistungen zu erbringen, um mit der EU in Verhandlung zu treten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Künstliche Intelligenz

Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, das Vertrauen in Künstliche Intelligenz (KI) und deren Nutzen zu stärken sowie die Entwicklung von KI-Lösungen zu fördern. Unlängst wurde daher ein Weißbuch vorgelegt, das sowohl aus einem strategischen Rahmen als auch aus Schlüsselelementen für einen möglichen künftigen Rechtrahmen besteht. Gemäß der Vorschlagssammlung soll neben der Förderung von privaten und öffentlichen Partnerschaften für Künstliche Intelligenz, Daten und Robotik auch der Einsatz im Bereich des Vergabewesens gestärkt werden. Der geplante Rechtsrahmen soll Investitionen nicht behindern und den jeweiligen Risiken beim Einsatz von KI-Lösungen angepasst sein – d.h. strengere Regeln bei potentiell höherem Schaden.

Vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird die Schaffung eines europaweiten Rechtsrahmens für KI-Anwendungen befürwortet, um die Verbreitung von vertrauenswürdiger KI voranzutreiben und das Vertrauen in die relativ unbekannte Technologie zu stärken. Das steigere auch die Akzeptanz in der Gesellschaft und helfe dabei, Unsicherheiten bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI-Systemen abzubauen, untermauerte ein Ministeriumsvertreter. Das EU-Vorhaben decke sich außerdem zu einem großen Teil mit den Ergebnissen der Erarbeitung einer nationalen Strategie für Künstliche Intelligenz, wo unter anderem ebenfalls die klare Zuordnung der Verantwortlichkeit und Haftung von KI-Anwendungen diskutiert wird. Von besonders hoher Bedeutung sind für Österreich Standards für die Spezifizierung der rechtlichen Anforderungen sowie ethische Fragen. Auch soll eine stärkere Verzahnung von öffentlichem und privatem Sektor stattfinden, etwa durch verstärkte Forschungsarbeit. Im Sommer soll die Bundesstrategie vorgestellt werden, informierte der Experte.

Positiv wahrgenommen wird das Strategiepapier der Kommission auch von der Wirtschaftskammer. Bei der weiteren Entwicklung sei auf ausreichende Digitalisierungsfachkräfte und die Vermeidung von Überregulierungen zu achten, meinte ein Vertreter. Ein Arbeiterkammer-Experte sprach sich dafür aus, auf Transparenz und Datensicherheit Bedacht zu nehmen sowie einen spezifischen Diskriminierungsschutz zu verfolgen.

Mit Ausnahme der SPÖ wurde das Strategiepapier von allen Fraktionen begrüßt. Für die beiden ÖVP-Bundesrätinnen Marlene Zeidler-Beck und Andrea Eder-Gitschthaler gilt es, "Innovationen made in europe" voranzutreiben, dabei aber nicht in Überregulierungen zu verfallen. Auch Bundesrat Marco Schreuder (Grüne/W) hieß den Kommissionsvorschlag gut, insbesondere die Kombination einer Strategie mit Datenschutzstandards in rechtlicher Perspektive. Bundesrat Bernd Saurer (FPÖ/W) sagte, es wäre wichtig, bei der sich äußerst schnell entwickelnden Branche nicht den Zug zu verpassen. Mehr von der Vorschlagssammlung der Kommission erwartet hätte sich Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W). Angesichts gefährlicher Entwicklungen im KI-Bereich wäre in Hinblick auf ethische Standards und die Schaffung klarer Rechtsnormen einiges zu tun, meinte er.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Angenommen wurde mit den Stimmen der FPÖ und SPÖ folgender Antrag auf Stellungnahme:

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

 

der Bundesräte Mühlwerth

und Kollegen

 

betreffend RAT WK 8483/19 Consolidated texts of the trade part of the EU-Mercosur Association Agreement (071896/EU XXVI.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des EU-BR-Ausschusses am 10.3.2020 zu TOP 1

 

Seit 1999 verhandelt die EU mit dem Mercosur (die Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) über ein umfangreiches Assoziierungsabkommen. Am 28. Juni 2019 wurde verkündet, eine politische Einigung über den Abkommenstext ("agreement in principle") erzielt zu haben.

Vorweg ist festzuhalten, dass Freihandel an sich für Österreich und seine Unternehmen als Exportnation sehr wichtig ist. Freihandelsabkommen dürfen allerdings nicht zu einer Absenkung von nationalen Lebensmittel-, Umwelt- und Sozialstandards führen und auf Kosten von Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung gehen. Es braucht jedoch transparente Verhandlungen, damit eine breite öffentliche Diskussion über Freihandelsabkommen wie jenem zwischen der EU und Mercosur stattfinden kann. Weiters muss für jeden Abbau von Handelshemmnissen ein Gebot der Fairness gelten, d.h. die hohen europäischen und vor allem österreichischen Qualitätsstandards bei Lebensmitteln müssen unbedingt erhalten bleiben, da in vielen Bereichen, etwa bei Bio-Eigenmarken, die Standards der heimischen Lebensmittelhändler bereits heute höher sind als vom österreichischen Gesetz gefordert. Dieses hohe Niveau und die Top-Qualität unserer heimischen - österreichischen und oftmals regionalen - Produkte dürfen unter keinen Umständen konterkariert werden.

Ein unregulierter Freihandel mit Südamerika würde den europäischen Markt mit 100.000 Tonnen an Rindfleisch und weiteren Agrarrohstoffen überschwemmen. Das wäre zweifelsohne eine Gefahr für unsere kleinstrukturierte österreichische Rinder-Landwirtschaft. Die Standards im Tier- und Pflanzenschutz, unter denen Südamerika aktuell produziert, sind hierfür noch nicht ausreichend. Allein in Brasilien sind mehr als 500 Pestizide genehmigt - darunter sind 150, die in der EU verboten sind. Hinzu kommt: Wenn ein Pestizid in Brasilien einmal registriert ist, verfällt die Lizenz nie und ist auch keinen periodischen Neubewertungen – wie in der EU verpflichtend – unterworfen. Angesichts der Waldbrände in Brasilien wäre es auch fragwürdig, ein Abkommen abzuschließen, das etwa die Abholzung von Regenwald zur Produktion von Wirtschaftsgütern aktiv fördert.

Das Regierungsprogramm der Bundesregierung Kurz II ist widersprüchlich: auf

S.159 wird ein „Nein zu Mercosur“ propagiert, während es auf S. 176 „Ablehnung des MERCOSUR-Handelsabkommens in der derzeitigen Form“ heißt.

Es ist daher das Gebot der Stunde, dem Mercosur-Abkommen jetzt eine klare Absage zu erteilen.

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Bundesräte folgenden

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf Europäischer Ebene alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern.“

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch ein Bundesverfassungsgesetz umzusetzen, das nach Art. 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bedürfen würde.

 

 

 

 

 

 

 

Angenommen wurde mit den Stimmen der SPÖ und FPÖ folgender Antrag auf Stellungnahme:

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

 

der Bundesräte Schennach,

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend 1. RAT WK 8483/19 Consolidated texts of the trade part of the EU-Mercosur Association Agreement (071896/EU XXVI.GP)

 

eingebracht zu TOP 1 in der Sitzung des EU-Ausschusses am 10.3.2020

 

Die Europäische Kommission hat im Juni 2019 eine Einigung mit den Mercosur-Staaten bekannt gegeben. Grundlage der Verhandlungen des Handelsabkommens war ein Verhandlungsmandat vom September 1999. Nach nunmehr 20 Jahren Verhandlungen mit zwischenzeitlichen Verhandlungsabbrüchen und Pausen, kam es nun doch schneller als vorerst gedacht zu einem Abschluss zwischen der Wirtschaftsgemeinschaft Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und den VertreterInnen der Europäischen Union.

Von verschiedensten Seiten wurden Bedenken gegen ein Abkommen mit dem Mercosur laut: Verbraucherschutzorganisationen protestierten genauso wie LandwirtschaftsvertreterInnen, Umweltschutzorganisationen, sowie ArbeitnehmerInnenvertreterInnen und Gewerkschaften.

Insbesondere in Hinblick auf die regelmäßig zu Tage tretenden groben hygienischen Mängel in der Lebensmittelproduktion mancher Mercosur-Staaten (Stichwort Gammelfleisch) wurde eine Gefahr für die hohen europäischen Lebensmittelstandards erkannt. Die Vergiftung von Mensch und Natur durch den großflächigen und massiven Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide in der Mercosur-Landwirtschaft ist ein weiteres bekanntes Problem. Die Standards in Tierschutz und Pflanzenschutz, nach denen in Südamerika produziert wird, haben mit EU-Standards nichts gemein.

Außerdem werden bei den Produktionstechniken in den genannten Staaten nicht nur die europäischen Standards deutlich unterschritten, sondern zur Gewinnung von Agrarflächen auch in Europa verpönte Praktiken wie (Brand-)Rodungen, teilweise von Regenwäldern, angewandt. Die aktuellen erschreckenden Berichte über die extensiven Brände im brasilianischen Amazonasregenwald verdeutlichen die Problematik. Im Hinblick auf den rasant fortschreitenden Klimawandel ein Abkommen abzuschließen, durch welches in Brasilien vermutlich noch mehr Regenwald zum Opfer fallen wird, ist grob fahrlässig. Grundsätzlich ist aufgrund des Klimawandels zu hinterfragen, ob es derzeit ein Abkommen braucht, durch welches eine hohe Menge an Rindfleisch aus Übersee nach Europa gelangt – hierdurch kommt es sowohl bei der Erzeugung als auch durch den Transport zu einer massiven CO2-Belastung.

Gleichzeitig kommt es regelmäßig zu Berichten über Vertreibungen und Verletzung von Rechten der indigenen Bevölkerung.

Laut dem ITUC Global Rights Index 2019 zählte Brasilien 2019 sogar zu den 10 Ländern mit den schlimmsten Arbeitsbedingungen für erwerbstätige Menschen. Dokumentiert wurden sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse vor allem in Schlachthöfen, Zulieferbetrieben für Fleischverarbeitungsbetriebe, in der Zuckerindustrie oder in der Landwirtschaft. Dazu kommt die permanente Gesundheitsgefährdung der dort arbeitenden Menschen durch den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden, die außerdem in der EU keine Zulassung bekommen würden. Zahlreiche Streiks und Proteste werden gewaltsam unterdrückt und führende GewerkschaftsvertreterInnen werden bedroht, eingeschüchtert - ein Gewerkschafter wurde sogar ermordet.

Das Vorsorgeprinzip ist zwar im Nachhaltigkeitskapitel erwähnt, unterliegt allerdings nicht dem allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus und kann somit nicht sanktioniert werden. Auch die Missachtung der wichtigen internationalen Arbeitsstandards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der internationalen Umweltkonventionen (insbesondere des Pariser Klimaabkommens) werden im Nachhaltigkeitskapitel behandelt und bleiben damit weitgehend ohne effektive Konsequenzen.

Der Österreichische Nationalrat hat am 18. September 2019 zwei bindende Anträge auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 3 B-VG mit Mehrheit angenommen. Trotzdem findet sich im Regierungsübereinkommen der neuen Bundesregierung auf Seite 176 lediglich die Ablehnung des MERCOSUR-Handelsabkommens in der derzeitigen Form wieder.

Die unterzeichneten Abgeordneten halten es daher für erforderlich, der Bundesregierung einmal mehr einen klaren Auftrag im Interesse des Klimaschutzes, unserer Standards und zum Schutz der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich mitzugeben und stellen folgerichtig folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23e Abs. 1 B-VG

 

Der EU-Ausschuss wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, wird aufgefordert sicher zu stellen, dass Österreich in den EU-Gremien gegen den Abschluss des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten auftritt. Dies ist bei allen Abstimmungen dementsprechend mit einer Ablehnung des Abkommens zum Ausdruck zu bringen. Der/die allfällige österreichische Vertreter/in im zuständigen EU-Gremium ist entsprechend anzuweisen“.

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch ein Bundesverfassungsgesetz umzusetzen, das nach Art. 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bedürfte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abgelehnt wurde folgender Antrag auf Stellungnahme (Zustimmung von ÖVP, Grüne):

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art 23e Abs. 1 B-VG

 

der Bundesräte Christian Buchmann, Marco Schreuder

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend TOP 1 RAT WK 8483/19 Consolidated texts of the trade part of the EU-Mercosur Association Agreement (071896/EU XXVI.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 10. März 2020

 

Grundsätzlich unterstützen wir eine nachhaltige EU-Handelspolitik, die sich für umfassende internationale Handelsabkommen einsetzt. Handelsverträge müssen durchsetzbare Standards für soziale Rechte, öffentliche Dienstleistungen und Umwelt- und Klimaschutz sowie gegen Abholzung der Wälder, Sozialdumping und Bodenspekulationen garantieren. Zudem ist es uns wichtig, dass bei allen Verhandlungen volle Transparenz gewährleistet wird.

Österreich wirkt bereits jetzt, aber auch in Zukunft, auf europäischer und internationaler Ebene protektionistischen Tendenzen entschlossen entgegen. Eine proaktive multilaterale EU-Handelspolitik und die Vertiefung der bilateralen und regionalen Handelsbeziehungen, die die Umwelt, ihre Artenvielfalt schützt und Menschenrechte wahrt, ist weiterhin zu verfolgen. Denn eine starke nachhaltige Exportwirtschaft schafft Arbeitsplätze in der EU, insbesondere auch in Österreich, und sichert unseren Wohlstand.

Mit dem Mercosur-Abkommen in der bisherigen Form würden entscheidende Bereiche unserer Gesellschaft, wie etwa in der Landwirtschaft, der Umwelt und des Klimaschutzes, belastet werden. Weitere Abholzung bzw. Brandrodung des Regenwaldes für zusätzliche Rinderproduktion ist abzulehnen, steigert das Agrarexportpotential aus Südamerika und könnte die EU-Agrarmärkte und auch die kleinbäuerlich geprägte österreichische Landwirtschaft belasten. Zudem ist es für uns unabdingbar, dass auch in Handelsabkommen die Einhaltung der EU-Produktionstandards (insbesondere betreffend Tierwohl, Nachhaltigkeit, Pestizide und Zusatzstoffe und Hygiene) sichergestellt werden muss. Dies ist in dem vorliegenden Abkommen nicht der Fall.

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme gem. Art. 23e Abs. 1 B-VG

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich gegen das Mercosur-Abkommen in der bisherigen Form auszusprechen.

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch ein Bundesverfassungsgesetz umzusetzen, das nach Art. 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bedürfte.