1172/J-BR



DRINGLICHE ANFRAGE

der Bundesräte Dr. Kapral. DDr. Königshofer, Mag. Langer, Dr. Harring, Dr. Rockenschaub

an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

betreffend: Einführung der Pickerlmaut

lm Zuge der Durchführung des Belastungspaketes der Bundesregierung ist auch die
Einführung einer ' Mautvignette' geplant. lm Gegensatz zu früheren Plänen ist diese
Pickerlmaut jährlich mit 550 S wesentlich - nämlich um über 50% - teurer, als dies vor der
Wahl angekündigt worden war. Vor allem aber wurde keine befriedigende Lösung für die
zentralen Probleme einer solchen Generalmaut gefunden: Die Stadtautobahnen sind nicht
ausgenommen, die Doppelbemautung, verfassungsrechtlich bedenklich, besteht und
Verdrängungseffekte sind gerade in den sensibelsten Bereichen, etwa an der A4/B10, zu
erwarten.

Wie sehr dieser letzte Punkt der Verdrängungseffekte ernstzunehmen ist, zeigen Umfragen,
denenzufolge 20% der - vergleichsweise finanzkräftigen - Österreicher im Fall der
Gerneralmaut ausweichen wollen - gerade bei Besuchern aus dem Osten ist, in Anbetracht der
Erfahrungen mit der ungarischen Privatautobahn, wo eine Fahrt nur 65 S kostet, mit einem
ungleich höheren Verdrängungseffekt zurück auf die Bundesstraße zu rechnen. Sogar das
Kuratorium für Verkehrssicherheit hat hier schwere Bedenken geäußert.

Besondere Probleme verursacht auch die Tatsache, daß im Gegensatz zu praktisch allen
anderen Ländern, die Autobahnmauten einheben, auch Stadtautobahnen einbezogen werden
sollen. Natürlich ist es nicht einsichtig, daß man, um bloß von einem Bezirk in den anderen zu
gelangen, Maut zahlen soll. Dies umso mehr, als gerade diese Stadtautobahnen sich ohnedies
durch besondere Stauhäufigkeit und damit geringe Verkehrsqualität auszeichnen.

Auch die Frage der Doppelbemautung mancher Strecken, auf denen bereits jetzt und auch in
Hinkunft Streckenmauten kassiert werden, stellt nach Meinung zahlreicher Experten eine
überaus problematische Konstruktion dar - schließlich ist kaum einsichtig, warum man für
dieselbe Leistung mehrfach bezahlen soll. Im Extremfall könnte es - angesichts der ohnedies
massiven Widerstände im Ausland - zu Problemen mit der aus Gründen der
Transiteindämmung unverzichtbaren Brennermaut kommen.

Jedenfalls ist aber ein Imageschaden für Österreichs Fremdenverkehr unvermeidbar, denn eine
solche Eintrittsgebühr' in ein Urlaubsland, die noch dazu die streckenmauten nicht ersetzt

und daher nicht zur generellen Benützung der Autobahnen berechtigt, ruft jedenfalls Unmut
hervor, auch wenn es für die Touristen einen Rabatt gibt.

Zu allem Überdruß findet sich - im Gegensatz zu den diesbezüglichen Versprechungen - in
der Regierungsvorlage keinerlei Hinweis auf eine Zweckbindung für den Straßenbau, sodaß
durchaus vorstellbar ist, daß die Maut zwar kassiert wird, die Gelder aber anderweitig für das
Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden und daher erst recht kein Geld für die
notwendigen Bau- und Erhaltungsmaßnahmen vorhanden ist - ganz so, wie dies im Bereich
der Mineralölsteuer, wo ebenfalls ein Vielfaches der Ausgaben für den Straßenbau kassiert
wird, bereits seit Jahren geschieht.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Warum wurde die Höhe der ' Pickerlmaut ' entgegen den Diskussionen vor der Wahl mit
550 S um 50% höher als angekündigt festgelegt?

2. Welche zusätzlichen Einnahmen erwarten Sie und für welche konkreten Maßnahmen sollen
diese verwendet werden?

3. Wie hoch werden die Kosten für die Verwaltung und Überwachung der ' Pickerlmaut' sein
und wie soll dies im Detail funktionieren?

4. Warum findet sich - im Gegensatz zu den Absichtserklärungen - in der Regierungsvorlage
keine Zweckbindung für Straßenbau und -erhaltung?

5. lst Ihnen bekannt, daß rund ein Fünftel der Österreicher beabsichtigt, kein Mautpickerl zu
erwerben und daher auf Bundesstraßen abwandern wird?

6. Ist lhnen bewußt, daß eine Pickerlpflicht etwa auf der A4, die errichtet wurde, um die
Ortschaften entlang der Bl0 vom Transitverkehr zu entlasten, durch eine Verdrängung der
wenig finanzkräftigen Ost-Lenker (Beispiel ungarische Mautautobahn nach Raab) diesen
teuer erkauften Vorteil mit einem Schlag wieder zunichte machen würde?

7. Wie hoch schätzen Sie den Verdrängungseffekt bei den Österreichern, wie bei den
Ausländern ein?


8. Wie hoch schätzen Sie die zusätzlichen Belastungen infolge des Verdrängungseffektes
entlang der Transitrouten, also insbesondere in Tirol und Vorarlberg, ein?

9. Warum sind Sie nicht bereit, zumindest Stadtautobahnen - es gibt bereits massive Proteste
von Kommunalpolitikern und Interessensvertretungcn aller Couleurs - von der generellen
Mautpflicht auszunehmen - so, wie dies in den meisten anderen Ländern gehandhabt wird?

10.Ist es richtig, daß Bürgermeister Häupl die Übernahme der Kosten durch Wien
vorgeschlagen hat; wenn ja, in welcher Höhe und warum haben Sie diesem Vorschlag nicht
zugestimmt?

11 .Welche konkreten Vorstöße hat der Wiener Bürgermeister bislang bei Ihnen gemacht, um
- so wie angekündigt - die Wiener Autobahnen in nicht mautpflichtige Bundesstraßen
umzuwandeln?

12.Wie stehen Sie zu diesem möglichen Ausweg aus dem Stadtautobahnenproblem?

13.Wie beabsichtigen Sie das Problem der Doppelbemautung bestehender Mautstrecken zu
lösen?

14.lst lhnen bekannt, daß nahezu alle Interessenvertretungen eine Doppelbemautung für
unvertretbar bzw. sogar verfassungsrechtlich bedenklich halten?

15.Mit welchen Argumenten wollen Sie Ihre Mautpläne international rechtfertigen, zumal
Deutschland bereits vor Jahren mit ähnlichen Plänen vor dem EuGH scheiterte?

16.Wie beabsichtigen Sie auf den 'blauen Brief' aus Brüssel hinsichtlich der Brennermaut zu
reagieren, um die aus ökologischen und verkehrspolitischen Erwägungen notwendige
höhere Maut aufrechterhalten zu können?

17.Warum haben Sie nicht längst veranlaßt, daß die - gemäß Wegekostenrichtlinie - zu
hohen Mauteinnahmen in ökologische Schutzmaßnahmen, die aber zu keiner
Kapazitätserhöhung führen (beispielsweise Tunnels, Grünbrücken anstelle der
Schallschutzwände), an der Mautstrecke reinvestiert werden?

18.Wie wollen sie den bereits eingetretenen Imageschädigungen im Tourismus gegensteuern
und Beeinträchtigungen in dieser ohnedies krisengeschüttelten Branche verhindern?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 der
Geschäftsordnung des Bundesrates dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner
Gelegenheit zur Begründung zu geben.