1183/J-BR

D R I N G L I C H E A N F R A G E



der Bundesräte Dr. Kapral. Mag. Langer, Dr. Tremmel und Kollegen

an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

betreffend "Wahlgeschenke" an das Bundesland Wien


Nach einem fast "kabaretthaft" zu nennenden Zwischenspiel, in dessen Verlauf von seiten der
Rathaus-Grünen aber auch seitens des Koalitionspartners ÖVP polemische Äußerungen wie
"Treppenwitz der Weltgeschichte", ''die große 30 Mrd.-Seifenblase'' oder "Paketerl" gemacht
wurden, soll am kommenden Dienstag das sogenannte 30 Mrd. S-Paket, eine Vereinbarung
zwischen Bund und dem Bundesland Wien über die Finanzierung verschiedener Investitions-
vorhaben im Ministerrat abgesegnet werden. Bereits im Vorjahr wurde zwischen Bundeskanz-
ler Vranitzky und dem Wiener Landeshauptmann und Bürgermeister eine Art Vorvertrag abge-
schlossen. Erst im Mai 1996, also im Vorfeld der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl
kam es zu einer Art Schlußvereinbarung, und zwar im Wege der heute üblichen Vorgangswei-
se, nämlich eines "Gipfelgespräches" zwischen dem Bundesminister für Finanzen und den Spit-
zen der sozialdemokratischen Wiener Stadtverwaltung in trauter altkoalitionärer Einigkeit mit
den Vertretern der Wiener ÖVP.

Derzeit wird der Inhalt des sogenannten "Pakets'' von den Wiener Sozialdemokraten der Be-
völkerung als großer Erfolg ihrer Politik gegenüber dem Bund zu verkaufen versucht, anschei-
nend um darüber hinwegzutäuschen, daß in all den Jahren sozialdemokratischer Stadtverwal-
tung und eines sozialdemokratischen Finanzministers (immerhin seit mehr als 25 Jahren) Wien
vom Bund stets stärker zur Kasse gebeten wurde, als der Bund nach Wien zahlte. Wien ist im
Rahmen des geltenden bundesweit vereinbarten Finanzausgleichs nach wie vor Nettozahler.
Trotz der anzuerkennenden Leistung des Bundes z.B. für das Wiener Kulturleben durch die
Finanzierung der Bundestheater sind die Leistungen des Bundes z.B. für den Ausbau der In-
frastruktur in Wien bisher unzureichend geblieben. Auch das sogenannte 30 Mrd. S-Paket
bringt hier keine Änderung. Vielmehr stellt es, wie auch in zahlreichen kritischen Stellungnah-
men zum Ausdruck gebracht wurde, lediglich eine Fortschreibung der schon bisher unzurei-
chenden Unterstützung von Investitionen in die Infrastruktur in Wien durch den Bund dar und
enthält Vorhaben, die als reine Bundessache zu qualifizieren sind. Laut Presseberichten hat dies
auch der Wiener Stadtrat für Finanzen Edlinger zugegeben und u.a. erklärt: ''Auf genaue
Nachfrage, welche "Paket"-Projekte Wien ohnehin bekommen hätte, gibt Edlinger zu: Zwei
der drei im Paket enthaltenen Schulneubauten sind schon im Bundes-Bauprogramm. Auch der
Technologie-Park (Gelände altes Gaswerk Leopoldau) war bereits ziemlich fix. Die Albertina,
ein reines Bundes-Vorhaben (etwa 300 Millionen) habe mit Wien nichts zu tun. "Dringliche"
Straßenbau-Vorhaben wie die B 30l oder die Sanierung der Praterbrücke sollen ins Bundes-
straßen-Budget für Wien einfließen, eine Trennung sei daher schwer.''

Völlig fehlen in diesem Paket, die u.a. für Wien im Hinblick auf die drohende Güter- und Per-
sonenverkehrslawine aus dem Osten unbedingt erforderlichen Investitionsvorhaben in die Um-
fahrung Wiens und die bessere Anbindung Wiens an das international übergeordnete Verkehrs-
netz, der rasche Ausbau der Telekommunikationseinrichtungen und vor allem die Vorhaben,
die die Ansiedlung von internationalen Großforschungsvorhaben zum Gegenstand haben. So

bemüht sich Wien seit längerer Zeit, die Bundesregierung dazu zu veranlassen, die Bewerbung
Wiens um das sogenannte Eurocrystallprojekt aufzugreifen und gegenüber der EU zu vertre-
ten. Auch diesbezüglich enthält das 30 Mrd. S-Projekt keine Aussage bzw. keine finanzielle
Vorsorge, wie überhaupt nochmals festgestellt werden muß, daß dieses Paket lediglich schon
bekannte Vorhaben oder reine Bundesprojekte enthält und keine Zukunftsperspektiven für den
weiteren Ausbau vor allem der Infrastruktur in der Bundeshauptstadt eröffnet.

Die in dieser Paketvereinbarung angezogene Finanzierung des weiteren U-Bahnausbaues in
Wien bzw. der Verlängerung einzelner Strecken wie der U1 nach Norden und nach Süden oder
der U6 nach Stammersdorf muß als reine Absichtserklärung gewertet werden, da einerseits der
vorgesehene Betrag von 10 Mrd. Schilling nur in Etappen zur Verfügung gestellt
(entsprechend den bisherigen Vereinbarungen über die U-Bahnmitfinanzierung durch den
Bund) wird, andererseits die Vorarbeiten über die Grobplanung hinaus noch offen sind. An
diesem Beispiel ist ersichtlich, daß auch eine allfällige Arbeitsplatzwirksamkeit einer solchen
Vereinbarung die im Hinblick auf die über dem Bundesschnitt liegende hohe Arbeitslosenrate
in Wien von großer Bedeutung wäre, nicht gegeben ist, sondern mögliche Arbeitsplatzwirkun-
gen erst bei einem allfälligen Baubeginn etwa um das Jahr 2000 zu erwarten sind. Erst nach
diesem Zeitpunkt ist damit zu rechnen, daß im Rahmen des Wiener U-Bahnausbauprogramms
neue und größere Vorhaben in Angriff genommen werden.

Das für den Ost-West-Transit-Verkehr zur Entlastung der Wiener Südosttangente bedeutende
Projekt der B 301, das mit einem Betrag von 6 Mrd. Schilling ein weiterer wichtiger Teil des
sogenannten 30 Mrd. Schilling-Pakets darstellt, ist ebenfalls hinsichtlich der notwendigen Vor-
bereitungsschritte nicht so weit gediehen, daß in absehbarer Zeit mit dem Beginn der Bauarbei-
ten gerechnet werden kann. Vor allem die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung dürfte
sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, da schon jetzt bekannt wurde, daß vor allem von
der Wiener Umweltanwaltschaft erhebliche Einwände gegen das Projekt zu erwarten sind.

Offen bleiben auch die von den Wiener Sozialdemokraten immer wieder ins Treffen geführte
EU-Finanzierung (Wien zählt nach der EU-Förderkulisse nicht zu den Fördergebieten) und die
immer wieder erwähnte Finanzierung von Infrastrukturvorhaben durch Private.

Alles in allem zeigt diese 30 Mrd. Schilling-Vereinbarung alle Anzeichen eines Etiketten-
schwindels.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für wirtschaftliche Angele-
genheiten nachstehende


Dringliche Anfrage


1 . Aufgrund welcher Kriterien wurden die Projekte - genannt wurden Maßnahmen bei der
A23, A4, A22, B13, B3, B301, B229, B224 und B225 - aus der großen Zahl anstehender
Straßenbauvorhaben für das sogenannte 30-Milliarden-Paket ausgewählt?

2. Welcher Zeitrahmen ist für die Realisierung der einzelnen Projekte genau vorgesehen?

3. Wie soll die Priorität der Realisierung der einzelnen Maßnahmen - soweit der Zeitrahmen
nicht bereits feststeht - genau festgelegt werden, zumal es hier auch bei anderen Straßenbau
- Investitionen stets Probleme wegen des fehlenden Bundesverkehrswegeplans gab?

4. Inwieweit haben Sie hierüber mit dem Verkehrsminister sowie der Landesregierung von
Wien bereits eine Einigung erzielt bzw. wann ist diese zu erwarten?

5. Wie sollen die ebenfalls dringlich anstehenden Straßenbauprojekte anderer Länder finanziert
werden?

6. Sind Sie - im Lichte der jüngst bekannt gewordenen, begrüßenswerten Ausnahme des Au-
tobahnabschnittes bei Kufstein - bereit, auch auf den Stadtautobahnen auf die Einhebung der
Pickerlmaut zu verzichten; wenn nein, warum nicht?

7. In welchem exakten Zeit- und Kostenrahmen soll die Errichtung der Wirtschaftsuniversität
auf die WED-Platte stattfinden; wie hoch wird der Bundesanteil daran sein und aus wel-
chem Budget soll dies finanziert werden?

8. In welchem exakten Zeit- und Kostenrahmen sollen die Baumaßnahmen im Bereich der Al-
bertina stattfinden?

9. Welche der geplanten Maßnahmen in den Schulen und anderen Bundesgebäuden waren laut
Budget noch nicht vorgesehen und wie werden diese Investitionen finanziert?

10.Können Sie ausschließen, daß diese Investitionen in Wiener Bundesgebäude auf Kosten
anderer dringlicher Projekte erfolgen?

11.Aus jeweils welchen Budgetansätzen bzw. welchen außerbudgetären Töpfen sollen die In-
vestitionen seitens des Bundes finanziert werden, zumal das Budget für l996 und l997 be-
reits vor dem Paketabschluß beschlossen war?

l2.Bedeutet die Aufnahme des Euro-Cryst-Projekts in das 30-Mrd.-Paket, daß Sie bzw. die
Bundesregierung sich für die Bewerbung Wiens um dieses Vorhaben formell unterstützen
und die erforderlichen österreichischen Mittel zur Verfügung stellen werden; wenn ja, in
welchem Umfang?

13.Wie hoch wird der Finanzierungsanteil des Bundes, wie hoch der des Landes Wien, wie
hoch der allfälliger Dritter bei den einzelnen Projekten im Detail sein?


In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des §61 GO-BR dringlich vor
Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.
Es wird weiters vorgeschlagen, die Behandlung dieser Dringlichen Anfrage mit der Dringlichen Anfrage der selben
Fragesteller an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst im Sinne von § 61 Abs. 6 unter einem durchzuführen-