1416/J-BR BR
 
der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen
an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr
betreffend Wahrung der Anrainerrechte im eisenbahnrechtlichen Verfahren
Das Eisenbahngesetz sieht im Interesse einer zügigen Baudurchführung beträchtliche
Vorrechte des Bauwerbers gegenüber Betreibern anderer Bauvorhaben vor. Vor allem in
Kombination mit dem Eisenbahnenteignungsgesetz entsteht dadurch eine Machtstellung,
die von vielen Betroffenen als nicht mehr zeitgemäß betrachtet wird.
Darüberhinaus stellt sich die Frage, wie im Kollisionsfall des Eisenbahnrechtes mit
Landesnaturschutzbestimmungen zu verfahren ist - eine Frage, die ja in Niederösterreich mit
dem neu beschlossenen Naturschutzgesetz und dem darauf fußenden Ablehnungsbescheid
zum Semmeringbasistunnel besondere Brisanz erhielt.
Tatsache ist jedenfalls, daß es auch fragwürdig ist, daß der Verkehrsminister, der einerseits
den ÖBB und den übrigen Bahnbaugesellschaften Anweisungen über deren Projekte erteilt,
andererseits auch über den Ausgang der Verfahren entscheidet: damit ist zumindest mittelbar
der Antragsteller gleichzeitig Entscheidungsinstanz, was sicherlich auch verfassungsrechtlich
bedenklich ist.
In Vorarlberg erregt dieser Umstand zur Zeit wegen eines Projektes einer 110 kV - Freileitung
in die Schweiz Aufsehen, die unterzeichneten Bundesräte stellen an den Bundesminister für
Wissenschaft und Verkehr daher folgende
Anfrage:
1. Halten Sie das Eisenbahngesetz (1957) generell, speziell aber hinsichtlich des Umganges
mit Grundeigentümern und anderen Betroffenen für zeitgemäß; wenn nein, was
beabsichtigen Sie in dieser Angelegenheit zu ändern?
2. Halten Sie die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes, speziell auch
hinsichtlich des Ersatzes von Rechtsvertretungskosten für Enteignete, für zeitgemäß und
bürgerfreundlich?
3. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß im eisenbahnrechtlichen Verfahren vielfach
landesgesetzliche Naturschutzbestimmungen nicht berücksichtigt werden, im Hinblick auf
die Prinzipien des Föderalismus?
4. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß Sie - gerade im Infrastrukturbereich - einerseits als
Auftraggeber der Projekte, andererseits als Eisenbahnbehörde praktisch über Ihre eigenen
Projekte zu urteilen haben im Hinblick auf die Verfassungskonformität?