1474/J-BR BR
 

Dringliche Anfrage
 
Der Bundesräte Mühlwerth, Mag. Gudenus, Dr. Böhm und Kollegen
an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr
 
betreffend Bau des Wildschweintunnels
 
Bekanntlich bestehen seit Jahren Pläne, eine neue Verbindungsbahn zwischen West -
und Südbahn zu errichten, wobei das Projekt des sogenannten Wildschweintunnels
unter dem Lainzer Tiergarten und weiter durch dichtverbautes Gebiet von der HL - AG
mittlerweile so weit vorangetrieben wurde, daß ein Baubeginn in nächster Zeit möglich
erscheint.
 
Dies ist insofern bemerkenswert, als ein solcher Baubeginn erfolgen soll, obwohl
keineswegs die Genehmigung für das Gesamtprojekt vorliegt, sodaß im Fall einer
negativen Beurteilung der noch nicht genehmigten Abschnitte ein gewaltiger verlorener
Aufwand entstehen würde. Auch ist nach wie vor unklar, ob nicht das Gesamtprojekt
doch einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müßte, vor der sich die
Betreiber offensichtlich s sehr fürchteten, daß man den letzten Termin vor Inkrafttreten
des UVP - Gesetzes nutzte, um das Projekt einzureichen.
 
Zweifel an dem Projekt ergeben sich vor allem aus zwei Gründen: einerseits ist die Frage
der Wirtschaftlichkeit offen, denn nicht wenige Experten meinen, Alternativprojekte wie
der Ausbau der bestehenden Verbindungsbahn könnten erheblich günstiger gebaut
werden und brächten zusätzlichen Nutzen (z.B. Erhalt des Umsteigebahnhofs Hütteldorf,
gleichzeitige Verbesserung der S - Bahn - Strecke, Auflösung der Schranken,...), nicht
zuletzt ist ja nach wie vor unklar, ob, wann und in welcher Form der Zentralbahnhof am
Südbahnhof wirklich realisiert wird, für den das Gesamtprojekt ja in erster Linie realisiert
wird. Jedenfalls gehen aktuelle Planungen ja davon aus, daß weiterhin ein Großteil der
Westbahnzüge am bestehenden Westbahnhof abfahren und ankommen werden, sodaß
sich die Frage der Berechtigung einer derart gewaltigen Investition wohl stellt.
 
Der andere Punkt, an dem sich Bedenken konzentrieren, ist die Frage der Sicherheit
eines ausgedehnten Tunnelsystems im Falle etwa eines Tankwagenunglücks, zumal
wesentliche Abschnitte der unterirdischen Trasse in unmittelbarer Nähe zu Wohnbauten
liegen und ein zu diesem Thema erstelltes Sicherheitsgutachten, das deutlich andere
Parameter verlangte (zwei Röhren, Gefälle nach außen,...) einfach - ersatzlos - in der
Schublade verschwand. Dies weckt vor dem Hintergrund einer anfänglich massiven
Ablehnung des Projektes durch die Wiener Feuerwehr - ebenfalls aus Sicherheitsgründen
- klarerweise nicht eben das Vertrauen der in der Umgebung lebenden Bevölkerung.
Nicht zuletzt erhebt sich auch die Frage, ob bei der Auftragsvergabe an Baufirmen
Vorkehrungen getroffen werden bzw. wurden, die sicherstellen, daß sich hier die
Ereignisse vom U - Bahn - Bau nicht wiederholen, zumal ein ehemaliger Chef einer großen
Baufirma erst diese Woche erklärt hat, daß die Bauindustrie stets ihre Angebote
abgestimmt hat und die VIBÖ unter Porr - Chef Pöchacker die Auftragsvergaben in eine
bestimmte Richtung steuerte (Maculan im Profil).
 
Insgesamt ergibt sich daher eine Anzahl offener Fragen, die nach Ansicht der
Fragesteller vor einem Baubeginn jedenfalls beantwortet werden müßten.
 
Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgende
 
Dringliche Anfrage
 
1. Besteht bereits eine Grundsatzentscheidung über die Errichtung des
Zentralbahnhofes im Bereich Südbahnhof?
 
2. Wenn ja,
a) Wann wird dieser errichtet?
b) Wo wird er genau errichtet?
c) Für welches genaue Betriebsprogramm wird er ausgelegt, also welche und wieviele
Fernzüge werden ihn benützen, welche bleiben auf den bestehenden
Fernbahnhöfen?
d) In welcher Form sind die kürzlich im Zusammenhang mit der Semmeringdiskusion
aufgetauchten Pläne einer Durchbindung von Westbahnzügen zum Flughafen dabei
berücksichtigt?
e) In welcher Form werden kurze Umsteigewege (insbesondere zur U1) sichergestellt?
f) In welcher Form werden die abzweigenden S - Bahn - Linien in das Stammnetz
eingebunden (insbesondere S7, S60, S80)?
g) Wie hoch werden die Kosten veranschlagt?
h) Wer wird in jeweils welchem Umfang daran mitzahlen?
 
3. Wenn nein, halten Sie es für vertretbar, mit Milliardenaufwand eine Bahnlinie zu
einem nicht einmal ernsthaft geplanten Bahnhof zu errichten?
4. Warum haben Sie bzw. die HL - AG sich stets geweigert, den als Alternative
vorgeschlagenen Ausbau der bestehenden Verbindungsbahn ernsthaft als
Alternative in die Planungen einzubeziehen, obwohl dem Ausbau bestehender
Strecken nach dem Wortlaut des §3 Hochleistungsstreckengesetz ausdrücklich der
Vorrang einzuräumen ist?
 
5. Ist Ihnen bewußt, daß mit der Befahrung des Lainzer Tunnels anstelle der
bestehenden Verbindungsbahn die wichtige Umsteigemöglichkeit in Hütteldorf
weitgehend entwertet wird und in welcher Form soll dieser Nachteil kompensiert
werden?
 
6. Ist Ihnen bewußt, daß im Bereich der Verbindungsbahn auch im Fall der Errichtung
des Lainzer Tunnels erhebliche Investitionen anstehen, um diese Strecke für einen
dichteren S - Bahn - Verkehr (z.B. im Hinblick auf die Schranken) zu adaptieren?
7. Warum halten Sie es für vertretbar, dieses Projekt trotz seiner Größe und Bedeutung
keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, zumal es begründete
Rechtsmeinungen gibt, daß das Projekt zumindest nach EU - Bestimmungen sehr wohl
UVP - pflichtig ist?
 
8. Ist es richtig, daß im November mit den Bauarbeiten begonnen werden soll, obwohl
noch keineswegs alle Genehmigungen für das Gesamtprojekt vorliegen?
 
9. Halten Sie es für korrekt und sinnvoll, ein Projekt, dessen Einzelteile keine auch
einzeln funktionelle Abschnitte bilden, in mehrere einzeln zu genehmigende
Abschnitte zu unterteilen, wenn ja, warum?
 
10.Wer trägt die Verantwortung für allenfalls verlorenen Aufwand, sollten die derzeit
nicht genehmigten Abschnitte in nicht kompatibler Weise oder überhaupt nicht
genehmigt werden bzw. können Sie ausschließen, daß es zu solchen Problemen
kommt?
 
11. Wie kommt es, daß ein von Ihnen, den ÖBB und der HL - AG beauftragtes
Tunnelsicherheitskonzept für Wienerwald und Lainzer Tunnel, das ein anderes
Planungskonzept (insbesondere zwei Röhren, Gefälle zum Tunnelausgang) vorsieht,
von der HL - AG einfach ‚überholt‘ gestempelt wird?
 
12.Welche grundlegend neue Erkenntnisse liegen Ihnen vor, die diese von Ihnen selbst
angeforderte Expertenmeinung als ungültig erscheinen läßt bzw. warum wird diese
sonst ignoriert?
 
13.Welche Änderungen der Konzeption wurden durchgeführt, die die Feuerwehr, die
1990 in einer Stellungnahme das Konzept einer einröhrigen Trasse noch als ‚nicht
vertretbar‘ bezeichnete nun zum Schweigen veranlaßt?
 
14. Ist Ihnen bekannt, daß in der genannten Stellungnahme der Feuerwehr über die
Möglichkeit eines Rettungs- und Löscheinsatzes ausgeführt wird, daß in einem
vergleichbaren Fall in Hamburg die Feuerwehr für 200m eine Viertelstunde
benötigte, was im ungünstigsten Fall eine Dauer von 4 Stunden im Lainzer Tunnel
entspräche und daher zur nachvollziehbaren Schlußfolgerung veranlaßt: ‚an eine
erfolgreiche Rettung von Personen ist (...) nicht zu denken‘?
 
15.Welche Konsequenzen ziehen Sie generell aus diesen Erkenntnissen, zumal
Gahnneubauten fast immer mit der Errichtung längerer Tunnels einhergehen, sodaß
sich zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit derartiger Katastrophen erhöht?
 
16. Wie verantworten Sie im konkreten Fall diese Sicherheitsrisken, zumal sich aus der
relativ geringen Überdeckung mit Erdmaterial und der Trassenführung durch
bewohntes Gebiet eine zusätzliche Gefährdung von Menschen ergibt?
 
17. Können Sie ausschließen, daß es für die Bewohner auch im Normalbetrieb und beim
Bau zu Belastungen, etwa durch Erschütterungen und Lärm, kommt, wenn ja, wie?
 
18.Wie hoch sind die aktuell veranschlagten Kosten für das Gesamtprojekt Lainzer
Tunnel, welchen Anteil davon machen die Planungen aus?
 
19. Ist Ihnen bekannt, daß die Kosten für das Alternativprojekt Verbindungsbahn sogar
von den Projektbetreibern des Tunnels als geringer eingeschätzt wurden und nur
aufgrund des verlorenen Planungsaufwandes für den Tunnel etwa gleich hohe
Kosten angenommen werden?
 
20. Ist Ihnen erinnerlich, daß auch den ÖBB - Generaldirektor vor der drohenden
Unfinanzierbarkeit der von der HL - AG betriebenen Bahnbauten warnt und wörtlich
erklärte: ‚Diese Gesellschaften verfolgen eigenständige Ziele, nämlich bauen‘ und
welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
 
21.Wann werden Sie das Wirrwarr im Bahninfrastrukturbereich endlich, so wie von der
FPÖ seit Jahren in Anträgen verlangt, beseitigen und für eine klare Struktur anstelle
der derzeitigen Paralleleinrichtungen von ÖBB, HL-AG, BEG und SchiG sorgen?
 
22.Welche Auftragsvergaben wurden im Zusammenhang mit dem Lainzer Tunnel
bislang an jeweils welche Firmen durchgeführt?
 
23.Welche Konsequenzen wurden seitens Ihres Hauses bzw. der Ihnen unterstehenden
Bahnbauunternehmen, im speziellen Fall der HL - AG, aus den in Wien beim U - Bahn -
Bau aufgedeckten Preis - und sonstigen Absprachen von Baufirmen gezogen?
 
24. Welche Konsequenzen werden Sie aus den Aussagen des Beteiligten und daher wohl
glaubwürdigen Zeugen, Maculan, jeder habe gewußt, daß es beim U - Bahn - Bau
Preisabsprachen gegeben habe, ziehen, zumal dieser Bau aus Ihrem Budget ja mit
Milliardenbeträgen mifinanziert wird?
 
25. Können Sie ausschließen, daß es bei Auftragsvergaben im Verantwortungsbereich
Ihres Ressorts abgesehen vom genannten U - Bahnbereich zu ähnlichen
Unregelmäßigkeiten kam und kommt, zumal die im Verdacht stehenden Baufirmen
ja auch von den Bahnbaufirmen des Bundes viel beschäftigt werden; Wenn ja,
warum?
 
26.Welche Konsequenzen wurden aus dem Vergabeskandal für die Ökopunkte -
Einrichtungen in Ihrem Ressort gezogen?
 
27.Wenn nein, sind Sie bereit, alle diese Fragen von sich aus gemeinsam mit dem
Rechnungshof auf ähnliche Unregelmäßgkeiten umgehend prüfen zu lassen?
 
28. Sind Sie bereit, das Projekt Wildschweintunnel zumindest so lange ruhen zu lassen,
bis
a) alle Genehmigungen vorliegen und
b) die bei Höchstgerichten anhängigen Verfahren entschieden sind, sowie
c) sichergestellt ist, daß die Auftragsvergaben ordnungsgemäß abgewickelt wurden
wenn nein, warum nicht?
 
In formeller Hinsicht wird verlangt diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des §61
GO - BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem
Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.