1560/J-BR BR
 

DRINGLICHE ANFRAGE
 
der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Harring, Haunschmid, DDr. Königshofer
und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend neuerliches Belastungspaket
 
Mit einer Steuer- und Abgabenquote von rund 45 % des BIP im Jahre 1997 liegt
Österreich innerhalb der EU im Spitzenfeld und kann daher zu Recht als ein
Hochsteuerland bezeichnet werden. Erschwerend kommt hinzu, daß das österreichische
Steuerrecht bereits derart unübersichtlich geworden ist, daß es von zahlreichen Experten
im In- und Ausland als kompliziert, unverständlich, ineffizient und als bis zur
Unerträglichkeit unfair und ungerecht bezeichnet wird. Das derzeitige Steuersystem wird
laut einer vor kurzem veröffentlichten Umfrage nur mehr von knapp einem Drittel der
Österreicher für gerecht gehalten. Eine Vielzahl von Experten verlangt sogar die
Schaffung eines komplett neuen Steuersystems, da sie das geltende Recht für nicht
reformierbar halten.
 
Anstatt die Kritik der Experten zu beachten, sind die Koalitionsparteien nicht wirklich
bereit, neue Wege zu beschreiten und die Steuerzahler durch ein neues, einfacheres
Steuersystem spürbar zu entlasten. Statt dessen überlegen SPÖ und ÖVP lediglich, wie
sie neue Einnahmenquellen erschließen können, wie z.B. durch die Anhebung der
Energiesteuern unter dem Deckmantel der Ökologisierung.
 
Ebensowenig ist aus der bisherigen Debatte zur angekündigten Steuerreform zu
ersehen, daß die Effizienz der öffentlichen Verwaltung gesteigert werden soll, um die
Ausgabendynamik einzubremsen. Zwar wird versucht, in Diskussionen den Anschein zu
erwecken, bereits Strukturmaßnahmen eingeleitet zu haben, indem unter anderem auf
den im Jahre 1997 um rd. 4,8 Mrd. öS gesunkenen Personalaufwand für öffentliche
Bedienstete - bedingt durch reine Ausgliederungen - verwiesen wird. Erwähnt wird
dabei allerdings niemals, daß sich laut Bundesrechnungsabschluß 1997 im Gegenzug
die Position "sonstige Werkleistungen Dritter" nahezu verdoppelt hat und um 21,6 Mrd.
 
öS auf 45,6 Mrd. öS gestiegen ist. Über Senkungen der Ausgaben in anderen Bereichen
wird ebenfalls so gut wie gar nicht ernsthaft diskutiert.
 
Daher kritisiert auch Prof. Felderer vom IHS die Vorgangsweise der Regierung zu Recht:
"Hier sollten steuerpolitische Maßnahmen getroffen werden, um den Faktor Arbeit
steuerlich zu entlasten. Es ist offensichtlich, daß dies in der Situation, in der sich
Österreich befindet, nur durch eine Reduzierung der Staatsausgaben und kaum durch
die Erhöhung anderer Steuern finanziert werden kann" (Zitiert in: STANDARD
20.11.1998).
 
Obwohl eine Steuerreform unabdingbar ist, welche den Wirtschaftsstandort Österreich
stärkt, die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher erhöht und somit durch
eine erhöhte Inlandsnachfrage die Arbeitslosigkeit bekämpft, beabsichtigt die rot -
schwarze Koalitionsregierung eine auf mehrere Etappen verteilte "Steuerreform" zu
entwickeln, welche weder eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote noch einen
Beschäftigungseffekt bewirkt, sondern vielmehr als ein neuerliches Belastungspaket
bezeichnet werden muß.
 
Daß die Regierungsparteien sowohl die durch den Verfassungsgerichtshof erzwungene
Behebung eines verfassungswidrigen Zustandes, der in der Vergangenheit zu einer sehr
starken steuerlichen Belastung der Familien geführt hatte - und welche erneut in einigen
Punkten verfassungswidrig sein dürfte - als auch eine geringfügige Manipulation als
Steuerreform verkaufen müssen, ist als Beweis für die Ideenlosigkeit und die Unfähigkeit
dieser Bundesregierung, wirksame Reformen in Angriff zu nehmen und umzusetzen, zu
werten.
 
Fehlender Reformwille ist auch der hauptsächlich aus Interessenvertretern
zusammengesetzten Steuerreformkommission vorzuwerfen, die ihrer Aufgabe -
Erarbeitung einer großen Steuerreform (lt. Budgetbericht des Bundes 1997) - in keiner
Weise nachgekommen ist. Anstatt ein diskussionsfertiges Gesamtkonzept auch über
Ausgabeneinsparungen vorzulegen, beschränkte sich die Kommission darauf, einen
Bericht mit einer Ansammlung von Empfehlungen und Rechenbeispielen ohne
Bewertung anzubieten, die in Summe auf Steuererhöhungen hinauslaufen.
 
Auch bei jenen Steuerreformvorschlägen, die ursprünglich von Seiten der SPÖ an die
Öffentlichkeit gedrungen sind, handelte es sich durchwegs um Steuererhöhungen, wie
z.B. die Erhöhung der Energiesteuer, der Mineralölsteuer, der Normverbrauchsabgabe,
Besteuerung von Aktiengewinnen, Einführung einer Wertschöpfungsabgabe.
 
Angesichts dieser - auch durch den Bundesminister für Finanzen verlautbarten - SPÖ -
Belastungspläne mußte Bundeskanzler Klima eingestehen, daß es innerhalb der SPÖ
noch kein abgestimmtes Steuerreformkonzept gibt.
 
Da der Bericht der Steuerreformkommission nach seiner Veröffentlichung wegen seiner
vorgeschlagenen Belastungen allzu sehr ins Schußfeld der Kritik geraten ist, wurde ein
Großteil des Berichtes nach wenigen Tagen sogar von den eigenen Mitgliedern wieder
verworfen. "Bei dieser Gelegenheit distanzierte sich der Politiker Nowotny auch gleich
von den Ideen, an denen der Ökonom Nowotny selbst mitgestaltet hat....In Wahrheit ist
Ende vergangener Woche der wesentliche Pfeiler der geplanten Steuerreform mit
lautem Knirschen eingestürzt." (Format 10/98).
 
Obwohl nun die Expertenkommisssion über 18 Monate beinahe ergebnislos getagt hat,
ist die Koalitionsregierung nunmehr sogar der Meinung, bei einer Steuerreform ohne
zusätzliche Belastungen 30 Mrd. öS (inkl. der 12 Mrd. öS für die vom VfGH
erzwungenen Familiensteuerreform) bewegen zu können.
 
Da nun aufgrund der zuletzt geäußerten Finanzierungsvorschläge offenkundig
geworden ist, daß die Koalitionsregierung keine Steuerreform zustande bringen,
sondern lediglich neue Belastungen erfinden wird, stellen die unterzeichneten
Bundesräte an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

DRINGLICHE ANFRAGE
 
1. Teilen Sie die Auffassung, daß die Belastung der Österreicherinnen und Österreicher
durch die Lohn- und Einkommensteuer zu hoch ist?
Wenn nein, warum nicht?
 
2. Wie beurteilen Sie die Steigerung im Bereich der Lohnsteuer von 88 Mrd. öS im Jahre
1989 auf ca. 190 Mrd. öS im heurigen Jahr?
 
3. Halten Sie die ständige Steigerung der Lohnsteuerquote und die dadurch bewirkte
Schmälerung der Arbeitnehmereinkommen für gerechtfertigt?
 
4. Ist Ihnen der Standpunkt des Arbeitkammerpräsidenten Tumpel und des ÖGB -
Präsidenten Verzetnitsch zu dieser Frage bekannt?
Wenn ja, teilen Sie die Auffassung, daß eine Lohnsteuersenkung mindestens 17
bis 20 Mrd. öS bringen müßte?
Wenn nein, warum nicht?
 
5. Wie beurteilen Sie den Standpunkt Ihres Koalitionspartners ÖVP, der die mittleren
Steuersätze um 2 % - Punkte senken möchte?
 
6. Bis zu welchem Jahresbruttobezug ist nach Ihrer Ansicht eine Steuerentlastung
notwendig?
 
7. Wie können Sie es mit der Steuergerechtigkeit vereinbaren, daß in der letzten Zeit
Steuerabschreibungsmodelle angeboten werden, die durch eine Verlustzuweisung
von bis zu 200% zu enormen Steuerbegünstigungen für Reiche führen?
 
8. Zu welchen Steuerausfällen führen solche Verlustabschreibungsmodelle pro Jahr?
 
9. Um wie viele Milliarden öS soll das Lohnsteueraufkommen durch diese "Reform"
gesenkt werden?
 
10. Durch welche konkreten Maßnahmen soll dies bewirkt werden?
 
11. Können sie eine (auch nur geringe) Erhöhung der Energiesteuern ausschließen?
 
12. In welcher Höhe halten Sie die Erhöhung der Energiesteuer für noch sozial
verträglich?
 
13. In welchem Ausmaß planen Sie eine Erhöhung der Mineralölsteuer für Benzin und
Diesel?
 
14. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen auf den Tanktourismus und die Wirtschaft in
den grenznahen Regionen?
 
15. Ist Ihnen bewußt, daß eine Erhöhung der Treibstoffpreise zu einer überdurch -
schnittlichen Belastung der niedrigen Einkommen und insbesondere der Pendler
führt?
Wenn ja, halten Sie dennoch an diesem Vorhaben fest?
 
16. Planen Sie eine Aufhebung der Steuerbefreiung für Flugbenzin?
Wenn ja, welche Auswirkungen hätte dies auf die österreichische
Tourismuswirtschaft?
 
17. Schließen Sie nach wie vor jede Form der Anhebung der Einheitswerte aus?
 
18. Aufgrund welcher Erwägungen treten Sie für eine Besteuerung von Kursgewinnen
bei Wertpapieren (Aktiensteuer) ein?
 
19. Teilen Sie die Auffassung, daß eine solche Aktiensteuer negative Auswirkungen auf
den ohnehin nicht blühenden Börseplatz Wien hätte?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, warum halten Sie dennoch daran fest?
 
20. Ist Ihnen bekannt, daß die Zukunftsaussichten des Börseplatzes Wien von Experten
ohnedies äußerst negativ beurteilt werden?
 
21. Wie stellen Sie sich die Besteuerung von in- und ausländischen Aktienfonds bzw.
deren Erträge vor?
 
22. Welche Auswirkungen einer "Aktiensteuer" sehen Sie in bezug auf die private
Altersversorgung mittels Pensionsfonds bzw. Lebensversicherungen mit Bindung an
Aktienfonds?
 
23. Können Sie sich vorstellen, die bisherige Versicherungssteuer von 4 % bzw. 11 % zur
Förderung der privaten Altersvorsorge abzusenken oder abzuschaffen?
 
24. Befürworten Sie eine Ausdehnung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei
Liegenschaften?
Wenn ja, welche Auswirkungen hätte dies auf die Verfügbarkeit bzw. auf die
Preisbildung von Grundstücken?
 
25. Treten Sie für die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe ein?
Wenn ja, ist Ihnen bekannt, daß diese Abgabe in einer WIFO - Studie vom
Februar 1997 sehr negativ beurteilt worden ist?
 
26. Wie läßt sich die vorgeschlagene Wertschöpfungsabgabe, welche zur Verteuerung
von Investitionen führt, mit der seit Jahren angekündigten, aber noch nicht
umgesetzten Technologieoffensive vereinbaren?
 
27. Teilen Sie die Auffassung, daß die Eigenkapitalbasis der österreichischen
Unternehmen verbessert werden sollte?
Wenn ja, warum haben Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit noch keine geeigneten
Maßnahmen gesetzt und durch welche Maßnahmen planen Sie die
Verbesserung der Eigenkapitalbasis?
 
28. In welcher Form planen Sie Entbürokratisierungen, zum Beispiel im Bereich der
Lohnverrechnung?
 
29. Welche steuerlichen Anreize zur privaten Altersversorgung werden Sie vorschlagen?
 
30. Wie beurteilen Sie die Abschaffung der 13. Umsatzsteuervorauszahlung?
 
31. Befürworten Sie die Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage für Dienstgeber -
beiträge zur Sozialversicherung?
Wenn ja, werden Sie ebenfalls dafür eintreten, daß die spätere Pensionsleistung
von der höheren Grundlage berechnet wird?
 
Wenn nein, mit welcher Begründung schließen Sie eine Verfassungswidrigkeit
aus?
 
32. Welche steuerliche Entlastung soll diese "Steuerreform" in Summe tatsächlich für die
Steuerzahler bringen?
 
33. In welcher Höhe soll diese Summe durch Steuererhöhungen (bzw. Beseitigung von
Ausnahmen und Privilegien) und wieviel durch Ausgabeneinsparungen finanziert
werden?
 
34. An welche gesetzlichen Bestimmungen denken Sie bei der Beseitigung von
Ausnahmen und Privilegien?
 
35. In welchen Bereichen der Verwaltung sollen durch welche Maßnahmen die Kosten
gesenkt werden?
 
36. In welcher Höhe werden sich die Länder und Gemeinden an der Finanzierung der
"Steuerreform" beteiligen müssen?
 
37. Um wie viele Prozentpunkte soll die äußerst hohe Steuer- und Abgabenquote von rd.
45 % durch diese "Steuerreform" gesenkt werden?
 
38. Durch welche Maßnahmen werden Sie sicherstellen, daß trotz der geplanten
Steuererhöhungen die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich nicht weiter
sinkt?
 
39. Halten Sie die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes von 23% ("Faire Steuern")
im Bereich der bisherigen Einkommen-, Lohn-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer
für möglich?
Wenn nein, warum nicht?
 
40. Welche Entlastung würden die "Fairen Steuern" im Bereich der österr. Wirtschaft vor
allem im Hinblick auf die Notwendigkeit der Arbeitsplatzerhaltung und -schaffung
bringen?
 
41. Welche Entlastung würden die "Fairen Steuern" für die Arbeitnehmerschaft
Österreichs bringen?
 
 
 
In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 61 GO - BR dringlich vor
Eingang in die Tagesordnung zu behandeln, und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur
Begründung zu geben.