1572/J-BR BR
DRINGLICHE ANFRAGE
der Bundesräte Mühlwerth, Dr. Bosch, Ramsbacher, Haunschmid, Gudenus, Dr. Harring,
Eisl, DDr. Königshofer
an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales
betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien
Die Freiheitlichen fordern schon seit 1992 die Einführung eines Kinderbetreuungs -
schecks. Damit sollen alle Jungfamilien gleichermaßen die Möglichkeit erhalten, ohne
unzumutbaren finanziellen Druck die Betreuung ihrer Kinder bis zum 6. Lebensjahr des
Kindes nach ihren eigenen Wünschen zu organisieren, ohne daß die finanzielle Unter -
stützung von der Aufgabe der Erwerbstätigkeit abhängig wäre. Die Finanzierung wäre
mittelfristig aus den Überschüssen des FLAF, die durch eine Aufhebung der Selbst -
trägerschaft und Befreiung von sachfremden Leistungen noch erhöht werden könnten,
möglich. Die Mitfinanzierung der Länder für den Zeitraum vom 4. bis zum 6. Lebensjahr
des Kindes würde keine zusätzlichen Kosten verursachen. Außerdem wäre der Kinderbe -
treuungsscheck billiger als die Unterbringung eines Kindes in einer staatlichen Kinder -
betreuungseinrichtung es ist. Kurzfristig treten die Freiheitlichen dafür ein, als Vorstufe
zum Kinderbetreuungsscheck das Karenzgeld für alle auszubezahlen. Überdies bemühen
sie sich, im Vorwahlkampf z.T. mit Unterstützung der ÖVP, aber vereinzelt auch der
SPÖ, entsprechende Leistungen auf Landes - oder Gemeindeebene als Vorstufe zu einer
bundeseinheitlichen Lösung durchzusetzen. Die entsprechenden Anträge der Freiheit -
lichen im Parlament wurden aber von den anderen Fraktionen selbst noch diese Woche
abgelehnt.
Vor dem Hintergrund der steigenden Überschüsse des FLAF, die schon laut Budgetvor -
anschlag 1998 bei 3,8 Mrd. Schilling lagen, insbesondere aber wohl im Zusammenhang
mit den 1999 bevorstehenden Wahlen und dem Anklang, den der von den Freiheit -
lichen propagierte Kinderbetreuungsscheck mittlerweile in der Bevölkerung findet, sind
nun die Koalitionspartner offensichtlich auf den Gedanken gekommen, daß mit dem
Versprechen verbesserter Leistungen für die Zeit der Kinderbetreuung Wählerstimmen
zu gewinnen sein könnten. Der Forderung der ÖVP auf ein ,,Karenzgeld für alle" folgte
nach einer Diffamierungskampagne (das "Karenzgeld für alle" sei "keine sinnvolle Idee"
- BM Barbara Prammer, "eine Mutterprämie" - FSG Salzburg, ein "soziales Verbrechen
an den berufstätigen Frauen" - Irmgard Schmidtleitner, es sei "völlig unzumutbar", das
Karenzgeld zu einer familienpolitischen Leistung umzugestalten - Anna Huber, das
"Karenzgeld für alle" sei Ausfluß eines "steinzeitlichen Frauenbildes" und frauenfeind -
lich - JG - Vorsitzender Michael Grossmann, "Zurück ins 19. Jahrhundert" - Ilse Mertel,
führt "schnurstraks in ein drittes Sparpaket" - Finanzminister Edlinger) die SPÖ - Variante
"für alle, die es brauchen". Innerhalb beider Parteien gehen aber die Meinungen über
die notwendigen Leistungen während der Kinderbetreuung nach wie vor weit auseinan -
der. Die Koalitionsparteien lizitieren sich öffentlichkeitswirksam in ihren Forderungen für
Familien hoch, indem die ÖVP ein "Karenzgeld für alle" und letztlich den Kinderbetreu -
ungsscheck, die SPÖ die kostenlose Beistellung von Kinderbetreuungsplätzen für alle
Kinder, die Auszahlung des Karenzgeldes für volle zwei Jahre und seine Erhöhung
fordert. Gleichzeitig schlagen aber weder die zuständigen Bundesminister noch die
Parlamentsfraktionen der Koalitionspartner konkrete Gesetzesänderungen auch nur vor,
geschweige denn, daß sie versuchen würden, ihre Vorstellungen auch durchzusetzen.
Dadurch liegt der Verdacht nahe, daß die Koalition gar nicht gewillt ist, vor der Wahl
tatsächliche Leistungsverbesserungen zu beschließen, sondern nur versucht, das Thema
als Wahlkampfmunition zu verwenden. Dies wird auch dadurch untermauert, daß die
Koalitionsfraktionen bisher nicht einmal bereit waren, ihren eigenen Vorschlägen, wenn
sie von der Opposition als Antrag eingebracht wurden, zuzustimmen.
Neben der finanziellen Absicherung während der Kinderbetreuung ist derzeit auch die
pensionsrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten noch
immer unbefriedigend. Die Pensionierung allein aufgrund von Kindererziehungszeiten ist
aufgrund der überzogenen und unrealistischen Voraussetzungen (25 Jahre!) kaum erreich -
bar. Die Weiterversicherung bei Pflegezeiten ist zu restriktiv geregelt (nur für höhere
Pflegestufen, nur als Weiterversicherung, nur für nahe Angehörige). Es gelingt daher vielen
Frauen aufgrund ihrer familiären Pflichten nicht, ausreichend eigene Pensionsversiche -
rungszeiten zu erwerben. Eine Verbesserung ist also auch in diesem Bereich unbedingt
erforderlich. Auch hier muß aber festgestellt werden, daß die langjährigen Forderungen
der FPÖ auf eine entsprechende pensionsrechtliche Berücksichtigung von Kinderer -
ziehungs - und Pflegezeiten immer wieder abgelehnt wurden, nun aber gleichartige
Forderungen auch von den Koalitionsparteien, die bisher derartige Verbesserungen stets
abgelehnt haben, erhoben werden (Gleichstellung der Kindererziehungszeiten mit Bei -
tragszeiten - BM Martin Bartenstein, Anrechnung der Kindererziehungszeiten verdoppeln
- Melitta Trunk). Auch in diesem Fall bestand aber merklich selbst diese Woche noch
keinerlei Bereitschaft, einem entsprechenden Antrag der Freiheitlichen zuzustimmen und
der zuständigen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales einen entsprechen -
den Arbeitsauftrag zu erteilen.
Im Zusammenhang mit all den bisher leeren Versprechungen der Koalitionspartner, die
finanzielle und pensionsrechtliche Absicherung für die Zeit der Kindererziehung sub -
stantiell zu verbessern, richten die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für
Arbeit, Gesundheit und Soziales nachstehende
DRINGLICHE ANFRAGE:
1. Welche Änderungen im Karenzgeldgesetz streben Sie an? Wann werden Sie dem
Ministerrat einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen?
2. Welche finanziellen Auswirkungen hätten diese Änderungen und wie würden Sie
die Bedeckung dieser Mehrkosten sicherstellen?
3. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß das Karenzgeld wieder zwei Jahre lang
ausbezahlt wird, auch wenn der zweite Elternteil nicht für zumindest ein halbes
Jahr die Betreuung des Kindes übernehmen kann? Welche Kosten wären damit
verbunden und wie könnten sie bedeckt werden?
4. Werden Sie sich wie ÖGB - Frauenvorsitzende Schmidleithner für eine Erhöhung des
Karenzgeldes auf die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes einsetzen (APA 1.
Februar 1999)? Welche Kosten wären damit verbunden und wie könnten sie
bedeckt werden?
5. Wann wird "mittelfristig" das Karenzgeld nach den Vorstellungen des Bundes -
kanzlers an die Höhe des letzten Einkommens gebunden werden (APA 14. Februar
1999)? Welche Kosten wären damit verbunden und wie könnten sie bedeckt
werden?
6. Aus welchen Gründen halten Sie eine unterschiedliche finanzielle Unterstützung
für Eltern für vertretbar, je nachdem ob sie vor der Geburt des Kindes unselb -
ständig, selbständig oder gar nicht erwerbstätig waren?
7. In welchem Umfang sollte Eltern die Erwerbstätigkeit während des Bezugs von
Leistungen für die Kindererziehung Ihres Erachtens nach möglich sein?
8. Sollte bei finanziellen Leistungen im Zusammenhang mit der Kindererziehung nach
dem Familieneinkommen differenziert werden? Wenn ja, warum und ab welchem
Einkommen? Wie groß wäre der Personenkreis, der nach ihren Vorstellungen keine
Leistung erhalten sollte?
9. Wie hoch wäre der Verwaltungsaufwand, um für alle Karenzgeldleistungen eine
Überprüfung hinsichtlich des Familieneinkommens vorzunehmen?
10. Sollen Frauen damit künftig wieder stärker von ihren Ehemännern finanziell abhän -
gig werden, wenn ihnen Karenzgeld nur noch nach sozialer Bedürftigkeit zusteht?
11. Welche pensionsversicherungsrechtlichen Folgen hätte die Auszahlung des Karenz -
geldes abhängig von der finanziellen Situation der Familie für die überwiegend
betroffenen Frauen?
12. Weshalb unterstützen Sie nicht die Forderung nach der Einführung eines Kinder -
betreuungsschecks, obwohl dieser billiger wäre als es die Betreuung der Kinder in
Kindererziehungseinrichtungen (Gesamtkosten!) ist?
13. Würden Sie das Karenzgeld derzeit noch als Versicherungsleistung bezeichnen,
obwohl es bereits zu 70 % aus dem FLAF bezahlt wird?
14. Zu welchem Anteil sollten die Karenzleistungen künftig vom FLAF und aus den
Mitteln der Arbeitslosenversicherung bezahlt werden?
15. Warum sollte es "völlig unzumutbar" (Anna Huber, APA 3. September 1998) sein,
das Karenzgeld, das zum überwiegenden Teil schon jetzt aus dem FLAF bezahlt
wird, zu einer familienpolitischen Leistung umzugestalten?
16. Halten Sie das ,,Karenzgeld für alle" für "keine sinnvolle Idee" (BM Prammer, APA
1. Februar 1999)?
17. Ist ein ‚,Karenzgeld für alle" ein ,,soziales Verbrechen an den berufstätigen
Frauen" (Irmgard Schmidtleitner, APA 25. August1998, 0TS 31. August 1998, 16.
September 1998), obwohl deren Leistungen nicht gekürzt würden und das
Karenzgeld zum Großteil aus dem aus Arbeitgeberbeiträgen gespeisten FLAF
bezahlt wird?
18. Halten Sie das ,,Karenzgeld für alle" für den Ausfluß eines "steinzeitlichen Frauen -
bildes" und für frauenfeindlich (JG-Vorsitzender Michael Grossmann, APA 3.
Februar 1999), obwohl es eine deutliche finanzielle Besserstellung für immerhin
etwa 10 % der Mütter bedeuten würde?
19. Inwiefern ist für Sie ein Kinderbetreuungsscheck ein "Zurück ins 19. Jahrhundert"
(Ilse Mertel, OTS 30. September 1998), obwohl er im Gegensatz zum geltenden
Karenzgeld auch eine volle Beschäftigung der Frauen ermöglichen würde?

20. Hielten Sie eine Auszahlung des Karenzgeldes an derzeit nicht bezugsberechtigte
Personengruppen für eine Umwandlung "in eine Mutterprämie" (FSG Salzburg,
APA 9. Februar 1999)?

21. Welche Änderungen im Bereich des Karenz"urlaubes" streben Sie an und wann
werden Sie entsprechende Gesetzesentwürfe dem Ministerrat vorlegen?

22. Wie wollen Sie verhindern, daß weitere Verbesserungen im Bereich der Karenz-
"urlaubes" die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt weiter verschlechtern?

23. Welche Verbesserungen streben Sie mittelfristig bei der Anrechnung der Kinder-
erziehungszeiten und der Pflegezeiten für die Pension an und wann werden Sie
entsprechende Gesetzesentwürfe dem Ministerrat vorlegen?

24. Welche finanziellen Auswirkungen hätten diese Änderungen und wie würden Sie
die Bedeckung dieser Mehrkosten sicherstellen?
25. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß künftig Kindererziehungszeiten wie Beitrags -
zeiten für die Pensionsberechtigung berücksichtigt werden, wie dies von BM
Martin Bartenstein gefordert wird (APA 14. Februar 1999)? Wenn nein, warum
nicht?
 
26. Halten Sie es für gerechtfertigt, Kindererziehungszeiten auch weiterhin nicht ent -
sprechend der individuellen Bemessungsgrundlage, sondern nur mit einer ein -
heitlichen und in fast allen Fällen wesentlich niedrigeren Bemessungsgrundlage für
die Pensionsbemessung zu berücksichtigen?
27. Werden Sie sich dafür einsetzen, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten zu
verdoppeln (Melitta Trunk, OTS 6. Februar 1999)?
28. Welche anderen Maßnahmen halten Sie für erforderlich, damit mehr Menschen,
die grundsätzlich Kinder haben wollen, sich zu diesem Schritt auch entschließen
können?
29. Werden Ihrer Ansicht nach die von Ihnen angekündigten Verbesserungen im
Zusammenhang mit der Zeit der Kindererziehung noch vor dem Ende der
Legislaturperiode beschlossen werden?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61
GO - BR dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunter -
zeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.
Es wird weiters vorgeschlagen, die Behandlung dieser Dringlichen Anfrage mit der
Dringlichen Anfrage der selben Fragesteller an den Bundesminister für Umwelt, Jugend
und Familie im Sinne von § 61 Abs. 6 unter einem durchzuführen.