1596/J-BR BR

Dringliche Anfrage
der Bundesräte Dr. Bösch, Mag. Gudenus, Dr. Tremmel, Windholz und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs
 
Wie am 23. März 999 auch der Öffentlichkeit bekannt wurde, liegen der Staatspolizei schon
seit Tagen Indizien für geplante Anschläge auf österreichische Einrichtungen durch die
serbische Terror - Organisation "Schwarze Hand" vor. Deshalb wurden diverse Einrichtungen -
im speziellen Fall die Wiener Verkehrsbetriebe (U - Bahn) - vorgewarnt und bereits vereinzelte
Kontrollmaßnahmen durchgeführt.
Wie bereits zu Beginn des Konfliktes im ehemaligen Jugoslawien durch die
Unabhängigkeitsbewegungen in Slowenien und Kroatien, besteht auch heute wieder die
Gefahr, daß dieser nicht nur mittelbar, sondern auch unmittelbar Auswirkungen auf
Österreich hat. So ist hierbei vor allem an die Überflüge von JVA - Maschinen durch
österreichischen Luftraum im Jahr 1991 erinnert. Die Bedrohung durch konventionelle Boden -
Boden Raketen kann aber nach Aussage aller Experten weitgehend ausgeschlossen werden,
da durch die Verschiebung der Startmöglichkeiten um mehrere hundert Kilometer nach
Süden und der geringen Reichweite dieser Waffensysteme heute keine Gefahr mehr für
Österreich darstellen.
Eine weitere Bedrohung stellt der subkonventionelle Einsatz von bereits im Land befindlichen
Kräften und Gruppen dar, der sich gegen die österreichische Zivilbevölkerung, Einrichtungen
des Bundesheeres - in denen NATO - Truppen der SFOR Zwischenstation machen - und die
Infrastruktur Österreichs richten könnte. So ist bekannt, daß die JVA noch zu Zeiten des
"Kalten Krieges" und im Zuge des Krieges 1991 über bis zu bataillonsstarken Kräften verfügt
hat, die als Angehörige der Miliz unter den in Österreich lebenden Gastarbeiter waren und
den Auftrag hatten, im Falle eines Konfliktes die Verkehrsverbindungen von Norden nach
dem Balkan zu unterbrechen, sowie die österreichische Infrastruktur nachhaltig zu stören.
Es kam zwar aus verschiedensten Gründen nicht zu deren Einsatz, es ist aber erwiesen, daß
diese oder ähnliche Kräfte die Zustellung von Einberufungsbefehlen für die JVA an
jugoslawische Staatsbürger in Österreich übernahmen und oftmals unter Gewaltandrohung
für die Durchführung dieser sorgten. Ebenso verbunden damit war Beschaffungskriminalitat
und Eintreibung sog. ,,Kriegssteuern", sowie Drohungen gegen kroatische und bosnische
Ausländer in Österreich.
Daneben sind auch Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Gruppen, die ja auch
aus den Konflikten zwischen Kurden und Türken in Deutschland und Österreich bekannt sind,
denkbar, die bei der nunmehr erfolgten Ausdehnung und Intensivierung der Krise am Balkan
nunmehr auch verschärft zwischen Albanern und Serben in Österreich ausgetragen werden
könnten.
Dem gegenüber steht die Tatsache von über 1.000 Schutzobjekten der Kategorie A und
weitere 2.000 Objekte der Kategorie B und C in Österreich, die als potentielle Ziele von
Anschlägen gelten können, Ebenso bekannt ist auch, daß die Kräfte des Innenministeriums zu
deren Sicherung nicht ausreichen und daher bei allen Planungen immer auf das Bundesheer
zurück gegriffen werden mußte, weshalb in den letzten Jahren verstärkt sog.
Raumschutzübungen abgehalten wurden.
Aber auch das ÖBH ist durch die Einnahme einer neuen und vor allem verringerten
Heeresstruktur nach Aussagen des Bundesministers und der verantwortlichen Offiziere (GTI,
Leiter MilStrateg, etc.) nur mehr bedingt in der Lage zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen. So
hat der Kommandant des 1. Korps, KKdt PLIENEGGER, in diesem Zusammenhang in einem
Artikel in einer der letzten Ausgaben der Zeitschrift "Truppendienst" darauf hingewiesen, daß
das Österreichische Bundesheer nach Einnahme der HG - NEU - NEU nur noch max. 90
Kilometer verteidigen bzw. 900 km gegen Infiltration überwachen kann! Dem gegenüber
stehen eine Staatsgrenze von 2562 km - davon ca. 1300 km EU - Außengrenze.
Gleiches gilt für die Schutzobjekte. Da die neue Heeresgliederung nur noch 9 bewegliche
Jägerbataillone und 21 schlechter ausgerüstete und territorial gebundene Jägerbataillone
vorsieht, sind unter Bedachtnahme grundlegender militärischer Prinzipien die Aussage, das
Bundesheer könne nur mehr 90 Kilometer "klassisch" verteidigen und 900 km überwachen,
tatsächlich mehr als euphemistisch zu beurteilen. Nach den beim Bundesheer gelehrten
Grundsätzen kann eine Jägerbrigade in der Abwehr: durchschnittlich nicht mehr als ca. 10
Kilometer verteidigen, oder im Sicherungseinsatz: 40 - 50 Kilometer Staatsgrenze sichern, oder
im Raumschutz: entweder 200 km Verkehrsverbindungen schützen oder alternativ 15/45
Schutzobjekte verteidigen/überwachen.
Diese Beispiele zeigen, daß eine ernstgenommene Sicherung österreichischen Territoriums
und seiner Bürger bei erhöhten Konfuktintensitäten nur durch die Einbindung des
Bundesheeres und hier wiederum nur nach Mobilmachung möglich ist. Das dies nicht
auszuschließen ist, zeigen sowohl die angeführte jüngste Vergangenheit seit 1991 aber auch
die aktuellen Maßnahmen der Evakuierung der österreichischen Botschaft in Belgrad, die
wohl aus Angst vor etwaigen Repressalien erfolgte und nicht wegen der NATO - Luftangriffe,
die ja keinesfalls zivilen Zielen in der Stadt galten.
Eine erhebliche Gefahr besteht daher sowohl in Österreich als auch für Österreicher im
Ausland - Insbesondere etwa der SFOR - Soldaten in Bosnien.
Im Zusammenhang mit der Krise am Balkan ist aber auch die Rolle Österreichs und sein
Verhalten innerhalb der demokratischen Staatengemeinschaft zu hinterfragen. So gibt es in
der Bundesregierung und den einzelnen Ministerien unterschiedliche Auffassungen darüber,
ob Österreich sich in diesem Fall solidarisch beteiligen soll, oder unter Verweis auf ein
fehlendes UN - Mandat seine Neutralität geltend machen sollte. Wobei aus freiheitlicher Sicht
festzuhalten ist, daß diese Neutralität spätestens seit dem EU - Beitritt und dessen
Weiterentwicklung durch den Amsterdamer Vertrag materiell nicht mehr gegeben ist und es
ehrlicher wäre, diese daher auch formell und gegenüber der Bevölkerung für beendet zu
erklären. Es ist aber auch mit den Worten des ehemaligen Außenministers, Dr. Alois Mock, zu
fragen, wie man sich bei der Wahl zwischen Feuerwehr und Feuer neutral verhalten kann.
Ebenso fragwürdig ist, ob die Bundesrepublik Jugoslawien überhaupt noch Anspruch als
Anerkennung der staatlichen Autorität für das Kosovo hat, wenn diese die Menschenrechte
der darin lebenden Bevölkerung ständig mißachtet, wie dies der Generalsekretär des
Außenamtes, Dr. Albert Rohan, in der Presse vom 23. März 1999 dargelegt hat und ob sich
nicht allein daraus schon die berechtigte Frage der Unabhängigkeit des Kosovo ergibt sowie
eine Interventionserlaubnis für die Staatengemeinschaft ableitet.
ln diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte daher die nachstehende

Dringliche Anfrage:
1. Welche konkreten Hinweise liegen der Staatspolizei für derartige Terroranschläge in den
U - Bahnen oder Pflegeheimen vor?
2. Seit wann liegen der Staatspolizei diesbezügliche Hinweise vor?
3. Gab es, außer in Wien, sonstwo in Österreich Indizien für drohende Terroranschläge durch
serbische Terrororganisationen?
a.) Wenn ja, wo und welche?
4. Welche Gefahr besteht Ihrer Ansicht nach für die österreichische Bevölkerung durch die
jüngsten Terrordrohungen in den Wiener U - Bahnen?
5. Welche konkreten Schritte wurden diesbezüglich seitens Ihres Ministeriums bisher
veranlaßt?
6. Welches personelle und materielle Potential könnten Sie für den Fall eines oder mehrerer
Terroranschläge sofort einsetzen?
7. Welche Möglichkeiten, die Bevölkerung zu schützen bestehen insbesondere bei
Anschlägen mit Giftgasen, wie dies etwa in der U - Bahn Tokyos geschah?
8. Halten Sie die Zivilschutz- und Alarmierungseinrichtungen Österreichs für ausreichend,
zumal beispielsweise der letzte Sirenentest ergab, daß zahlreiche Bewohner Wiens trotz
geöffneter Fenster die Alarmsignale nicht hören können?
9. Welche konkreten Informationen besitzen Sie über die serbische Geheimorganisation
"Schwarze Hand" bzw. über andere serbische oder jugoslawische Terror - Organisationen?
10. Seit wann ist das Auftreten der serbischen Geheimorganisation "Schwarze Hand" bzw.
einer der anderen serbischen oder jugoslawischen Terror - Organisationen in Österreich
beobachtbar?
11. War in der letzten Zeit wieder ein vermehrtes Auftreten dieser Organisationen in
Österreich erkennbar?
Wenn ja, seit wann und inwiefern?
12. Werden Mitglieder dieser Organisationen in Österreich beobachtet?
Wenn ja, welche und seit wann und mit welchem Ergebnis?
13. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Aussagen von Vertretern der Serben in
Wien, sie fühlten sich mit Milosevich solidarisch der sagt, was viele denken' und die
Aussage des stellvertretenden serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Seselj, der gestern
die Serben in aller Welt zur Vergeltung aufgefordert hat?
14. Welche Sicherheitsvorkehrungen werden Sie treffen, um die Österreicherinnen und
Österreicher vor möglichen Terroranschlägen zu schützen?
15. Wie bewerten Sie das Gefährdungspotential hinsichtlich extremistischer oder
terroristischer Gruppierungen des ehemaligen Jugoslawiens für Österreich?
16. Konnten seit den Sprengstoffanschlägen mit Splitterhandgranaten gegen Lokale und eine
Sprengstoffdeponierung in einer serbischen Diskothek (zwischen 1991 und 1993) weitere
Anzeichen dafür, daß in Österreich terroristische oder extremistische Gruppierungen aus
dem ehemaligen Jugoslawien existieren, gefunden werden?
a.) Wenn ja, welche?
b.) Welche Terroranschläge von Gruppierungen aus dem ehemaligen Jugoslawien gab es
vor 1991 in Österreich und wo?
17. Wie beurteilen Sie das Bedrohungspotential bei einem möglichen übergriff Serbiens auf
Österreich?
18. Welches personelle und materielle Potential können Sie für den Fall eines übergriffs
Serbiens auf Österreich sofort zur Verfügung stellen?
19. Wie beurteilen Sie die überaus beunruhigende Ansicht von Oberst Geraid Karner, der
terroristische Akte des Belgrader Regimes im Ausland, also auch in Österreich, für möglich
hält?
20. Wie beurteilen Sie die Situation für Österreich im Zusammenhang mit einer drohenden
Flüchtlingswelle aus dem Kosovo?
21. Inwieweit ist Österreich auf einen solchen Flüchtlingsstrom vorbereitet und wie viele
Flüchtlinge ist Österreich noch in der Lage aufzunehmen?
22. Inwieweit fanden bzw. finden noch Gespräche betreffend der gemeinsamen Bewältigung
eines Flüchtlingsstromes mit den übrigen EU - Mitgliedstaaten statt und mit welchem
konkreten Inhalt bzw. Ergebnis (z.B. Regelung der personellen und finanziellen
Lastenteilung)?
23. Welche Auswirkungen für Österreich hat Ihrer Ansicht nach die jüngste Entscheidung
eines Berufungsgerichtes in London, daß Deutschland nicht mehr sicheres Drittland für
Kosovo - Albaner sei?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 der
GO - BR dringlich nach Erledigung Tagesordnung zu behandeln und dem Erstunterzeichner
Gelegenheit zur Begründung zu geben.
Es wird weiters vorgeschlagen, die Behandlung dieser Dringlichen Anfrage mit der Dringlichen
Anfrage an den Bundesminister für Landesverteidigung im Sinn von § 61 Abs. 6 GO - BR unter
einem durchzuführen.