1610/J-BR BR

D R I N G L I C H E A N F R A G E


der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. d‘Aron, Dr. Böhm, Mag. Gudenus, Dr. Tremmel und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend ,,Neutralitäts - Lüge" des Bundeskanzlers
 
 
Die Neutralitäts - Lüge" betitelte die
Zeitschrift FORMAT ihre Ausgabe vom
26. April 1999 unter dem Bild des Bundes -
Das Bild der Zeitschrift
Format konnte nicht
gescannt werden !!
deskanzlers Dr. Viktor Klima (siehe Bild)
und bezog sich dabei offensichtlich auf
die Widersprüchlichkeit seiner Aussagen
zur österreichischen Sicherheitspolitik im
Laufe der letzten Wochen und Jahre.
Während der Bundeskanzler beim Euro -
päischen Rat in Berlin vom 24. und
25.3.1999 den Einsatz der NATO im
Kosovo befürwortete und die Bundesre -
gierung diesen nunmehr durch die EU -
Embargo - Maßnahmen gegen Jugosla -
wien unterstützt, versuchten er und die
SPÖ in Österreich, die Neutralität zu
propagieren und zum Wahlkampfschla -
ger zu machen. Die Neutralität sollte nach seiner Sicht: ,,...für fünf Jahre außer Streit..." ge -
stellt und ,,...aus dem Wahlkampf heraus..." gehalten werden (SN, 19. April 1999). Wenige
Tage darauf affichierte die SPÖ aber Plakate für die EU - Wahl in denen als Punkt 2 postuliert
wird: "Das neutrale Österreich hat die wichtige Aufgabe, als Vermittler zu einer friedlichen
Lösung am Balkan beizutragen. Wir setzen darum unsere aktive Neutralitätspolitik fort.".
Nach Brüssel an den Tisch der großen "sozialdemokratischen Europäer" zurückgekehrt, be -
kräftigt Klima seine Äußerungen von Berlin und erklärt mit den anderen Staats - und Regie -
rungschefs: ,,...daß der Einsatz schärfster Maßnahmen - einschließlich militärischer Aktionen
- notwendig und gerechtfertigt war.". Der SPÖ - Klubobmann im Wiener Landtag, Hatzl, er -
wirkte in der Zwischenzeit einen außenpolitischen Affront, als er den amerikanischen Präsi -
denten wegen seiner Haltung im Kosovo - Konflikt "als Kriegstreiber" bezeichnete (APA, 30.
März 1999).
Diese doppelzüngige Vorgangsweise ist aber nicht neu, sondern nur der vorläufige Höhe -
punkt einer seit Jahren schwelenden Debatte über die österreichische Sicherheitspolitik. Diese
beginnt bereits mit der UNO - Mitgliedschaft 1955, setzt sich über den EU - Beitritt 1995 fort
und erhielt durch den Abschluß des Amsterdamer Vertrages, der am 1. Mai 1 999 in Kraft ge -
treten ist, eine neuerliche Dynamik.
Die österreichische (Nicht)Debatte

Österreich hat 1955 - nach zehnjähriger Besatzung - durch den Staatsvertrag seine Sou -
veränität wiedergewonnen. Voraussetzung dafür war de facto die Verpflichtung zur dauern -
den Neutralität. Diese wurde nicht als Staatsideologie sondern als Mittel zur Erreichung eines
sicherheitspolitischen Zieles - Wiedererlangung und Bewahrung der Souveränität, Abzug der
Besatzer - beschlossen. Seinen aus der Neutralität resultierenden Verteidigungspflichten ist
Österreich in der Vergangenheit nur äußerst unzureichend nachgekommen. Wir verdanken,
im Gegensatz zur weitverbreiteten und von politischen Gruppen geförderten Meinung, die
"Friedensperiode" nach dem Zweiten Weltkrieg nicht unserer Neutralität, sondern, wie die
Öffnung der WAPA - Archive gezeigt hat, der Abschreckungswirkung des westlichen Bündnis -
ses - der NATO.
In dieser Phase der Umwälzungen und der Entwicklung eines gemeinsamen europäischen
Sicherheitssystems hätte Österreich nun erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die
Chance seine Sicherheitspolitik frei zu gestalten und einen Beitrag zum Aufbau dieser neuen
Ordnung zu leisten. Die Bundesregierung wäre daher in dieser Phase des Umbruchs gefordert,
die entscheidenden sicherheitspolitischen Weichenstellungen zum Wohle unserer Heimat zu
treffen. Sie ist aber, wie in vielen anderen Fragen, uneinig und nicht handlungsfähig. Nahezu
jeden Tag wird von Mitgliedern der Regierungsparteien ein anderer Standpunkt in Fragen der
Sicherheitspolitik vertreten. Aus diesem Grund kommt es auch von seiten der Koalitionsfrak -
tionen zu keiner umfassenden und ehrlichen Diskussion der Sicherheitspolitik im Hohen Haus.
Den vorläufigen Schlußpunkt sahen viele Kommentatoren im Versagen der Bundesregierung,
den gemeinsam in der Regierungserklärung in Aussicht genommenen Optionenbericht, wie
vereinbart, bis zum 31.3.1998 dem Nationalrat vorzulegen.
Sowohl die Entscheidungsschwäche der Regierung als auch der Versuch der Diskussionsver -
hinderung im Parlament (mehrfache Vertagung der Oppositionsanträge) und nunmehr durch
den Bundeskanzler via Medien haben dazu geführt, daß die Geschichte Österreich zu über -
holen droht. Die Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur schreitet mit schnellem
Schritt voran, während die Debatte in Österreich am Stand tritt. Unsere Nachbarstaaten Un -
garn und Tschechien sind seit wenigen Wochen bereits NATO - Mitglied und nehmen dadurch
den Schutz des Bündnisses bereits in Anspruch. Während es noch immer unklar ist, ob Öster -
reich im Gegensatz zu vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zumindest assoziierter Part -
ner der parlamentarischen Versammlung der NATO (NAA) wird.
Das offizielle Österreich versucht diese Entwicklung aber immer mehr zu negieren und ver -
wickelt sich dabei in Widersprüche. Man gaukelt der Bevölkerung ein Konzept der österreichi -
schen Sicherheit vor, daß einerseits aus dem Aspekt der Beibehaltung der Neutralität bei
gleichbleibend niedrigen Aufwendungen für die Landesverteidigung besteht und andererseits
die Vertiefung der GASP im Rahmen der EU - Mitgliedschaft, Teilnahme an sog. "Petersberg -
Missionen" der EU und WEU und der "erweiterten Partnerschaft für den Frieden" der NATO
vorsieht. Dies bedeutet in der Praxis die Übernahme einer Vielzahl an politischen und militäri -
schen Verpflichtungen, wie etwa die Bereitschaft zu "Kampfeinsätzen" aber keinerlei unmit -
telbaren Sicherheitsgewinn für Österreich durch den Schutz eines Bündnisses. Mit kurzen
Worten: "viele Pflichten, wenig Rechte".
Die Bundesregierung hat die Neutralität abgeschafft

Auch wenn viele Anhänger einer sicherheitspolitischen Isolation Österreichs oder einer Orien -
tierung an den Interessen Moskaus noch immer am Relikt des "Kalten Krieges" - Neutralität -
festhalten wollen, so ist dieses dennoch mehr als überholt und wurde von der Bundesregie -
rung systematisch abgeschafft. Sowohl internationale wie nationale Experten und Politiker
bescheinigen ihr zwar eine Rolle während der Zeit des Ost - West - Konfliktes, für die Fragen von
morgen hat sie aber keinerlei sicherheitspolitische Relevanz. Selbst in der EU ist ein Sondersta -
tus für Neutrale weder möglich noch gewünscht (Parlamentspräsident Hänsch, Kurier vom
18.3.1996), wie die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem österreichischen Beitritt und
das Ergebnis der Regierungskonferenz von Amsterdam gezeigt haben.
Darüber hinaus bedeutet ernstgenommene Neutralität aber nicht nur politische Isolation,
sondern auch vermehrte Verteidigungsausgaben, die weit über dem österreichischen Stan -
dard (0,8% BIP) bzw. auf oder über dem Durchschnitt vergleichbarer NATO - Mitgliedsstaaten
liegen, wie die Beispiele Schweiz (1,6% BIP), Schweden (3,78% BIP) und Finnland (2% BIP)
einerseits sowie Belgien /1,2% BIP) und Dänemark (2,1 % BIP) andererseits klar darstellen.
Ehrliche Information der Bürger wäre notwendig

Die österreichische Bundesregierung ist daher nicht nur gut beraten, sich rasch vollständig von
Konzepten der Vergangenheit zu trennen, sondern auch an der Entwicklung in Europa vollbe -
rechtigt mitzuwirken. Es wäre ihre Pflicht, den Bürgern mitzuteilen, daß wir zwar als "Neu -
traler" in die Europäische Union gegangen sind, aber dort höchstens als •‚Bündnisfreier" an -
gekommen sind. Eine Tatsache, die die Regierungen Schwedens und Finnlands gelassen aus -
sprechen.
Es wäre aber auch dringend an der Zeit, die Bürger über den wahren Status Österreichs in
Fragen der Sicherheitspolitik aufzuklären. Vor allem deshalb, da dieser "schleichend" und
unter Umgehung des Parlaments eingenommen wurde.
Durch den Abschluß des Rahmenübereinkommens mit der NATO (pfp) ohne Staatsvertrag im
Sinne des Art. 50 B - VG und den sich aus der Vollziehung dieses Abkommens ergebenden
notwendigen Maßnahmen, wie der Übernahme des Truppenstatuts der NATO (SOFA), wur -
den und werden Schritte gesetzt, die mit der Neutralität nach "Schweizer Muster", wie sie für
Österreich dann zumindest formell verbindlich wäre, nicht vereinbar sind. Mit dem Beschluß
der Bundesregierung über die Teilnahme an der erweiterten PfP (ePfP) vom 24. November
1998 sind nunmehr in diesem Rahmen neben humanitären und friedenserhaltenden Missio -
nen in Zukunft auch militärische Einsätze zur Friedensdurchsetzung (Kampfeinsätze) der Part -
nerstaaten ermöglicht worden. An diesen will sich die Bundesregierung daher auch beteiligen.
Die Anfragesteller vertreten zwar keinesfalls den Standpunkt, daß Österreich zum Status der
Neutralität zurückkehren sollte, sie halten aber die objektive Information der Staatsbürger
über diese Schritte und eine verfassungskonforme Vorgangsweise für dringend geboten.
Dies bedeutet, daß die Regierung von ihrer Politik der "Verschleierung und Verschweigung"
sowie der "ungesetzlichen" Maßnahmen und Schritte ohne Einbindung des Parlaments und
der Bevölkerung abzugehen und rasch die nötigen Entscheidungsgrundlagen für die anste -
henden Probleme vorzulegen hat. Ansonsten wird neben der Lächerlichkeit (APA 351,
17.02.97), der sich Österreich seit mehreren Jahren in Fragen der Sicherheitspolitik aussetzt,
ein verfassungswidriger Weg beschritten. Weiters wird dadurch die Bevölkerung in einem
derart hohen Maß verunsichert, daß dies letztlich zu einer völligen Ablehnung der notwendi -
gen Maßnahmen führen könnte.
SPÖ und ÖVP schwindeln sich um eine Entscheidung

Diese Linie wird aber vor allem vom Moskau - Flügel der SPÖ (Fischer, Kostelka u.a.) unter -
stützt, deren Argumente dafür aber mehr als schwach sind:
• durch UNO, EU und OSZE - Mitgliedschaft wären wir vollständig integriert und wirken am
Aufbau eines europäischen Sicherheitssytems mit;
• die NATO sei ein Militärbündnis und somit ein Instrument des "Kalten Krieges", das über
keinerlei Konfliktpräventionsmechanismen verfügt;
• bei einem NATO - Beitritt würden fremde Soldaten und Atomwaffen in Österreich statio -
niert;
• die Kosten für die Landesverteidigung würden in der NATO sprunghaft ansteigen;
• Österreich müßte als NATO - Mitglied bei bewaffneten Konflikten Soldaten abstellen und
• ein Beitritt sei daher mit der Neutralität nicht vereinbar.
Vergessen oder verschwiegen wird dabei, daß:
• die Entwicklung eines europäischen Sicherheitssystems der EU nur im Wege einer Ver -
schmelzung mit der WEU geschehen wird, was BK Klima im Zuge des EU - Gipfels in
Pörtschach 1998 begrüßt hat (EUROPE 26. und 27. Oktober 1998);
• die WEU seit dem Beschluß von Kirchberg 1994 nur mehr Staaten aufnimmt, die sowohl
EU - als auch NATO - Mitglieder sind;
• weder EU und WEU noch UNO oder KSZE ohne militärische Elemente der NATO in der La -
ge sind, die militärischen Sicherheitsprobleme Europas zu lösen (siehe Bosnien - Einsatz);
• Österreich bereits heute an militärischen Aktivitäten im Rahmen der NATO im Ausland teil -
nimmt und sich in Zukunft sogar an Kampfeinsätzen beteiligen will (Amsterdamer - Vertrag,
CENCOOP - Brigade und Unterstellung der österreichischen Truppen in Albanien unter das
Kommando AMFL der NATO in Heidelberg);
• sich 9 von 19 NATO - Mitgliedern nicht an den Einsätzen zur Rettung der Kosovaren mit
Truppen beteiligen;
• die NATO - Staaten Dänemark und Norwegen kein Atomwaffen und Frankreich keine
NATO - Truppen auf ihrem Territorium dulden;
• in Österreich ständig NATO - Truppen üben oder durch unser Land über Ungarn nach Bosni -
en fahren und von dort in den Kosovo - Einsatz gehen; und
• die Verteidigungsausgaben eines neutralen oder bündnisfreien Kleinstaates nahezu doppelt
so hoch sein müßten, wie die Beispiele der Schweiz, Schwedens und Finnlands zeigen.
Aber auch die ÖvP hat in dieser Frage keine klare Linie. Während Verteidigungsminister Fass-
labend bis zum Juni 1997 noch für eine Entscheidung über die NATO im laufenden Jahr ein-
trat, kündigte er im Oktober 1997 deren Verschiebung auf den Herbst 1999 an (Kurier,
2.10.1997). Auch wenn sich daraus seiner Ansicht nach ‚1gravierende Nachteile" für Öster-
reich ergeben würden. Vizekanzler Schüssel, der für seine "pointierten" außenpolitischen Be-
trachtungen - vor allem bei Frühstücken - bekannt ist, legte sich im Laufe des Jahres 1 998 auf
insgesamt fünf verschiedene Zeitpunkte für die Entscheidung fest und ist sich nun nicht im-
mer ganz sicher, ob er für oder gegen einen Beitritt sein soll und falls doch: komme dieser aus
seiner Sicht heute oder morgen sowieso nicht in Frage (APA 24.4.1999). Vor allem aber die
ÖVP-LH im Westen Österreichs sind nicht auf Parteilinie zu bringen und halten im Gegensatz
zum Parteiobmann, der Österreichs Stellung in der EU ohne NATO-Beitritt gefährdet sah
(Presse, 2.5.1997), die NATO für ein Konzept, das auf Feindbildern aufbaut (Weingartner,
19.8.1996). Die Entwicklungen rund um den Optionenbericht, aber vor allem das jüngste
Verhalten des Klubobmanns Khol in der Kosovo - Frage haben gezeigt, daß es der ÖVP mit
einer seriösen Sicherheits - Debatte eigentlich nicht wirklich ernst ist (SN‘ 20. April 1 999).
So war auch die ÖVP - Spitzenkandidatin Stenzel, die sich seit kurzem nicht nur von der ÖVP
sondern auch von der NATO ständig distanziert, noch am 16.5.1998 in einer ÖVP-
Presseaussendung der Meinung: "Die Neutralität hat sich durch die Veränderungen der politi -
schen Situation überlebt.", während sie am Parteitag der ÖVP am 23.4.1999 davon sprach:
"Die Neutralität steht nicht zur Disposition.".
Die Regierung hat den EU - Vorsitz verschlafen
Die österreichische Präsidentschaft im letzten Halbjahr hätte der Regierung die Möglichkeit
gegeben ihre Position der "österreichischen Restneutralität" in den europäischen Einigungs -
prozeß einzubringen. Darauf hat sie aber gewissentlich verzichtet, so wie sie schon im Zuge
des EU - Beitritts darauf verzichtete: "...die Neutralität zum Thema der Beitrittsverhandlungen
zu machen." (Bericht der Bundesregierung über das Ergebnis der Verhandlungen über den
Beitritt Österreichs zur Europäischen Union).
DIE GASP war der Bundesregierung in ihrem Programm der österreichischen Präsidentschaft
nur wenige substanzlose Zeilen und keinen einzigen konkreten Beschluß wert. Im Gegenteil
zur später verkündeten aktiven Neutralitätspolitik unterstützte BK Klima den Vorschlag des
britischen Premiers, Tony Blair, und den darauffolgenden französisch - britischen Vorstoß von
St. Malo, der auf eine Verschmelzung von EU und WEU hinausläuft und der die Position und
die Verpflichtungen der NATO - Mitgliedsländer in der EU berücksichtigt.
Der WEU - Beitritt Österreichs ist bereits geplant

Der Vertrag von Amsterdam sieht im Artikel J.7 vor, daß die WEU integraler Bestandteil der
Entwicklung der Union ist und die GASP zu einer gemeinsamen Verteidigung führen wird,
sofern dies der Europäische Rat beschließt. Dazu bedürfte es dann keiner Vertragsänderung
des EU - Vertrages mehr und somit auch keines Beschlusses der nationalen Parlamente, son -
dern lediglich der Annahme gemäß der verfassungsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedsstaa -
tes. Diese ist in Österreich durch die neue Fassung des Artikel 23f Bundesverfassung gegeben,
weshalb es dann weder einer Verfassungsänderung noch eines Staatsvertrages bedürfte, um
eine gemeinsame Verteidigungsunion der EU in Österreich einzuführen.
Der Vertrag von Amsterdam nimmt aber auch auf die Verpflichtungen der NATO - Staaten in
der EU explizit Rücksicht, während er keine Ausnahmen für ein neutrales Mitgliedsland
macht.
WEU - Beitritt ist ohne NATO - Mitgliedschaft nicht möglich
Eine alleinige WEU - Mitgliedschaft Österreichs ohne gleichzeitigen Beitritt zur NATO wird
auch, wie zahlreiche Experten in der parlamentarischen Enquete "Perspektiven der europäi -
schen Sicherheitsstruktur und die Rolle Österreichs" eindeutig dargelegt haben, nicht möglich
sein. So ist spätestens seit dem Kirchberger - Beschluß der WEU 1994 festgelegt, daß der Bei -
tritt zur WEU an die Mitgliedschaft in der EU und der NATO gebunden ist. Österreich ist daher
im Interesse seiner Sicherheit und entsprechend den Zielen seiner europäischen Positionierung
gefordert rasch zu handeln.
Dies wurde auch im Amsterdamer Vertrag bestätigt, in dessen "Erklärung zur Westeuropäi -
schen Union" festgehalten wird: "Die WEU stellt ein entscheidendes Element der Entwicklung
einer Europäischen Sicherheits - und Verteidigungsidentität innerhalb der Atlantischen Allianz
dar und wird sich daher weiterhin um eine verstärkte institutionelle und praktische Zusam -
menarbeit mit der NATO bemühen.".
Das Bundesheer wird vernachlässigt

Diese zwiespältige Haltung hat aber nicht nur zu einer Verunsicherung der Bevölkerung und
einer mangelnden sicherheitspolitischen Positionierung der Regierung beigetragen, sondern
auch dazu, daß Österreich seine eigene Verteidigungsfähigkeit in zweierlei Art massiv ver -
nachlässigt hat. So gibt es derzeit keinen Schutz durch das Bündnis, es wurden aber auch die
eigenen Streitkräfte nicht auf jenen Standard gebracht, der aufgrund der aktuellen Bedro -
hungsszenarien bzw. der laufenden und zukünftigen Einsatzspektren notwendig wäre.
Obwohl die Aufgaben des Heeres immer umfangreicher und auch gefährlicher werden, wird
das LV - Budget immer geringer. Daraus ergeben sich zwangsweise Probleme für die Truppe in
personeller wie materieller Hinsicht. Dies wurde durch den jüngsten Einsatz in Albanien wie -
der ein Mal mehr als deutlich, der nur durch die Aufbietung der letzten materiellen wie per -
sonellen Kräfte sichergestellt werden konnte. Darunter leidet natürlich die Einsatzfähigkeit des
Bundesheeres für die militärische Landesverteidigung, die immer noch die wichtigste Aufgabe
des § 2 Abs. 1 Wehrgesetz ist.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte an den Herrn Bundeskanzler,
der in Fragen der Außen - und Sicherheitspolitik sowie des Neutralitäts - und Kriegsmaterialen -
rechts Vollziehungs - oder Mitwirkungskompetenzen hat, nachstehende

D R I N G L I C H E A N F R AG E :


1. Teilen Sie die Ansicht, daß der Einsatz schärfster Maßnahmen - einschließlich militärischer
Aktionen - im Kosovo notwendig und gerechtfertigt war?
Wenn ja: warum sind Sie dann gegen die Erteilung von Überflugsgenehmigungen für
NATO - Jets für den Kosovo - Einsatz?
2. Wie stellen Sie sicher, daß NATO - Flugzeuge oder Truppen, die über oder durch Österreich
nach Bosnien fliegen oder fahren, nicht an Kampfhandlungen zum Schutze der Kosovaren
teilnehmen?
3. Ist Ihnen bekannt, daß eine Eisenbahnverbindung, die über bosnisches Territorium führt
und Serbien mit Montenegro verbindet, im Zuge des Kosovo - Konflikts von SFOR - Truppen
gesprengt wurde?
Wenn ja: welche Schlüsse hinsichtlich obiger Durchfuhr - und Überflugsgenehmigungen
für SFOR - Truppen haben Sie daraus gezogen?
Wenn nein: weshalb nicht?
4. Ist Ihnen bekannt, daß jene NATO - Hubschrauber, die abgestürzte amerikanische Piloten
nach der Rettung abtransportiert haben, unmittelbar danach auf Stützpunkten der SFOR
gelandet sind?
Wenn ja: welche Schlüsse hinsichtlich obiger Durchfuhr- und Überflugsgenehmigungen
für SFOR - Truppen haben Sie daraus gezogen?
Wenn nein: weshalb nicht?
5. Wieso sind die österreichischen Truppen des SFOR - Kontingents und in Albanien jeweils
zwei NATO - Kommanden unterstellt bzw. diesen gegenüber weisungsgebunden?
6. Welche NATO - Kommanden führen den Befehl über Truppen, die sich Ihrer völkerrechtli -
chen Beurteilung nach im Krieg mit Serbien befinden?
Wenn keine: wieso sind Sie dann gegen die Erteilung von Überflugsgenehmigungen für
NATO - Jets, die diesen Kommanden unterstehen, für den Kosovo - Einsatz?
7. Untersteht das Kommando AMFL (allied mobile force land) der NATO, dem die österreichi -
schen Truppen in Albanien unterstehen, einem der obigen kriegsführenden Kommanden?
Wenn ja: welchem?
Wenn nein: wie kommen Sie zu dieser Beurteilung?
8. Welche konkreten verfassungswidrigen Schritte bzw. Maßnahmen haben "hochrangige
ÖVP - und Regierungsmitglieder" gesetzt, die Sie jüngst veranlaßten, diese hochrangigen
ÖVP- und Regierungsmitglieder zu einer Rückkehr zu einer verfassungsmäßigen Neutrali -
tätspolitik" aufzufordern?
9. Sind Sie, ebenso wie der Klubobmann der SPÖ, Kostelka, der Meinung, daß "der Militär -
schlag gegen die Serben die Eskalation der Gewalt beschleunigt habe"?
Wenn ja: warum haben Sie den Erklärungen des Europäischen Rates von Berlin zuge -
stimmt?
10. Schließen Sie sich der Kritik des SPÖ - Klubobmannes Kostelka an den NATO - Staaten, die
zugleich EU - Mitglieder sind, an, die sich erlaubt haben, in der Washingtoner - Erklärung der
NATO eine intensive Kooperation zwischen EU und NATO zu befürworten?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: wann und in welcher Form werden Sie diese Kritik den anderen EU -
Mitgliedstaaten, die gleichzeitig NATO - Mitglieder sind, mitteilen bzw. übermitteln?
11. Teilen sie die Ansicht des SPÖ - Klubobmanns im Wiener Landtag, Hatzl, daß der amerikani -
sche Präsident, Bill Clinton, ein Kriegstreiber ist?
12. Aus welchen konkreten Gründen sind Sie "mit einiger Sorge" zum Treffen des "European
Atlantic Partnership Council" (AEPC) der NATO nach Washington gereist?
13. Welche Positionen haben Sie bislang im EAPC vertreten, wenn Sie sich für das Treffen in
Washington "vorgenommen haben, sehr klar die österreichische Position zu vertreten"?
14. Welche Haltung werden Sie einnehmen, wenn der deutsche EU - Vorsitzende ein Doku -
ment über die Weiterentwicklung der Verteidigungsunion zur Abstimmung bringen wird,
in dem gefordert wird, daß: "Die Fähigkeit aller EU - Mitgliedsstaaten, voll an europäischen
Operationen unter Einsatz von NATO - Ressourcen teilzunehmen...Vorraussetzung für die
erfolgreiche Schaffung einer europäischen Verteidigungsfähigkeit..." ist?
15. Wie beurteilen Sie den Vorschlag des deutschen Bundeskanzlers, eine Personalunion zwi -
schen dem WEU - Generalsekretär und dem Hohen Vertreter der Gemeinsamen Außen -
und Sicherheitspolitik der EU (,,Mr. GASP") herzustellen?
16. Begrüßen Sie eine Verschmelzung der WEU mit der EU, wie sie vom britischen Premiermi -
nister, Tony Blair, vorgeschlagen wurde?
17. Begrüßen Sie die französich - britische Erklärung von St. Malo, vom 4. Dezember 1998, die
bei der Entwicklung der Europäischen Verteidigungsunion, die auch eine Verschmelzung
von WEU und EU bedeuten könnte, jedenfalls die Aufrechterhaltung der Beistandsver -
pflichtung gemäß Artikel 5 des Vertrags von Washington (NATO) und des Artikel V des
Brüsseler Pakts (WEU) in dieser Union vorsieht?
Wenn nein: warum haben sie daß dann bei den Schlußfolgerungen des Europäischen Ra -
tes in Wien (11. und 12. Dezember 1998) getan?
Wenn ja: wäre diese Europäische Verteidigungsunion dann ein Militärbündnis?
Wenn ja: könnte ein neutrales Österreich dann Mitglied darin sein?
Wenn ein ,,restneutrales" Österreich darin kein Mitglied sein kann: was werden Sie dann
tun?
18. Wie soll in Österreich fünf Jahre lang nicht über die ,,Restneutralität" diskutiert werden,
wenn diese aber für Österreich durch den Vertrag von Amsterdam materiell abgeschafft
wurde?
19.Wie soll in Österreich fünf Jahre lang nicht über die ,,Restneutralität" diskutiert werden,
wenn Sie die Aufforderung zur Rückkehr zur Neutralitätspolitik sogar plakatieren lassen?
20. Glauben Sie als Bundeskanzler und Vorsitzender des Landesverteidigungsrates, daß die
budgetären Mittel des Bundesheeres ausreichen, um alle gesetzlich gestellten Aufgaben (§
2 WG) zu erfülllen?
Wenn ja: weshalb mußte dann für die Einsätze in Galtür und Albanien Lufttransportraum
angemietet werden?
Wenn nein: werden Sie daher für eine Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets für das
laufende Jahr 1999 eintreten?
Wenn Sie für eine solche Erhöhung eintreten: welche Summe wird diese ausmachen?
 
 
 
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 der
Geschäftsordnung des Bundesrates dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zu behandeln
und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

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HTML-Dokument erstellt: May 31 16:33