1740/J-BR BR

DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 61 Abs. 3 GO - BR


 
der Bundesräte Freiberger, Johanna Schicker, Meier
und Genoss/Innen
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend das durch den Bund verursachte Desaster in der Verkehrspolitik für die Steiermark
Die schlechte verkehrspolitische Erreichbarkeit der Steiermark ist nach wie vor ein
bedeutender Hemmschuh für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Bundeslandes.
Gemäß einer Studie des Instituts für Verkehrswissenschaft schneidet die Steiermark bei der
Erreichbarkeit innerhalb von drei Stunden Geschäftsreiseverkehr in Europa nur
durchschnittlich bis schlecht ab. Innerhalb von drei Stunden lassen sich von der Steiermark
aus nur knapp 13 Millionen Menschen erreichen (vergleichbar mit Teilen Ostpolens),
während sich in europäischen Topregionen wie Brabant in Belgien oder Darmstadt in
Deutschland in derselben Zeit 150 Millionen Menschen erreichen lassen.
Auch im innerösterreichischen Erreichbarkeitsvergleich liegt die Steiermark sehr schlecht. So
liegt Graz an der 66., Graz - Umgebung an der 60. oder Deutschlandsberg an der 79. Position
der 99 Bezirke Österreichs. Nur Bruck an der Mur und Mürzzuschlag befinden sich überhaupt
in der oberen Hälfte. Dies behindert die Zukunftsaussichten der Steiermark ganz entschieden,
bestimmt die Güte der Verkehrsinfrastrukturen gemäß einer Studie des Instituts für
Verkehrswissenschaft doch zu einem Fünftel über Neuansiedlungen und zur Hälfte über die
Wirtschaftskraft einer Region.
Gleichzeitig könnte die Steiermark als ein dynamisches Zentrum im Südosten Europas eine
Drehscheibenfunktion zwischen Nordwest - und Südeuropa einnehmen. Die Steiermark
braucht allerdings dazu leistungsfähige Verkehrsverbindungen zu den Wirtschaftszentren im
Übrigen Österreich und zu den Wirtschaftspartner in ganz Europa. Zwar konnten durch den
Bau der A 9 und der A 2 in der Vergangenheit Verbesserungen im Anschluss an das
hochrangige Straßenverkehrsnetz bewirkt werden, die Schwachstelle der Steiermark liegt aber
nach wie vor bei den Anschlüssen an das hochrangige Bahnnetz. So weisen die steirischen
Bahnlinien, insbesondere die Südbahn, eine zu geringe Leistungsfähigkeit auf. Dies ist umso
gravierender, als gerade die Südbahnstrecke, durch das rasch steigende Anwachsen des
Verkehrsaufkommen in Richtung Zentral - und Nordeuropa, zur bedeutenden Transitschiene
zwischen den adriatischen Häfen und dem nordeuropäischen Zentralraum werden kann.
Durch den Bau des Semmering - Basistunnels und der Koralmbahn würde sich die
Erreichbarkeit (im Geschäftsreiseverkehr) steirischer Bezirke jedenfalls eklatant verbessern.
(Zum Beispiel für Graz im innerösterreichischen Vergleich um 16 Ränge, für
Deutschlandsberg um 39 Ränge oder für Mürzzuschlag um 29 Ränge). Eine alleinige
Bewältigung des Verkehrs auf der anschließenden Südachse würde eine Umwelt - und
verkehrspolitische Katastrophe darstellen. Prognoseschätzungen gehen davon aus, dass sich
der PKW - Verkehr auf der Südachse von derzeit 15.000 bis 20.000 pro Tag auf ca. 40.0000
pro Tag bis 2015 verdoppeln wird. Im Straßengüterverkehr ist sogar auf einen Anstieg von
150 % auszugehen, wobei die Fertigstellung der Semmering - Graz - Strecke einen großen Teil
dieses Verkehrs anziehen wird. Der Ausbau einer leistungsfähigen Südbahn ist daher
unverzichtbar.
Von allen vielfach untersuchten Planungsvarianten hat sich der Semmering - Basistunnel
hinsichtlich der Errichtungszeiten und Kosten als beste Variante herausgestellt. Er weist
nachstehende Vorteile auf:
1. Eine Streckenverkürzung von mehr als 40 %.
2. Eine Verkürzung der Reisezeit von 30 Minuten. So würde sich mit Semmering -
Basistunnel und Neigezugtechnik die Falrrzeit von Wien nach Graz um 1 Stunde, die
Fahrzeit von Wien nach Villach um 1 Stunde und 40 Minuten im Personenverkehr
verkürzen.
3. Eine bestmögliche Eignung für alle Formen des Güterverkehrs und des kombinierten
Verkehrs.
4. Eine hohe Ersparnis bei Betriebs - und Erhaltungskosten.
5. Eine für die Erhaltung der Ghegabahn dringend notwendige Entlastung.
6. Eine Lärmreduktion in der Tourismusregion Semmering.
Obwohl Sie als vorheriges Mitglied der steirischen Landesregierung mit allen Problemen der
steirischen Verkehrspolitik vertraut sind und damals auch die konsequente Haltung der
steirischen Landespolitik, insbesondere angesichts des Widerstandes des
niederösterreichischen Landeshauptmannes Pröll gegen den Semmering - Basistunnel
mitgetragen haben, wurde in Ihrer Amtszeit nichts für eine Verbesserung der
Verkehrsinfrastruktur der Steiermark erreicht. Vielmehr haben Sie gleich zu Beginn Ihrer
Amtszeit den Semmering - Basistunnel in seiner Sinnhaftigkeit in Frage gestellt. Wenig später
haben Sie alles dementiert und sind für eine raschestmögliche Fertigstellung des Semmering -
Basistunnels eingetreten. Wieder wenig später haben Sie ein Rechtsgutachten fertig stellen
lassen und daraufhin einen endgültigen "Baustopp" für den Semmering - Basistunnel
verkündet, bis Niederösterreich einen Naturschutzbescheid erlassen werde. Obwohl die
steiermärkische Landesregierung angesichts des bevorstehenden Ablaufs der Frist mit 13. Juli
für den niederösterreichischen Naturschutzbescheid in ihrer Landesregierungssitzung am 26.
Juni die Bundesregierung mit Nachdruck aufgefordert hat, die Realisierung des Semmering -
Basistunnels so schnell wie möglich umzusetzen und nicht durch die gegebene
Rechtsunsicherheit wichtige andere Schienenprojekte in der Steiermark zu blockieren, haben
Sie praktisch kampflos als zuständiger Minister zugesehen, wie Niederösterreich den
Naturschutzbescheid für ein weiteres halbes Jahr trotz Fristablaufs verweigert. In der
Regierungssitzung vom 8. August 2000 mussten Sie sogar ohnmächtig zusehen, wie der
Bundesminister für Inneres, Strasser, seine Zustimmung zu Ihrem Antrag hinsichtlich der
Beeinspruchung des niederösterreichischen Naturschutzgesetzes ablehnte.
Am 5. Oktober 2000 präsentierten Sie in Gloggnitz ein Rechtsgutachten der Kanzlei Parfüss,
wonach das Projekt Semmering - Basistunnel gemäß dem niederösterreichischen
Naturschutzgesetz nicht bewilligungspflichtig ist. Für ein geringfügig modifiziertes Projekt
wollen Sie eine erneute Ausschreibung vornehmen lassen. Wie die entsprechenden
Enteignungen durchführen. In diesem Sinn haben Sie die HL - AG bereits beauftragt, alle
Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Bauarbeiten einzuleiten. Allerdings existieren auch
entgegenlautende Rechtsmeinungen, wie z.B. von Seiten des niederösterreichischen
Umweltanwalts, Professor Dr. Harald Rossmann, der das Projekt Semmering - Basistunnel für
sehr wohl bewilligungspflichtig gemäß dem niederösterreichischen Landwirtschaftsgesetz
hält. Bei Fortsetzung Ihrer Aktivitäten besteht sogar die Gefahr, dass erneut Millionen an
Ausschreibung - und Planungskosten ausgegeben werden, ohne dass entsprechende
Rechtssicherheit die Durchsetzung des Projektes Semmering - Basistunnel besteht.
Als zuständiger Bundesminister haben sie aber auch nichts für die straßenseitige
Infrastruktur - Verbesserung der Steiermark getan, außer dass das Bundesstraßenbudget 2000
in einem Erlass ihrerseits mit Ende März auf eine Bauprogrammsumme von 869 Mio. für die
Steiermark reduziert wurde; dies entspricht einer 15%igen Kürzung der Budgetmittel.
Dadurch ergibt sich ein Jahresbudget auf Grund dessen im Wesentlichen nur angefangene
Bauvorhaben weitergeführt werden können. Für das Jahr 2001 haben Sie jetzt zusätzliche
Mittel bereits angekündigt. Dies ist auch erforderlich, besteht doch ein dringender Ausbau - ,
Umbau - bzw. Sanierungsbedarf im Besonderen in der Steiermark für nachstehende Projekte:
• Lückenschluss im Autobahnen - und Schnellstraßennetz
• Lückenschluss des zweiten Südgürtels in Graz an der B 67
• Direktanschluss des Grazer Flughafens
• Notwendige Sanierungsarbeiten im Bereich der A 2 und A 9 sowie im Schnellstraßennetz
• Ausbau zweiter Tunnelröhren an der A 2
• Ausbau der B 78 Zeitweg - Weißenkirchen
• Ausbau derB 114 Trieben
• Ausbau der B 76 in Bereich Johngraben (inkl. Lärmschutz)
• Ortsumfahrung Neumarkt und Ortsumfahrung St. Georgen im Bereich Unzmarkt an der
B 317 sowie Lückenschluss des 4 - spurigen Ausbaus
• Ortsumfahrung Großwilfersdorf an der B 319
• Ausbau der B 68 mit der Querspange Gnas
• Ausbau der B 70 zur Verbesserung der Anbindung des Voitsberger und Köflacher Raums
an den Zentralraum Graz
• Ortsumfahrung Weiz (B 64)
• Ausbau der B 20 im Bereich Dreiacher Senke
• Lärmschutzmaßnahmen im Bereich B 70 Voitsberg/Rosental/Köflach (dort auch an der
B 77)
• Lärmschutzmaßnahmen an der B 72 Krottendorf
Für das von Lärm und Transit geplagte Ennstal bringen Sie schließlich eine
Altplanungsvariante wieder ins Spiel, nämlich eine Trasse südlich der Enns prüfen zu lassen.
Nach heftigen Protesten aus der Regierung sagen Sie schließlich in einer Veranstaltung:
"Sollten meine Ideen am Widerstand der Gemeinden scheitern, ist die bestehende Trasse der
B 320 auszubauen". Durch die unklaren Vorgaben Ihrerseits wird der Entscheidungsprozess
weiter verzögert und der Baubeginn weiter hinausgeschoben werden.
Die unterzeichneten Bundesrätinnen richten daher an den Bundesminister für Verkehr,
Innovation und Technologie nachstehende

Anfrage


1. Welche Maßnahmen haben Sie als Bundesminister bisher gesetzt, um die hochrangig
benachteiligte Situation der Steiermark hinsichtlich der Anbindung im hochrangigen
Schienen - und Straßennetz zu verbessern?
2. Weshalb wurde der Beschluss der steiermärkischen Landesregierung vom 26. Juni
betreffend den Semmering - Basistunnel nicht umgesetzt? Warum haben Sie als
zuständiger Bundesminister es stillschweigend zugelassen, dass Niederösterreich den
Naturschutzbescheid für ein weiteres halbes Jahr nicht erlässt?
3. Wie ist die Haltung der Bundesregierung nach der Ablehnung ihres Antrages zur
Beeinspruchung des niederösterreichischen Naturschutzgesetzes in der Ministerratssitzung
vom 7. August? Fühlen Sie sich als Infrastrukturminister noch in der Lage, eine
zukunftweisende Verkehrspolitik in Österreich umzusetzen?
4. Welche Maßnahmen werden Sie als Verkehrsminister jetzt setzen, damit der Semmering -
Basistunnel rasch gebaut werden kann? Sind Sie in der Lage, dafür benötigte
Ministerratsbeschlüsse zu erreichen und umzusetzen?
5. Halten Sie es nicht für erforderlich, einen Ministerratsbeschluss herbeizuführen, wonach
entweder die Ausschreibung für ein modifiziertes Bauprojekt Semmering - Basistunnel
beschlossen wird, es keine Bewilligung nach dem niederösterreichischen
Naturschutzgesetz benötigt oder eine Verfassungsänderungsänderung vorgeschlagen wird,
wonach bundesrechtlich festgelegte Hochleistungsstrecken auch einschließlich des Natur -
und Landschaftsschutzes Bundessache sind.
6. Warum akzeptieren Sie, dass der parallel zum Semmering - Basistunnel projektierte
Semmering - Straßentunnel von Niederösterreich naturschutzrechtlich bewilligt wird? Sind
Sie sich darüber im Klaren, dass damit ein wesentlicher Schritt für eine
"Straßentransithölle" für die Steiermark ohne die entsprechende Schieneninfrastruktur und
der damit verbundenen Möglichkeit der Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße
auf die Schiene gelegt werden wird?
7. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die sonstige Bahninfrastruktur in der
Steiermark zu verbessern? Können Sie dabei garantieren, dass der Betrieb auf den
Nebenbahnen in vollem Umfang erhalten bleiben wird?
8. Wird die Bundesregierung auch weiterhin alles unternehmen, um den im steirischen
Gesamtkonzept vorgesehenen flächendeckenden öffentlichen Verkehr sicher zu stellen?
9. Welche zusätzlichen Mittel für den Ausbau bzw. die Erhaltung der Bundesstraße B in der
Steiermark werden in den Jahren 2001 und 2002 zur Verfügung stehen? Welche
konkreten Infrastrukturprojekte werden in der Steiermark durchgeführt werden?
10. Welche Entscheidung werden Sie im Hinblick auf die endgültige Trassenfestlegung der
B 320 und den Problemkreis "Ennsnahe Trasse" treffen?
 
Unter einem wird in formellem Sinn verlangt, diese Anfrage im Sinne des
§ 61 Abs. 3 GO - BR nach Erledigung der Tagesordnung dringlich zu behandeln.

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HTML-Dokument erstellt: Oct 16 15:45