2009/J-BR BR
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 61 Abs. 3 GO-BR
Die Verfassungsbestimmung des § 2 Abs. 1 Unvereinbarkeitsgesetz 1983 sieht vor, dass die
Mitglieder der Bundesregierung während ihrer Amtstätigkeit keinen Beruf mit
Erwerbsabsicht ausüben dürfen. Dazu präzisiert Abs. 4 der zitierten Bestimmung, dass die
Verwaltung des eigenen Vermögens nicht als Ausübung eines Berufes gelte.
Mit dieser Verfassungsbestimmung soll sichergestellt werden, dass jedes Mitglied der
Bundesregierung sich zunächst völlig auf seine Funktion konzentrieren und dieses Amt
unbeeinflusst von allen anderen Interessen wahrnehmen kann. Diese Bestimmung kann auch
als eine zentrale Bestimmung des österreichischen politischen Systems definiert werden, eben
jene Bestimmung, die die Unabhängigkeit der Regierungsmitglieder gewährleistet und damit
die Republik Österreich zu einem Rechtsstaat macht.
Die Zeitschrift News hat nunmehr am 18.7.2002 in der Öffentlichkeit aufgedeckt, dass
Bundesminister Böhmdorfer bis zum heutigen Tag von seiner ehemaligen
Kanzleigemeinschaft monatlich 100.000,- ATS netto zuzüglich 20 % Umsatzsteuer an
Pachtzins bekomme. Diese Berichterstattung, die von Bundesminister Böhmdorfer
ausdrücklich bestätigt wurde, steht im Widerspruch zu anderen öffentlichen Aussagen des
Bundesministers, so beispielsweise Kurier vom 30.8.2000: "Justizminister Dieter Böhmdorfer
(FPÖ) erklärte am Dienstag, dass er in keinster Art und Weise an seiner früheren Kanzlei
beteiligt ist. Die Verwendung seines Namens im Zusammenhang mit der Kanzleibezeichnung
sei rechtmäßig."
Unmittelbar nach seiner Angelobung stellte der vormalige FP-Anwalt Böhmdorfer seine
Rechtsanwaltschaft ruhend. Einen Monat später, am 20. März 2000, errichtete Böhmdorfer
einen Abtretungsvertrag, in welchem er seinen 50 %-Anteil an der Rechtsanwälte
Böhmdorfer-Gheneff KEG an seine vormalige Kanzlei-Partnerin Huberta Gheneff abtrat. Was
Böhmdorfer aus dieser Abtretung erhalten hat, verschweigt er bisher.
Doch in Folge kam es zu einem weiteren Geschäft, nämlich zur Errichtung eines schriftlichen
Pachtvertrages am 29. März 2000. Dieser Pachtvertrag wurde abgeschlossen zwischen dem
Justizminister Böhmdorfer als Verpächter und der Rechtsanwälte Böhmdorfer-Gheneff KEG
als Pächter andererseits. Pachtgegenstand ist die Rechtsanwaltskanzlei Böhmdorfer samt
Klientenstock und Anlagevermögen. Der Pachtvertrag wird für die Dauer der Ausübung der
Amtstätigkeit als Bundesminister für Justiz abgeschlossen; der monatliche Pachtzins beträgt
100.000,- ATS (7.267 €) netto zuzüglich Umsatzsteuer und ist jeweils am Monatsersten fällig.
Dazu Böhmdorfer: Der Pachtvertrag wurde schon vorher mündlich abgeschlossen, nämlich
für den Zeitraum vom 1.5.1998 bis 30.6.1999 und habe deswegen nichts mit seiner Funktion
als Bundesminister zu tun. Es ist eine Tatsache, dass Böhmdorfer seit 29.2.2000
Justizminister ist. Weiters, dass nach seinen eigenen Angaben der mündliche Pachtvertrag am
30. Juni 1999 ausgelaufen ist. Nach seinen Angaben hat weiters mit Vertrag vom 29. März
2000 der mündliche Vertrag rückwirkend wieder zu laufen begonnen, nämlich ab 1. Juli 1999
und Tatsache ist weiters, dass es noch im Juli 2002 zu einer Zahlung aus diesem Verhältnis
gekommen ist.
Rechnet man das zusammen, bedeutet es: Böhmdorfer hat als Justizminister rückwirkende
Pachtzahlungen vom 1. Juli 1999 bis Ende März 2000 und ab April 2000 regelmäßige
monatliche Pachtzahlungen erhalten. In Summe bedeutet das: 9 mal rückwirkende
Pachtzahlungen und 28 mal laufende Pachtzahlungen, was zusammengerechnet
3,700.000 ATS (268.889 €) betragen würde, die Böhmdorfer aus dem schriftlichen
Pachtvertrag samt rückwirkender Verlängerung erhalten hat.
Bei der Kanzlei, die diese Zahlungen leistet, handelt es sich - wie jeder weiß - nicht um eine
gewöhnliche Kanzlei. Nein, es ist jene Kanzlei, die im Auftrag der Regierungspartei FPÖ
Oppositionspolitiker mit Klagen zudeckt. Es ist jene Kanzlei, die für diese Vorgangsweise
steht, die sogar international gerügt wurde.
In Anbetracht dieser Tatsachen erhebt sich die Frage, ob Böhmdorfer tatsächlich völlig
unabhängig sein Amt ausüben konnte oder, ob er nicht vielmehr dieser Kanzlei verpflichtet
war und ist. Für die SPÖ liegt hier eine klare Unvereinbarkeit vor: Einerseits eine höchst
sensible politische Unvereinbarkeit zwischen dem Organ Justizminister, dem beispielsweise
die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden unterstellt ist, und den Interessen einer
Rechtsanwaltskanzlei, die im politischen Bereich aktiv ist. Andererseits eine Unvereinbarkeit
im Bereich der Gesetzwerdung, wo ein Justizminister, der die ausgewogene Balance aller
Beteiligten im Straf- und Zivilrechtswesen berücksichtigen muss, laufende Zahlungen aus
einer Anwaltskanzlei erhält.
• Hat die Rechtsanwaltskanzlei Böhmdorfer neben der Böhmdorfer-Gheneff OEG bzw.
KEG überhaupt noch bestanden?
• Hat es neben den bekannten Verträgen (Abtretungs- und Pachtvertrag) noch ergänzende
Absprachen bzw. Verträge gegeben?
• Wenn ja, was sind die Inhalte und warum wurden diese Inhalte dem
Unvereinbarkeitsausschuss des Nationalrates nicht bekannt gegeben?
• Warum ist im Abtretungsvertrag kein Kaufpreis beinhaltet, obwohl dieser ein
existenzieller Bestandteil eines solchen Vertrages ist?
• Wurde ein Rückkehrrecht für den Fall, dass Böhmdorfer sein Amt als Bundesminister
zurücklegt, vereinbart?
• Handelt es sich bei der Verpachtung eines Kundenstockes und einer Kanzleieinrichtung
wirklich noch um die Verwaltung des Privatvermögens?
• Werden zwischen Rechtsanwälten üblicherweise Pachtverträge mit Zahlungen von über
1 Mio. ATS (72.672 €) im Jahr mündlich abgeschlossen?
• Und: Ist es üblich, die Verpachtung von Einrichtungsgegenständen in jährlich gleichen
Raten unabhängig von der Dauer des Pachtverhältnisses zu leisten? Oder ist es nicht
vielmehr üblich, dass solche Pachtverträge in Pachtzins jährlich sich reduzieren und
irgendwann bei Null landen?
Sehr interessant ist ein Artikel des österreichischen Star-Journalisten Alfred Worm aus der
zitierten Ausgabe der Zeitschrift News:
"News"Nr. 29/02 vom 18.07.2002 Seite: 37
Ressort: Politik
Minister Dieter ............ rücktrittsreif. Mehr noch: Sein Verhalten rechtfertigt eine
Ministeranklage.
Mediengeschichte dieser Republik, ebenso wie die zahllosen Prozesse, die von ihr gegen
FPÖ-kritische Journalisten eingebracht wurden. Wenn es darum ging, unbotmäßige Medien
vor den Kadi zu zerren, war in früheren Jahren der legendäre Haider-Anwalt Dieter
.......... immer hochaktiv. Als ........ im März 2000 über Nominierung der FPÖ zum
Justizminister ernannt wurde, übernahm Kanzleipartnerin Roberta Gheneff die florierende
Advokatur und das FPÖ-Mandat. Und wieder wurden unbequeme Journalisten mit Klagen
Unschuld: Die ...... trage zwar noch immer seinen Namen - er habe aber mit ............
& Gheneff nichts mehr zu tun. Er habe seine Anteile vor Übernahme des Regierungsamtes
abgetreten - zwischen ihm, der FPÖ und der Klagslawine bestehe daher kein Zusammenhang
mehr. Ein Justizminister agiere abgehoben von seiner früheren Tätigkeit nur noch zum Wohle
des Staates. Basta.
genaue Gegenteil heraus: ............ an dem mehrere Misstrauensanträge des Parlaments
mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit abprallten, kassiert seit einigen Jahren aus der Advokatur eine
"Pacht" von 100.000 Schilling (plus 20 % MwSt.). Wie rechtskonform es ist, dass ein Minister
aus seiner früheren Tätigkeit als Freiberufler "Pacht" kassiert, wird das Parlament
klären müssen. Viel bedeutender ist aber, dass .......... der Öffentlichkeit die Wahrheit
verschwiegen und die Unwahrheit gesagt hat. Dieter ......... ist damit rücktrittsreif. Ein
klarer und eindeutiger Fall für eine Ministeranklage.
Letztlich darf aber noch auf den Unvereinbarkeitsfall Staribacher hingewiesen werden, wo
vier Fraktionen das Vertragsverhältnis genehmigten und nur die FPÖ tobend dagegen anlief.
Staribacher hatte damals jedes Detail dem Unvereinbarkeitsausschuss bekannt gegeben; im
Gegensatz dazu hat man bei Böhmdorfer das Gefühl, dass dieser nicht einmal die Hälfte der
wirklich bestehenden Vertragsverhältnisse oder Absprachen bekannt gegeben hat.
Es geht hier um Fragen, die für die Öffentlichkeit und gegenüber dem Parlament unbedingt
geklärt werden müssen. Sollten Sie diese Fragen nicht beantworten, müssen die notwendigen
Schlüsse daraus gezogen werden.
Anfrage:
1. Welche Gesetzesinitiativen haben Sie während Ihrer Amtstätigkeit eingeleitet, mit
welchen das Rechtsverhältnis der Anwaltschaft oder der Anwälte im Einzelnen
berührt wurde?
2. Haben die Anwälte aus diesen Initiativen heraus profitiert oder hat sich die Situation
der Anwaltschaft daraus verschlechtert?
3. Wie wurden im Detail diese Gesetzesänderungen betreffend die Anwaltschaft bzw.
Anwälte begründet?
Stimmt die Berichterstattung der Zeitschrift News, wonach Sie aus einem
Pachtvertrag monatlich 100.000,- ATS zuzüglich 20 % Umsatzsteuer von der
Böhmdorfer-Gheneff KEG oder einer Rechtsnachfolgerin davon erhalten?
Welche Zahlungen - mit Ausnahme jener nach dem Bezügegesetz - haben Sie seit
Ihrer Amtsübernahme von wem in welcher Höhe erhalten?
Wie hoch war die Summe, die Sie aus dem Abtretungsvertrag erhalten haben?
Wann ist diese Summe angefallen (Einmalzahlung oder Ratenzahlung)?
Gibt es neben den zwei bekannten Verträgen noch weitere Verträge bzw. Abreden
betreffend Ihre Kanzlei, die Kanzleigemeinschaft, die Rechtsverhältnisse zwischen
diesen oder die Rechtsverhältnisse zwischen diesen und Ihnen?
10. Würden Sie als Bundesminister für Justiz und Konsumentenschutzminister den
Bürgerinnen raten, Pachtverträge mit einem Pachtzins von mehr als 1 Mio. ATS
jährlich mündlich abzuschließen?
Wenn nein, warum nicht?
11. Werden Sie den Pachtvertrag umgehend beenden, um diese schwerwiegende
politische Unvereinbarkeit als Bundesminister für Justiz aufzulösen?
Gemäß § 61 Abs. l in Verbindung mit Abs. 3 wird verlangt, dass die Dringliche Anfrage vom
Fragesteller nach der Erledigung der Tagesordnung mündlich begründet wird und hierauf eine
Debatte über den Gegenstand stattfindet.
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