2069/J-BR/2003 BR. GP

Eingelangt am 15.05.2003
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Anfrage

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte (Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse
Giesinger)

an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

betreffend Wahrung von Landesinteressen in Verhandlungen über internationale
Handelsabkommen

Der Vorarlberger Landtag hat einer einstimmig gefassten Entschließung vom 7. Mai 2003
Verhandlungen über den Abschluss einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung über die Wahrung
der Rechte und Interessen der Länder beim Abschluss internationaler Handelsübereinkommen im
Rahmen der WTO gefordert. In einer solchen Vereinbarung soll der in den WTO-Verhandlungs-
prozess eingebundene Bund zur rechtzeitigen, umfassenden und qualifizierten Information der
Länder über alle Verhandlungen und Entscheidungen verpflichtet werden, und zwar in jenen
Bereichen, die vorab als unverzichtbar für die Daseinsvorsorge definiert werden, wie beispiels-
weise jene, in denen die öffentliche Hand als Anbieter öffentlicher Dienstleistungen selbst oder als
Eigentümer auftritt oder die sonst von relevanter Bedeutung für die Länder und Kommunen sind.
Des weiteren soll in dieser Vereinbarung ein am Artikel 23d Abs. 2 B-VG orientiertes Verfahren
entwickelt werden, das den Ländern in den genannten Bereichen eine effiziente Beteiligung an der
innerstaatlichen Willensbildung und die Berücksichtigung ihrer Anliegen in den von Österreich
vertretenen Positionen sichert.

Der dieser Entschließung zu Grund liegende Antrag war wie folgt begründet:

„Von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist Anfang 1995 das Abkommen zur
Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen) mit den in seinen Anhängen genannten
multilateralen Abkommen über den Handel mit Waren (GATT), den Handel mit Dienstleistungen
(GATS), die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) und weiteren
Vereinbarungen und Beschlüssen für Österreich wirksam geworden (BGB1. Nr. 1/1995). Seit
einiger Zeit sind jedoch die WTO und die unter ihrem Dach abgeschlossenen Handelsverträge,
insbesondere die laufende Verhandlungsrunde zur Revision des GATS, Gegenstand der öffent-
lichen Diskussion geworden. Vor dem Hintergrund des mit der aktuellen GATS-Verhandlungs-
runde erklärtermaßen verfolgten Zieles einer weiteren Liberalisierung des internationalen Handels
mit Dienstleistungen können die im Rahmen des GATS eingegangenen Verpflichtungen mittelbar
oder unmittelbar dazu führen, dass gemeinwohlorientierte Leistungen (Leistungen der "Daseinsvo-
rsorge), die in Österreich als Aufgaben der öffentlichen Hand gelten, dem Wettbewerb ausgesetzt
und privaten - in der Regel ausländischen - Dienstleistungserbringern überlassen werden müssten;
mit diesem Szenario verbinden sich angesichts problematischer Resultate bei einer Reihe von
Liberalisierungs- und Privatisierungsversuchen (auch in Europa) Befürchtungen, dass die
betroffenen Dienstleistungen künftig zu höheren Preisen, aber in schlechterer Qualität erbracht
werden könnten bzw. nichtgewinnbringende Aufgaben wiederum von der öffentlichen Hand zu
übernehmen sind.

Ein Reihe bedeutender Leistungen der "Daseinsvorsorge" wie die Versorgung mit Trinkwasser, der
öffentliche Personennahverkehr, Bildungsleistungen, soziale Leistungen oder Gesundheitsdienste,
werden in Österreich von Ländern bzw. Gemeinden erbracht bzw. geregelt. Die Länder sind daher


von den Ergebnissen der GATS-Verhandlungen in ihrem Wirkungsbereich sowohl als Gesetz-
geber, als auch als Leistungserbringer unmittelbar betroffen. Die derzeit praktizierte Einbindung der
Länder in den innerösterreichischen Willensbildungsprozess bei der Vorbereitung von Verhand-
lungs- und Entscheidungspositionen wird nach Auffassung der Antragsteller dieser besonderen
Betroffenheit nicht gerecht.

Mit dem vorliegenden Antrag soll daher in allen von der WTO, insbesondere im konkreten Fall
vom GATS erfassten Bereichen eine effiziente Vertretung von Länderinteressen in einem Verfahren
ermöglicht werden. Eine in diesem Sinne qualifizierte Einbindung der Länder nach Vorbild eines
Art. 15a-BVG Vertrages stellt einen entscheidenden Beitrag zur Beseitigung der oftmals beklagten
Defizite an demokratischer Legitimation und Transparenz wie derzeit im GATS-Verhandlungs-
prozess dar."

Daher richten die unterzeichneten Bundesräte an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit folgende

Anfrage:

In welcher Weise werden Sie den in der Entschließung des Vorarlberger Landtages vom 7. Mai
2003 erhobenen Forderungen Rechnung tragen?