2077/J-BR/2003 BR.
Eingelangt am 11.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Dringliche
ANFRAGE
gem. § 61 Abs. l in Verbindung mit Abs. 3 GO-BR
der Bundesräte Hedda Kainz
und GenossInnen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend kein Ausverkauf der VOEST-ALPINE
Der Globalisierungsprozess bringt eine zunehmende
Konkurrenzsituation mit sich. Sowohl die
Wirtschaft als auch die staatliche Wirtschaftspolitik ist dieser globalen
Konkurrenzsituation
ausgesetzt. Die immer grösser werdende Bedeutung der Standortpolitik durch die
einzelnen
Staaten hat u.a. zur Bezeichnung des „Wettbewerbsstaates" gerührt.
Die „Standortsicherung" ist in allen Staaten zum
vorrangigen politischen Ziel geworden.
Verantwortungsvolle Politik bedeutet daher im 21. Jahrhundert eine ausgewogene
Balance
zwischen der notwendigen Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen und der
Schaffung bzw.
dem Absichern von Wettbewerbsvorteilen. Zu diesen Wettbewerbsvorteilen zählen
zweifelsfrei
neben einer hochqualifizierten Bevölkerung auch die „Beheimatung" der
wirtschaftlichen
Konzernzentralen.
Im Bereich der Industriepolitik müssen - aufgrund der
Bedingungen der neuen Weltwirtschaft im
Zeichen der Globalisierung - dementsprechend offensive, dem Standort Österreich
und nicht
kurzfristiger Geldbeschaffungsaktionen verpflichtete, politische Entscheidungen
gesetzt werden.
Nur eine offensive Industriepolitik sichert nachhaltig
die österreichische Standortqualität, vor
allem die Qualität der Arbeitsplätze.
Daher ist sicherzustellen, dass Entscheidungen so
getroffen werden, dass langfristig am
österreichischen Standort für ein entsprechendes Wachstum der Unternehmen
gesorgt wird und
dadurch für die arbeitenden Menschen in unserem Land Vorteile entstehen.
In sämtlichen erfolgreichen Industrieländern gibt es
starke industrielle Kerne, bei denen der Staat
massives Interesse - als Eigentümer und als öffentlicher Auftraggeber - hat.
Diese industriellen
Kerne sind Impulsgeber für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung des
Landes, für die
Forschung und für die große Zahl der Klein- und Mittelbetriebe.
Entscheidend dabei sind Mindestbeteiligungen von
öffentlichem Eigentum an strategisch
wichtigen Unternehmungen, um Gestaltungs-, Steuerungs- und
Entscheidungskompetenzen in
unserem Land zu behalten und um Wachstum und Beschäftigung zu fordern.
Ebenso wichtig ist ein gesundes Vertrauen der
österreichischen Unternehmungen in stabile
wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die mittel- und langfristige Planungen
ermöglichen.
Seit der Bildung der
Bundesregierung von ÖVP und FPÖ im Februar 2000 ist dieses Vertrauen
nach und nach zerschlagen worden. Zur Geldbeschaffung werden gutgehende
Industriebetriebe
bzw. Anteile an diesen von der Bundesregierung verscherbelt, das Familiensilber
verkauft. Und
gerade die besten Stücke oft zu nicht marktkonformen, niedrigen Preisen
verschleudert.
Diese Regierung degradiert mit ihrer bisherigen
Ausverkaufspolitik die hervorragenden
österreichischen Flaggschiffe zu Filialen ausländischer Konzerne, die über Wohl
und Wehe ganzer
Betriebe, ganzer Regionen, ganzer Orte, sowie über Beschäftigtenzahlen und
Arbeitslosenquoten
in Österreich bestimmen werden. Und wir werden tatenlos zuschauen müssen, weil
uns nichts
mehr gehört.
Obwohl der Präsident des Rechnungshofes im
Rechnungshofausschuss des Nationalrates bereits
vor Jahren ein fehlendes Privatisierungskonzept kritisiert hat, wartet er bis
heute auf die ihm
zugesagten Unterlagen. Bis heute ist diese Regierung offenbar weder willens
noch fähig,
demokratisch legitimierte Leitlinien in dieser für den Wirtschaftsstandort
Österreich so wichtigen
Angelegenheit vorzulegen.
Statt politischer Legitimation, Sauberkeit und
Transparenz wird in Geheimverhandlungen -
Stichwort „Minerva" - zwischen Freunden des Finanzministers, den
Vertretern von Magna und
der ÖIAG über den Ankauf der Bundesanteile beraten. Nachdem diese Geheimverhandlungen
aufgeflogen sind, gab der Eigentümervertreter des Bundes Finanzminister
Karl-Heinz Grasser der
Öffentlichkeit bekannt, nichts davon gewusst zu haben. Dies kann nun einerseits
eine plumpe
Täuschung der Öffentlichkeit sein, andererseits aber, sollte die Behauptung der
Wahrheit
entsprechen, eine gewisse Überforderung Karl-Heinz Grassers als Finanzminister
beweisen.
Die Causa „Minerva" führte zurecht zu einem
Aufschrei durch ganz Österreich. Auf Druck von
Bundeskanzler Schüssel und offenbar in Folge bevorstehender Landtagswahlen in
Oberösterreich
zog Finanzminister Grasser kurzfristig die Notbremse und sprach sich gegen
einen Verkauf der
Bundesanteile der VOEST-ALPINE an Magna aus.
Bereits zwei Tage später allerdings war für Grasser auch
ein Verkauf an Stronach wieder
vorstellbar - so unser unabhängiger Finanzminister.
Magna selbst gab sich vorerst zurückhaltend und
bekundete eigentlich kein Interesse an den
VOEST-ALPINE-Anteilen. Wenige Tage später bekommt Stronach allerdings
einen Wutanfall,
fühlt sich diskriminiert und möchte für Magna - ganz österreichischer
Patriot - doch die VOEST-
ALPINE-Anteile erwerben.
Warum jedoch kommt einem die Vorgangsweise Grassers so
bekannt vor? Richtig, sie war
Leitfaden für den Beschaffungsvorgang der Eurofighter.... Grasser
wollte zunächst keine
Kampfflugzeuge, dann gebrauchte und schließlich wurde er von den übrigen
Regierungs-
mitgliedern beinahe „gezwungen", für die Eurofighter einzutreten.
Wie sich nunmehr nachträglich herausstellt, hat Grasser
von Beginn des Beschaffungsvorganges
für die Eurofighter interveniert, mit Firmenvertretern von EADS Kontakte
aufgenommen, welche
er erst Zug für Zug im Parlament eingestanden hat, und in Wirklichkeit das
Drehbuch für den
Ankauf der Eurofighter geschrieben und auch noch die Realisierung
umgesetzt hat. Dies alles mit
Deckung seines Mentors Schüssel.
Auch in diesem Zusammenhang gab es eine Reihe von
Unwahrheiten, die erst Schritt für Schritt
aufgedeckt wurden. Waren im September 2002 die Gespräche mit EADS noch
Vorstellungsgespräche, so musste Grasser im Nationalrat im Mai 2003
bereits inhaltliche
Verhandlungen zugeben.
Hatte er noch zunächst großmundig behauptet, dass beim
Ankauf von Eurofightern oder Gripen
Magna dieselben Gegengeschäfte zu erwarten hätte, musste er dies einige Tage
später
zurücknehmen, da Magna bei EADS um ein Vielfaches profitiert.
Warum jedoch wird diese Dringliche Anfrage gerade im
Bundesrat von der Sozialdemokratischen
Bundesratsfraktion eingebracht? Dies deswegen, da der Verkauf der
VOEST-ALPINE-Anteile,
tausende Arbeitsplätze in den betroffenen Bundesländern gefährdet aber
auch das Industrie- und
Standortklima in diesen Regionen schädigt.
Der Verkauf und die Zerschlagung dieses österreichischen
Vorzeigekonzernes sind auch
deswegen unverständlich, da die VOEST-ALPINE gerade das zweitbeste
Ergebnis ihrer
Geschichte eingefahren hat, weltweit der Marktführer ist und auch über
weltweites Ansehen sich
erfreuen kann. Diese positive Stimmung, auch bei den Bediensteten dieses
Unternehmens, ist
nunmehr gefährdet, und dies, um kurzfristig Geldmittel
für das Budget zu erhalten und/oder
wertvolle Industrieanteile an Freunde des Finanzministers zu verschleudern.
Es sei in diesem Zusammenhang auch an die
Landtagssitzung in Oberösterreich am 3. Juli 2003
hingewiesen, wo auf Initiative der SPÖ folgende Entschließung mit den Stimmen
von SPÖ, FPÖ
und Grünen mehrheitlich angenommen wurde:
„Initiativantrag
der unterzeichneten Abgeordneten
betreffend
Absicherung des
Industriestandortes Oberösterreich durch Verbleib der ÖIAG
als Kernaktionär bei der voestalpine AG
Gemäß § 26 Abs. 6 LGO wird dieser Antrag als
dringlich bezeichnet.
Der Oö. Landtag möge beschließen:
Die Oö. Landesregierung richtet an die Bundesregierung die Forderung, auf die vollständige Privatisierung der
voestalpine AG zu verzichten und weiterhin 25 % plus l Aktie im öffentlichen Eigentum zu halten, um so wie bisher
sehr erfolgreich als Kernaktionär die wesentlichen Entscheidungen für die weitere Entwicklung dieses Unternehmens
mitgestalten zu können.
Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, vom jetzigen ÖIAG-Anteil in Höhe von ca. 34,7 % im Einvernehmen
mit dem Vorstand und der Belegschaftsvertretung einen Anteil von ca. 9,5 % an oberösterreichisch-österreichische
Unternehmen bzw. in Form einer weiteren Mitarbeiterbeteiligung abzugeben.
Da eine längerfristige Diskussion über die Eigentümerstruktur dem Unternehmen schadet, sind die für die Umsetzung
der beiden angeführten Forderungen notwendigen Beschlüsse bis 10.07.2003 zu fassen.
Begründung:
Die voestalpine AG
hat sich in den letzten Jahren wirtschaftlich hervorragend entwickelt, ist
Weltmarktführer in ihren
Produktionsbereichen und plant große Investitionen.
Das Schicksal von
20.000 Arbeitnehmerinnen und ihren Familien ist mit der voestalpine AG
verbunden. Die Vergabe
von Aufträgen an Zulieferfirmen sowie die Nachfrage nach industriellen
Dienstleistungen sichert zusätzliche
Wertschöpfung in Oberösterreich. Die voestalpine AG ist daher für den
Industriestandort Linz von zu großer
Bedeutung, als dass man dieses Unternehmen einer Ungewissen Zukunft
entgegensteuern lässt.
Linz, am 30. Juni 2003"
Auch im steiermärkischen Landtag wurde das Thema Verkauf
der VOEST-ALPINE-Anteile zu.
einem wichtigen Thema gemacht. Aus diesem Umstand heraus, nämlich der Bedeutung
des
Themas für einzelne Bundesländer, sollen auch hier einige wichtige Fragen dem
Eigentümervertreter Finanzminister Grasser gestellt und die Möglichkeit
geschaffen werden, das
Anliegen Oberösterreichs auch im Bundesrat zur Abstimmung zu bringen.
In diesem Zusammenhang sei auch an die Vielzahl von
Gemeinden und Städten hingewiesen, die
ähnlich oder gleichlautende Entschließungen in den Gemeinderäten gefasst haben.
Oft sind diese
Entschließungen mit den Stimmen aller im Gemeinderat vertretenen politischen
Parteien gefasst
worden.
Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundesminister für Finanzen nachstehende
Anfrage:
1.
Sind Sie bereit, den Privatisierungsauftrag an die ÖIAG betreffend die
VOEST-ALPINE so
umzuformulieren, dass dieser den Bedingungen der im oberösterreichischen
Landtag
beschlossenen Entschließung entspricht?
2.
Sind Sie insbesondere bereit, auf die vollständige Privatisierung zu
verzichten und weiterhin
25% plus
eine Aktie im öffentlichen Eigentum zu halten?
3. Sie
haben in einer Pressekonferenz am 10. Juli 2003 einen Verkauf an einen
strategischen
Investor
ausgeschlossen; Sie haben Ihre Entscheidung in dieser Frage aber in der
Vergangenheit
mehrfach geändert. Würden Sie daher Ihre endgültige Entscheidung vor dem
Bundesrat
wiederholen und wie begründen Sie diese Entscheidung?
4.
Wie garantieren Sie, dass Ihre nunmehrige Entscheidung - die
Bundesanteile an der VOEST-
ALPINE an
keinen strategischen Investor zu verkaufen - auch vom ÖIAG-Vorstand und
Aufsichtsrat umgesetzt wird?
5. Handelt
es sich dabei um eine Konkretisierung des Privatisierungsauftrages vom 4. Juli
2003,
welche in der
ÖIAG-Hauptversammlung erfolgte, in die Richtung, dass die Bundesanteile an
der
VOEST-ALPINE an keinen strategischen Investor verkauft werden?
6. Welchen
volkswirtschaftlichen Sinn ergibt es, Anteile an einem Unternehmen, das trotz
Rezession (laut
Bundeskanzler auf hohem Niveau) das zweitbeste Ergebnis seiner Geschichte
schreibt,
gerade jetzt in dieser Wirtschaftssituation zu verkaufen?
7.
Welche Einnahmen konnte der Bund aus seinen Anteilen aus der
VOEST-ALPINE in den
letzten drei Jahren erzielen?
8. Welchen
Veräußerungserlös erwarten Sie als Finanzminister von den Bundesanteilen aus
der
VOEST-ALPINE?
9. Wie hoch
war der Verkaufserlös aus dem Verkauf der ATW-Anteile?
10. Wie hoch waren die Dividendeneinnahmen der Republik
Österreich aus den ATW-Anteilen
1998, 1999, 2000?
11. Wann wäre der Verkaufspreis der ATW-Anteile erreicht
gewesen, bei einer Fortschreibung
der Dividendenentwicklung aus den Jahren 1998 bis
2000?
12. Gelten die Überlegungen kein Verkauf an strategische
Investoren auch für die anderen zu
privatisierenden Unternehmungen (Böhler-Uddeholm, VA Technologie und die
ÖIAG-
Bergbauholding sowie die Telekom Austria)?
13. Welche Privatisierungsschritte werden Sie bei den
laut Ministerratsvortrag zur Privatisierung
anstehenden Unternehmungen wann vornehmen?
14. Welche Kosten wurden durch externe Beratungsaufträge
im Zuge des Privatisierungs-
vorhabens hinsichtlich der fünf Bundeswohnbaugesellschaften verursacht,
geordnet nach
Beraterauftrag, Inhalt des Werkvertrages, Auftragnehmer und
Einzelkosten?
15. Für welche
Leistungen wurde die Lehman & Brothers Bankhaus AG durch das Finanzministerium exakt
beauftragt, wurde die Beauftragung dieser Investmentbank von Prof.
Bogner, der ebenfalls als Berater für das BMF tätig wurde, empfohlen und können
Sie
ausschließen, dass Karl-Heinz Muhr Provisionen (von Lehman & Brothers) für
seine
Vermittlungstätigkeit bezieht?
16. Im heutigen Standard wird ausgeführt, dass Sie von
Agenturen für Vorträge vermittelt wurden.
Dabei wurden die Agentur Eventive und die sogenannte Speakers Lounge
genannt. In welcher
Geschäftsbeziehung stehen Sie zu den genannten Firmen?
17. Für welche
Auftritte oder Vorträge haben Sie Honorare erhalten bzw. sich versprechen
lassen?
18. Bei welchen
Auftritten oder Vorträgen haben Sie sich für karitative Zwecke Geldmittel in
welcher Höhe überweisen lassen?
Unter einem wird gem. § 61 Abs. l in Verbindung mit Abs.
3 verlangt, diese Anfrage vor Eingang
in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.