2117/J-BR/2003

Eingelangt am 01.10.2003
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Anfrage

der Bundesräte Prof. Konecny

und GenossInnen

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Solidarisierung mit Berlusconi

Zeitungsmeldungen (unter anderem „Haaretz" vom 29.9.2003 und „NZZ" vom 29.9.2003) ist
zu entnehmen, dass die "Anti-Defamation-League" (ADL) in den USA beschlossen hat, dem
italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi den „Distinguished Statesman Award" zu
verleihen. Die ADL sieht es als ihre Aufgabe an, den Kampf gegen den Antisemitismus - und
gegen andere Formen der Diskriminierung von Menschengruppen - zu fuhren.

Diese Entscheidung der ADL erscheint angesichts der skandalösen Äußerungen Berlusconis
über das Mussolini-Regime, die nur wenige Tage vor der Preisverleihung fielen, äußerst
problematisch. Berlusconi hatte bekanntlich behauptet, Mussolini habe niemanden getötet, er
habe Oppositionelle nur „auf Urlaub in ein Exil im Inland geschickt". Angesichts der
Tatsache, dass das italienische faschistische Regime rund 7000 italienische Juden der
nazistischen Vernichtungsmaschinerie auslieferte - ganz abgesehen von der Ermordung und
brutalen Inhaftierung ungezählter Antifaschisten - sind diese Behauptungen als glatter Hohn
für die jüdischen und nicht-jüdischen Opfer des Mussolini-Regimes anzusehen.

Es kann daher nicht überraschen, dass es gegen diese Preis-Zuerkennung massive Proteste
gab; sie wurden unter anderem von drei Nobelpreisträger und von vier führenden
Wissenschaftern des MIT getragen, die Berlusconi als dieses Preises „unwürdig"
bezeichneten.

Diese Tatsache hat offensichtlich dazu beigetragen, dass nur eine geringe Zahl von
Persönlichkeiten bereits war, an der Preisverleihung im New Yorker Plaza-Hotel
teilzunehmen. Nach den Informationen von „Haaretz" haben lediglich die Außenminister von
drei Ländern - Israel, Italien und Österreich - an dieser Zeremonie teilgenommen.

Angesichts der skandalösen Verharmlosung des Faschismus durch Berlusconi und angesichts
der damit verbundenen Negierung der Ermordung von 7.000 Juden im Zusammenwirken von


italienischem Faschismus und deutschem Nationalsozialismus erscheint Ihre Teilnahme an
dieser Preisverleihung als eine unverständliche Solidarisierung mit dem umstrittenen
italienischen Ministerpräsidenten.

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten nachstehende

Anfrage:

1.   Welche Beweggründe haben Sie veranlasst, an der Zeremonie im New Yorker Plaza-
Hotel teilzunehmen ?

2.   Haben Sie an dieser Preisverleihung in privater oder offizieller Eigenschaft
teilgenommen?

3.   Waren Ihnen die massiven Proteste gegen die Verleihung des „Distinguished Statesman
Award" an Silvio Berlusconi bekannt ?

4.   Teilen Sie die Auffassung Berlusconis, Mussolini habe niemanden getötet und
Oppositionelle lediglich auf „Urlaub in ein Exil im Inland" geschickt ?

5.   Betrachten Sie diese Aussage - im Hinblick auf die Ermordung von 7.000 italienischen
Juden - als einen Beitrag zum Kampf gegen den Antisemitismus ?