2128/J-BR/2003
Eingelangt am 27.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 61 Abs. 3 GO-BR
der Abgeordneten Schennach, Prof. Konecny, FreundInnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend den aktuellen Begutachtungsentwurf für ein Bundestierschutzgesetz
Das Tierschutzvolksbegehren hatte 1996
einen großen Rückhalt in der Bevölkerung
gefunden. Die zentralen Forderungen waren:
• Tierschutz als Zielbestimmung in der Verfassung
• Einrichtung einer unabhängigen Tieranwaltschaft
• ideelle und finanzielle Förderung des Tierschutzes
Kaum eine dieser Forderungen wird im Gesetzesentwurf des
Bundeskanzleramtes
für ein Bundestierschutzgesetz berücksichtigt. Statt einer fachlich kompetenten
und
politisch unabhängigen Tieranwaltschaft mit entsprechender
Ressourcenausstattung
sieht der Gesetzesentwurf lediglich einen zahnlosen Tierschutz-Beirat vor. Die
Mitglieder des Beirates müssen keine Qualifikationen nachweisen, haben keine
speziellen Kompetenzen, sie sind weder unabhängig noch weisungsfrei. Der
Tierschutzrat wäre fest in der Hand der landwirtschaftlichen Interessen: 10
Vertreterinnen der ÖVP (Länder, Ministerien, Landwirtschaftskammern) und damit
großteils Vertreterinnen der Landwirtschaft bzw. Wirtschaft stehen wenige
Vertreterinnen anderer Interessensvertretungen und nur ein/e einzige/
Vertreter/in
einer Tierschutzorganisation gegenüber. Nicht einmal ein jährlicher Tierschutz-
Bericht wird verpflichtend vorgeschrieben.
Da keine Tieranwaltschaft eingerichtet wird, keine
Möglichkeit für ein
Verbandsklagerecht geschaffen wird und auch sonst keine Verschärfung des
Kontrollsystems vorgesehen ist, sind im Vollzug keine Verbesserungen zu
erwarten.
Die Kontrolle und Überwachung bleibt damit bei den überlasteten
Bezirksverwaltungsbehörden. Die bereits in der Vergangenheit sichtbar
gewordenen
Defizite (Schlachthofskandale rund um den BSE-Fall in Österreich, Antibiotika-
Missbrauch in der Schweinehaltung etc.) werden nicht behoben.
Von den Forderungen des Tierschutz-Volksbegehrens ist damit
im Gesetzesentwurf
nichts übrig geblieben. In den Zielbestimmungen fehlt die Anerkennung der
Mitgeschöpflichkeit der Tiere, aus der sich ein Recht für jedes Tier auf einen
seiner
Art entsprechenden Lebensvollzug ergeben würde.
Jene Punke, die als große Neuerungen und Fortschritte
verkauft werden, sind im
Wesentlichen bereits jetzt Realität (keine Pelztierhaltung in Österreich,
Verbot der
Wildtierhaltung in Zirkussen ab 2005,
Verbot des Kupierens von Rute und Ohren
beim Hund etc.).
Die Tierhaltung in der Landwirtschaft
bleibt ausgeklammert und soll durch eine
Verordnungsermächtigung (§ 24 Tierhaltungsverordnung) geregelt werden.
Es ist zu befürchten, dass der
Gesetzesentwurf bzw. die damit zusammenhängenden
Verordnungen für manche Bundesländer eine Nivellierung nach unten und damit
eine Verschlechterung des bereits erreichten Tierschutzstandards mit sich
bringen.
Eklatantestes Beispiel ist die Käfighaltung von Legehennen, deren Verbot eine
zentrale Forderung von TierschützerInnen seit vielen Jahren ist. Ein solches
Verbot
besteht in Österreich bereits in fünf Bundesländern. Im Entwurf für das
Bundestierschutzgesetz ist ein solches Verbot aber nicht vorgesehen und es soll
auch - wie auch den Äußerungen von Bundesminister Pröll z.B. in der
Pressestunde
vom 23. November 2003 zu entnehmen war - keinesfalls kommen. Das bedeutet die
Aufhebung des Verbots in den Bundesländern und somit eine klare
Verschlechterung
aus Perspektive des Tierschutzes.
Die unterzeichneten Bundesrätlnnen stellen daher an den Bundeskanzler
ANFRAGE:
1. In fünf Bundesländern ist die
Haltung von Legehennen bereits verboten (z.B.
in Salzburg und Tirol) bzw. ist ein Verbot mit Übergangsfristen vorgesehen.
Werden Sie darauf hinwirken, dass in der zu erlassenden
Tierhaltungsverordnung ein Verbot der Käfighaltung von Legehennen
vorgesehen wird? Wenn nein, warum nicht?
2. Vollspaltenböden in der
Schweinehaltung sind in mehreren Bundesländern
(Salzburg, Tirol, Wien) verboten. Werden Sie darauf hinwirken, dass in der zu
erlassenden Tierhaltungsverordnung ein Verbot von Vollspaltenböden bei der
Schweinehaltung vorgesehen wird? Wenn nein, warum nicht?
3. Nach dem Gesetzesentwurf ist
nach § 16 die dauernde Anbindehaltung von
Tieren verboten. Gilt das auch für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung?
Wenn ja, wie definieren Sie „dauernde Anbindehaltung"?
4. In manchen Bundesländern (z.B.
in Wien) sind Vollspaltenböden bei der
Rindermast verboten. Werden Sie darauf hinwirken, das in der
Tierhaltungsverordnung ein solches Verbot vorgesehen wird?
5. In Vorarlberg ist der Vollzug
des Tierschutzes in der Landwirtschaft in der
Tierschutzkontroll-Verordnung vorbildlich geregelt. In der Verordnung ist ein
partnerschaftliches Konzept zur Verbesserung des Vollzuges vorgesehen, in
das die Bäuerinnen und Bauern eingebunden sind und das große Akzeptanz
findet. Jeder Betrieb wird einmal jährlich kontrolliert (wogegen im
Gesetzesentwurf nur stichprobenartige Kontrollen vorgesehen sind). Werden
Sie dieses erfolgreiche Vorarlberger Modell bundesweit zur Anwendung
bringen? Wenn nein, warum nicht?
6. Im Gesetzesentwurf sind keine
Fristen für die Erstellung der Verordnungen
festgesetzt. Wann ist mit einer Verordnung im Bereich Tierhaltung zu
rechnen? Gibt es schon einen Verordnungsentwurf und wenn ja, was sind die
wesentlichen Inhalte?
7. Im Gesetzesentwurf ist keine
Rede von einem Tierschutzgütesiegel nach dem
Tiergerechtheitsindex, was für die Konsumentinnen ein wichtiger Hinweis
wäre, Produkte aus artgerechter Tierhaltung zu kaufen. Welche Maßnahmen
werden hinsichtlich einer klaren und transparenten Kennzeichnung von
tierischen Produkten getroffen werden?
8. Ist die Übernahme der jeweils
strengsten Bestimmungen der Bundesländer in
die Verordnung über die landwirtschaftliche Nutztierhaltung geplant? Wenn ja,
in welchen Bereichen, wenn nein, warum nicht?
9. Welche Maßnahmen werden getroffen,
damit die Bundesländer mit
tierfreundlichen Bestimmungen ihre Standards nicht nach unten nivellieren
müssen (insbesondere im Hinblick auf das Verbot der Käfighaltung von
Legehennen)?
10. Laut §7 (1) des Gesetzesentwurfes ist
u.a. ein Verbot des Kupierens des
Schwanzes oder des Schnabels verboten. Gilt das auch für
landwirtschaftliche
Nutztiere (z.B. auch für Ferkel und Hühner) und werden diese Eingriffe
in der
zu
erlassenden Verordnung nach § 24 ebenfalls verboten werden?
11. Laut § 7 (3) sind Eingriffe, bei denen
Tiere erhebliche Schmerzen erleiden nur
von
einem Tierarzt und nur nach wirksamer Betäubung vorzunehmen. Gilt das
auch für
landwirtschaftliche Nutztiere bzw. werden Bestimmungen auch in die
zu
erlassende Verordnung übernommen werden (z.B. hinsichtlich der
Kastration
von Ferkeln)?
12. Laut Entwurf ist ein Verbot für Qualzüchtungen
vorgesehen. Gilt das auch für
die
Leistungszucht landwirtschaftlichen Nutztiere?
13. Hinsichtlich der Zuchtmethoden ist im § 22 eine
Verordnungsermächtigung
des
Landwirtschaftsministers im Einvernehmen mit der Bundesministerin für
Gesundheit und Frauen vorgesehen. Werden Sie darauf hinwirken, dass in
dieser Verordnung tierquälerische Zuchtmethoden verboten werden?
14. Im Zusammenhang mit der Reform der EU-Agrarpolitik werden
Gelder in
Richtung Qualitätssicherung umgeschichtet. Wie viele Mittel sollen für
den
Umstieg auf tiergerechte Haltungssysteme bereitgestellt werden? Welche
Anpassungen werden im Fördersystem vorgenommen werden, damit auch
kleinstrukturierte bäuerliche
Betriebe mit geringerem Investitionsbedarf von
den Investitionsförderungen
profitieren können?
15. Die Kennzeichnung von Stallsystemen
ist zwar im Entwurf angerissen (§ 18),
aber
sehr schwammig formuliert. Es entsteht der Eindruck, als solle das
Vorhaben entweder nicht vollzogen werden oder wieder einmal auf ein
freiwilliges Pickerl hinauslaufen. Warum wird keine verpflichtende
Prüfung und
Bewilligung für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen für
Nutztiere
vorgeschrieben, die auch den Bäuerinnen und Bauern helfen würde, in
zukunftsweisende
Stallsysteme zu investieren?
16. Was ist Ihre persönliche Position zur
Einrichtung einer Tieranwaltschaft bzw.
warum sind Sie dagegen?
Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO-BR verlangt, diese
Anfrage vor Eingang in die
Tagesordnung dringlich zu behandeln