2135/J-BR/2003
Eingelangt am 11.12.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesräte Prof. Konecny
und GenossInnen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Masernepidemie im Flüchtlingslager
Traiskirchen und den daraus zu ziehenden
Konsequenzen
Am 6.11.2003 brach - wie vom zuständigen Amtsarzt der BH
Baden festgestellt wurde - im
Flüchtlingslager
Traiskirchen eine Masern-Epidemie aus. Am darauffolgenden Tag waren
bereits 15 Erkrankungen aufgetreten.
Obwohl den für das Flüchtlingslager Verantwortlichen
angesichts der großen Zahl von mit
hoher Wahrscheinlichkeit ungeimpften Erwachsenen und Kindern die Gefährlichkeit
einer
derartigen Epidemie bewusst sein musste, wurden keinerlei Gegenmaßnahmen
getroffen, ja
selbst die Verständigung der Gesundheitsbehörden unterlassen.
Dieses Versäumnis hat insofern auch medizinische
Bedeutung, als drei Tage als der
längstmögliche Zeitraum für die Impfling von Kontaktpersonen angesehen werden.
Die
Epidemie hätte also vermutlich entscheidend eingedämmt werden können, wenn am
7.11. -
als bereits 15 Erkrankungen aufgetreten waren - mit Impfungen begonnen worden
wäre.
Am 10.11.2003 informierte der praktische Arzt Dr.
Schimbach (Traiskirchen) den Amtsarzt
über das epidemische Auftreten von Masern, nachdem zuvor am Wochenende bereits
drei
Kinder
in stationäre Behandlung aufgenommen werden mussten.
Eine vom Amtsarzt gemeinsam mit dem Vertreter des
Innenministeriums, Schabhüttl, und
Vertretern von „European Homecare" durchgeführte Begehung des Lagers wurde
eine
Quarantäne
für das Haus 8 - das von tschetschenischen Flüchtlingen, die offenbar die
Masern
eingeschleppt hatten, bewohnt ist - verfügt, sowie, dass in Haus 3 die neu
erkrankten, nicht
der
Spitalspflege bedürfenden Personen unter Quarantäne gestellt werden.
Eine Nachschau am folgenden Tag ergab, dass zwar in Haus
3 Vorbereitungen für die
Einrichtung
einer Quarantäne-Station getroffen worden waren, in Haus 8 - dem eigentlichen
Infektionsherd
- zwar eine Wachperson (eines privaten Wachdienstes) Position bezogen hatte,
die aber nichts anderes tat, als den freien Personenverkehr zu beobachten.
Eine Verbesserung der Situation trat in begrenztem Umfang
in den folgenden Tagen ein.
Nach Feststellung der Bezirkshauptmannschaft Baden zeigte sich der private
Wachdienst
unfähig, das Verlassen von Haus 8 durch den Eingangsbereich und durch Fenster
im
Erdgeschoss zu verhindern. Ebenso erfolgte in Haus 3 die Essenausgabe ohne
Einhaltung der
im Bescheid der BH Baden vorgeschriebenen Hygiene-Vorschriften.
Unverständlicher weise
unterblieb auch die bescheidmäßig vorgeschriebene Meldung der Neuerkrankungen
an die
Gesundheitsabteilung
der BH Baden.
Wie die BH Baden in ihrem an das Innenministerium
gerichteten Bericht feststellte, „konnten
wir den Eindruck gewonnen, dass European Homecare nicht willens oder nicht
fähig ist, die
bescheidmäßigen Anordnungen, die zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung der
Krankheit getroffen werden mussten. Effizient umzusetzen".
Dieser Eindruck wurde in der Folge noch verstärkt: Die
Kontrollen der Exekutive
beschränkten sich auf zwei tägliche Kontrollgänge, die Posten des privaten
Wachdienstes
erwiesen sich als völlig überfordert, so dass die eigentlich unter Quarantäne
stehenden
Personen durch die Erdgeschossfenster ihre Häuser verlassen konnten. Ein an
Masern
erkrankter
Jugendlicher konnte sogar aus dem Lager entfliehen. Besonders grotesk war, als
-
zumindest in einem Fall - eine an sich unter Quarantäne stehende Person von der
Lageradministration
über Lautsprecher zum „Asylanteninterview" gerufen wurde.
Der Ausbruch der Masern im Flüchtlingslager Traiskirchen
hat verständlicherweise in der
Bevölkerung des Ortes starke Beunruhigung ausgelöst. Die unterzeichneten
Bundesräte
stellen daher erst auch jetzt ihre Anfrage, da diese am Höhepunkt der Epidemie
möglicherweise zu einer weiteren Beunruhigung der Bevölkerung hätte beitragen
können.
Die tatsächliche Gefährdung der Bevölkerung war in diesem
Fall erfreulicherweise gering, da
diese
-insbesondere Kinder und Jugendliche - relativ gut gegen Masern durchgeimpft
ist, so
dass
ein unkontrollierbares Übergreifen der Epidemie nicht zu befürchten war. Dies
gilt aber
für andere, in den Heimatländern der Flüchtlinge auftretende ansteckende
Erkrankungen nicht
in gleichem Umfang. Vielmehr besteht durchaus die Gefahr, dass Seuchen
eingeschleppt
werden, gegen die die Bevölkerung nicht durch Impfung oder natürliche Immunität
geschützt
ist. Bei den derzeitigen mangelhaften Möglichkeiten einer echten
Epidemiebekämpfung
wegen der strukturellen und personellen Mängel im Flüchtlingslager Traiskirchen
besteht
durchaus
die Möglichkeit, dass sich Seuchen explosionsartig ausbreiten.
An dieser Stelle sei als Kuriosum angemerkt, dass am
12.11. der Vertreter des
Innenministeriums im Lager, Schabhüttl, vom Büro von Bundesminister Strasser
angerufen
wurde, das wegen der Möglichkeit von Masern-Impfungen im Lager nachfragte.
Kurios ist
dies deshalb, als die in diesem Bereich tätigen Ärzte zu
wiederholten Malen gefordert hatten,
Flüchtlinge nach ihrer Ankunft im Lager den dem österreichischen Impfkalender
entsprechenden Impfungen zu unterziehen, was von den Vertretern der
Betreuungsstelle
Traiskirchen stets aus Kostengründen abgelehnt worden war.
Der Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin
für Gesundheit wurden im Sinne
der von der BH Baden erarbeiteten Vorschläge vom zuständigen
niederösterreichischen
Landesrat Emil Schabl nicht nur über die im Flüchtlingslager Traiskirchen
aufgetretenen
Zustände informiert, sondern auch aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen
zur
Vermeidung neuerlicher Epidemien zu treffen. Dazu würde eine einwöchige
Quarantäne aller
Neuankömmlinge,
während derer bestimmte Untersuchungen vorgenommen und Impfungen
mit
Mehrfachimpfstoffen gegen die wichtigsten Infektionskrankheiten verabreicht
werden
sollten.
Die unterzeichneten
Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für Inneres nachstehende
A n frage:
1. Wann haben sie vom Ausbruch der
Masernepidemie im Flüchtlingslager Traiskirchen
erfahren und welche Maßnahmen haben Sie in diesem Zusammenhang veranlasst ?
2. Welche Konsequenzen werden Sie
aus dem völligen Versagen von European
Homecare während dieser Masernepidemie ziehen ?
3. Sind Sie insbesondere bereit, im
Interesse einer geordneten Flüchtlingsbetreuung und
-
wie sich gezeigt hat - auch im Interesse der Volksgesundheit den Vertrag mit
European
Homecare aufzulösen und mit der Betreuung der Flüchtlinge kompetentere
Partner zu beauftragen ?
4.
Sind Sie bereit, die von den zuständigen Ärzten zum Schutz vor
künftigen,
möglicherweise gefahrlicheren Epidemien für
unverzichtbare gehaltenen Maßnahmen
(einwöchige Quarantäne aller Neuankömmlinge, standardisierte Untersuchungen,
Impfungen mit Mehrfachimpfstoff) zu veranlassen und die Kosten dafür durch das
Innenministerium
zu übernehmen ?