2144/J-BR/2004

Eingelangt am 30.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Bundesräte Prof. Konecny

und GenossInnen

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Vernachlässigung der Wirtschaftsinteressen Österreichs durch Mitglieder der

Bundesregierung

Am 16. Jänner 2004 wurde von der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei angekündigt,
dass über Einladung des Präsidenten der Islamischen Republik Iran, Seyed Mohamed
Kh
atami, der Bundespräsident Thomas Klestil in der Zeit vom 24. bis 27. Jänner 2004 dem
Iran einen Staatsbesuch abstatten wird.

Er wird dabei bei seinem Besuch im Iran von einer großen politischen Delegation sowie einer
umfangreichen Wirtschaftsdelegation, der über 100 Vertreter österreichischer Unternehmen
angehören, begleitet werden. Die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich
werden ein wesentliches Thema der Gespräche bilden.

„News" berichtete über die größte Delegation in der Amtszeit Klestils. 120
Wirtschaftsmanager, 37 Journalisten und 5 Minister begleiten Klestil in den Iran. Vorort
werden Aufträge über 250 Mio. Euro unterzeichnet.

Das „Neue Volksblatt" jubelte, dass der Besuch gerade zum richtigen Zeitpunkt erfolge. „Der
Iran öffnet sich gerade für neue Investitionen", betonte Peter Neumann, Geschäftsführer des
Schwertberger Spritzgussmaschinenherstellers Engel im Gespräch mit dem Volksblatt. Dies
alles mache den Iran zum wichtigsten heimischen Exportmarkt in Vorderasien. Und Christoph
Leitl: „Gerade in Zeiten einer wirtschaftlichen Flaute sind Staatsbesuche gemeinsam mit
Wirtschaftsdelegationen von enormer Bedeutung." Er fiebere schon der Abreise zum
Staatsbesuch entgegen.

Nunmehr muss man aber einer Vorausmeldung des „News" entnehmen, dass sich
Bundespräsident Klestil äußerst enttäuscht über die kurzfristigen Absagen der Minister
Strasser (ÖVP), Grasser (Teilnahmerecht bei ÖVP-Bundesparteivorständen, ehemals FPÖ),
Bartenstein (ÖVP und hauptzuständiger Wirtschaftsminister) sowie Vizekanzler Gorbach
(FPÖ) für die Teilnahme am Staatsbesuch in den Iran zeigte.


Unter dem Strich also haben der Vizekanzler und Infrastrukturminister, der
Wirtschaftsminister, der Finanzminister sowie der Innenminister die größte österreichische
Wirtschaftsdelegation im Stich gelassen und die Wirtschaftsinteressen Österreichs gröblichst
vernachlässigt.

Dies zeigt auch den Unterschied zwischen den „Sonntagsreden" Gorbachs, Grassers,
Bartensteins und Strassers, in welchen sie ihren unermüdlichen Einsatz für die österreichische
Wirtschaft betonen, und den tatsächlichen Aktivitäten, nämlich, dass sie auf die
Wahrnehmung österreichischer Wirtschaftsinteressen „pfeifen".

Was allerdings haben diese vier Bundesminister getan, während sie die österreichische
Wirtschaftsdelegation in den Iran im Stich ließen?

Wie man den Medien entnehmen darf, sah man Karl-Heinz Grasser am 24. Jänner 2004 beim
Smalltalk im Partygewühl beim Stanglwirt in Kitzbühel anlässlich des Hahnenkamm-Rennens
(ständig umringt von hübschen Damen - Ali Gürtler war leider nicht dabei), er gab beim
Feiern ordentlich Gas. So der Kurier vom 25. Jänner 2004.

Dies ist natürlich schon ein Grund, eine Iran-Wirtschaftsdelegation „zu spritzen", zumindest
für diesen Minister.

Noch überraschender ist jedoch die Meldung der OÖ Nachrichten von Montag, 26. Jänner
2004: In dieser wird auf den Schladming-Abend, bei welchem für das morgige Slalom-
Spektakel geworben wurde, gegeben von Bürgermeister Hermann Kröll, eingegangen. Bei
diesem packte Hannes Kartnig, Präsident des Bundesligavereines Sturm Graz, ein
schwebendes Verfahren beim Schopf. Er sprach die anwesenden Finanzminister Karl-Heinz
Grasser und Vizekanzler Hubert Gorbach darauf an. Die Herren zeigten freundliche Mienen,
machten aber keine Zugeständnisse, so die OÖ Nachrichten.

Also auch der fleißige Vorarlberger bevorzugte seine persönliche Präsenz bei Society-
Eventen, statt die österreichischen Wirtschaftsdelegation in den Iran mit seinem Gewicht als
Vizekanzler zu unterstützen.

Unklar ist nach oberflächlicher Zeitungslektüre was der eigentlich zuständige
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein vom 24. bis 27. Jänner 2004 getrieben hat.
Anzunehmen ist jedoch, dass er schon die Veranlagung der Minderausgaben an
Körperschaftssteuer seiner Unternehmen überlegen musste. Hier gilt es


Investitionsentscheidungen zu treffen, Urlaube zu planen, möglicherweise ein Feriendomizil
anzuschaffen und ähnliche Fragen zu lösen.

Weniger verwundert die Absage von Innenminister Strasser, der bekanntlicherweise mit dem
selbst in Amerika als extremen Hardliner bekannten John Ashcroft am 26. und 27. Jänner
2004 zusammentraf und mit diesem in den Politikinhalten 90 % Übereinstimmung feststellen
konnte. Allerdings zeigt auch diese Vorgangsweise gerade nicht von einer perfekten
Terminplanung, wie sie für einen österreichischen Minister Standard sein sollte.

Auch überraschend ist die Tatsache, dass die für Außenbeziehungen zuständige
Außenministerin Benita Ferrero-Waldner nicht an diesem bedeutsamen Staatsbesuch
teilnehmen konnte. Ein Blick in ihr Weblog zeigt die Termine, die sie vom 24. bis 27. Jänner
2004 als Außenminister wahrgenommen hat:

24.  Jänner 2004: Ein aufregender Tag, klirrende Kälte, tolle Stimmung der Fans und dann hat

die Abfahrt begonnen. Die Spannung hat sich immer mehr gesteigert und dann hat
Stephan Eberharter gewonnen und ich konnte ihm noch persönlich gratulieren.

Mit DJ Ötzi konnte ich dann noch nett plaudern - natürlich war auch hier ein
Fernsehteam sofort zur Stelle

Der Tag war noch lange nicht zu Ende, die Ballsaison ist auf dem Höhepunkt.
Gemeinsam mit meinem Mann besuche ich noch heute den Techniker-Cercle-Ball im
Musikverein. Einem schönen Abend steht also nichts mehr im Weg.

25.  Jänner 2004: Nach einer rauschenden Ballnacht ist es sehr spät geworden. Dass der Kurier

meine rote Robe bewundernd hervorgehoben hat, ist natürlich ein nettes Kompliment.
Der heutige Tag war einmal großteils Privatem gewidmet.

26.  Jänner 2004: Teilnahme am EU-Außenministerrat. Schnell zurück von Brüssel. Am

Abend stand der ÖAAB-Landestag in Wien auf dem Programm. Die Begrüßung war
stürmisch. Leider konnte ich nicht bis zum Schluss bleiben, denn jetzt stand noch die
Verabschiedung von Ursula Plassnik auf dem Programm. Es war eine berührende Feier.

Jetzt stand nur noch ein Punkt auf dem Programm: Der traditionelle Jägerball.


27. Jänner 2004: Nach einem unspektakulären Ministerrat bin ich vom ÖVP-Klub mit
Standing-Ovations begrüßt worden.

Dann gings zum Nachtslalom nach Schladming. Der Slalom selbst war an Spannung
selbst nicht zu überbieten.

Bei einer genauen Analyse des Programmes der Außenministerin erhebt sich tatsächlich die
Frage, warum sie ihre Aufgaben als Außenministerin nicht wahrnimmt, die wichtige Iran-
Delegation nicht begleitet, ihre internationalen Kontakte zu Lasten der österreichischen
Unternehmungen und der österreichischen Wirtschaftsinteressen vernachlässigt und nur mehr
Society-Events und Sportveranstaltungen besucht.

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten nachstehende

Anfrage:

1.   Warum haben Sie als Außenministerin an diesem Staatsbesuch nicht teilgenommen?

2.                            Wie beurteilen Sie als Außenministerin den Staatsbesuch des Bundespräsidenten im
Iran und den Umstand, dass vier Minister kurzfristigst ihre Teilnahme an diesem
Staatsbesuch abgesagt haben?

3.                            Ist dies ein üblicher Aspekt bei Staatsbesuchen oder sind solche kurzfristigen Absagen
von Regierungsmitgliedern eher die Ausnahme?

4.                            Welche Auslandsreisen planen Sie in Ihrer Funktion als Außenministerin im ersten
Halbjahr 2004?