2146/J-BR/2004
Eingelangt am 10.02.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte
(Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse
Giesinger)
an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten
betreffend
Vorantreiben des Atomausstiegs in Europa
Der Vorarlberger Landtag sich mit einer am 28. Jänner
2004 einstimmig verabschiedeten
Entschließung
dafür ausgesprochen, die Bundesregierung möge
1.
sich mit aller Vehemenz gegen den aktuellen Vorschlag
der Rechtsexpertengruppe der EU-
Regierungskonferenz
zur Änderung des Euratom-Vertrages einsetzen;
2.
sich stattdessen für die Auflösung des Euratom-Vertrages
im Sinne einer Elimination der
Förderziele und einer völligen Neudefinition der Inhalte dieses Vertrages wie
beispielsweise
einer
Forcierung erneuerbarer Energieträger und Maßnahmen zur Steigerung der
Effizienz der
Energienutzung insbesondere im Hinblick auf »Ausstiegsszenarien" aus der
Atomenergie
einsetzen. Die Fragen
der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes, der Entsorgung, des
Transports von spaltbarem Material, des
Rückbaus von Atomkraftwerken und der Abfall-
behandlung sind ebenfalls bei dieser Reform des Euratom-Vertrages zu verankern.
Um wett-
bewerbsverzerrende Subventionen zu vermeiden sollen dabei die Lasten von den
nuklearen
Betreibergesellschaften bzw. -Staaten getragen werden. Die dafür eingesetzten
Mittel sollen
der Kontrolle durch das Europäische
Parlament unterliegen;
3.
sich im Rahmen der EU-Regierungskonferenz klar für die
Aufhebung des Euratom-Vertrages
aussprechen und dazu einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten und diesen aktiv
vertreten, mit
dem
Ziel, eine europäische Verfassung ohne Förderung der Atomenergie und mit
Mitentscheidungsbefugnis
für das europäische Parlament zu etablieren;
4.
sich aktiv für die rasche Abhaltung einer
Revisionskonferenz zur Reform bzw. Auflösung des
Euratom-Vertrages
einsetzen, für den Fall, dass eine solche Reform nicht bei der laufenden
EU-Regierungskonferenz
gelingt;
5.
für diese Initiative verbündete EU-Staaten gewinnen;
6.
den Plan der EU-Kommission, das bisher mit 4 Milliarden
Euro begrenzte EURATOM-
Kreditvolumen auf sechs Milliarden Euro zu erhöhen, im EU-Rat ablehnen und für
diese
Position aktiv verbündete EU-Staaten gewinnen;
7.
aktiv dafür eintreten, das EURATOM-Forschungsprogramm an
das Ziel eines EU-weiten
Atomausstiegs angepasst wird und die bisher gewährten Mittel in das allgemeine
EU-
Rahmenforschungsprogramm
integriert werden, um damit der Kontrolle des Europäischen
Parlamentes
zu unterliegen.
Der diesem Antrag zu Grunde liegende
Antrag war wie folgt begründet:
„Die europäische
Debatte um eine Reform des EURATOM-Vertrages ist in den vergangenen
Monaten im Rahmen
des EU-Konvents und der laufenden EU-Regierungskonferenz verstärkt
geführt worden. Als Ergebnis der
EU-Konvents-Debatte um eine Vereinfachung der Verträge
gelang zwar keine umfassende
Reform des Euratom-Vertrages, doch konnte immerhin erreicht
werden, dass der
Euratom-Vertrag kein integraler Bestandteil der neuen EU-Verfassung wird. Eine
Reform des dadurch
allein stehenden Vertrages bzw. auch die Option eines Ausstieges einzelner
Mitgliedsstaaten wäre somit besser als vorher möglich.
Allerdings gibt es bei der derzeit laufenden
EU-Regierungskonferenz
Bestrebungen einzelner Staaten, wie z.B. Spanien, das Konventsergeb-
nis betreffend Euratom wieder aufzumachen.
Ein aktueller Vorschlag der Rechtsexpertengruppe für
die Regierungskonferenz verlangt
gravierende Änderungen, unter anderem soll das Ziel festge-
schrieben werden, dass der Euratom-Vertrag explizit nicht den Zielen der
Europäischen Union
unterliegt (z.B.: Nachhaltigkeit, freier Wettbewerb) und dass ein Austritt aus
Euratom auch einen
Austritt aus der EU bedeuten würde. Die bisherigen Bemühungen, entweder auf der
Regierungs-
konferenz selbst oder bei einer
baldig abzuhaltenden Revisionskonferenz den EURATOM-Vertrag
grundlegend zu reformieren bzw.
aufzulösen haben keinen Erfolg gebracht. Es besteht also
dringender Handlungsbedarf, um das historische Zeitfenster der
Regierungskonferenz zu nutzen,
um die unzeitgemäße und einseitige
Förderung der Atomenergie zu beenden.
Der EURATOM-Vertrag ist seit 1957 EU-Primärrecht und
beschreibt die Kernenergie unter
anderem als „unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der
Wirtschaft und für
den friedlichen Fortschritt". Ein halbes Jahrhundert später ist es
offensichtlich, dass die Atomkraft
nicht
in der Lage war, zur Lösung der weltweiten Energie- und Klimaproblematik
beizutragen,
obwohl
sie — wie keine andere Energietechnologie - subventioniert und gefördert wurde.
Statt
Probleme
zu lösen, schafft die Atomtechnologie neue, wie z.B. Sicherheitsrisiken oder
die
Lagerung von radioaktiven Atommüll. Zahlreiche Gründe sprechen für eine
Aufhebung des
EURATOM-Vertrages und eine Übernahme der - aktualisierten - erhaltenswerten
Artikel des
EURATOM-Vertrages
in die Europäische Verfassung.
Anlass zur Besorgnis geben auch die Pläne der
EU-Kommission, das Euratom-Kreditvolumen von
derzeit
vier auf dann sechs Milliarden Euro anzuheben. Mit Euratom-Krediten sollen vor
allem
Reaktoren in Osteuropa und Russland fertig bzw. neu gebaut werden. Die immer
wieder seitens der
EU-Kommission
aufgestellte Behauptung, die Kredite werden ausschließlich zur Sicherheitsver-
besserungen vergeben, entbehren jeglicher sachlichen Grundlage, das belegt die
bisherige Praxis.
Der derzeit auf EU-Ebene diskutierte Vorschlag, schließt
den Fertigbau von bereits in Bau befind-
lichen
Reaktoren nicht aus, Sicherheitsnachrüstungen sind nicht an verbindlichen
Schließungsdaten
gekoppelt.
Zudem besteht derzeit gar nicht die Notwendigkeit, den Kreditrahmen
auszuschöpfen,
da
die Ukraine einen Projektantrag (betreffend der Reaktoren „K2/R4")
zurückgezogen hat und das
aktuelle
Kreditlimit von 4 Mrd. Euro nicht ausgeschöpft ist. Weiters hat die EU-Kommission
in
Beantwortung von Fragen zu einem Non-Paper zur Zukunft der Euratom-Kreditlinie
klargestellt,
dass eine Ratsentscheidung zu EURATOM-Krediten nicht a priori Vorhaben
ausschließen kann,
welche im Euratom-Vertrag vorgesehen sind. Es ist somit auch offiziell seitens
der Kommission
bestätigt, dass es keinerlei Garantie für die von Österreich geforderte
Beschränkung von Euratom-
Mitteln für Sicherheitsverbesserungen oder Dekommissionierung gibt. Die
geplante Aufstockung
des Euroatomkreditrahmens sollte daher seitens der österreichischen
Bundesregierung klar
abgelehnt werden. Einen diesbezüglichen Beschluss hat der deutsche Bundestag
bereits gefasst."
Daher richten die unterzeichneten Bundesräte an die Frau
Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten folgende
Anfrage:
In welcher Weise werden Sie die in der Entschließung des
Vorarlberger Landtages ausgedrückten
Anliegen
vertreten?