2189/J-BR/2004
Eingelangt am 19.05.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesräte Prof. Konecny, Dr. Elisabeth Hlavac
und GenossInnen
an
die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten
betreffend
Abkommen
zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über die Erfassung von
Flugpassagierdaten
auf transnationalen Flügen und deren Übermittlung an
amerikanische Sicherheitsbehörden
oder
ein Schlag in
das Gesicht des Europäischen Parlaments durch die EU-Außenminister
Mehr
als ein Jahr lang hat EU-Kommissar Frits Bolkestein mit dem amerikanischen
Minister
für Heimatschutz Tom Ridge verhandelt, der
die EU und die europäischen Fluglinien dabei
massiv unter Druck setzte: Ergebnis war der Entwurf einer Vereinbarung, die es
den USA
erlaubt, 34 Passagierdaten - etwa
Adressen, Telefonnummer, Kreditkartennummern -
abzufragen und dreieinhalb Jahre zu
speichern.
Das Europäische Parlament distanzierte sich allerdings
von dem Vertragsentwurf, da dieser
nach Rechtsansicht der EU-Abgeordneten nicht dem europäischen Datenschutzrecht
entspricht. Anfang dieses Monats hat daher das EU-Parlament mehrheitlich
beschlossen,
diesen
Vertragsentwurf dem Europäischen Gerichtshof zuzuleiten, damit dieser über die
EU-
Rechtskonformität entscheide.
Schon
am Ende der vorigen Woche lagen Berichte vor, wonach der Sprecher der
Kommission
erklärte, dass der Ausgang dieses Verfahrens
vor dem Gerichtshof nicht abgewartet werde
und es durchaus möglich sei, dass die europäischen Außenminister im Allgemeinen
Rat am
17. Mai 2004 entgegen dem Beschluss des Europäischen Parlaments dieses Abkommen
annehmen. Dies geschah auch tatsächlich in der Sitzung der europäischen
Außenminister am
17. Mai 2004 in Brüssel.
Mit diesem Abkommen wird tiefgreifend in die persönliche
Datenschutzsphäre jedes
Europäers oder
Europäerin eingegriffen, sollte dieser in die Vereinigten Staaten reisen. Denn
völlig unklar ist, wer Zugang zu diesen
Daten hat und an wen diese weitergegeben werden
dürfen, ob der Betroffene Einsicht in die von ihm gespeicherten Daten nehmen
kann, ob ein
Löschungsrecht oder ein Recht auf Richtigstellung besteht und mit welchen
Konsequenzen
für den Einzelnen zu rechnen ist, wenn Daten nicht bekannt gegeben oder Daten
falsch
übertragen werden.
Generell erscheint die Verhältnismäßigkeit dieser
Eingriffe jedenfalls in einer generellen
Beurteilung nicht gegeben zu sein. Besonders ärgerlich ist auch der Umstand,
dass die
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit dieser Angelegenheit weder
den
Nationalrat noch den Datenschutzrat befasst hat. Es ist unerträglich, dass so
weitreichende
Eingriffe in das
Grundrecht auf Datenschutz ohne Befassung des Parlaments oder der damit
ständig beschäftigten Experten vorgenommen werden.
Auf
europäischer Ebene erscheint es unverständlich, dass gerade so kurz vor den
EU-Wahlen
die Außenminister den Wunsch des Europäischen
Parlaments völlig ignorieren und - wie
kolportiert wird - dem Parlament
nicht einmal den gesamten Entwurf in der Letztfassung zur
Verfügung stellen.
In der renommierten
FAZ wurde am 18. Mai 2004 folgender Artikel dazu veröffentlicht.
"Frankfurter
Allgemeine Zeitung" Nr. 115 vom 18.05.2004 Seite: 12
Ressort: Wirtschaft
EU
für Weitergabe von Passagierdaten
wmu. BRÜSSEL, 17. Mai. Einer Weitergabe
der Daten privater Passagiere auf
Transatlantikflügen
an die amerikanischen Sicherheitsbehörden steht nun auch formell nichts
mehr im Wege. Die Europäische Kommission und
die EU-Außenminister haben am Montag
ein entsprechendes Abkommen mit den Vereinigten Staaten gebilligt. Die
Brüsseler Behörde
und der Ministerrat stellten sich damit
gegen das Votum des Europäischen Parlaments. Die
Parlamentarier hatten die Regelung in der jetzigen Form wegen
Datenschutzbedenken im
April abgelehnt und beschlossen, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen.
Das
Abkommen mit den Vereinigten Staaten soll nun um eine Formel ergänzt werden,
die
festhält, daß die Passagierdaten "angemessen geschützt" werden.
Dem Abkommen zufolge sollen 34
persönliche Daten abgefragt werden. Die meisten von
ihnen sollen maximal dreieinhalb Jahre gespeichert werden dürfen. Zu den Daten
zählen
Kreditkartennummern, Speisewünsche und gewählte Flugrouten. Die Kommission
betont
indes, die amerikanischen Behörden hätten zugesichert, daß die übermittelten
Daten
"angemessen
geschützt" würden. Außerdem würden weniger Daten weitergegeben als von
den Amerikanern ursprünglich gefordert.
Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein sagte in
Brüssel, Verhandlungslösungen seien "nie perfekt". Mehr als
die jetzt gefundene Lösung sei
aber nicht möglich gewesen. Die amerikanische Regierung habe sich verpflichtet,
die Daten
für eingegrenzte Zwecke, vornehmlich zur
Terrorismusbekämpfung zu nutzen. Die
Verhandlungslösung biete den Passagieren
besseren Datenschutz und den
Fluggesellschaften Rechtssicherheit.
Die europäischen Fluggesellschaften
müssen den amerikanischen Behörden schon seit
längerem
Einblick in die Registrierungsdaten von Reisenden gewähren. Der Unterschied zur
bisherigen Rechtslage bestehe darin, daß
jetzt per Vereinbarung festgelegt sei, wie die
Amerikaner mit den Daten umgingen, sagte Bolkesteins Sprecher in Brüssel.
Das EU-Parlament hatte den EuGH gebeten
zu klären, ob das Abkommen gegen
europäisches Recht verstößt. Nach der Entscheidung von Kommission und Ministern
müssen die Parlamentarier entscheiden, ob sie dagegen vor dem Gerichtshof eine
Nichtigkeitsklage
anzustrengen. Diese muß allerdings innerhalb von zwei Monaten erfolgen.
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Main
Es ist unerträglich, dass die österreichische Außenministerin
so weitreichenden
Grundrechtseingriffen
ihre Zustimmung gibt, ohne die ÖsterreicherInnen aufzuklären, welche
Auswirkungen dieses Abkommen auf sie
bewirkt.
Die
unterzeichneten Bundesäte richten daher an die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten nachstehende
Anfrage:
1.
Welchen
Beitrag haben Sie als österreichische Außenministerin am Prozess des
Zustandekommens des gegenständlichen
Abkommens geleistet?
2.
Wie lautet der Text des gegenständlichen Abkommens, der
am Beginn dieser Woche
von
den EU-Außenministern angenommen wurde?
3.
Haben Sie als österreichische Außenministerin für diesen
Text gestimmt?
4.
Haben Sie den Text des Abkommens auf die Konformität mit
europäischem Recht
überprüft?
Wenn ja, welches Ergebnis erbrachte die Überprüfung?
Wenn
nein, warum nicht?
5.
Ist Ihnen bekannt, dass das Europäische Parlament die
EU-Rechtskonformität des
Abkommens bezweifelt
und daher den Europäischen Gerichtshof mit der Überprüfung
der Rechtskonformität betraute?
6.
Warum
wurde das Ergebnis dieser Überprüfung entgegen dem ausdrücklichen Wunsch
des Europäischen Parlaments nicht abgewartet?
7.
Sehen
Sie nicht auch die Gefahr, dass gerade in Zeiten der Neuwahl des EU-Parlaments
eine derartige Respektlosigkeit der Minister
und der Kommission gegenüber dem
Parlament dessen Ansehen bei den
europäischen Wählerinnen mutwillig herabgesetzt
wird und damit zu einer niedrigen
Wahlbeteiligung beiträgt?
8.
Welche
34 personenbezogenen Daten können gemäß diesem Abkommen von den
Fluglinien den amerikanischen
Sicherheitsbehörden übermittelt werden? (Bitte
Aufzählung von 1. bis 34.)
9.
Handelt es sich dabei auch um sogenannte sensible Daten?
10.
Wenn
ja, werden dabei die besonderen und strengeren Datenschutzbestimmungen für
sensible Daten genau eingehalten?
11.
Wie wird dies und von wem wird dies überprüft?
12.
Wer ist exakt die amerikanische Behörde, die diese Daten
übermittelt bekommt?
13.
Darf
diese Behörde die Daten an andere Behörden oder Personen oder Institutionen
weitergeben?
14.
Wenn ja, an wem?
15.
Wenn
ja, auch an Behörden, Personen oder Institutionen außerhalb der Vereinigten
Staaten und welche sind diese?
16.
Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?
17.
Wenn ja, welches Datenschutzrecht gilt bei dieser Datenübermittlung?
18.
Werden
die einzelnen Passagiere von dieser Datenübermittlung verständigt und wird
dabei genau bekannt gegeben, welche Daten
übermittelt wurden?
19.
Welche subjektiven Rechte haben die Betroffenen?
20.
Gibt
es ein Recht auf Einsicht in die gespeicherten Daten, besteht also für die
amerikanischen Behörden gegenüber den
europäischen Passagieren eine
Auskunftspflicht?
21.
Gibt das subjektive Recht des Betroffenen auf Löschung
der Daten?
22.
Wenn ja, aus welchen Gründen?
23.
Wenn nein, warum nicht?
24.
Gibt
es das subjektive Recht des Betroffenen auf Richtigstellung der von ihm
gespeicherten Daten?
25.
Wenn ja, aus welchen Gründen?
26.
Wenn nein, warum nicht?
27.
Wann sind die Daten von den amerikanischen Behörden
generell zu löschen?
28.
Sollte ein Betroffener wegen von ihm gespeicherten Daten
bei den amerikanischen
Sicherheitsbehörden
Nachteile (Festnahmen, Abschiebungen etc.) erleiden und beruhen
diese auf falsch gespeicherten oder
übermittelten Daten, besteht eine
Schadenersatzpflicht?
29.
Wem gegenüber ist der Anspruch auf Schadenersatz
anzumelden?
30.
Für welche Schäden wird Ersatz geleistet?
31.
Nach welchem Recht ist der Schadenersatz zu leisten?