2225/J-BR/2004

Eingelangt am 20.07.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Bundesräte Prof. Konecny

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend Verluste für die „Wiener Zeitung" durch den Kauf des „Wiener Journal"

Es gibt viele Möglichkeiten, eine Zeitung zu sanieren oder zumindest jenen, die damit Pleite
zu machen drohen, die Kosten dieser Pleite zu ersparen. Sie alle sind legitim - soferne der,
der diese Sanierung betreibt, dabei eigenes Geld in die Hand nimmt. Wenn er freilich - direkt
oder indirekt - das Geld des Steuerzahlers in die Hand nimmt, wird es bedenklich.

Da gab es einmal ein – durchaus bemerkenswertes – Blatt namens „Wiener Journal"; sein
Gründer war Jörg Mauthe, der darin seine sehr spezifischen, aber immer bereichernden
Auffassungen über eine moderne konservative Politik publizierte. Das Blatt überlebte seinen
Gründer und wurde nach Mauthes Tod von Erhard Busek und Peter Bochskanl im „Wiener
Journal Zeitschriftenverlag GmbH" herausgebracht.

Die publizierten Ideen wurden wie das Blatt immer dünner, die Anzeigen - wie wohl auch die
Leser - immer weniger. Bis dem „Wiener Journal" das Aus drohte und der besagte Verlag auf
beträchtlichen Schulden sitzen zu bleiben drohte.

Just zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Wiener ÖVP auf den Finz gekommen war, kam auch das
Ende des „Wiener Journal". Aber es wurde nicht etwa eingestellt, vielmehr verabschiedete es
sich von seinen Lesern mit dem Versprechen: „Das ,Wiener Journal' hat nämlich nicht nur
einen neuen Platz innerhalb des Verlages der Wiener Zeitung gefunden, sondern arbeitet
fieberhaft an einem Neustart..."

Tatsächlich hatte der Verlag der Wiener Zeitung, der zur Gänze im Eigentum der Republik
Österreich steht, kein dringenderes Bedürfnis, als eine marode ÖVP-Publikation herausgeben
zu dürfen. Laut Anfragebeantwortung von Bundeskanzler Dr. Schüssel (vom 8.5.2003) wurde
tatsächlich der Titel und die Verlagsrechte durch Kauf von der Wiener Zeitung GmbH
erworben. „Der Kauf war ausschließlich eine betriebswirtschaftliche Entscheidung des
Geschäftsführers der Wiener Zeitung GmbH."

Eine „betriebswirtschaftliche Entscheidung" ? Immerhin - ab Dezember 2002 erschien das
„Wiener Journal" nun opulent im Vierfarben-Druck und die neue Chefredakteurin Marion


Breiter-O'Donovan bejubelte in der ersten Ausgabe den Neustart, während die bisherigen
Herausgeber die Hoffnung beschworen, das neu gestaltetet Blatt werde an die 22-jährige
Tradition anschließen können.

Tatsächlich gelang dies nur in einer einzigen Hinsicht - die finanziellen Schwierigkeiten
blieben. Ob die - wenigen - angestammten Abonnenten treu blieben, darf bezweifelt werden,
umfassende und wohl nicht ganz billige Werbemaßnahmen des Verlages vermochten nur
wenige neue Leser anzulocken.

Und damit war das „Wiener Journal" wieder einmal - nach wenig mehr als einem Jahr - am
Ende. Aber es erlebte erneut eine Auferstehung. Bei der Neugestaltung der „Wiener Zeitung"
im Mai 2004 erhielt die Zeitung eine neue farbige Samstags-Beilage, der man - Überraschung
- den Titel „Wiener Journal" verpasste.

Es war - so Bundeskanzler Schüssel - eine „betriebswirtschaftliche Entscheidung": Also
zahlte die „Wiener Zeitung" einen Kaufpreis - über dessen Höhe der Bundeskanzler eine
Auskunft verweigerte -, investierte ein gutes Jahr lang in ein neues Produkt und häufte - ohne
jeden Zweifel - einen beträchtlichen Verlust an. Nach der faktischen Einstellung dieser
Version des „Wiener Journal" blieb außer einem beträchtlichen hinausgeworfenen Betrag
nichts übrig als die Weiterverwendung des erworbenen Titels für die Samstags-Beilage. Die
Leser der „Wiener Zeitung" hätten wohl eine solche Beilage auch dann nicht entrüstet
weggeworfen, wenn sie einen neu ausgedachten Titel getragen hätte.

Gewinner dürfte es bei dieser Operation durchaus geben - die „Wiener Zeitung" gehört mit
Sicherheit nicht dazu; eher schon die Wiener ÖVP und ihr „Wiener Journal
Zeitschriftenverlag GmbH".

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundeskanzler die nachstehenden
Anfragen:

1. Da Sie in ihrer Anfragebeantwortung vom 8.5.2003 darauf hingewiesen haben, „es kann
daher nur soweit Auskunft gegeben werden, soweit im Rahmen der Wahrung der
Anteilsrechte des Bundes an der Wiener Zeitung dem Informationen zugehen": Sind dem
Bundeskanzleramt inzwischen Informationen über die Höhe des von der Wiener Zeitung
erlegten Kaufpreises zugegangen und wie lauten diese ?


2. Sind dem Bundeskanzleramt Informationen über den Gebarungserfolg des „Wiener
Journal" während der Zeit seines Erscheinens als eigenständige Publikation im Verlag der
Wiener Zeitung zugegangen und wie lauten diese ?

3a. Sollten Ihnen Informationen zu den in 1. und 2. angeschnittenen Themen zugegangen
sein: Wie beurteilen sie im Lichte dieser Informationen ihre seinerzeitige Aussage, dass für
die Kaufentscheidung des Geschäftsführers der „Wiener Zeitung" ausschließlich eine
betriebswirtschaftliche gewesen sei ?

3b. Sollten Ihnen zu den in 1. und 2. angeschnittenen Themen keine Informationen
zugegangen sein: Sind Sie bereit, dafür zu sorgen, dass im Rahmen der Wahrung der
Anteilsrechte des Bundes dem Bundeskanzleramt Informationen über diese offenkundig
verlustbringende Operation zugehen.

4.       Sind nach den dem Bundeskanzleramt zugegangen Informationen weitere derartige
betriebswirtschaftliche Entscheidungen geplant, um die Verlage defizitärer Zeitschriften vor
finanziellem Schaden zu bewahren ?

5.       Sind Sie bereit, den Präsidenten des Rechnungshofes zu ersuchen, im Rahmen der
Prüftätigkeit des Rechnungshofes diese „betriebswirtschaftlichen Entscheidung" des
Geschäftsführers einer im ausschließlichen Bundeseigentum stehenden Gesellschaft zu
überprüfen?