2259/J-BR/2004
Eingelangt am 11.10.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Bundesrätin Kerschbaum, Freundinnen und Freunde
an
den Bundesminister für Inneres
betreffend
missbräuchliche Verwendung von Daten aus der Wählerinnen-
Evidenz durch die NÖ-VP
Begründung:
Die NÖ Grünen richteten im Juni 2003 auf ihrer Homepage
einen "elektronischen
Beschwerdebriefkasten" ein. Ziel war es, den Bürgerinnen Niederösterreichs
eine
Plattform zu bieten,
um unkompliziert mit ihren Sorgen und Anliegen an die Grünen
herantreten, aber auch Missstände aufzeigen
zu können, denen die Grünen
nachgehen sollten.
Diese Initiative wurde von der ÖVP Niederösterreich
benutzt, um einen völlig
überzogenen Skandalisierungs- und Kriminalisierungsversuch der NÖ Grünen zu
unternehmen. Vor
allem LGF Gerhard Karner fand für den Beschwerdebriefkasten in
den darauf folgenden Wochen eine völlig
überzogene, fast ans Lächerliche
grenzende Wortwahl:
„Bespitzelungsangriff', „Verleumden, Vernadern und
Denunzieren", „miese grüne
Methoden", „Spionage", "Aufhetzung", „skandalöser
Angriff',
Es sei "typisch für die GRÜNEN, sich immer wieder in die Nähe von
strafrechtlichen
Tatbeständen zu begeben" und „an kommunistisches Regime
erinnernde Methoden". Der Landesgeschäftsführer des ÖVP-Seniorenbundes,
Herbert Michelitsch, stellte in einem Kommentar fest, dass sich beim
Beschwerdebriefkasten der Grüne "als erstes ein Vergleich mit den
Nazis"
aufdränge. Nach einem längeren Gerichtsverfahren musste sich Michelitsch
schließlich im April 2004 bei den Grünen entschuldigen, seine Aussage
öffentlich
widerrufen und eine Entschädigungszahlung von € 5.000.- leisten.
Im Juli 2003 erhielten tausende Niederösterreicherinnen
eine Postkarte von einem
Herrn Franz Renkin, in der er sich ebenfalls kritisch zur Homepage der
niederösterreichischen Grünen äußert ("Spitzelbox", Misstrauen
schüren",
"Missbrauch"...). Als Absender scheint lediglich „Franz Renkin,
Postfach 15, 2372
Gießhübl" auf. Die Postkarte, die im Layout der Grünen gehalten war und
offenbar
den Eindruck erwecken
sollte, es handle sich um eine Aussendung der Grünen, war
unterschrieben mit "Franz Renkin, ehemaliger
Landes- und Bundesgeschäftsführer
der Grünen".
Franz
Renkin war Anfang der 90er-Jahre Geschäftsführer bei den Grünen gewesen,
hatte bei den vergangenen Landtagswahlen
aber auf Platz 11 der ÖVP-Landesliste
kandidiert. Die Grünen forderten daher umgehend eine Klarstellung
seitens der ÖVP,
wer hinter dieser Aktion stehe, insbesondere wer diese gegen die Grünen
gerichtete
Aktion finanziert hat und woher die
elektronisch verarbeiteten Daten (Adressen)
stammen.
Gegenüber
der "Presse" (11.7.2003) sagte Renkin, "die Aktion sei mit der
Landes-VP
koordiniert worden. Wer Druck und Sendung bezahlt habe, wollte er nicht sagen.
'Ich
kann mir alles selber finanzieren, was ich
will. VP-Landesgeschäftsführer Gerhard
Karner
bestätigt, dass die Initiative von Renkin ausgegangen sei. Bei der
Finanzierung und Adressenauswahl habe man Renkin unterstützt."
Gegenüber dem Kurier (11.7.2003) meinte Karner: "Mit
dieser Karte hat Renkin
deutlich die
Ablehnung der Vernaderungs- und Bespitzelungsmethoden der Grünen
zum Ausdruck gebracht."
Nachdem
die Grünen abermals Aufklärung über die Verwicklung der ÖVP in dieser
Causa verlangt und einen offenen Brief an den Landeshauptmann gerichtet hatten,
berichtete "Die Presse" vom
26.07.2003: "Im Büro Prölls sieht man darin eine
neuerliche 'Denunziation1,
man werde die 'Verleumdungen' rechtlich prüfen lassen.
Ansonsten verweist man an den
Landesgeschäftsführer und an den Absender der
Postkarten. Karner wiederum nennt die Vorwürfe der Grünen 'kurios' und
verweist
ebenfalls auf Renkin. Dieser gab am Freitag
keine Stellungnahme ab."
Nachdem die Grünen Ende Juli 2003 eine Anfrage an
Finanzlandesrat Wolfgang
Sobotka gestellt hatten, ob eine mögliche Finanzierung einer privaten
Postkartenaktion
durch die ÖVP im Einklang mit dem nö. Parteienförderungsgesetz
stehe, zitierte der Kurier am 31.07.2003
abermals LGF Karner: "Das ist ein
Ablenkungsmanöver von der miesen
Bespitzelungs- und Vernaderungskampagne
der nö. Grünen."
Da auf diese Weise die Herkunft des Adressen-Materials
nicht zu klären war,
begehrte der Grüne
LGF Thomas Huber gemäß dem Datenschutzgesetz (DSG) die
entsprechende Auskunft von Franz Renkin. Da
dieser die Auskünfte nicht erteilte,
richteten die Grünen eine Beschwerde an die Datenschutzkommission im
Bundeskanzleramt. Die Datenschutzkommission fällte schließlich am 3.8.2004 die
Entscheidung, dass Renkin das DSG gebrochen habe und binnen 4 Wochen "bei
sonstiger Exekution" (zB Beugestrafen) schuldig sei, Auskunft über die
Herkunft der
Daten zu erteilen. In der "Presse" vom 2.9.2004 kommentierte Karner
dies als
"offensichtlichen Rachefeldzug gegen einen ehemaligen
Grün-Funktionär". Diese
fühlten sich mit ihrer "Spitzel- und Vernaderungsbox auf frischer Tat
ertappt".
Mit Schreiben vom 7.9.2004 erteilte Franz Renkin
schließlich die von den Grünen auf
dem
Rechtsweg erzwungene Auskunft gemäß dem Datenschutzgesetz. Renkin teilt
darin
mit:
"Ich
war nicht Auftraggeber der Ihnen im Juli 2003 mit einem von mir verfassten Text
übermittelten Postkarte verwendeten
Datenverarbeitung. Dies war die ÖVP
Niederösterreich, Fertlergasse 4, 3100 St. Pölten, der ich den Text
zur Verfügung
gestellt habe. Weitere Auskünfte über die Datenverarbeitung kann ich dazu nicht
machen und wäre Ihr Auskunftsersuchen dorthin zu richten."
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1.
Die politischen Parteien haben in der österreichischen
Rechtsordnung einen
großen
Freiraum für ihre Aktivitäten (zB. Zugang zu den Daten der
WählerInnenevidenz). Gehen Sie davon aus, dass im Gegenzug auch ein
hohes
Maß an Verantwortung zu wahren ist?
2.
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die NÖ
Landesorganisation der ÖVP
Adressen aus der WählerInnenevidenz missbraucht hat, indem sie - zur
Verschleierung des tatsächlichen Absenders ohne DVR-Nummer - im Namen
eines
ehemaligen Grün-Funktionärs und im Layout der Grünen massenweise
Postkarten verschickt hat?
3.
Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene sehen
Wahlordnungen bzw.
WählerInnen-Evidenzgesetze vor, dass Parteien Abschriften bzw. maschinell
verarbeitete
Daten aus der Wählerinnen-Evidenz bzw. den WählerInnen-
Verzeichnissen erhalten können. Entspricht die in der Begründung dieser
Anfrage dargestellte Verwendung von derartigen Daten durch die ÖVP
Niederösterreich Ihrer Ansicht nach den Intentionen dieser Regelungen?
4.
Erachten Sie es angesichts der geschilderten Vorkommnisse
für geboten, für
derartige Daten aus der WählerInnenevidenz eine gesetzliche Zweckwidmung
festzulegen,
um künftig den Missbrauch von Datenmaterial - wie etwa durch
die NÖ-VP - zu verhindern oder soll die Verantwortung dafür, dass es zu
keinem
Missbrauch kommt, weiterhin ausschließlich den Parteien bzw. deren
Organen
(Geschäftsführer, Parteiobmann) zukommen?