2265/J-BR/2004
Eingelangt am 05.11.2004
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möglich.
Anfrage
der Bundesräte Prof. Konecny
und GenossInnen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Erosion der Körperschaftssteuer
Die schwarzblaue Bundesregierung hat mit der
Gruppenbesteuerung bei der Absenkung der
Unternehmenssteuern
weit über das Ziel geschossen. Auch eine jüngst veröffentlichte Studie
der KPMG kommt zu dem richtigen Schluss, dass Österreich auch vor der
Steuerreform 2005
und Senkung der Körperschaftssteuer auf 25% in der OECD zu den Steuerparadiesen
bei der
Unternehmens- und Vermögensbesteuerung gehört hat.
Die
reale Steuerlast betrug in Österreich vor der Steuerreform 2005 bei der
Körperschaftssteuer rund 19% und war damit
vergleichbar mit jener der osteuerpäischen
Nachbarn oder Irlands. Mit der in Österreich gewählten technischen Umsetzung
der
Absenkung der KöSt wird Österreich zum Unternehmens-Steuerparadies
Nummer Eins in
Europa.
Der wirtschaftliche Effekt wird unter Experten jedoch
bezweifelt, weil niedrige Steuersätze
nicht automatisch zu
neu angesiedelten Headquarters oder Arbeitsplätze führen, sondern oft
nur zu jenen marginalen, wenig
arbeitsintensiven Strukturen, die zur Inanspruchnahme der
Steuerbegünstigung notwendig sind. Beispiele dafür bieten Zypern oder
die Cayman Islands,
die auch nicht unbedingt für Headquarters
internationaler Konzerne oder große
Produktionsstätten bekannt sind.
Insbesondere die neue Gruppenbsteuerung wird nach Ansicht
der meisten Experten keine
Effekte auf Standort
und Beschäftigung haben, sondern nur zu Mitnahmeeffekten führen.
Darüber hinaus wird im Rahmen der EU auch
noch geprüft werden, inwieweit ein derartig
großzügiges Steuergeschenk mit dem Code of Conduct vereinbar ist, den
die Mitgliedsstaaten
der EU zur Eindämmung des schädlichen
Steuerdumpings in der EU beschlossen haben.
Denn künftig können in Österreich - in der Praxis schwer überprüfbar und daher
missbrauchsanfällig - Verluste im Ausland gegen im Inland ausgewiesene Gewinne
gegengerechnet und damit die Steuerlast gegen Null gebracht werden. Da als
Voraussetzung
eine Beteiligung am ausländischen Verlustunternehmen
reicht, können auch Verluste über
derartige
Beteiligungen „zugekauft" werden.
Daher sind zahlreiche Experten der Meinung, dass die für
die neue Gruppenbsteuerung als
Steuerentfall
veranschlagten 100 Millionen Euro zu niedrig gegriffen sind und die
Steuerausfälle auch 500 Millionen Euro oder mehr betragen können.
Ähnlich
großzügig wirkt auch eine bereits im Budgetbegleitgesetz 2003 eingeführtes
Steuergesetz für Schachtelbeteiligungen. Nach dieser Regelung sind Dividenden
von der
KöSt befreit, sofern die Beteiligung
mindestens 10 Prozent beträgt - der Prozentsatz wurde
von 25 Prozent abgesenkt. Jüngsten Medienberichten zufolge wird die OMV von
dieser
Regelung jetzt Gebrauch machen und ihre Beteiligung am ungarischen Mitbewerber
MOL
von 9,1 auf 10,0 Prozent aufstocken. Dies bringt der OMV eine
Steuerersparnis von etwa 1,25
Millionen Euro.
Insgesamt
werden daher aller Voraussicht nach die Steuerausfälle durch
Körperschaftssteuersenkung, Gruppenbesteuerung und Begünstigung für
Schachtelbeteiligungen höher als veranschlagt ausfallen. Die Schätzungen im
Rahmen der
Steuerreform 2005, die mit Gesamtausfällen im Ausmaß von rund 1,1 Milliarden
Euro
rechnen, werden daher nicht halten.
Dabei werden schon nach Angaben des BMF trotz
Steuerreform im Jahr 2005 die
Lohnsteuereinnahmen
gegenüber 2004 um 1,7 Prozent sinken, während die Einnahmen aus
der KöSt im Jahr 2005 gegenüber 2004 um rund
17 Prozent, also das zehnfache fallen
werden.
Wenn
diese Entwicklung fortgeschrieben wird, werden nur mehr die ArbeitnehmerInnen
mit
ihrem Lohnsteuer- und Umsatzsteueraufkommen
die staatlichen Aufgaben finanzieren, die
allen - auch den Unternehmen - zugute
kommen.
Aus
Sorge über diese ungerechten Auswirkungen der Steuerreform 2005 stellen die
unterfertigten Bundesräte nachstehende
Anfrage:
1)
Ist es richtig, dass im Vergleich zum Jahr 2004 die
Entlastung der Bevölkerung im Jahr
2005
bei der Lohnsteuer rund 1,7 Prozent des Aufkommens ausmacht, während sie für
die
Kapitalgesellschaften bei der Körperschaftssteuer rund 17 Prozent des
Aufkommens
ausmacht?
2)
Wie
erklären und rechtfertigen Sie das Missverhältnis zwischen der Entlastung der
Bevölkerung bei Lohn- und Einkommenssteuer einerseits und Körperschaftssteuer
andererseits?
3)
Wie hoch sind die Steuerausfälle durch die im Rahmen des
Budgetbegleitgesetzes 2003
eingeführte
Steuerbegünstigung für Schachtelbeteiligungen?
4)
Mit
welchen Steuerausfällen wurde anlässlich der Beschlussfassung und Einführung
der
Steuerbegünstigung für Schachtelbeteiligung gerechnet und wie erklären Sie
allfällige
Abweichungen bei den tatsächlichen
Ausfällen?
5)
Können
Sie ausschließen, dass es zu keinen höheren als den veranschlagten Ausfällen
durch die Senkung der Körperschaftssteuer kommt, und wenn ja, warum?
6)
Können Sie ausschließen, dass es zu keinen höheren als
den veranschlagten Ausfällen
durch die im Rahmen
der Steuerreform 2005 eingeführten Gruppenbesteuerung kommt
und wenn ja, warum?
7)
Halten Sie es für unproblematisch, dass zunehmend die
ganze Last der Finanzierung
staatlicher Aufgaben
durch die Arbeitnehmerinnen mit dem Lohnsteuer- und anteiligen
Umsatzsteueraufkommen getragen wird, und
wenn ja, warum?
8)
Woher werden Sie vor dem Hintergrund der unter 7)
angesprochenen Entwicklung die
Spielräume zur
Finanzierung der angekündigten Entlastung des Faktors Arbeit nehmen?
9)
Wie beurteilen Sie die geplante Vorgangsweise der OMV,
die Beteiligung am
ungarischen
Konkurrenten MOL von 9,1 % auf 10 % zu erhöhen, um die Dividenden-
KöSt-Befreiung zu lukrieren, die laut Zeitungsberichten immerhin 1,25 Mio. Euro
für
das Unternehmen bringt?
10) War
bei der Erarbeitung der Bestimmungen über die Schachtelbeteiligung aus Sicht
des
BMF genau dieser Effekt beabsichtigt?
Wenn ja, warum?
11)
Ist
es richtig, dass die OMV nach einem Jahr Behaltefrist die Beteiligung
steuerfrei
verkaufen kann?
12)
Sind
die Zeitungsberichte nach Ihrem Wissen korrekt, die davon ausgehen, dass die
OMV bei dieser Vorgangsweise rund 250 Mio.
Euro bei dem Verkauf der MOL-
Beteiligung steuerfrei „einstreifen" könne?
13)
Welche Überlegungen führten dazu, diese Bestimmungen im
BMF auszuarbeiten ?
14)
Sollten
dabei solche Effekte erzielt werden, wie es im Falle der OMV und ihrer MOL-
Beteiligung möglich wäre?
15)
Finden
Sie diese Entwicklungen sozial und volkswirtschaftlich gerechtfertigt?