2273/J-BR/2004
Eingelangt am 25.11.2004
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möglich.
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 61 Abs.
3 GO-BR
der Abgeordneten Eva Konrad, Prof. Albrecht Konecny, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend schwarzblaue Umfärbung der Österreichischen HochschülerInnenschaft
Mit der Österreichischen HochschülerInnenschaft hat Österreich ein international
beachtetes System der Studierendenvertretung. Seit 60 Jahren gibt es diese Form
der
Interessensvertretung, direkt von den Studierenden legitimiert. Das soll sich
nun
ändern, wenn es nach den Vorstellungen der
blauschwarzen Regierung geht.
Seit die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft keine Mehrheit in
mehr in der
Bundesvertretung,
dem bundesweiten Gremium der Studierenden, hat - übrigens
eine direkte Folge der Einführung von Studiengebühren -, ist die ÖH der
Bundesregierung
und besonders Bundesministerin Gehrer ein Dorn im Auge. Die
kritische Haltung der ÖH zu sozialen Verschlechterungen, die auch Studierende
trafen, zum Universitätsgesetz 2002 und dem damit verbundenen massiven
Demokratieabbau, zu
den Verschlechterungen der Studienbedingungen in Folge der
prekären finanziellen Ausstattung der
Universitäten sowie zu vielen
gesellschaftspolitisch relevanten Themen soll ihr nun zum Verhängnis werden:
nun
kündigte die ÖVP eine Novelle zum Hochschülerschaftsgesetz mittels
Initiativantrag
an.
Es ist absolut unüblich, dass ein Gesetz, das seit
Monaten überfällig und
bekanntermaßen seit langem im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und
Kultur vorbereitet
wird, nicht als Regierungsvorlage ins Parlament kommt. Dass aber
überfallsartig ein Initiativantrag
eingebracht wird, damit die Begutachtungsfrist
übersprungen und lapidar auf eine e-mail-adresse hingewiesen wird, über die
Betroffene Stellungnahmen deponieren können, zeugt von einer neuen Qualität der
Auseinandersetzung mit regierungskritischen Organisationen. Dass eine derartig
gravierende Veränderung der rechtlichen Grundlage einer Interessensvertretung
ohne jegliche Einbeziehung der Betroffenen über die Bühne gehen soll,
ist allerdings
symptomatisch für diese Regierung: nicht
grundlos zeigen sich ÖGB, AK,
BundesschülerInnenvertretung, die GPA und die internationale
Studierendenertretung ESIB sowie zahlreiche Personen aus Kultur, Politik und
Medien solidarisch mit den Protesten der Hochschülerschaft.
Der
Versuch, diese Novelle schnell und möglichst unauffällig zu beschließen, ist
gescheitert. In der folgenden Diskussion versuchte die ÖVP, die Dimension des
Vorschlags klein zu reden - das sei nur eine notwendige Anpassung
-, die
Verantwortung für den
Entwurf auf einen Vorschlag der Rektorenkonferenz zu
schieben - diese dementierte prompt und
erklärte, sie habe zu keinem Zeitpunkt
einen derartigen Vorschlag gemacht -, und schreckt auch vor unrichtigen
Behauptungen nicht zurück. Die Aussage von Bundesministerin Gehrer, der Entwurf
sei mit den VertreterInnen der ÖH abgesprochen, hatte zahllose empörte
Reaktionen
von deren Seite zur Folge.
Die Bundesvertretung der Österreichischen
HochschülerInnenschaft hat in den
vergangenen Jahren
zahllose Informationsbroschüren herausgegeben,
Beratungsstunden abgehalten, Fortbildungen für die StudierendenvertreterInnen
auf
lokaler Ebene organisiert und durchgeführt,
mit Sozialfonds bei sozialen Härtefällen
ausgeholfen, Studierende bei juristischen Problemen unterstützt, war
Ansprechpartnerin für die alltäglichen und in letzter Zeit immer massiver
werdenden
Probleme im Studierendenalltag, hat
Beschwerden gesammelt und artikuliert, und
immer und immer wieder auf die unsoziale Politik der Bundesregierung
sowie auf die
Fehler in der Hochschulpolitik hingewiesen.
Deshalb
soll ihr nun durch eine Veränderung im Wahlmodus einerseits die
Legitimation genommen werden, wirklich für alle Studierenden sprechen zu
können,
andererseits wird diese Änderung nach dem Motto „Wenn du nicht gewinnen kannst,
verändere die Regeln" mit großer
Wahrscheinlichkeit zu einer für die Regierung
bequemeren Mehrheit auf Bundesebene führen. Die Bundesregierung setzt also
ihren Kurs der politischen Umfärbung Österreichs konsequent fort - nach den
statuierten Exempeln im Hauptverband, in den Sozialversicherungsträgern, in der
ÖIAG und im ORF ist nun die Österreichische Hochschülerschaft an der Reihe
Zur
Absicherung der demokratiepolitisch inakzeptabeln Eingriffe in das Wahlsystem
soll zusätzlich in die finanzielle Autonomie
der StudentInnenvertretung gesetzlich
eingegriffen werden, der Bundesebene in der Österreichischen Hochschülerschaft
sollen die finanziellen Mitteln radikal gekürzt werden. Geld, das für
klassische
Serviceleistungen, aber auch für Informationskampagnen im Interesse der
Studierenden verwendet wurde. So ausgestattet, soll die ÖH in Zukunft der
Regierung nicht mehr lästig werden können.
Mittels einer recht eigenartigen Sonderregelung im
Wahlmodus wird weiters
garantiert, dass auch
der Ring Freiheitlicher Studenten, der bereits vor den letzten
Wahlen in Bedeutungslosigkeit versunken war
und laut einer SORA-Studie bei
Beibehaltung des bisherigen Wahlmodus den Einzug in die Bundesvertretung
nicht
schaffen würde, zukünftig wieder in diesem
bundesweiten Gremium vertreten sein
wird.
Jahrelangen Forderungen wie der offiziellen Umbenennung
der ÖH in
HochschülerInnenschaft und die Einführung eines passiven Wahlrechts auch für
ausländische
Studierende, wird dagegen nicht nachgekommen. Stattdessen soll die
ÖH zukünftig alle zwei Jahre einen
Leistungsbericht an den Nationalrat vorlegen
müssen - eine besonders
symbolträchtige Handlung, denn die ÖH ist den
Studierenden, nicht dem Nationalrat
verpflichtet und Rechenschaft schuldig.
Aber nicht nur die Bundesebene ist negativ von der
geplanten Novelle betroffen,
auch die
Universitätsvertretungen, also die lokalen ÖHs, haben darunter zu leiden.
Einerseits wird auch hier auf Ebene der Fakultätsvertretungen (die nicht
mehr
vorgeschrieben sein
werden) die Direktwahl abgeschafft, andererseits wird auch hier
eine Budgetaufteilung gesetzlich
vorgeschrieben, was diese Ebenen in ihrer
Handlungsfreiheit beschränkt.
Die Wissenschaftssprecherin der ÖVP Dr. Gertrude Brinek
erklärt, dass das
vorliegende Gesetz gerade diese Ebenen als Interessensvertretungen stärken
solle.
Mit dem Universitätsgesetz hat die schwarzblaue Bundesregierung aber den
StudierendenvertreterInnen fast jedes Mitspracherecht in den Universitäten
genommen. Jetzt nimmt
sie ihnen die Unterstützung einer bundesweiten Vernetzung
und ihr Österreichweites Sprachrohr in
Themen, die eben nicht an der jeweiligen
Universität entschieden werden. So lange es einheitliche Bundesgesetze gibt,
die
alle Studierende und alle österreichischen Universitäten betreffen, muss
es auch eine
direktgewählte bundesweite
StudentInnenvertretung geben.
Die Studierenden machen von ihrem Stimmrecht auf den
verschiedenen
Vertretungsebenen sehr differenziert und bewusst Gebrauch, weil sie sich an
verschiedene Ebenen unterschiedliche Erwartungen stellen. Die Wahl auf
Bundesebene ist eine
politische Entscheidung und damit ein politischer Auftrag.
Seit
ihrer Gründung vor 60 Jahren wurde die bundesweite Vertretung
österreichischen Studierenden direkt
gewählt, selbst zu Zeiten von
Ordinarienuniversitäten, als Hochschuldemokratie noch ein Fremdwort war.
Nun soll
dieser Standard universitärer Demokratie
demontiert werden. Dieser Versuch der
blauschwarzen Bundesregierung, die Österreichische Hochschülerschaft
mundtot zu
machen, ist absolut inakzeptabel. Ein
Vorgehen, das auch für andere
Interessensvertretungen Schlimmes befürchten lässt.
Die
unterzeichnenden BundesrätInnen richten daher an die Bundesministerin für
Bildung, Wissenschaft und Kultur folgende Anfrage:
Anfrage:
1.
Das
Universitätsgesetz wurde am 11. Juli 2002 im Nationalrat beschlossen.
Dadurch wurden Änderungen im HSG nötig. Warum gibt es erst jetzt einen
entsprechenden Vorschlag?
2.
Wurden in ihrem Ministerium Sachverhalte / Anfragen
bekannt, die aufgrund
der nicht rechtzeitig durchgeführten gesetzlichen Anpassung des
Hochschülerschaftsgesetz
an das neue Universitätsgesetz zu Schwierigkeiten
und Unsicherheiten geführt haben?
3.
Warum
gab es keine Regierungsvorlage, nachdem Ihr
Ministerium
bekanntermaßen
an einem Entwurf arbeitete?
4. In einem
Schreiben Ihres Ministeriums vom 16. September wurden die
Universitätsvertretungen,
Fraktionen und die Bundesvertretung aufgefordert,
Wünsche
und Vorstellungen für ein neue Hochschülerschaftsgesetz zu
formulieren.
a)
Sollte diese
Vorgangsweise einen Ersatz für eine Begutachtungsfrist
darstellen?
b)
Ist es
üblich, dass Ihr Ressort
zu Initiativanträgen von
freigewählten
Nationalratsabgeordneten ein
informelles
Stellungnahmeverfahren
durchführt?
c)
Bei welchen Gesetzesinitiativen war dies bereits der
Fall?
5.
Wie viele Stellungnahmen gingen bisher in Ihrem Ressort ein, wer hat
Stellungnahmen
abgegeben und werden diese veröffentlicht werden? Von
wem wurden diese
für welche Hochschülerschaften, Institutionen und
Vereinigungen
unterzeichnet?
6.
Welche Punkte aus welchen Stellungnahmen flossen ins
Gesetz bzw. den
Initiativantrag
ein? Was wurde in diesen Punkten konkret gefordert und im
Namen
welcher Hochschülerschaften, Institutionen und Vereinigungen wurden
sie
eingebracht?
7. Welche Punkte aus den Stellungnahmen sind nicht
in den Entwurf
eingegangen? Warum wurde auf diese
verzichtet?
8. Wurde in den Stellungnahmen eingefordert, die direkte Wahl sowohl auf
Ebene
der Fakultätsvertretungen wie auch auf Ebene der Bundesvertretung
abzuschaffen? Wenn ja, in wie vielen,
gestellt von welchen
Hochschülerschaften und Organisationen konkret?
9.
Haben Sie mit VertreterInnen der österreichischen HochschülerInnenschaft
Gespräche
über die Novellierung des Hochschülerschaftsgesetz geführt?
a) Wenn ja, wann und mit wem fanden diese Gespräche statt?
b)
Handelte es sich dabei um VertreterInnen von Fraktionen
(wenn ja, von
welchen) oder um VertreterInnen aus den gewählten Exekutiven (wenn
ja, von welchen)?
c)
Nach
welchen
Kriterien
wurden die GesprächsteilnehmerInnen
ausgewählt?
d)
Führten
diese Gespräche zu einem Ergebnis, das im Entwurf wieder zu
finden ist?
10.
Wie ist es zu begründen, dass ein passives Wahlrecht für
ausländische
Studierende nach wie vor nicht enthalten ist? Wann werden Sie einen
diesbezüglichen
Gesetzesentwurf vorlegen?
11.
Wie ist es zu begründen, dass eine Umbenennung in
HochschülerInnenschaft
nicht vorgesehen ist? Wann werden Sie einen diesbezüglichen
Gesetzesentwurf
vorlegen?
12.
Betrachten
Sie die Vorgangsweise, ohne
Einbeziehung der betreffenden
Interessensvertretung
fundamentale Änderungen ihrer Organisationsstruktur
durchzuführen,
als prinzipiell unbedenklich?
Unter
einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO-BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die
Tagesordnung dringlich zu behandeln