2274/J-BR/2004

Eingelangt am 25.11.2004
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

gem. § 61 Abs. 3 GO-BR

 

 

der Bundesräte Schimböck

und GenossInnen

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Schließungswelle von Postämtern – Herr Vizekanzler handeln Sie!

 

 

 

Auf Seite 21 des heutigen Standards, 25. November 2004, führt Vizekanzler Gorbach wörtlich aus: „Ich lasse jetzt einen Entwurf ausarbeiten. Das wird eine verschärfte Universaldienstverordnung, wo gewisse Kriterien festgehalten sind, und wenn die nicht eingehalten werden, dann öffnen wir den Markt.“

 

Gleichzeitig steht in derselben Ausgabe, allerdings auf Seite 1, dass es Hinweise aus dem Gorbach-Büro gäbe, dass es keine Handhabe gegen Schließungen gibt. „Eine Novellierung der Verordnung kommt sicher nicht“, sagt ein mit der Materie Vertrauter im Verkehrsministerium. Und kontakariert damit seinen Minister und gibt ihn der Lächerlichkeit preis.

 

Es ist unerträglich, wie in der Republik Österreich mit öffentlichem Eigentum umgegangen wird. Noch unerträglicher ist es, wie der Vizekanzler in dieser heiklen Situation agiert. Kaum ein Tag, an dem keine 180 Grad-Wendung seiner öffentlichen Aussagen erfolgt. Noch am 18. November 2004 – also vor genau einer Woche – erklärte Vizekanzler Gorbach: „Mir sind keine Pläne zu Postämterschließungen bekannt.“

 

Am 19. November 2004, einen Tag später, will Gorbach die Universaldienstverordnung nicht ändern, „notfalls aber sehr streng auslegen“. Und pathetisch: „Die postalische Versorgung ist ein Grundrecht der Bevölkerung.“ (Neue Kronenzeitung, 21.11.2004)

Noch am selben Tag droht Gemeindebund-Präsident Mödlhammer und Niederösterreichs Gemeindevertreter-Präsident Alfred Riedl der Post mit Klagen, sollten tatsächlich bundesweit 410 Postämter bzw. 100 in Niederösterreich geschlossen werden.

 

Anlässlich der Regierungsklausur am Montag dieser Woche, 22.11.2004, führt Wirtschaftsminister Bartenstein aus: „Eine weitere zweite Schließungswelle von Postämtern ist den Menschen und dem ländlichen Raum nicht zumutbar, so wird das nicht stattfinden.“ Vizekanzler Gorbach betonte neuerlich, dass eine flächendeckende Grundversorgung gleichsam ein Grundrecht für die Bevölkerung sei und ergänzte: „Das gilt auch für den ländlichen Raum.“ (Die Presse, 22.11.2004)

 

Einen Tag später, 23.11.2004, besinnte sich Gorbach, gab klein bei und erklärte, er werde der Post keine Vorschriften machen.

 

Am 24.11.2004 kam der nächste Umschwung: Gorbach drohte mit einer Änderung der Universaldienstverordnung, sollten Postämter geschlossen werden. Und konkret: Sollte eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Staatssekretär Mainoni keine Lösungsvorschläge erstellen, kündigte Gorbach eine Verschärfung der Universaldienstverordnung an. (Die Presse, 24.11.2004)

 

Damit sind wir wieder beim heutigen Tag angelangt, an welchem auf Seite 21 des Standards Gorbach den Druck auf die Post erhöht und einen Entwurf für eine verschärfte Universaldienstverordnung ankündigt. Und eben gleichzeitig ein mit der Materie Vertrauter aus dem Verkehrsministerium sagt, dass eine Novellierung sicher nicht komme.

 

Die österreichische Bevölkerung und in diesem Fall insbesonders jene Österreicherinnen und Österreicher, die in den ländlichen Regionen zu Hause sind, haben ein solches Theater nicht verdient. Die Regierung ist ihnen schuldig, dass die Infrastruktur auch in den ländlichen Regionen aufrecht erhalten bleibt und nicht ein Unternehmen, das im öffentlichen Eigentum steht, diese mutwillig kaputt schlägt. Es geht um eine volkswirtschaftliche Gesamtverantwortung und nicht nur um betriebswirtschaftliches Eigeninteresse eines Unternehmens.

 

Der Bundesrat hat die Verpflichtung die Interessen der Länder wahrzunehmen. Hier sind massiv Länderinteressen betroffen. Es ist daher notwendig, im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage endlich Klarheit von Vizekanzler Gorbach zu erhalten, wie er in dieser Sache nunmehr tatsächlich vorzugehen gedenkt. Und es ist im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher und der österreichischen Unternehmen in den ländlichen Regionen, dass das zuständige Regierungsmitglied vor einem parlamentarischem Gremium unter Wahrheitspflicht die Bevölkerung über diese Postämterschließungswelle informiert.

 

Die sozialdemokratischen Bundesräte verlangen daher vom Vizekanzler, dass er seine politische Verantwortung ernst nimmt und endlich Taten setzt. Dieses Verlangen wird nicht nur vom Gemeindebund, von einer großen Zahl von Bürgermeinsterinnen und Bürgermeistern, sondern auch von einer Reihe von Landeshauptleuten unterstützt. Ebenso gibt es positive Äußerungen in diese Richtung vom Klubobmann der ÖVP, Molterer, der wohl im Namen von seinen 79 Abgeordneten und 27 Bundesräten gesprochen hat, und von Regierungsmitgliedern, wie Bundesminister Bartenstein.

 

 

Die unterzeichneten Bundesräte richten daher an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie nachstehende

 

Anfrage:

 

1.             Im heutigen Standard beklagen Sie (wörtlich: „Das regt mich wirklich auf.“), dass die Post ihren gesetzlichen Verpflichtungen Sie zu informieren nicht nachkommt.
Was haben Sie unternommen, um die notwendigen Informationen zu bekommen, die Ihnen auch gesetzlich zustehen?

2.             Haben Sie jetzt schon offizielle Informationen des Post-AG-Vorstandes, wie viele Postämter von der geplanten Schließung betroffen sind?

3.             Wenn nein, haben Sie schon inoffizielle Informationen (von Landeshauptleuten, Bürgermeistern etc.), wie viele Postämter von der Schließung betroffen sind?

4.             Wie viele sind davon in/im
Burgenland,
Kärnten,
Niederösterreich,
Oberösterreich,
Salzburg,
Steiermark,
Tirol,
Vorarlberg,
Wien
betroffen?

5.             Sind Ihnen die betroffenen Standorte bekannt?
Wenn ja, wie lauten diese?

6.             Hat sich die Arbeitsgruppe, die Sie zu diesem Thema angeregt haben, bereits konstituiert?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wer ist in dieser Arbeitsgruppe vertreten und welche Ergebnisse konnten bisher erzielt werden?

7.             Laut heutigem Standard haben Sie einen Entwurf ausarbeiten lassen, der eine Verschärfung der Universaldienstverordnung vorsieht.
Wie lautet dieser Entwurf?

8.             Wann werden Sie diesen Entwurf in Kraft setzen?

9.             Warum wurde der ursprüngliche Entwurf für eine Post-Universaldienstverordnung, der am 24.11.2000 zur Begutachtung versendet wurde und der genaue Bedingungen für eine ausreichende Versorgung vorgesehen hat, nicht umgesetzt?

10.         Laut heutigem Standard erklärt ein mit der Materie Vertrauter im Verkehrsministerium, eine Novellierung der Verordnung kommt sicher nicht.
Um wen handelt es sich dabei?
In wessem Auftrag hat er diese Äußerungen getätigt?

11.         Wie erklären Sie sich den blamablen Umstand, dass einer Ihrer Mitarbeiter in der Öffentlichkeit das Gegenteil von dem behauptet, was Sie behauptet haben?
Welche Konsequenzen haben Sie gezogen?

12.         Eine Versorgung durch die Postdienste ist nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für Unternehmen eine unverzichte infrastrukturelle Ausstattung.
Welche Auswirkungen auf die Regionen und auf die Unternehmungen in diesen Regionen hat eine solche umfassende Schließung von Postämtern?

 

 

Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO-BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.