2308/J-BR/2005
Eingelangt am 14.04.2005
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Dringliche Anfrage
gem. § 61 Abs. 3 GO-BR
der Bundesräte Prof. Konecny
und GenossInnen
an den Bundeskanzler
Betreffend: BZÖ-Regierungsbeteiligung verstärkt die Handlungsunfähigkeit und Instabilität der Regierung und zementiert den politischen Stillstand
Die gegenwärtige
Bundesregierung ist politisch gescheitert. Das Ergebnis ihrer Tätigkeit ist die
höchste Arbeitslosigkeit in Österreich und steigende Armut in unserem Land. Die
sozialdemokratische Bundesratsfraktion hat bei vielen konkreten Anlässen dieses
Scheitern dargestellt und wird es auch nicht verabsäumen, dieses durch ihre
Sprecher in der Debatte über die vorliegende Dringliche Anfrage zu
unterstreichen.
Diese
Bundesregierung hat sich bereits seit 2000 durch eine wachsende Instabilität
und durch einen pausenlosen Wechsel der Regierungsmitglieder – insbesondere in
den Reihen der FPÖ – „ausgezeichnet“. Insgesamt wurden 13 Regierungsmitglieder
im Verlauf dieser Zeit ausgetauscht. Einzelne Ressorts, wie das für den
Arbeitsmarkt besonders bedeutsame Bundesministerium für Verkehr, Innovation und
Technologie, waren besonders von der Instabilität betroffen. Dieses Ressort
hatte innerhalb von drei Jahren vier Minister. Eine kontinuierliche Arbeit für
Österreich war daher unmöglich.
Diese Instabilität
der Bundesregierung, die für ihr politisches Scheitern sicherlich nicht ohne
Bedeutung war, hat seit Montag, 4. April 2005 eine neue Dimension erreicht.
An diesem Tag ist es
zu einer einzigartigen Zuspitzung der politischen Situation in Österreich
gekommen. Die Regierungspartei FPÖ, besser gesagt deren Spitzenrepräsentanten,
sind aus Unzufriedenheit mit der FPÖ aus dieser ausgetreten und haben eine neue
politische Partei, das BZÖ, gegründet. Seit diesem Moment kommt es zu
krisenhaften Sitzungen auf allen Ebenen, auf der Ebene des Bundes, jener der
Länder, bis hin zu den Gemeinden und Bezirken.
Die
Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ist gelähmt, es ist völlig unklar, wie
lange und bei welchen Fragen die Bundesregierung im Nationalrat und im
Bundesrat noch über eine ÖVP/BZÖ-Mehrheit verfügt. In Österreich herrscht
politischer Stillstand. Die hilflosen Versuche vom Bundeskanzler abwärts, die
Normalität herbeizureden, sind zum Scheitern verurteilt und zeigen einen
zwanghaften Realitätsverlust auf.
Während sich BZÖ-
und FPÖ-Spitzenrepräsentanten gegenseitig des Hochverrates bezichtigen und im
anderen jeweils zerstörerische Kräfte sehen, sind diese Repräsentanten für
Schüssel konstruktive Kräfte, mit welchen er gerne seine Regierungsarbeit
fortsetzt.
Eine gewisse Unsicherheit
hatte Schüssel noch in der letzten Woche. Um Stabilität vorzutäuschen, erklärte
Schüssel öffentlich, dass er von allen BZÖ-Abgeordneten, wer immer diese auch
sind, eine Garantieerklärung unterschreiben lassen werde. Schon am Montag
dieser Woche war alles ganz anders. In einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben
Molterer und Scheibner bekannt, dass doch nicht alle Abgeordneten eine solche
Garantieerklärung unterzeichnen werden.
Wie verfahren die
Situation alleine auf Bundesebene ist, zeigt der Umstand, dass der Präsident
des Nationalrates nicht in der Lage ist, die schriftliche Anfrage zu
beantworten, die folgenden lapidaren Inhalt hat, der in politischer Bildung I
von jedem Schulkind im Normalfall zu beantworten ist:
„Wer sind die im
Nationalrat vertretenen politischen Parteien?“
Nach einer
umfänglichen, aber unnötigen Erörterung von Rechtsfragen erfolgt die Antwort:
„Bei der letzten
Nationalratswahl haben die vier Wahlparteien ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne Mandate im
Nationalrat errungen.“
Diese Antwort ist
zwar überzeugend, auch korrekt, beantwortet allerdings nicht die gestellte
Frage. Das PISA-Debakel dürfte schon bis in die höchsten Ebenen der Politik
reichen. Oder wahrscheinlich richtiger: Der Präsident des Nationalrates drückt
sich um die Beantwortung dieser Frage, da damit für FPÖ und BZÖ negative
finanzielle Konsequenzen verbunden sind und für die Regierung insgesamt
Mehrheitsverhältnisse in bedeutsamen Beiräten und Kommissionen, wie den
Nationalen Sicherheitsrat, den Datenschutzrat, den Rat für Fragen der
österreichischen Integrations- und Außenpolitik, kippen würden.
Diese Frage stellt
sich jedoch nicht nur im Nationalrat, auch im Bundesrat ist unklar, wie viele
politische Parteien gegenwärtig im Bundesrat vertreten sind. Will sich eine
österreichische Staatsbürgerin oder ein österreichischer Staatsbürger darüber
auf der Homepage des Parlaments informieren, erhalten sie unter dem Link:
http://iwww.parlament.gv.at/portal/page?_pageid=886,81239&_dad=portal&_schema=PORTAL
die Antwort:
Zusammensetzung des
Bundesrates
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|
|
|
|
ÖVP |
SPÖ |
FPÖ |
Grüne |
Gesamt |
27 |
26 |
5 |
4 |
62 |
Sollten allerdings
die Medienberichte stimmen, so sind zwei Bundesräte – nämlich die Kärntner
Bundesräte Ing. Kampl und Zellot – nicht mehr FPÖ-Mitglieder, sondern
Mitglieder des BZÖ. Die Zusammensetzung des Bundesrates nach politischen
Parteien wäre daher:
|
|
|
|
|
|
ÖVP |
SPÖ |
Grüne |
FPÖ |
BZÖ |
Gesamt |
27 |
26 |
4 |
3 |
2 |
62 |
Daraus ergibt sich
nach den einfachsten Prinzipien der Mathematik, dass die Regierungsfraktion ÖVP
weder mit der FPÖ, noch mit dem BZÖ im Bundesrat über eine Mehrheit
verfügt. Der Bundeskanzler ist
also angewiesen, dass er von beiden Spaltparteien, also von der FPÖ und dem
BZÖ, unterstützt wird.
Dies gilt analog
auch immer mehr für den Nationalrat. War zunächst von einer Abgeordneten die
Rede, die in der FPÖ verbleiben und nicht dem BZÖ beitreten möchte, so ist
nunmehr schon von bis zu acht Abgeordneten die Rede, die weiterhin der FPÖ
angehören werden. Auch die Gründung eines eigenen Klubs wird von
FPÖ-Interimsvorsitzenden Kabas angedacht. Noch stärker wiegt aber die Aussage
des Abgeordneten Reinhard Bösch, der in der ZiB2 am 12.4.2005 ausführte, dass der
Bündnisobmann des BZÖ für den Freiheitlichen Klub keine Richtung vorgeben werde
können. Denn: Der Freiheitliche Klub besteht jetzt aus zwei Parteien und
Parteifreien, die selbstverständlich das Freie Mandat haben.
Die Aussagen
Schüssels, er werde die Regierungsarbeit anstelle mit der alten FPÖ mit dem
neuen BZÖ fortsetzen, verliert daher immer mehr an Substanz. Vielmehr wird
Schüssel von beiden abhängig sein, vom BZÖ unter Führung des „zuverlässigen und
konstruktiven Politikers Haider“ wie auch vom voraussichtlichen FPÖ-Chef
Strache und – was nun neu dazukommt – auch von „wilden“ Abgeordneten.
Apropos konstruktiv
und Haider: In einem Presseinterview führt der hochrangigste FPÖ-Abgeordnete,
der 3. Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn, amüsiert über Haiders
Zuverlässigkeit aus: „Er ist ein Mann ohne Handschlagqualität.“ Und weiter:
Dass die großen Haider-Kritiker Hubert Gorbach und Herbert Scheibner nun
Schlüsselpositionen im BZÖ bekleideten, sei eine weitere Facette der ganzen
Komödie. (Die Presse, 13. April 2005)
Geht es überhaupt in
der BZÖ/FPÖ-Causa um inhaltliche Neuorientierungen und um eine Spaltung wegen
unüberbrückbarer Differenzen in politischen Fragen oder stehen nicht andere
Motive im Vordergrund?
Es ist zu erwarten,
dass durch diese Spaltungen alte Schulden der FPÖ als uneinbringbar
abgeschrieben werden sollen, dies auf Kosten der Kundinnen und Kunden der
betroffenen Banken, und durch die Gründung von zwei Fraktionen die Klubbeiträge
auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für FPÖ und BZÖ gemeinsam
erhöht werden sollen (samt Aufwendungen für die Klubvorsitzendenzulage und die
Zuweisung von Räumlichkeiten und Bediensteten), wie dies in Wien, in der
Steiermark und in Tirol bereits praktiziert wurde.
So darf sich Kurt
List, der mit Theresia Zierler im Steirischen Landtag eine zweiköpfige
BZÖ-Fraktion bildete, über 9.516,- Euro Monatsgage freuen. Auch Willi Tilg
bekommt für die Leitung einer Zwei-Mann-BZÖ-Fraktion im Tiroler Landtag
7.100,- Euro. Voraussetzung war, dass sie keinen anderen Beruf daneben
ausüben. Beide entschieden sich in der Sekunde dafür, ihren normalen Brotberuf
als Heeresangehörige ruhig zu stellen, um die volle Klubobmanngage zu
kassieren. Es ist normalerweise nicht unsere Sprache, aber im Kurier vom 13. April
2005 wurden diese Personen als „Kriegsgewinnler“ bezeichnet.
Auch der neue Wiener
BZÖ-Landtagsklubobmann Barnet, der im Brotberuf Klubdirektor des FPÖ/BZÖ-Klubs
ist, darf sich über einen erheblichen fetten monatlichen Zugewinn freuen. Er
müsste allerdings auf die Ausübung des Klubdirektors verzichten. Daher
salomonische Lösung: Er setzt eine der österreichischen Öffentlichkeit bisher
völlig unbekannte Gemeinderätin Heidrun Schmalenberg als geschäftsführende
Klubobfrau ein, damit diese abcashen kann. Doch weg von diesen Niederungen:
Der Bundesrat hat
prioritär die Interessen der Länder im politischen Prozess wahrzunehmen. Es ist
daher für den Bundesrat von besonderer Bedeutung, wie die Stabilität oder
Destabilität der FPÖ/BZÖ in den Ländern aussieht, um die Stabilität der
Bundesrats-FPÖ/BZÖ-Fraktion zu analysieren. Durch die massiven Wahlniederlagen
der letzten Zeit bedingt, verfügt die FPÖ/BZÖ nur mehr in drei Bundesländern
über Bundesräte. Es sind dies die Bundesländer Kärnten, Steiermark und Wien.
Kärnten:
Am 8. April 2005
fand ein Sonderparteitag der Kärntner FPÖ statt, der von der Bundes-FPÖ als
illegal einberufen bezeichnet wurde. In diesem wurde beschlossen aus der
Bundes-FPÖ auszutreten, den Namen in „Die Freiheitlichen in Kärnten“ zu ändern
und dem BZÖ beizutreten.
Steiermark:
Seit 11. April 2005
hat der Steirische Landtag einen fünften Klub. Die aus der FPÖ ausgeschlossenen
Abgeordneten Kurt List und Theresia Zierler gründeten den BZÖ-Klub, die
restlichen fünf Abgeordneten verbleiben im FPÖ-Klub.
Wien:
Am 11. April 2005
hat sich im Wiener Landtag ein neuer Klub „BZW – Die Stadtpartei“ gegründet.
Acht der 21 FPÖ-Mandatare im Wiener Landtag sind bei diesem Klub dabei, das
Verhältnis zwischen FPÖ und BZÖ ist daher in Zukunft 8 : 13. Damit liegt eine
perfekte Spaltung vor, beinahe die Hälfte der Mandatare hat die FPÖ verlassen.
Die Situationen sind
daher wie dargestellt in den drei Bundesländern völlig verschieden. Von einem
politischen Gleichklang dieser Mandatare zu reden, ist daher sachlich völlig
falsch und unglaubwürdig. Auch das wiederholte Berufen auf das Freie Mandat,
das naturgemäß auch voll für den Bundesrat gilt, kann nicht als einzige
Argumentation verwendet werden. Aus der verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung
des Bundesrates ist es klar, dass jeder Bundesrat Kontakt mit seinem
Landtagsklub in politischen Fragen herzustellen hat. Denn es geht um die
Vertretung der Länderinteressen und nicht um die Vertretung persönlicher
Interessen. Und gerade zur Farce wird das „gemeinsame politische Auftreten“
dann, wenn zwei Bundesräte der wahlwerbenden Partei FPÖ ihre politische Heimat
im Kärntner BZÖ-Bündnis und zwei andere Bundesräte dieser wahlwerbenden Partei
ihre politische Heimat in der Wiener FPÖ unter Strache haben.
Die Aufrechterhaltung
des Fraktionsstatus, wie dies vom ehemaligen FPÖ-Fraktionsvorsitzenden
Univ.Prof. Dr. Peter Böhm in der Präsidialkonferenz ausgeführt wurde, dient
daher lediglich der Sicherung von politischem Einfluss und der Sicherung der
Fraktionsvorsitzenden-Zulage. Gleichzeitig werden aber aus diesen egoistischen
Motiven heraus die tatsächlichen politischen Stärkeverhältnisse in den
Ausschüssen verzerrt.
Gäbe es keine
einheitliche FPÖ-Fraktion mehr, müssten alle Ausschüsse neu zusammengesetzt
werden. Die bisherigen Ausschüsse wurden mit der Mitgliederzahl 15 vom
Bundesrat gewählt. Eine Verteilung nach d’Hondt ergibt dann das Verhältnis 7
ÖVP : 7 SPÖ : 1 Grüne, da nur Bundesräte, die in Fraktionen zusammengeschlossen
sind, im Ausschuss über ein Stimmrecht verfügen. Die Regierungskoalition
Schüssels hätte daher in den Bundesratsausschüssen keine Mehrheit.
Die unterzeichneten
Bundesräte bezweifeln, dass die Voraussetzungen für das Weiterbestehen einer
einheitlichen FPÖ-Fraktion gegeben sind. Die Bildung einer Fraktion aus
Angehörigen zweier Parteien hätte einer ausdrücklichen Zustimmung des
Bundesrates bedurft. Es ist daher zu befürchten, dass alle Beschlüsse des
Bundesrates, die einer Vorberatung in den Ausschüssen unterliegen,
verfassungswidrig zustandekommen. Die Situation der Regierung ist daher in
keiner Weise stabil, sondern vielmehr so instabil, dass das verfassungskonforme
Zustandekommen von Gesetzen zu bezweifeln ist.
Beschämend für den
Zustand der Bundesregierung Schüssel II sind auch die Kommentare in den
angesehenen ausländischen Zeitungen, die im Normalfall von Bundeskanzler
Schüssel herangezogen werden, um seine Regierungspolitik zu loben. Diese
Kommentare zeigen nämlich eine Spur deutlicher das Dilemma Schüssels mit dem
BZÖ/FPÖ-Kuddelmuddel auf:
·
Schüssel und Haider sind zu
Figuren geworden, die an Becketts Theater des Absurden erinnern. Pozzo und
Lucky, Herr und Knecht: Sie hassen einander - und doch sind sie einander
gekettet. (Neue
Zürcher Zeitung, 10.04.2005)
·
„Die bürgerliche Vormacht auf Kosten
einer schwächelnden FPÖ auszudehnen, war dem Kanzler wichtiger als eine stabile
Regierung.“ Jetzt
koste diese „die Republik viel Geld, Zeit und Energie. Dafür ist Kanzler
Schüssel verantwortlich.“ (Tagesanzeiger, 05.04.2005)
·
„Nicht
nur die FPÖ ist erledigt, auch das Ende der Wiener Regierung ist besiegelt.
Wenn Schüssel das heute nicht begreift, wird er morgen daran glauben müssen.“ (Berliner Zeitung, 06.04.2005)
· „`Selbstputsch` nach
lateinamerikanischem Muster“ […] „Turbulenzen waren zu erwarten, sie waren in der
Verbindung mit diesem Partner von Beginn weg angelegt. Das musste
Schüssel wissen. Haider blau oder Haider orange - mit diesem Polit-Hasardeur
droht jederzeit der Absturz ins Chaos.“ (Neue Zürcher Zeitung,
06.04.2005)
· „Für die ÖVP ist die Mehrheit in Gefahr […]
Dass die Legislaturperiode bis September 2006 läuft, glaubt in Wien niemand
mehr.“ (Berliner Zeitung,
06.04.2005)
·
„Für Wolfgang
Schüssel sieht es gegenwärtig so aus, als habe er nur die Wahl zwischen einem
Ende mit Schrecken - Neuwahlen mithin - oder dem beharrlichen Durchstehen einer
Zitterpartie.“ (Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 06.04.2005)
·
„Wolfgang
Schüssel mag sich in seinem politischen Leben wiederholt als guter Zocker bewiesen
haben - aber so ein schlechtes Blatt hatte er noch nie.“ (Der Tagesspiegel, 06.04.2005)
·
„Österreichs
Demokratie hat in den Jahren der blau-schwarzen Koalition gelitten.“ (Süddeutsche Zeitung, 06.04.2005)
·
Umfragen „deuten derzeit klar auf ein baldiges Ende der Ära von
Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler hin.“ (Süddeutsche Zeitung, 07.04.2005)
· „Nicht mehr als ein Etikettenschwindel“ (Berliner Zeitung, 05.04.2005)
Besonders der
Kommentar in der Süddeutschen Zeitung schmerzt Demokraten, die wir mit
Sicherheit alle sind: Die Machtgelüste eines Einzelnen in den Vordergrund zu
stellen, mit allen Mitteln diesen Machtanspruch fortzusetzen und damit der
österreichischen Demokratie absichtlich Schaden zuzufügen, ist ein Befund, der
die Alarmglocken auslösen müsste.
Waren in einer
öffentlichen Umfrage des market-Institutes vom 7.4.2005 nur 47 % der
ÖsterreicherInnen für Neuwahlen, so sind nach einer OGM-Umfrage vom
12.4.2005 schon 57 % der
ÖsterreicherInnen der Auffassung, dass nach Spaltung der FPÖ von Bundeskanzler
Schüssel Neuwahlen ausgerufen hätten werden müssen. Nur 32 % unterstützen seine
Entscheidung, die Koalition mit dem BZÖ fortzusetzen. Noch bedenklicher ist das
Ergebnis, dass 70 % der österreichischen Bevölkerung der Aussage Schüssels,
Haider sei ein konstruktiver Politiker, widersprechen.
Der Bundeskanzler
hat also für seine Entscheidung keine Mehrheit bei den ÖsterreicherInnen mehr.
Mehr noch: Auch im
Bundesrat liegt eine Mehrheit für Neuwahlen vor, sollten die öffentlichen
Äußerungen auch tatsächlich in das Abstimmungsverhalten einfließen und nicht
wieder andere persönliche Motive überwiegen.
Ganz klar für
Neuwahlen haben sich SPÖ und Grüne ausgesprochen. Für die FPÖ forderte deren
designierter Parteiobmann Strache Neuwahlen: Es gehe darum, endlich Klarheit zu
schaffen. Auch der FPÖ-Bundesrat Weilharter hat sich öffentlich für Neuwahlen
eingesetzt: Auch er sei dafür, klare Verhältnisse zu schaffen, denn das BZÖ hat
keine Legitimation und hat sich noch keiner Wahl gestellt.
Nach diesen
öffentlichen Äußerungen also ist das Verhältnis für Neuwahlen im Bundesrat 33 :
29. Nicht so deutlich wie in der österreichischen Bevölkerung, aber dennoch ein
klares Votum.
Es ist aber nicht
nur das Spektakel rund um die FPÖ-Spaltung, rund um den Kampf um öffentliche
Gelder, sondern es ist auch die aktuelle politische, wirtschaftliche und
soziale Situation in Österreich, die zu solchen Ergebnissen – nämlich der
Ablehnung der Regierungspolitik – führen.
Das Versagen der
Bundesregierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, das Scheitern der
Bildungspolitik, die Verschleuderung von hunderten Millionen Euro bei
Privatisierungen, das drastische Ansteigen der Armut, das drohende
Finanzdebakel im Gesundheitssystem und das Versagen in der Gewährleistung der
inneren Sicherheit verunsichern die Menschen in Österreich. Gerade angesichts
dieser Situation ist dieses unwürdige Polit-Schauspiel, das Laufen um Jobs, die
Klubgründungen, um die Klubvorsitzendenzulage zu erhalten, der Streit um die
Parteien-, Akademien- und Klubförderungen von BZÖ und FPÖ beschämend. Aber
Hauptsache: Der Herr Bundeskanzler findet das ganz in Ordnung. Und: Er kann im
Amt bleiben.
Dieser kalte
Zynismus in der Politik hat ein Ablaufdatum. Das Festkleben auf Sesseln und
Privilegien hat ebenso ein Ablaufdatum. Es ist wieder Zeit für ein Österreich
und für eine österreichische Politik mit Herz und für die Menschen, es ist Zeit
alles zu unternehmen, um die Arbeitslosigkeit in Österreich zu bekämpfen und
damit das Abdriften in die Armut von hunderttausenden ÖsterreicherInnen und
deren Kinder zu verhindern.
Daher stellen die unterfertigten Bundesräte
an den Bundeskanzler folgende
Anfrage:
1.
Mit
wem haben Sie als Bundeskanzler und Chef dieser Bundesregierung gegenwärtig ein
Regierungsabkommen?
Ist es richtig, dass Sie als Bundeskanzler nunmehr anstatt mit der FPÖ alt mit
dem BZÖ neu eine Regierung bilden?
2.
Am
6.4.2005 haben Sie als Bundeskanzler eine sogenannte Sicherheitsgarantie unter
dem Motto „Wir brauchen eine klare Mehrheit im Parlament, keine Zitterpartie“
verlangt, wonach alle Freiheitlichen Abgeordneten im Nationalrat sich per
Unterschrift zur weiteren Regierungsarbeit bekennen müssen.
Von wem liegen Ihnen als Bundeskanzler diese Garantieerklärungen vor, die Sie
als Bedingung für die weitere Zusammenarbeit in der Bundesregierung definiert
haben?
3.
Im
Nationalrat haben Sie sich offensiv für das Freie Mandat eingesetzt.
Stehen solche Garantieerklärungen im Einklang mit den Bedingungen des Freien
Mandates?
4.
Ist
Ihnen als Bundeskanzler, der davon ausgeht, über eine parlamentarische Mehrheit
zu verfügen, bekannt, welche Mitglieder des Bundesrates mit Stand heute 12.00
Uhr Ihrem Regierungsbündnispartner BZÖ angehören?
5.
Ist
Ihnen als Bundeskanzler, der davon ausgeht, über eine parlamentarische Mehrheit
zu verfügen, bekannt, welche Mitglieder des Nationalrates mit Stand heute 12.00
Uhr Ihrem Regierungsbündnispartner BZÖ angehören?
6.
Wie
bewerten Sie als Bundeskanzler angesichts der Rekordarbeitslosigkeit und der
Armutsgefährdung von hunderttausenden Menschen in Österreich (siehe
Sozialbericht 2003/2004) die Streitereien um öffentliche Finanzierungen, um
Posten und um Zulagen Ihres Regierungspartners BZÖ und/oder FPÖ?
7.
Wie
bewerten Sie als Bundeskanzler das Vorgehen von Mitgliedern Ihres
Regierungspartners, die ihre Privatberufe aufgegeben haben, um die volle
Klubobmanngage für die Führung von Zwei-Personen-Fraktionen in den Landtagen zu
erhalten?
8.
Haben
Sie als Bundeskanzler sich bei Ihrem Bundesminister für Landesverteidigung
informiert, ob diese Personen auch noch dafür eine Karenzierung erhalten haben?
9.
Sind
Sie nach all den angeführten Sachverhalten in dieser Dringlichen Anfrage –
insbesondere nach der öffentlichen Äußerung, dass Ihr Bündnispartner Dr. Haider
laut Aussagen von FP-Klubmitgliedern keinen Einfluss auf die Politik des Klubs
haben wird, da sich dieser aus zwei Parteien und „wilden“ Abgeordneten
zusammensetzt – noch immer überzeugt, dass die Regierung stabil ist?
Wenn ja, wie begründen Sie dies?
Wenn nein, wann werden Sie endlich den Weg für Neuwahlen freigeben, damit
dieses Land wieder eine Regierung erhält, hinter der eine deutliche Mehrheit
der ÖsterreicherInnen steht?
Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO - BR verlangt, diese Anfrage nach Erledigung der Tagesordnung dringlich zu behandeln.