2331/J-BR/2005
Eingelangt am 21.07.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Dringliche Anfrage
gem. § 61 Abs. 1 GO-BR
der BundesrätInnen Schennach und Freundinnen
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend „Handymasten-Steuer“
Begründung:
Bei den letzten
Finanzausgleichsverhandlungen wurde die Finanznot der Gemeinden nicht
ausreichend berücksichtigt. Der Niederösterreichische Landtag beschloss in
diesem
Zusammenhang am 20.
Juni 2005 einen von ÖVP und SPÖ eingebrachten Initiativantrag zur
Besteuerung von Mobilfunksendeanlagen, um
die Finanzkraft der Gemeinden zu erhöhen.
Vorgeschoben wurde das Argument, es
handle sich um eine Maßnahme gegen den
Wildwuchs von Sendemasten. Dabei hätten bereits längst raumordnungs- und
bebauungsplanmäßige Regelungen getroffen werden können. Sowohl Bund als
auch Länder
als auch Gemeinden sind aber weitgehend untätig geblieben.
Bedenkt man die bereits seit dem Jahr 1999
im ÖPNRV-Gesetz bestehende Möglichkeit der
Gemeinden, eine Verkehrserregerabgabe
einzuheben, so zeigt sich, dass die Gemeinden
bestehende gesetzliche Regelungen,
ihre Einnahmen zu erhöhen - und damit in diesem
Beispielsfall zugleich die
Nahversorgung zu stärken - nicht nützen. Wieso die nunmehrige
Vorgangsweise der Mehrheit im
Niederösterreichischen Landtag finanztechnisch greifen soll,
ist auch deshalb nicht nachvollziehbar.
Dass es sich bei der
Handymastenbesteuerung um eine reine Geldbeschaffungsaktion
handelt
und die Behauptung des Schutzes von Ortsbild und Landschaftsschutzes nur
vorgeschoben
ist, zeigt auch das vom Amt der Landesregierung in Auftrag gegebene
Gutachten
des Steuerberaters Prof. Taucher. Das ursprüngliche Gutachten hatte sich
ausschließlich auf steuerrechtliche Aspekte bezogen. Der Auftrag wurde jedoch
modifiziert
und
der endgültige Gesetzestext erst sehr kurzfristig vorgelegt, was selbst im
Gutachten
kritisch vermerkt
wurde. Technische, gesundheitspolitische, raumordnerische, verfassungs-
und europarechtliche Aspekte blieben im Gutachten weitestgehend
unberücksichtigt.
Für die
Gemeindefinanzen kann diese rechtlich bedenkliche Regelung ähnliche Probleme
wie
bei der Aufhebung der Getränkesteuerregelung bringen. Sollte das Gesetz nicht
doch
noch
durch einen Einspruch der Bundesregierung zu Fall gebracht werden, werden
Gemeinden
und Land die Bildung von Rücklagen für den Fall der Aufhebung des Gesetzes
nicht
erspart bleiben.
Die
Handymastenbesteuerung ist legistisch völlig missglückt, stark wettbewerbsverzerrend
und
verfassungs- und europarechtlich bedenklich. Der vorgeschützte Ortsbild- und
Landschaftsschutz
wird dadurch nicht verbessert. Ein Antrag der Grünen im
Niederösterreichischen
Landtag auf entsprechende Maßnahmen in der Bau- und
Raumordnung
wurde abgelehnt. Die finanzielle Belastung wird auf alle HandynutzerInnen
überwälzt
werden.
Auch aus Sicht des Orts- und
Landschaftsschutzes bringt das Gesetz wenig, ja wird sogar zu
einer
weiteren Verschlechterung der Versorgungslage führen: Aus technischen Gründen
(vertikaler Abstand zwischen den einzelnen Antennen, Antennenlänge etc) muss
ein Mast,
den
sich 5 BetreiberInnen teilen, gut vierzig Meter hoch sein - wenn sich die Zahl
der
Masten verringert,
erhöht sich im Gegenzug die Höhe dieser Masten und darüber hinaus die
Gesamtleistung sowie -Strahlung der darauf
montierten Sendeinrichtungen. Das Land
Niederösterreich wird nun mit besonders
„fürstlichen" Masten verschandelt, die das
Landschaftsbild
mehr stören und darüber hinaus aufgrund der wesentlich stärkeren
Abstrahlung
die AnrainerInnen erheblich stärker beeinträchtigen. Anstatt pauschal auf die
Zahl
der Mastennutzerlnnen abzustellen, hätte die Abstufung des Steuersatzes nach
der
Sendeleistung
erfolgen müssen. So hätte der Gesundheitsfaktor (niedrige Sendeleistung =
niedrige Besteuerung)
berücksichtigt werden können.
Der bundesgesetzliche
Versorgungsauftrag der NetzbetreiberInnen ist unzureichend
geregelt.
So besteht für UMTS nur eine Verpflichtung zu einer 50 %igen Netzabdeckung
(gemessen
an der Bevölkerung), sodass periphere Regionen ohnehin nur unzureichend
versorgt
werden. Dieser Nachteil wird jetzt für den ländlichen Raum in Niederösterreich
weiter
verschärft. Die NetzbetreiberInnen werden in weniger dicht besiedelten Gebieten
Handystationen verstärkt auf ihre Wirtschaftlichkeit hin prüfen. In Randlagen
droht durch
Abschaltungen
eine weitere Verschlechterung der Versorgung. Die Handymasten werden
aber nicht abgebaut werden, sondern stehen bleiben, da die Steuer auf den Betrieb,
nicht
aber
auf die bloße Existenz der Masten abstellt. Kein Mast wird abgebaut werden, da
die
Investitionskosten
bereits getätigt wurden und das Gesetz nur auf vier Jahre befristet
beschlossen
worden ist.
Das Gesetz dürfte verfassungs- und
europarechtswidrig sein. Die NetzbetreiberInnen haben
bereits rechtliche Schritte angekündigt. Die RTR hat ein Rechtsgutachten in
Auftrag erstellen
lassen.
Folgende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen:
+ Das Gesetz
torpediert die bundesgesetzlich verankerten Regulierungsziele (§ 1 TKG 2003)
und steht daher in
einem Spannungsverhältnis zum Bundesstaatsprinzip.
+ Sendeanlagen
(EVN, ÖBB, Behördenfunknetz...) werden ohne sachliche Rechtfertigung
von der Steuer
ausgenommen, was gleichheitswidrig sein dürfte.
+ Selbst bei Zusammenlegung von
Handymasten des vorgegebenen Ziels fällt die Steuer in
beträchtlicher - die Betriebs- und
Mietkosten weit übersteigender Höhe - an, was einem
unverhältnismäßigen Eigentumseingriff bedeutet.
+ Etliche
Bestimmungen sind derartig unbestimmt, dass nicht hinreichend determiniert ist,
wie die Steuer zu
berechnen ist.
Derzeit sind schon zwei Verfahren wegen ähnlich gelagerter
Steuern belgischer Gemeinden
(in bedeutend geringerer Höhe) beim Europäischen Gerichtshof anhängig. In
seinem bereits
vorliegenden Schlussantrag, dem der
Gerichtshof in aller Regel folgt, sieht der
Generalanwalt in einer Steuer einer
Gemeinde, mit der die Infrastruktur für
Mobilkommunikation belastet wird, einen Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht.
Neben verfassungsmäßigen, finanz-,
Standort- und wirtschaftspolitischen Bedenken gilt es
vor
allem im Sinne des Vorsorgeprinzips gesundheitliche Aspekte bei steuerlichen
Maßnahmen
zu bedenken. Gesundheitspolitisch ist die Regelung kontraproduktiv, da -
soweit
die Regelung überhaupt greift, die Strahlungen der Handymasten erheblich
zunehmen
wird.
In den letzten Jahren häufen sich die Proteste von
Bürgerinnen und Bürgern gegen
Mobilfunk-Sendeanlagen,
die - oft ortsplanerisch äußerst unglücklich - in unmittelbarer
Nähe von Schulen oder
Wohngebieten positioniert werden.
Den Bürgerinitiativen geht es dabei um befürchtete Schäden durch die gewählte
Position.
Die Häufung von Sendeanlagen auf einem
Masten führt zu einer erhöhten, kulminierenden
Belastung der AnrainerInnen mit elektromagnetischer Strahlung. Dies
widerspricht den
Empfehlungen
des Obersten Sanitätsrats, der eine Minimierung der Exposition und eine
Einbindung der AnrainerInnen in die
Standortentscheidung in einer Resolution vorschlägt.
Ebenso
widerspricht dieses Anhäufung von Sendeanlagen dem § 73 Abs. 2
Telekommunikationsgesetz,
durch den der Schutz menschlicher Gesundheit zu
gewährleisten
ist.
Außerdem wäre entsprechend der
Vorgangsweise in Italien, die gemeinsame Planung der
Standorte
durch Betreiber, Gemeinden und AnrainerInnen dringend erforderlich. Dazu
könnte auch vom Land
Niederösterreich die entsprechende Software angekauft werden.
Die Bundesregierung hat nun die
Möglichkeit, durch einen Einspruch die rechtlich höchst
zweifelhafte
Vorgangsweise des Landes Niederösterreich zu beheben. Nach einem solchen
müsste der Landtag nach § 9
Finanz-Verfassungsgesetz einen Beharrungsbeschluss fassen.
Danach würde ein gemeinsamer Ausschuss
aus Nationalrat und Bundesrat, der bei
Landesabgaben eine absolute Vetomöglichkeit hat, endgültig entscheiden.
Die unterzeichneten BundesrätInnen richten daher an den
Bundesminister für Verkehr,
Innovation und
Technologie nachstehende
Anfrage:
1.
Wann
haben Sie vom niederösterreichischen Sendeanlageabgabengesetz Kenntnis
erlangt? Wann wurde der Gesetzesbeschluss
dem Bundeskanzleramt übermittelt und
bis wann läuft die Einspruchsfrist der Bundesregierung?
2.
Werden Sie im Ministerrat einen Antrag auf Einspruch der
Bundesregierung gegen
das niederösterreichische Gesetz stellen? Wenn ja, in welcher
Ministerratssitzung?
3.
Ist Ihnen das Gutachten der RTR zur
niederösterreichischen Sendeanlagenabgabe
bekannt?
4.
Welche rechtlichen Bedenken bestehen nach Ansicht Ihres
Ressorts gegen das
Gesetz, insbesondere
auch nach dem TKG und in europarechtlicher Hinsicht?
5.
Halten Sie die niederösterreichische Regelung für ein
taugliches und adäquates Mittel
gegen den Wildwuchs
von Handymasten?
6.
Ist Ihnen bekannt, ob andere Bundesländer ähnliche
Steuern auf Mobilfunkanlagen
planen? Wenn ja, um
welche Länder handelt es sich? Liegen Ihnen dazu bereits
nähere Angaben vor?
7.
Welche Auswirkungen wird die niederösterreichische
Steuer auf den Ausbau des
Mobilfunknetzes
haben? Droht eine Verschlechterung der Versorgungslage,
insbesondere im ländlichen Raum?
8.
Liegen
Schätzungen vor, welche finanziellen Auswirkungen die Handysteuer auf die
KonsumentInnen haben wird? Wäre eine
Überwälzung der finanziellen Belastung auf
die MobiltelefonkundInnen zulässig und könnte eine Überwälzung allein
auf
KundInnen, mit Wohnsitz in Niederösterreich erfolgen?
9.
Gibt es in Europa vergleichbare Besteuerungsmodelle?
Wenn ja, hat es Schritte der
EU dagegen geben?
10.
Welche konkreten Maßnahmen haben Sie gesetzt, um den
bekannten Forderungen
des Obersten
Sanitätsrates hinsichtlich „Verortung" und „Strahlungsminimierung"
nachzukommen?
11.
Werden
Sie bundesgesetzliche Initiativen auf Erlassung von Grenzwerten setzen, die
dem Stand der Technik und dem
Minimierungsgebot entsprechen und zu einer
geringst möglichen Exposition der Bevölkerung durch hochfrequente
Strahlung von
Sende- und Empfangsgeräten führen sollen?
12.
Werden Sie sich für die Einführung EU-weit geltender
Grenzwerte einsetzen, welche
dem Stand der Technik
und dem Minimierungsgebot entsprechen?
13.
Werden
Sie sich für eine bestmögliche Aufklärung der Bevölkerung über die
möglichen gesundheitlichen Auswirkungen nach dem derzeitigen Stand der
Wissenschaft sorgen und gegebenenfalls über
gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen
informieren?
14.
Werden
Sie Initiativen zur Erforschung hochfrequenter Strahlung mittels qualifizierter
wissenschaftlicher Studien vorantreiben, um auf mögliche gesundheitliche
Auswirkungen reagieren zu können und einen wissenschaftlicher Beirat hierzu
einzurichten, welchem auch
mobilfunkkritische WissenschafterInnen angehören?
15.
Werden Sie in Abstimmung mit den Ländern Initiativen zur
Verbesserung der
regionalen
Mitbestimmungsmöglichkeiten erarbeiten, damit AnrainerInnen, potenziell
von
den Anlagen Betroffenen sowie den Standortgemeinden im Verfahren zur
Errichtung von
Mobilfunkanlagen Parteistellung eingeräumt wird?
16.
Der
Obmannes des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie, Siemens
Chef Albert Hochleitner, hat davor gewarnt, dass - sollte eine derartige Steuer
bundesweit Schule machen - den Netzbetreibem Kosten von rund einer halben
Milliarde Euro entstehen würden. Dies
entspräche dem jährlichen Investitionsvolumen
der Netzbetreiber. Die Folgen wären weniger Aufträge, weniger Jobs und
höhere
Tarife für die Kunden. Teilen Sie diese Kritik und Befürchtungen?
17. Die Arbeiterkammer kritisiert die geplante
Handymastensteuer in Niederösterreich als
"wirtschaftspolitisch völlig verfehlt". Eine solche Steuer verzerre
die Marktverhältnisse,
führe zu weniger Investitionen beim Infrastrukturausbau, gefährde Arbeitsplätze
in der
Mobilfunkbranche und gehe zu Lasten einer schlechteren Versorgung im
ländlichen
Raum. Die AK befürchtet, dass letztendlich die Handymastensteuer auf die
KonsumentInnen überwälzt wird. Sie sei wettbewerbsverzerrend, weil neuere und
kleinere Anbieter mit weniger KundInnen in der Anfangsphase durch die Steuer
überproportional belastet werden würden.
Wenn noch mehr Bundesländer dem
schlechten Beispiel Niederösterreichs folgen sollten, könne das die
KonsumentInnen
mit bis zu 80 Euro pro Jahr belasten. Teilen Sie diese Kritik?
Die unterfertigten Abgeordneten stellen gemäß § 61 Abs.
1 den Antrag, diese
Anfrage
dringlich zu behandeln. (nach Erledigung der Tagesordnung).