2332/J-BR/2005
Eingelangt am 21.07.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Bundesrates Schennach, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend "Handymasten-Steuer"
Begründung:
Bei den letzten
Finanzausgleichsverhandlungen wurde die Finanznot der Gemeinden nicht
ausreichend berücksichtigt. Der Niederösterreichische Landtag beschloss in
diesem
Zusammenhang am 20.
Juni 2005 einen von ÖVP und SPÖ eingebrachten Initiativantrag zur
Besteuerung von Mobilfunksendeanlagen, um
die Finanzkraft der Gemeinden zu erhöhen.
Vorgeschoben wurde das Argument, es
handle sich um eine Maßnahme gegen den
Wildwuchs von Sendemasten. Dabei hätten bereits längst raumordnungs- und
bebauungsplanmäßige Regelungen getroffen werden können. Sowohl Bund als
auch Länder
als auch Gemeinden sind aber weitgehend
untätig geblieben.
Bedenkt man die bereits seit dem Jahr 1999
im ÖPNRV-Gesetz bestehende Möglichkeit der
Gemeinden, eine Verkehrserregerabgabe einzuheben, so zeigt sich, dass die
Gemeinden
bestehende gesetzliche Regelungen, ihre
Einnahmen zu erhöhen - und damit in diesem
Beispielsfall zugleich die Nahversorgung zu stärken - nicht nützen. Wieso die
nunmehrige
Vorgangsweise der Mehrheit im
Niederösterreichischen Landtag finanztechnisch greifen soll,
ist auch deshalb nicht nachvollziehbar.
Dass es sich bei der
Handymastenbesteuerung um eine reine Geldbeschaffungsaktion
handelt
und die Behauptung des Schutzes von Ortsbild und Landschaftsschutzes nur
vorgeschoben
ist, zeigt auch das vom Amt der Landesregierung in Auftrag gegebene
Gutachten
des Steuerberaters Prof. Taucher. Das ursprüngliche Gutachten hatte sich
ausschließlich auf steuerrechtliche Aspekte bezogen. Der Auftrag wurde jedoch
modifiziert
und
der endgültige Gesetzestext erst sehr kurzfristig vorgelegt, was selbst im
Gutachten
kritisch vermerkt
wurde. Technische, gesundheitspolitische, raumordnerische, verfassungs-
und europarechtliche Aspekte blieben im Gutachten weitestgehend
unberücksichtigt.
Für die Gemeindefinanzen kann diese
rechtlich bedenkliche Regelung ähnliche Probleme
wie
bei der Aufhebung der Getränkesteuerregelung bringen. Sollte das Gesetz nicht
doch
noch
durch einen Einspruch der Bundesregierung zu Fall gebracht werden, werden
Gemeinden
und Land die Bildung von Rücklagen für den Fall der Aufhebung des Gesetzes
nicht
erspart bleiben.
Die
Handymastenbesteuerung ist legistisch völlig missglückt, stark
wettbewerbsverzerrend
und
verfassungs- und europarechtlich bedenklich. Der vorgeschützte Ortsbild- und
Landschaftsschutz
wird dadurch nicht verbessert. Ein Antrag der Grünen im
Niederösterreichischen
Landtag auf entsprechende Maßnahmen in der Bau- und
Raumordnung
wurde abgelehnt. Die finanzielle Belastung wird auf alle HandynutzerInnen
überwälzt
werden.
Auch aus Sicht des
Orts- und Landschaftsschutzes bringt das Gesetz wenig, ja wird sogar zu
einer weiteren
Verschlechterung der Versorgungslage führen: Aus technischen Gründen
(vertikaler Abstand zwischen den einzelnen
Antennen, Antennenlänge etc) muss ein Mast,
den sich 5 BetreiberInnen teilen, gut
vierzig Meter hoch sein - wenn sich die Zahl der
Masten verringert, erhöht sich im Gegenzug die Höhe dieser Masten und
darüber hinaus die
Gesamtleistung sowie -Strahlung der darauf montierten Sendeinrichtungen. Das
Land
Niederösterreich wird nun mit besonders
„fürstlichen" Masten verschandelt, die das
Landschaftsbild mehr stören und
darüber hinaus aufgrund der wesentlich stärkeren
Abstrahlung die AnrainerInnen
erheblich stärker beeinträchtigen. Anstatt pauschal auf die
Zahl der Mastennutzerlnnen
abzustellen, hätte die Abstufung des Steuersatzes nach der
Sendeleistung erfolgen müssen. So hätte der Gesundheitsfaktor (niedrige
Sendeleistung =
niedrige Besteuerung) berücksichtigt
werden können.
Der bundesgesetzliche
Versorgungsauftrag der NetzbetreiberInnen ist unzureichend
geregelt. So besteht
für UMTS nur eine Verpflichtung zu einer 50 %igen Netzabdeckung
(gemessen an der Bevölkerung), sodass
periphere Regionen ohnehin nur unzureichend
versorgt werden. Dieser Nachteil wird
jetzt für den ländlichen Raum in Niederösterreich
weiter verschärft. Die
NetzbetreiberInnen werden in weniger dicht besiedelten Gebieten
Handystationen verstärkt auf ihre Wirtschaftlichkeit hin prüfen, in
Randlagen droht durch
Abschaltungen eine weitere Verschlechterung
der Versorgung. Die Handymasten werden
aber nicht abgebaut werden, sondern stehen bleiben, da die Steuer auf den Betrieb,
nicht
aber auf die bloße Existenz der Masten abstellt. Kein Mast wird abgebaut
werden, da die
Investitionskosten bereits getätigt wurden
und das Gesetz nur auf vier Jahre befristet
beschlossen worden ist.
Das Gesetz dürfte verfassungs- und
europarechtswidrig sein. Die NetzbetreiberInnen haben
bereits rechtliche Schritte angekündigt.
Die RTR hat ein Rechtsgutachten in Auftrag erstellen
lassen.
Folgende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen:
+ Das Gesetz
torpediert die bundesgesetzlich verankerten Regulierungsziele (§ 1 TKG 2003)
und steht daher in
einem Spannungsverhältnis zum Bundesstaatsprinzip.
+ Sendeanlagen
(EVN, ÖBB, Behördenfunknetz...) werden ohne sachliche Rechtfertigung
von der Steuer
ausgenommen, was gleichheitswidrig sein dürfte.
+ Selbst bei Zusammenlegung von
Handymasten des vorgegebenen Ziels fällt die Steuer in
beträchtlicher - die Betriebs- und Mietkosten weit übersteigender Höhe - an,
was einem
unverhältnismäßigen Eigentumseingriff bedeutet.
+ Etliche Bestimmungen
sind derartig unbestimmt, dass nicht hinreichend determiniert ist,
wie die Steuer zu
berechnen ist.
Derzeit sind schon zwei Verfahren wegen
ähnlich gelagerter Steuern belgischer Gemeinden
(in bedeutend geringerer Höhe) beim Europäischen Gerichtshof anhängig. In
seinem bereits
vorliegenden Schlussantrag, dem der
Gerichtshof in aller Regel folgt, sieht der
Generalanwalt in einer Steuer einer
Gemeinde, mit der die Infrastruktur für
Mobilkommunikation belastet wird, einen Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht.
Neben verfassungsmäßigen, finanz-, Standort- und
wirtschaftspolitischen Bedenken gilt es
vor
allem im Sinne des Vorsorgeprinzips gesundheitliche Aspekte bei steuerlichen
Maßnahmen
zu bedenken. Gesundheitspolitisch ist die Regelung kontraproduktiv, da -
soweit
die Regelung überhaupt greift, die Strahlungen der Handymasten erheblich
zunehmen
wird.
In den letzten Jahren häufen sich die Proteste von Bürgerinnen und
Bürgern gegen
Mobilfunk-Sendeanlagen,
die - oft ortsplanerisch äußerst unglücklich - in unmittelbarer
Nähe
von Schulen oder Wohngebieten positioniert werden.
Den Bürgerinitiativen
geht es dabei um befürchtete Schäden durch die gewählte Position.
Die Häufung von Sendeanlagen auf einem
Masten führt zu einer erhöhten, kulminierenden
Belastung der AnrainerInnen mit elektromagnetischer Strahlung. Dies
widerspricht den
Empfehlungen des Obersten Sanitätsrats, der eine Minimierung der Exposition und
eine
Einbindung der AnrainerInnen in die Standortentscheidung in einer Resolution
vorschlägt.
Ebenso widerspricht dieses Anhäufung von
Sendeanlagen dem § 73 Abs. 2
Telekommunikationsgesetz, durch den
der Schutz menschlicher Gesundheit zu
gewährleisten ist.
Außerdem wäre entsprechend der Vorgangsweise in Italien,
die gemeinsame Planung der
Standorte durch Betreiber, Gemeinden und
AnrainerInnen dringend erforderlich. Dazu
könnte auch vom Land Niederösterreich die entsprechende Software
angekauft werden.
Die Bundesregierung hat nun die
Möglichkeit, durch einen Einspruch die rechtlich höchst
zweifelhafte
Vorgangsweise des Landes Niederösterreich zu beheben. Nach einem solchen
musste der Landtag nach § 9
Finanz-Verfassungsgesetz einen Beharrungsbeschluss fassen.
Danach würde ein gemeinsamer Ausschuss
aus Nationalrat und Bundesrat, der bei
Landesabgaben eine absolute Vetomöglichkeit hat, endgültig entscheiden.
Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende
ANFRAGE:
1.
Wann
haben Sie vom niederösterreichischen Sendeanlageabgabengesetz Kenntnis
erlangt? Wann wurde der Gesetzesbeschluss
dem Bundeskanzleramt übermittelt und
bis wann läuft die Einspruchsfrist der Bundesregierung?
2.
Werden Sie im Ministerrat einen Antrag auf Einspruch der
Bundesregierung gegen
das niederösterreichische Gesetz stellen? Wenn ja, in welcher
Ministerratssitzung?
3.
Ist Ihnen das Gutachten der RTR zur
niederösterreichischen Sendeanlagenabgabe
bekannt?
4.
Welche rechtlichen Bedenken bestehen nach Ansicht Ihres
Ressorts gegen das
Gesetz, insbesondere
auch nach dem TKG und in europarechtlicher Hinsicht?
5.
Halten Sie die niederösterreichische Regelung für ein
taugliches und adäquates Mittel
gegen den Wildwuchs von Handymasten?
6.
Ist Ihnen bekannt, ob andere Bundesländer ähnliche
Steuern auf Mobilfunkanlagen
planen? Wenn ja, um
welche Länder handelt es sich? Liegen Ihnen dazu bereits
nähere Angaben vor?
7.
Welche Auswirkungen wird die niederösterreichische
Steuer auf den Ausbau des
Mobilfunknetzes
haben? Droht eine Verschlechterung der Versorgungslage,
insbesondere im ländlichen Raum?
8.
Liegen Schätzungen vor, welche finanziellen Auswirkungen
die Handysteuer auf die
KonsumentInnen haben wird? Wäre eine Überwälzung der finanziellen Belastung auf
die
MobiltelefonkundInnen zulässig und könnte eine Überwälzung allein auf
KundInnen, mit Wohnsitz in Niederösterreich erfolgen?
9.
Gibt es in Europa vergleichbare Besteuerungsmodelle?
Wenn ja, hat es Schritte der
EU
dagegen geben?
10.
Welche konkreten Maßnahmen haben Sie gesetzt, um den
bekannten Forderungen
des Obersten
Sanitätsrates hinsichtlich „Verortung" und „Strahlungsminimierung"
nachzukommen?
11.
Werden Sie bundesgesetzliche Initiativen auf Erlassung
von Grenzwerten setzen, die
dem Stand der Technik
und dem Minimierungsgebot entsprechen und zu einer
geringst möglichen Exposition der Bevölkerung durch hochfrequente Strahlung von
Sende- und Empfangsgeräten führen sollen?
12.
Werden Sie sich für die Einführung EU-weit geltender
Grenzwerte einsetzen, welche
dem Stand der Technik
und dem Minimierungsgebot entsprechen?
13.
Werden
Sie sich für eine bestmögliche Aufklärung der Bevölkerung über die
möglichen gesundheitlichen Auswirkungen nach dem derzeitigen Stand der
Wissenschaft sorgen und gegebenenfalls über
gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen
informieren?
14.
Werden Sie Initiativen zur Erforschung hochfrequenter
Strahlung mittels qualifizierter
wissenschaftlicher
Studien vorantreiben, um auf mögliche gesundheitliche
Auswirkungen reagieren zu können und einen wissenschaftlicher Beirat hierzu
einzurichten, welchem auch
mobilfunkkritische WissenschafterInnen angehören?
15.
Werden
Sie in Abstimmung mit den Ländern Initiativen zur Verbesserung der
regionalen Mitbestimmungsmöglichkeiten
erarbeiten, damit AnrainerInnen, potenziell
von den Anlagen Betroffenen sowie den Standortgemeinden im Verfahren zur
Errichtung von Mobilfunkanlagen Parteistellung eingeräumt wird?
16.
Der
Obmannes des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie, Siemens
Chef Albert Hochleitner, hat davor gewarnt, dass - sollte eine derartige Steuer
bundesweit Schule machen - den Netzbetreibern Kosten von rund einer halben
Milliarde Euro entstehen würden. Dies
entspräche dem jährlichen Investitionsvolumen
der Netzbetreiber. Die Folgen wären weniger Aufträge, weniger Jobs und
höhere
Tarife für die Kunden. Teilen Sie diese Kritik und Befürchtungen?
17.
Die Arbeiterkammer kritisiert die geplante
Handymastensteuer in Niederösterreich als
"wirtschaftspolitisch
völlig verfehlt". Eine solche Steuer verzerre die
Marktverhältnisse, führe zu weniger
Investitionen beim Infrastrukturausbau, gefährde
Arbeitsplätze in der Mobilfunkbranche und gehe zu Lasten einer
schlechteren
Versorgung im ländlichen Raum. Die AK befürchtet, dass letztendlich die
Handymastensteuer auf die KonsumentInnen überwälzt wird. Sie sei
wettbewerbsverzerrend, weil neuere und
kleinere Anbieter mit weniger KundInnen in
der Anfangsphase durch die Steuer überproportional belastet werden
würden. Wenn
noch mehr Bundesländer dem schlechten Beispiel Niederösterreichs folgen
sollten,
könne das die KonsumentInnen mit bis zu 80 Euro pro Jahr belasten. Teilen Sie
diese Kritik?