2379/J-BR/2006

Eingelangt am 09.02.2006
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Dringliche Anfrage

gem. § 61 Abs. 3 GO-BR

 

 

der Bundesräte Prof. Konecny

und GenossInnen

an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

betreffend Verdacht auf zweckwidrige Verwendung von öffentlichen Geldern im Sozialministerium zu Gunsten einer politischen Partei

 

 

Unter dem Titel „Seid umschlungen, Millionen“ berichtet der Kurier vom Mittwoch, 8. Februar 2006, über unglaubliche Vorgänge im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz. „Wenn jetzt der Rechnungshof prüft, dann fliegt die gesamte Geschichte in die Luft, raunen sich Kabinettsmitglieder von Sozialministerin hinter vorgehaltener Hand zu. Manch einer klagt seinem Kollegen schon über Schlafstörungen.“ (so wörtlich der Kurier)

 

Weiters berichtet der Kurier, dass die Werbe-Kampagne mit dem Slogan „Zukunft soziales Österreich“ frappant an einen Werbeauftritt des BZÖ erinnere und weit mehr als bisher bekannt, nämlich 4,2 Millionen Euro (also 57,8 Millionen Schilling), koste. Auf der einen Seite beklage man im Ministerium intransparente Abrechnungen, auf der anderen Seite wird im Kabinett der Ministerin darüber geredet, dass ein Teil der Kampagnen-Gelder den Orangen zugute gekommen sei. So solle mit dem Werbegeld der BZÖ-Gründungskonvent mitfinanziert worden sein. „Das ist ein Selbstbedienungsladen per excellence“, heißt es, so der Kurier.

 

Darüber hinaus seien 300.000 Info-Folder statt in den Postkästen der Senioren im Abfall gelandet. Grund: Der Schriftzug „Zukunft soziales Österreich“ fehlte auf den Broschüren.

 

In der Sektion I des Sozialministeriums klage man über die Art der Verrechnung der Gelder. Die Abrechnungen der TV-Spots und Inserate der Kampagne seien so allgemein gehalten, dass eine lückenlose Nachprüfbarkeit nicht gegeben sei.

 

Da das Thema „Regierungswerbung“ immer brisanter wurde, hat der Rechnungshof ein Regulativ aufgestellt, wie diese Regierungswerbung gestaltet werden soll. So sollen insbesondere die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beachtet werden, Sachinhalte müssen im Vordergrund, die werbende Form nur im Hintergrund stehen und jedenfalls muss bei den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck einer werbenden Einflussnahme zu Gunsten einer Partei vermieden werden.

 

Die gegenständliche Kampagne des Sozialministeriums widerspricht diesen Richtlinien des Rechnungshofes. Es wurde weder die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beachtet, noch stehen Sachinhalte im Vordergrund und besonders auffällig ist, dass durch die farbliche und optische Gestaltung der Kampagnen das BZÖ als politische Partei beworben wird. Die Farbe Orange zieht sich durch das gesamte Layout, sogar so weit, dass eine arme Schwangere in oranger Umstandsmode posieren muss. Es ist natürlich, dass die Pensionistin in der Kampagne einen orangen Pullover tragen muss und auch der lächelnde Rentner ein oranges Hemd trägt. Was die wahrscheinlich teuersten Teile der Kampagne betrifft, nämlich die TV-Spots, so ist bei manchen überhaupt kein Inhalt mehr zu finden, wie man sich auf der Homepage des Sozialministeriums überzeugen kann.

 

Die Kampagne selbst verdrängt das Logo und den Namen des Ministeriums und mit dem Titel „Zukunft soziales Österreich“ werden zwei Drittel des Namens des BZÖ: „Bündnis Zukunft Österreich“ verwendet. Damit wird ein eindeutiger Parteibezug hergestellt.

 

Dies verwundert auch nicht, da Jörg Haider bei der Gründung der Orangen meinte, dass die neue Partei keine Bürokratie aufbauen müsse: „Wir finden momentan das Auslangen mit dem Apparat der Regierungsmitglieder.“ Eine Aussage, bei welcher auch der Bundeskanzler hellhörig hätte werden müssen. Es ist daher auch von Interesse, ob der Bundeskanzler über diesen 4,2 Millionen Euro-Auftrag informiert war und ob er diese unglaubliche Vorgangsweise aus Koalitionsräson zugelassen hat.

 

Die Vorgänge im Sozialministerium sind jedoch symptomatisch. Eine ums Überleben ringende Partei verwendet alle Möglichkeiten und Mittel, um durch die zweckwidrige Verwendung von Steuermittel sich und die Tätigkeit der Partei zu finanzieren, wobei selbst die sensibelsten politischen Bereiche nicht verschont bleiben: Am 5. Februar 2006 hat der von Bundesministerin Haubner neu bestellte Behindertenanwalt Herbert Haupt der Kleinen Zeitung ein Interview gegeben. Obwohl gemäß § 13c des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes der Behindertenanwalt seine Aufgaben völlig unabhängig und insbesondere unabhängig von politischen Parteien zu erfüllen hat, führte Haupt in diesem Interview aus: „Ich garantiere, dass das BZÖ im nächsten Parlament sein wird und ich werde alles dazu beitragen, dass das gelingen wird.“ Damit wird ersichtlich, dass Haupt auch sein Amt als Behindertenanwalt für die Bewerbung einer politischen Partei einsetzen wird.

 

Damit hat Haupt gezeigt, dass er ebenso wie der „legendäre“ Volksanwalt Stadler nicht in der Lage ist, eine öffentliche Funktion auszuüben, bei welcher eben eine parteipolitische Unabhängigkeit Basis zur Ausübung dieser Funktion ist.

 

Im Gegensatz zur verfassungsrechtlichen Diskussion über die Abberufung eines Volksanwaltes, welche in der Verfassung nicht vorgesehen und daher nicht möglich ist, hat gem. § 13d Abs. 4 die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz den Behindertenanwalt von seiner Funktion zu entheben, wenn dieser die Pflichten seiner Funktion vernachlässigt. Durch die eigene Aussage, er werde alles dazu beitragen, das BZÖ zu unterstützen, ist die Pflichtverletzung von ihm selbst unterstrichen worden.

 

Die Mitglieder der Bundesregierung sind auf die österreichische Verfassung sowie alle anderen Gesetze angelobt. Eine der bedeutsamsten Aufgaben der Mitglieder der Bundesregierung besteht darin, die ihnen für ihre Arbeit zur Verfügung gestellten öffentlichen Gelder mit äußerster Sparsamkeit und unter voller Beachtung der gesetzlichen Vorschriften sowie der Kontrollregeln des Rechnungshofes zu verwenden. Der gröbste vorstellbare Verstoß ist, dass ein Mitglied der Bundesregierung solche Gelder verwendet, um sich selbst zu bereichern. Doch gleich nach diesem Tatbestand folgt der zweckwidrige Einsatz von öffentlichen Mitteln zur Finanzierung von politischen Parteien. Hier gilt es, auf die strengste Einhaltung aller Vorschriften und Regeln zu achten. Dabei darf es kein, nicht einmal das geringste Augenzwinkern – wie „Orange ist halt eine schöne Farbe“ – geben.

 

Die bisher bekannten Sachverhalte führen zu begründeten Bedenken, ob tatsächlich im Sozialministerium und insbesondere durch Bundesministerin Haubner diese Normen vollinhaltlich beachtet wurden. Es ist daher alles zu unternehmen, um diese Sachverhalte aufzuklären. Es müsste der Rechnungshof von Amts wegen prüfen, es müsste sich auch die Staatsanwaltschaft dieser Sache annehmen. Und sollten die Bedenken nicht ausgeräumt werden können, dass im Sozialministerium eine politische Partei durch öffentliche Gelder zweckwidrig finanziert wurde, und eine solche Finanzierung liegt auch dann vor, wenn eine politische Partei durch zweckwidrigen Mitteleinsatz beworben wurde und wird, hat Bundesministerin Haubner die notwendigen politischen Schritte, das kann nur der Rücktritt sein, und die notwendigen rechtlichen Schritte wie eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft umgehend zu setzen.

 

 

Daher stellen die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz folgende

 

Anfrage:

 

1.             Haben Sie oder Ihr Ministerium einen Rahmenvertrag mit einer Agentur über
3,556.000,- Euro zuzüglich Umsatzsteuer (rund 4,2 Millionen Euro) für eine Werbeoffensive (Informationskampagne des Sozialministeriums) abgeschlossen, wie dies von Ihrem Sprecher bestätigt wurde und von welchem Teile in Faksimile im Kurier vom 8. Februar 2006 abgedruckt wurden?

2.             Wann wurde dieser Vertrag abgeschlossen?

3.             Wer ist Vertragspartner des Sozialministeriums?

4.             Was ist Vertragsgegenstand?

5.             Sind Ihnen die Ausführungen des Rechnungshofes zu Informations- und Werbemaßnahmen der Bundesregierung bekannt?
Warum haben Sie sich für eine Werbekampagne entschieden, die in mehreren Punkten diesen Ausführungen des Rechnungshof widerspricht?

6.             Wann haben Sie von dieser Werbekampagne den Koalitionspartner ÖVP informiert?
Wen haben Sie davon informiert?
Welche Reaktionen haben Sie von ÖVP-Vertretern dazu erhalten?
Was hat Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu dieser Werbekampagne als Chef der Bundesregierung festgestellt, hat er diese genehmigt?

7.             Handelt es sich bei diesem Vertrag um einen Rahmenvertrag?
Wenn ja, welche Rechnungen in welcher Höhe wurden bisher anerkannt?

8.             Für welche Leistungen – im Detail dargestellt – wurden bisher Rechnungen aus dieser Kampagne resultierend anerkannt?

9.             Sind Sie wie Beamte der Sektion I auch der Meinung, dass die Abrechnungen so allgemein gehalten sind, dass eine Überprüfung im Detail nicht möglich ist?

10.         Ist es richtig, dass eine große Zahl an Infofoldern (angeblich 300.000) eingestampft wurde, weil der Schriftzug „Zukunft soziales Österreich“ auf den Broschüren fehlte?

11.         Wer hat dies angeordnet?

12.         Welche Kosten sind daraus entstanden?

13.         Wer hat die Gestaltung, Umsetzung und das Layout für das orangene Logo der Kampagne entwickelt?

14.         Welche Kosten sind dafür entstanden?

15.         Waren diese Kosten Teil des Rahmenvertrages oder wurde dafür ein eigener Vertrag abgeschlossen?

16.         Welche Aufträge für Informationskampagnen, Anzeigen, Werbespots wurden von Ihnen oder Ihrem Ressort seit 4.4.2005 erteilt?

17.         Welche Gesamtkosten sind dafür entstanden?

18.         Können Sie es unter Wahrheitspflicht vor dem Bundesrat ausschließen, dass irgendwelche öffentlichen Mittel Ihres Ressorts für Parteiveranstaltungen des BZÖ (z.B. der BZÖ-Gründungskonvent in Oberösterreich) geflossen sind?
Wenn nein, welche Mittel Ihres Ressorts wurden für Parteizwecke verwendet?

19.         Wie viele MitarbeiterInnen sind in Ihrem Büro und im Büro des Staatssekretärs Dolinschek mit 1. Februar 2006 beschäftigt?

20.         Wie sind diese jeweils eingestuft?

21.         Gibt es Arbeitsleihverträge?
Wenn ja, mit wem in welcher Höhe?

22.         Welche Kosten für die Beschäftigung dieser MitarbeiterInnen entstehen monatlich für das Ressort?

23.         Jörg Haider hat ausgeführt, dass das BZÖ keine Bürokratie aufbauen müsse, denn man finde momentan mit dem Apparat der Regierungsmitglieder das Auslangen.
Können Sie ausschließen, dass einer dieser Mitarbeiter in Ihrem Büro oder im Büro des Staatssekretärs in der Dienstzeit für eine politische Partei z.B. das BZÖ tätig wurde?
Wenn nein, welche Parteitätigkeiten wurden von diesen Personen seit Gründung des BZÖ gesetzt, wie viele Stunden der Dienstzeit sind dafür angefallen?

24.         Ist nach dem Gesetz die Tätigkeit des Behindertenanwaltes eine solche, die parteiunabhängig zu führen ist?
Wenn ja, wie beurteilen Sie als zuständige und zur Abberufung ermächtigte Ministerin die Aussagen des Behindertenanwaltes, dass er alles dazu beitragen werde – also auch seine Möglichkeiten als Behindertenanwalt -, dass das BZÖ im nächsten Parlament vertreten sei?

 

 

Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO-BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.