2401/J-BR/2006
Eingelangt am 11.05.2006
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Dringliche Anfrage
gem.
§ 61 Abs. 3 GO-BR
der
Bundesräte Lindinger
und
GenossInnen
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend
Gesetzes-Pfusch bei Brieffachanlagen
Mit
25. April 2006 kippte der Verfassungsgerichtshof die völlig verpfuschte
Gesetzgebung der österreichischen Bundesregierung und ihrer Mehrheit von
Abgeordneten im Nationalrat hinsichtlich des Austausches der Briefkästen.
Die
österreichischen Verfassungsrichter kommen damit zu jenem Urteil, das die SPÖ
schon vor Monaten erkannt und auch in einen eigenen Gesetzesantrag (Antrag
773/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gradwohl, Eder und GenossInnen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997 geändert wird)
gegossen hat: Die Brieffächer müssen von jenen bezahlt werden, die von der
Nachrüstung profitieren, nämlich von den Anbietern privater
Postdienstleistungen.
Da
die meisten Brieffachanlagen im Eigentum der Österreichischen Post AG standen,
hatte bislang nur der Universaldienstbetreiber Zugang zu seinen
Hausbrieffachanlagen – meist im Innenbereich eines Hauses. Dies wurde mit der
Novelle zum Postgesetz 2003 – trotz zahlreicher rechtlicher Bedenken - geändert, um, wie das Ministerium
betonte, „Chancengleichheit im Wettbewerb“ zu schaffen. Jeder Postbetreiber –
und nicht nur der Universaldienstbetreiber – sollte mit dieser gesetzlichen
Neuregelung einen Zugang zu allen Brieffachanlagen eines Hauses erhalten.
Mit
einer weiteren Novelle zum Postgesetz wurden 2005 die
Verwaltungsstrafbestimmungen verschärft, um diese Regelungen durchzusetzen. Wer
entgegen dem Postgesetz keine Brieffachanlage errichtet oder nicht dafür sorgt,
dass eine bestehende Hausbrieffachanlage den Anforderungen des Postgesetzes
entspricht, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldsstrafe
bis zu 30.000 € zu bestrafen. Wer nicht umrüstet, hat mit Anzeigen –
insbesondere von den privaten Postdienstleistern - zu rechnen. Die privaten
Dienstleister hätten zivilrechtlich überdies noch die Möglichkeit,
Schadenersatzforderung gegen säumige Gebäudeeigentümer geltend zu machen.
Neben
zahlreichen Befürchtungen hinsichtlich überfüllter Postkästen durch enormes
Werbeaufkommen sowie hinsichtlich der Wahrung des Postgeheimnisses bedingt
durch zu große Einwurfschlitze der neuen Hausbrieffachanlagen und des daraus
resultierenden Diebstahlrisikos, blieb auch rechtlich völlig ungeklärt, wer die
Kosten der Umrüstung bzw. des Austausches letztlich zu tragen hat.
Die
zentrale Schwachstelle der Postgesetznovelle 2005 war, dass die Verpflichtung
der Gebäudeeigentümer zur Kostentragung für den Ersatz der bisherigen
Post-Hausbrieffachanlagen nicht durch die Einführung eines
„wettbewerbsneutralen“ Modells berichtigt wurde. Das führte zu der Konsequenz,
dass zahlreiche Anbieter von Hausbrieffachanlagen auf den Markt drängten und
dieses Angebot der Umrüstung auf neue, bis zum 25. April 2006 gesetzeskonforme
Postkästen von einem großen Teil der österreichischen Haus- und
Wohnungseigentümer angenommen wurde. Diese wurden auch durch die – im Vergleich
zu anderen Rechtsmaterien – unverhältnismäßig hohe Strafdrohung von bis zu
30.000 € zu dieser Verhaltensweise genötigt.
Durch
die gesetzliche Regelung samt Verwaltungsstrafe waren auch die Hausverwaltungen
angehalten, den von ihnen vertretenen Hausbesitzern die Umstellung bis zum
Stichtag dringendst anzuraten und eine entsprechende Neuinstallation von
Brieffächern durchzuführen. Bereits während dieser Umstellungsphase war klar,
dass sich die österreichische Bundesregierung weiterhin weigern wird, die
Kosten der neuen Hausbrieffachanlagen den davon ausschließlich profitierenden
privaten Postdienst-Anbietern anzulasten.
Betroffene
Hauseigentümer haben nun mittels Individualantrag beim VfGH eine Überprüfung
des Postgesetzes angestrebt, da durch die gesetzliche Verpflichtung der
Auswechslung von Brieffachanlagen in das verfassungsrechtlich gewährleistete
Eigentumsrecht eingegriffen wird. Nunmehr wurde den Antragstellern durch den
Verfassungsgerichtshof Recht gegeben.
Lange
vor dieser Individualbeschwerde an den VfGH wurde seitens der SPÖ darauf
hingewiesen, dass der aufoktroyierte Tausch der Brieffachanlagen einen
zentralen Eingriff in das Eigentum der Liegenschaftsbesitzer darstelle, wobei
davon auszugehen war, dass die Umrüstkosten nach einer Schätzung der Post
AG Gesamtkosten zwischen 70 und
100 Mio. € hervorrufen werden. Durch den gegebenen gesetzlichen Zwang wurde nunmehr
auf Grund der verfassungswidrigen Regelung ein großer Teil der
Hausbrieffachanlagen auf Kosten der Wohnungs- und Hauseigentümer umgetauscht –
eine Maßnahme, die seit 25. April 2006 als völlig sinnlos erachtet werden muss.
Verschuldet
wurden diese unnötigen Zahlungen der betroffenen ÖsterreicherInnen sowie die
Kosten der Briefkastenerzeuger und –hersteller durch einen enormen
Gesetzes-Pfusch des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie
sowie der Unterstützung dieses Gesetzesantrages durch die
Regierungsabgeordneten im Österreichischen Nationalrat, aber auch durch die
Bundesräte der Regierungsfraktionen.
Unklar
ist, wie nun der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie mit der
vorhandenen Situation umgehen wird, dass in Österreich nunmehr zwei Arten von
Briefkästen existent sind, nämlich Briefkästen im Eigentum der Österreichischen
Post AG und Briefkästen im privaten Eigentum. Welche Auswirkung diese
Gegebenheit für die Wartung und die Reparatur möglicher Schäden an den
Hausbrieffachanlagen mit sich bringt, ist bisher noch völlig offen. Der
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie schweigt auch
hinsichtlich des Schicksals bereits abgeschlossener Wartungsverträge mit
privaten Unternehmen sowie über weitere Pläne der Österreichischen Post AG. Ebenso gibt es keinen Lösungsvorschlag
für eine verfassungskonforme Regelung und überhaupt entsteht der Eindruck einer
Untätigkeit in Bezug auf dieses exorbitante Problem sowohl durch Bundesminister
Gorbach sowie der gesamten Bundesregierung.
Im
Gegensatz dazu haben die privaten Postanbieter bereits absurde Lösungen
öffentlich vorgeschlagen. So sollten nach Redmail, dem größten alternativen
Postanbieter, alle bei der obersten Postbehörde registrierten Anbieter einen
Schlüssel zu den alten Postkästen bekommen. Sollte der Gesetzgeber nicht rasch
reagieren, wird sogar mit einer Beschwerde bei der Europäischen Kommission
gedroht. Die Umsetzung dieser Lösung würde allerdings einen noch größeren
Eingriff in das Recht auf Eigentum und das Recht auf Pirvatheit darstellen, das
Postgeheimnis wäre in keiner Weise mehr geschützt.
Aus
diesem Grund richten die unterzeichneten Bundesräte an den Bundesminister für
Verkehr, Innovation und Technologie nachstehende
Anfrage:
1.
In
welcher Höhe wurden nach den Berechnungen Ihres Ressorts durch den von Ihnen
vorgelegten Gesetzesentwurf, der am 25. April 2006 vom Verfassungsgerichtshof
aufgehoben wurde, Kosten für private Liegenschaftseigentümer verursacht?
2.
Wer
wird die Kosten für diese bereits installierten Hausbrieffachanlagen tragen?
3.
Wer
soll zukünftig Eigentümer dieser bereits installierten Hausbriefanlagen sein?
4.
Aus
welchem Grund gibt es von Ihrer Seite keinen Vorschlag zur Neuregelung der vom
Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Rechtsnormen?
5.
Wie
beurteilen Sie als zuständiger Ressortminister die Vorschläge der Opposition,
insbesondere den bereits am 25.1.2006 im Nationalrat eingebrachten Antrag der
SPÖ zur Änderung des Postgesetzes, dessen Umsetzung Ihnen die Blamage vor dem
VfGH erspart hätte?
6.
Wie
beurteilen Sie als zuständiger Ressortminister den Vorschlag von Redmail,
wonach sämtliche private Postanbieter nunmehr auch einen Schlüssel zu den
alten, noch nicht umgerüsteten Postkästen bekommen sollen?
7.
Wie
beurteilen Sie diesen Vorschlag insbesondere aus der grundrechtlichen Sicht?
8.
Haben
Sie zu diesem Thema Rechtsgutachten, Studien oder andere wissenschaftliche
Arbeiten bestellt?
Wenn ja, wie lauten diese und wer hat diese verfasst?
9.
Wurde
von Ihnen eine Informationshotline für besorgte Postkunden errichtet?
10.
In
welcher Form wurde die österreichische Bevölkerung von der
Verfassungswidrigkeit von Teilen des österreichischen Postgesetzes, den daraus
resultierenden Konsequenzen durch Ihr Ressort informiert?
11.
Bis
zu welchem Zeitpunkt werden Sie eine Neuregelung der Materie dem
österreichischen Parlament vorlegen und welchen Inhalt wird diese haben?
12.
Werden
Sie den Entwurf in das Begutachtungsverfahren senden?
Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?
13.
Werden
die betroffenen Postkunden die frustrierten Aufwendungen für die unnötigen
Umrüstkosten steuerlich geltenden machen können?
14.
Bestehen
Schadenersatzansprüche sowohl der Postkunden als auch der
Briefkästenerzeugungsunternehmen gegenüber der Republik Österreich?
Wenn ja, welche auf welcher Rechtsgrundlage basierend und in welcher Höhe?
Wenn nein, warum nicht?
15.
Haben
Sie nun endlich aus diesem Verfassungsgerichtshoferkenntnis gelernt und was
werden Sie konkret unternehmen, um die sich in Ihrem Ressort immer häufiger
auftretenden Pannen und Gesetzespfusch-Aktionen zu vermeiden?
Unter einem
wird gem. § 61 Abs. 3 GO - BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die
Tagesordnung dringlich zu behandeln.